Melpomene
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Melpomenes Bücher
Zur BibliothekRezensionen und Bewertungen
Bewertung zu "Catherine House: 'One of the most gripping books I've read this year'" von Elisabeth Thomas
Bewertung zu "The It Girl: The deliciously dark new thriller from the global bestseller" von Ruth Ware
Bewertung zu "The Seven Husbands of Evelyn Hugo" von Taylor Jenkins Reid
Bewertung zu "Their Lost Daughters: Audible's breakthrough crime author of 2018" von Joy Ellis
Ich habe dieses Hörbuch heruntergeladen, weil alle meine Guthaben aufgebraucht waren und es kostenlos angeboten wird. Für diesen Preis wurde ich nicht enttäuscht: V.a. Richard Armitages Stimme macht es zu einem überwiegend angenehmen Hörbuch. Der Krimi an sich ist solide bis mittelmäßig: Die Prosa hat mich nicht gestört, die Charaktere sind so ausreichend differenziert, dass ich sie auseinanderhalten konnte, und der Fall baut sich langsam, Schritt für Schritt bis zur Auflösung auf. Mir hat gut gefallen, dass die Auflösung das Ergebnis von guter Team-Arbeit der Ermittler:innen ist; von einsamen genialen lone wolf Ermittlern habe ich momentan ganz schön die Nase voll.
Gestört habe ich mich allerdings ein wenig an der Psychologie des Falls (d.h., der Täter:innen und der Auflösung): Die Opfer sind unschuldige, junge, beschützenswerte junge Frauen; die Täter:innen sind psychologisch durch massive Misshandlung irreparabel geschädigte Monster, die bereits von Anfang an bedrohlich, manipulativ und/oder schlicht gruselig. Dieser Kurzschluss - Misshandlung macht einen Menschen zum Monster - bedient m.E. ein schädliches, überholtes Stereotyp, das es viktimisierten Leuten erschwert, unstigmatisiert ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Das zeigt sich für mich v.a. darin, dass nicht etwa die strukturell fehlende Wiedereingliederung der misshandelten Kinder nach dem Tod ihrer Eltern an den Pranger gestellt wird, sondern sich die Ermittlungs-Aggression gegen sie als "Monster, die man direkt hätte einsperren müssen" richtet. Ich bin mir sicher, dass es Täter:innen-Profile wie diese tatsächlich gibt, erhoffe mir von meinen Krimis aber experimentellere, kritischere Auflösungen als diese und fand sie beim Lesen irritierend mitleidslos.
Die folgenden Fälle werde ich mich daher eher nicht anhören.
Empfehlen würde ich das Hörbuch Hörer:innen, die gern solide Krimis, die nicht allzu spannend sind, nebenbei hören und die sich eher über eine schöne Stimme und angenehme Prosa mehr freuen als über einen inhaltlich interessanten Fall, der mit Lese-Erwartungen spielt oder ein Puzzel, das sie selbst mitlösen können.
Bewertung zu "One by One: The breath-taking thriller from the queen of the modern-day murder mystery" von Ruth Ware
Alle Aspekte dieses Krimis wirken vorgekaut und durchgewunken; ich fand das Leseerlebnis daher ziemlich langweilig und frustrierend. Sprachlich strotzt es vor klischeehaften Wendungen ("The thing is, he's right." / "[hier Krimi-Klischee einsetzen, z.B. dass Täter/Täterin mit ruhiger Stimme spricht], and that's even scarier/worse" / uvm.) bis hin zu Ungenauigkeiten, gemischten Metaphern und einfachen Fehlern (z.B. "She sees her literally put two and two together" in einem Moment, in dem die beschriebene Figur nicht zwei plus zwei rechnet, sondern etwas über den Mordfall herausfindet.), die m.E. in einem guten Lektorat bearbeitet hätten werden müssen.
Die Notwendigkeit der Snoop-Account-Infos zu Beginn jedes Erzählabschnitts erklärt sich mir bis zum Ende nicht. Sie sind auf Dauer schlicht repetitiv da Erins und Liz' Geräte schließlich für mehr als die Hälfte des Buchs offline sind und sich die Infos nicht ändern. Im Fall von Liz' Account-Infos komplett die Spannung aus der Episode, in der Erin Elliots Handy durchsucht und durch die Geo-Location-Daten herausfindet, dass Liz Avas Mörderin ist, genommen. Hätten die Leser:innen nicht bereits gewusst, wer Anon101 ist, hätten wir es mit Erin in diesem Kapitel herausfinden können.
(Diese Art von) Informationsüberschuss ist m.E. das größte Problem dieses Krimis, insofern, dass damit von Beginn an vieles an Spannungsaufbau verhindert wird. Für mich gab es z.B. keine Spannung was die Identität des Täters/der Täterin angeht: Liz denkt schließlich von Beginn an (und direkt bevor sie Ava ermordet) darüber nach, "was sie zu tun hat" und "ob sie stark genug dafür ist". Wir wissen als Leser:innen, dass sie Annie nachts vor ihrem Tod getroffen hat und erfahren aber nicht, wie Annie unbeschadet zurück in ihr Zimmer gelangt - für halbwegs erfahrene Krimi-Leser:innen ein ganz klares Indiz dafür, dass Liz sie umgebracht hat. Man hätte Liz' Erzählstimme ohne Verlust streichen können und das Buch so kompakter, überflüssige-Längen-freier und spannender machen können. Sie lesen sich wie eine später hinzugefügte Ergänzung, um das Buch künstlich länger zu machen. Da Liz' Geständnis nicht aus ihrer Sicht geschieht, sondern von Erin gehört wird, hätten wir auch so jeden Einblick in ihre Beweggründe. Psychologisch fand ich es nämlich schon recht interessant, den Mörder/die Mörderin als eine Figur zu schreiben, die viktimisiert wurde und sich dank dieser Erfahrung so unselbstmächtig fühlt, dass sie nicht in der Lage ist, Verantwortung für ihre schrecklichen Taten zu übernehmen. Diese Infos wurden aber genauso auch aus Erins Perspektive klar.
Die Taten an sich fand ich ebenfalls extrem unglaubwürdig in ihrer Durchführung. Das Gelingen des ersten Mords ist zugleich von exakter Planung (Liz muss die Ski-Jacke, die Ava auch hat, versteckt mit ins Chalet bringen und sie unter ihrer eigenen Ski-Kleidung auf dem Ausflug verstecken) sowie von absurden Zufällen (riskante Wetterbedingungen, die dazu führen, dass bestimmte Wege nicht befahrbar sind; Aufteilung der Gruppe auf bestimmte Wege in bestimmten Gruppen, die zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten sind und Liz sehen/nicht sehen; Auswahl eines Skiresorts als Domizil, in dem Liz sich gut auskennt, für den Firmen-Ausflug, auf den Liz als Externe absolut keinen Einfluss gehabt haben kann; Ava, die seit ihrer Kindheit Ski fährt, nutzt immer noch nur die eine Ski-Jacke, die Liz ihr gekauft hat) abhängig.
Auch die Charaktere fand ich kaum wiedererkennbar in ihrer Generalität (ich habe fast bis zum Schluss Rick und Carl nicht wirklich auseinanderhalten können). Die Natur von Snoop hat leider überhaupt keinen Einfluss auf die Handlung; es hätte jedes andere Tech-Start-up sein können. Die Figuren werden von Erin und Liz mehr wie Trustfund-Babes als Start-up-Leute beschrieben, was ich für den Gruppen-Vibe ziemlich verwirrend fand. Es hat sich gelesen, als wäre der ursprünglich Pitch "Privatschulklassentreffen in einem Chalet" gewesen und dann wäre die Handlung eher in Richtung Unternehmen (Konfliktpunkt buy-out/no buy-out) gestaltet worden, während die Charakterisierungen einfach dieselben geblieben sind (weshalb die Art von Business, die Snoop ist, auch keinen Einfluss auf die Handlung hat, sondern nur als Gimmick zu Beginn der Erzählabschnitte auftaucht).
Long story short: Die +4-Sterne-Bewertung, die die deutsche Übersetzung des Buchs aktuell auf dieser Seite hat, kann ich nicht nachvollziehen. Turn of the Key hat auch seine Schwächen, hat aber unter Beweis gestellt, dass die Autorin definitiv mehr kann.
Über mich
- 08.03.1995
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