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Mendelssohn

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Cover des Buches Das Orchideenhaus (ISBN: 9783442475544)

Bewertung zu "Das Orchideenhaus" von Lucinda Riley

Das Orchideenhaus
Mendelssohnvor 13 Jahren
Rezension zu "Das Orchideenhaus" von Lucinda Riley

Julia Forrester, begnadete Pianistin, kehrt nach dem Tod ihres Mannes und des gemeinsamen Sohnes zurück nach Norfolk. Bei einer Auktion trifft sie Lord Christopher Wharton wieder, dem nun das Anwesen gehört, auf dem Julias Großeltern über 50 Jahre lang als Dienstboten gearbeitet haben. Als sie auf ein altes Tagebuch stößt, kommt Stück für Stück das streng gehütete Familiengeheimnis ans Licht…

„Das Orchideenhaus“ spielt in zwei Zeitebenen. Die erste dreht sich um Julia Forrester, die zurückgezogen in einem alten Cottage um ihre Familie trauert und sich nach dem Fund des Tagesbuches zu ihrer Großmutter Elsie aufmacht, um mehr über die Geschichte der Lords von Wharton herauszufinden. Diese wiederum springt zurück in die 30er Jahre und beginnt zu erzählen, wie sie zum ersten Mal Olivia Drew-Norris traf, die spätere Lady Wharton, deren Zofe Elsie für den Rest ihres Lebens sein wird. Schnell findet Julia heraus, dass die Geschichte der beiden ungleichen Familien miteinander verbunden sind und entlockt schließlich der Großmutter das wohlgehütete, erschütternde Geheimnis. Aber keine Sorge: Alles wird gut.

Der Anfang des Buches war durchaus vielversprechend, allerdings erinnerten mich Inhalt und Aufbau irgendwann frappierend an Kate Mortons „Der verborgene Garten“, das mir wirklich ausnehmend gefallen hat. Man möchte der Autorin ungern unterstellen, eine gute Idee einfach in etwas abgeänderter Form übernommen zu haben, aber die Parallelen sind überdeutlich. Trotzdem hätte „Das Orchideenhaus“ natürlich ein spannender Roman werden können – ist es jedoch leider nicht. Zu vorhersehbar sind die Entwicklungen, zu konstruiert die zahlreichen Schicksalsschläge, zu langwierig die einzelnen Stränge. Insbesondere der Schluss ist so unglaublich, dass man sich bei Rosamunde Pilcher oder Inga Lindström wähnt.

Die Figuren bleiben merkwürdig leblos und unwirklich, einzig besagte Olivia hat überhaupt Konturen. Alle anderen Charaktere sind beliebig austauschbar; es fehlt ihnen an Tiefe und Glaubwürdigkeit. Es fällt als Leser schwer, für irgendeinen dieser Menschen Sympathie oder Antipathie zu empfinden, weil jegliche Grundlage dafür durch nicht existente Beschreibungen und unmotivierte Handlungen zunichte gemacht wird.

Auch sprachlich ist „Das Orchideenhaus“ eine große Enttäuschung. Die Dialoge wirken hölzern, fast so, als wären die Liebesszenen der Autorin selbst so unangenehm, dass sie einfach einige schwülstige Zeilen kopiert hat. Teilweise sind Sätze scheinbar Wort für Wort aus dem Englischen übertragen worden, ohne Rücksicht auf gängige deutsche Satzstellung oder angemessenen Wortschatz. So ergeben sich bei Julia und Christopher Sätze, die geradewegs aus dem 19. Jahrhundert stammen könnten, während Olivia dem England der 30er Jahre sprachlich ganze Dekaden voraus ist.

Fazit: Viel Pathos, viel Dramatik, aber wenig Authentizität, Spannung oder Gefühl. Dieses Buch hätte man entweder wesentlich kürzer oder sehr viel länger schreiben müssen – so ist es auf 500 Seiten nur eine Ansammlung von immer absurder werdenden Ereignissen, die in einem Happy End gipfeln, das jeder Beschreibung spottet.

Cover des Buches Heilige Scheiße (ISBN: B005I2EY0M)

Bewertung zu "Heilige Scheiße" von Stefan Bonner

Heilige Scheiße
Mendelssohnvor 13 Jahren
Cover des Buches Im Labyrinth der Nacht (ISBN: 9783423248266)

Bewertung zu "Im Labyrinth der Nacht" von Graham Swift

Im Labyrinth der Nacht
Mendelssohnvor 13 Jahren
Rezension zu "Im Labyrinth der Nacht" von Graham Swift

„In dieser Nacht vor dem Tag, der unser aller Leben verändern wird, bin ich die Einzige, die wachliegt. Ihr schlaft den tiefen Schlaf der Teenager. Ich kann mich noch vage daran erinnern. Wie ihr wohl morgen schlafen werdet?“

Während ihr Mann und die 16jährigen Zwillinge Nick und Kate tief schlafen, liegt Paula wach und bereitet sich innerlich auf den morgigen Tag vor. Es ist beschlossene Sache, den Kindern das wohlgehütete, dunkle Familiengeheimnis endlich zu offenbaren. Die ganze Nacht lang grübelt Paula nun, erzählt von den Geschehnissen, verteidigt, erklärt. Unwissend und ängstlich, wie die beiden die Wahrheit aufnehmen werden – und ob es nicht besser wäre, die unausgesprochenen Lügen aufrecht zu erhalten. Schließlich schaden sie ja niemandem, im Gegenteil…

Der Anfang des Buches ist durchaus so gestaltet, dass man neugierig wird. Man überlegt und rätselt, worin dieses Geheimnis wohl besteht, wenn es Paula den Schlaf raubt und sie derart in Angst versetzt. So, wie sie es beschreibt, hat es die Kraft, die Familie völlig zu erschüttern, ihr Glück zu zerstören. Leider muss ich sagen: Meine persönlichen Szenarien, die mir bis zur Auflösung so in den Sinn kamen, waren allesamt spannender als die tatsächliche Wahrheit. Man kann sich eines enttäuschten „Was, das war’s jetzt?“ nicht erwehren. Wohlgemerkt hat man da erst die Hälfte des Buches gelesen. Am Ende setzt Swift noch einmal nach, aber auch das kann weder schockieren noch passt es in den Handlungsverlauf.

Über 300 Seiten spricht Paula. Schmachtet, jammert, bittet, erklärt, wiederholt sich. Letzteres leider so oft, dass man es irgendwann nicht mehr hören kann. Die stete Ansprache an die Kinder („Bitte versteht doch…es ist jetzt an euch…ihr müsst es ihm nachsehen…“) ist nach wenigen Kapiteln völlig ausgereizt, da ja nie etwas zurückkommt. Das richtige Wort für Paulas Erzählstil wäre vermutlich „ausschweifend“. Es ist für die Geschichte völlig irrelevant, dass der Onkel ihres Ehemannes nicht gerne Fahrrad fuhr und mit 57 beim Spaziergang mit dem Hund einfach tot umfiel. Aber über solche familiären, unwichtigen Dinge spricht Paula seitenlang, ergeht sich in Berichte darüber, dass ihr Liebesleben nach dem Verschwinden der Katze brach lag (!) oder wie sich ihre Schwiegereltern kennenlernten. Natürlich machen solche Anekdoten und Details eine Geschichte interessant, aber nicht, wenn sie dazu dienen, den recht dürftigen Plot zu kaschieren und die Auflösung eines recht schwachen Geheimnisses künstlich in die Länge zu ziehen. Kate und Nick wären vermutlich nach den ersten 20 Seiten gegangen…

Ein für mich wirklich sehr enttäuschendes Buch, denn nach „Waterland“ war ich wirklich von Swift begeistert. Aber „Im Labyrinth der Nacht“ kann absolut nicht überzeugen, nach wenigen Kapiteln hat man Paulas Monolog einfach satt und kann diese dramatischen Beschreibungen nicht mehr hören, geschweige denn das allgegenwärtige „aber / bis / ab morgen…“ Der Titel allerdings passt – ein Erinnerungslabyrinth, in dem Paula an jeder Stelle mehrfach vorbeikommt und am Ende leider kein Ausgang wartet. Schade.

Cover des Buches „Sterben kommt nicht in Frage, Mama!“ (ISBN: 9783426275399)

Bewertung zu "„Sterben kommt nicht in Frage, Mama!“" von Judith End

„Sterben kommt nicht in Frage, Mama!“
Mendelssohnvor 13 Jahren
Cover des Buches Wer dem Tode geweiht (ISBN: 9783764502461)

Bewertung zu "Wer dem Tode geweiht" von Elizabeth George

Wer dem Tode geweiht
Mendelssohnvor 13 Jahren
Rezension zu "Wer dem Tode geweiht" von Elizabeth George

Am 23. Oktober ist es endlich soweit, das Warten hat ein Ende: Der 16. Band der Inspector-Lynley-Reihe von Elizabeth George wird in Deutschland unter dem Titel „Wer dem Tode geweiht“ erscheinen. Mit Spannung, aber auch ein wenig Sorge erwartet, denn die beiden letzten Bände überzeugten nur wenige Fans. Und dieser?

Inspector Lynley ist zurückgekehrt von seiner Wandertour durch Cornwall, wo er in „Doch die Sünde ist scharlachrot“ bereits unfreiwillig wieder mitten in einem Fall landete. Die Frage, wann er wieder in den aktiven Dienst zurückkehrt, ist immer noch nicht geklärt – das ändert sich jedoch, als Isabelle Ardery, der wir bereits in einem früheren Band begegnet sind, auf der Bildfläche erscheint. Sie soll seine neue Vorgesetzte werden und sieht sich einem Team gegenüber, dass nicht gerade auf sie gewartet hat. Insbesondere Havers ist alles andere als begeistert – also entschließt sich Ardery, Thomas Lynley zurück ins Boot zu holen, um sich die Loyalität des Teams zu sichern.

Der Mordfall, den es zu klären gilt, ereignet sich auf einem Londoner Friedhof. Eine junge Frau, die vor Monaten fluchtartig ihren Heimatort verließ, wurde ermordet. Parallel zu den Ermittlungen wird der Leser mit den protokollarischen Aufzeichnungen eines grauenhaften Mordes an einem kleinen Jungen konfrontiert, der auf dem Fall James Bulger basiert. Endlich findet man in diesem Band wieder das, was Elizabeth Georges Bücher so reizvoll macht: Mord in bester, englischer Art, interessante Charaktere, menschliche Abgründe und nicht zuletzt eine Menge Humor. Keine mit Einzelsträngen vollgepackte Geschichte wie in „Doch die Sünde ist scharlachrot“, der man nur schwer folgen kann und deren Protagonisten permanent für moralische Belehrungen herhalten müssen. Wunderbar stringent und klar, ohne dabei den für George typischen Tiefgang zu verlieren.

Besonders schön in diesem Band sind Barbaras Auftritte – schon allein ihr unfreiwilliger Shoppingtrip mit Haddiyah, die ihr helfen soll, die neu angeordnete Kleidungsordnung einzuhalten, sorgt für große Erheiterung. Sie ist auch eine der ersten die bemerkt, dass Isabelle Arderys Ehrgeiz die Ermittlungen in völlig falsche Richtungen führt. Überhaupt stellt in meinen Augen Ardery die große und einzige Schwachstelle in diesem Roman dar: Eine alkoholkranke, überforderte Mutter, deren Charakter nur unzureichend beleuchtet wird, die Lynley ausnutzt und trotz unglaublicher Patzer in ihrer Position bleiben darf. Das wirkt tatsächlich relativ unglaubwürdig, dürfte aber so gewollt sein – denn meiner Vermutung nach wird Elizabeth George die Rolle von Isabelle Ardery weiter ausbauen, insbesondere ihr Verhältnis zu Lynley, sehr zum Leidwesen aller Fans der verstorbenen Helen. Insbesondere Lynleys Seelenleben, der Umgang mit dem Tod seiner Frau und seine Reaktionen auf Ardery sind sehr ungenau, teilweise auch unerwartet, überraschend, befremdend. Aber wie gesagt: Das ist der einzige Wermutstropfen, ansonsten ist dieses Buch eine wirklich sehr positive Überraschung.

Cover des Buches Freiheit (ISBN: 9783498021290)

Bewertung zu "Freiheit" von Jonathan Franzen

Freiheit
Mendelssohnvor 13 Jahren
Rezension zu "Freiheit" von Jonathan Franzen

Wenn einem ein derartiges Kunstwerk wie „Die Korrekturen“ gelang, steht man danach als Autor ziemlich unter Druck – die Erwartungen an Jonathan Franzen waren sehr hoch, sowohl bei Kritikern als auch bei seinen Fans. Im Land der Superlative fiel die Bewertung natürlich erwartungsgemäß größtenteils sehr positiv aus: Von einem „erneuten Meisterwerk“ (NY Times), einem „großartigen amerikanischen Roman“ (Esquire) war da die Rede, Franzen wurde als „absolutes Genie“ (New York Magazine) gepriesen. Die Reaktionen des US-Publikums waren allerdings eher durchwachsen.

Patty und Walter Berglund leben als perfekte Vorzeigefamilie in St. Paul, Minnesota. Er ist ein linksliberaler Umweltaktivist, sie eine sehr attraktive Hausfrau und ehemalige Supersportlerin. Beide wollen alles besser machen als ihre Eltern, insbesondere natürlich bei der Erziehung der beiden Kinder, Joey und Jessica. Die Tochter muss sich eher mit der Statistenrolle in diesem Roman begnügen, während der Sohn, pubertär und rebellisch, seine Zeit hauptsächlich im Bett der Nachbarstochter verbringt und sich mit aller Gewalt von seinen Eltern lösen will. Walters Studienfreund Richard, drogenabhängiger Rockmusiker mit einem Faible für schöne Frauen und wenig Ahnung, wie er in dieser Welt leben soll, strapaziert das zerbrechliche Gefüge noch zusätzlich. Klingt nicht unbedingt spannend? Stimmt.

Spannend ist Franzens neuestes Werk nicht, aber mitreißend. Bereits bei „Die Korrekturen“ fiel es schwer, das Buch zur Seite zu legen, so sehr befindet man sich in der kleinen, konstruierten Welt, so groß ist der Wunsch zu wissen, wie die Personen reagieren werden. Es geht weniger um einen konkreten Sachverhalt oder ein zu lösendes Problem, sondern viel mehr um die Beobachtung, wie oft jede dieser Personen ihre eigenen Fehler wiederholt, wie starr die Eltern in ihrem Lebenskonzept gefangen sind. Besonders beeindruckend ist in diesem Zusammenhang das Kapitel „Es wurden Fehler gemacht“, das aus der Perspektive von Patty erzählt wird. Es klingt wie das Eingeständnis eines Politikers, ein seltsam distanzierter Satz aus dem Mund einer Frau, die so gerne perfekt und individuell wäre, aber in Wahrheit nur eine Rolle spielt, die aus „Die Frauen von Stepford“ sein könnte. Insbesondere sie merkt, wie anstrengend die Anpassung an eine Nachbarschaft ist, die den amerikanischen Traum um jeden Preis leben will, wo Hausfrauen Sätze sagen wie „Ich glaube, Patty Berglund ist die beste Mutter, ich bin lediglich eine sehr gute“ und glauben, als Eltern kinderlosen Menschen überlegen zu sein. Sie ist auch diejenige, die ihre Möglichkeiten und Perspektiven nie ausschöpft, die immer wieder dieselben Fehler macht und Angst vor der Freiheit hat, sich zu entscheiden, ihrem Leben eine Wendung zu geben.

Wer Familienepen a la John Updike nicht unbedingt mag, kann vielleicht durch Franzens wundervolle Erzählsprache überzeugt werden. Es ist für mich immer wieder faszinierend, wie schön Dialoge sein können, wie poetisch Sprache zu sein vermag, ohne ins Kitschige abzudriften. Schon allein deshalb ist Franzen einer meiner absoluten Lieblingsautoren.

Franzen beendet seine Erzählung rechtzeitig, bevor seine Charaktere sich der Herausforderung des Alterns stellen müssen, der Zeit nach den Kindern. Es wäre interessant gewesen zu beobachten, wie sich die Ehe der Berglunds oder Pattys Selbstverständnis ändern, sobald Jessica und Joey selbständig sind. Vermutlich würde das Buch dann aber deprimieren, insofern eine gute Entscheidung, auch wenn die 700 Seiten leider erstaunlich schnell vorbei waren und man gerne mehr gelesen hätte. Absolut empfehlenswert – hoffen wir, dass Franzens nächstes Buch nicht erst in neun Jahren erscheint.

Cover des Buches Der Magier (ISBN: 9783257067521)

Bewertung zu "Der Magier" von Fernando Gomes de Morais

Der Magier
Mendelssohnvor 13 Jahren
Rezension zu "Der Magier" von Fernando Morais

Über 100 Millionen Menschen haben seine Bücher gelesen: Paulo Coelho ist zweifellos einer der erfolgreichsten Schriftsteller der letzten Jahrzehnte. Über den Mann hinter großartigen Werken wie „Der Alchimist“ und „Veronika beschließt zu sterben“ schrieb nun Fernando Morais die erste autorisierte Biographie – angesichts der 700 Seiten wird schnell klar, dass es viel zu erzählen gibt.

Das Buch beginnt im Jahr 2005 und schildert den für Coelho mittlerweile normal gewordenen Wahnsinn aus sich aneinanderreihenden Autogrammstunden, Interviews und Empfängen. Schon nach den ersten Seiten ist man beeindruckt, wie locker und freundlich er trotz dieses Trubels bleibt.

Im zweiten Kapitel steigt der Autor nun in die Kindheitsphase ein und lässt bereits dort den Leser schmunzeln, wenn er Originalbriefe des neunjährigen Jungen an seine Mutter zitiert: „Deine Liebe, die so dehnbar wie ein Kaugummi ist, aber nie zerplatzt… Möge Gott dich behüten, liebe Mama, und verzeih mir meine Fehler, denn ich bin noch so klein und verspreche, mich so bald wie möglich zu bessern.“ Paulinho, wie er genannt wird, besucht eine Jesuitenschule und entdeckt dort die Liebe zum Schreiben, als er seinen ersten Lyrikwettbewerb gewinnt. Entgegen dem Willen seiner Eltern studiert er Rechtswissenschaften, bricht ab, zieht als Hippie durch Südamerika und Europa, arbeit als Drehbuchschreiber am Theater und nimmt Drogen – Grund genug für die strengen Eltern, ihn dreimal in eine Psychiatrie einzuweisen, wo man konstatiert, dass er „aggressiv, reizbar, feindselig und politisch anderer Meinung ist.“ Elektroschocks und zahlreiche Psychopharmaka werden ihm verabreicht, bald fleht er die Eltern weinend an, ihn aus der Klinik zu holen.

Der Autor beleuchtet Coelhos politisches Engagement, seine Phase als Rockmusiker, die Experimente mit Schwarzer Magie, das Scheitern seiner ersten Ehe und die ersten Versuche einer Karriere als Schriftsteller bis schließlich zu dem Moment, wo Coelho den Autor an seinem 60. Geburtstag bittet, eine Biographie über ihn zu schreiben. Denn, so betont er, es sei doch unmöglich, in einer Autobiographie nicht automatisch die eigenen Fehler zu entschuldigen und alles, was gut war, zu überhöhen. Er wolle die Wahrheit über sich selbst erfahren, damit sie ihn befreien und verdeckte Seiten aufdecken könne.

Ein hoher Anspruch an eine Biographie, setzt er doch voraus, dass man auch mit mehr oder weniger deutlich formulierter Kritik leben muss. Natürlich hätte Morais ebenso einfach Fakten schreiben können, kühl und sachlich, ohne Wertung. Dass er es nicht tat, macht die Besonderheit dieses Buches aus – es ist nicht nur unglaublich detailliert und hervorragend recherchiert, sondern auch ehrlich. Aus über 200 Tagebüchern und 100 Tonbändern, die Coelho jahrelang in einer verschlossenen Truhe aufbewahrte, entstand so ein faszinierendes Portrait, das auch die Entstehungsgeschichte der Romane beleuchtet. So basiert beispielsweise „Veronika beschließt zu sterben“ auf den Erfahrungen, die der Brasilianer in der Psychiatrie machen musste.

Ein unbedingt lesenswertes Buch, besonders, aber nicht nur für Fans von Coelhos Werken. Ein Zeugnis für die ständige Suche dieses Mannes nach einem tieferen Sinn in seinem Leben, spannend, schockierend, wunderschön und mit der deutlichen Botschaft, dass Coelho neben all seinen unglaublichen Erfolgen oft scheiterte und große Fehler beging. Das alles macht dieses Buch so interessant, das Äußere verleiht dem Ganzen noch zusätzlichen Glanz: Ein heller Leineneinband mit Lesebändchen und edlen, dünnen Seiten. Außerdem enthält es hinten einen sehr informativen Anhang mit Namensregister, Preisauszeichnungen usw. Mit 27,90 Euro wirklich nicht billig, aber es lohnt sich absolut.

Cover des Buches Vatermord (ISBN: 9783426507261)

Bewertung zu "Vatermord" von Val McDermid

Vatermord
Mendelssohnvor 13 Jahren
Rezension zu "Vatermord" von Val McDermid

„Manchmal gestand er sich selbst ein, dass Freundschaft nicht der richtige Ausdruck für das Band war, das sie trotz ihrer komplizierten Vergangenheit fest zusammenhielt.“

Wenn das nicht mal ein verheißungsvoller Anfang für alle Carol Jordan/Tony Hill-Fans ist! Bereits nach wenigen Seiten sinniert der smarte Psychologe während einer ziemlich langweiligen Party über die Beziehung zu DCI Jordan, ihre Haarfarbe, ihren Lieblingswein…klingt ganz so, als würde Val McDermid im sechsten Band, der in Deutschland Anfang Oktober erscheint, die Frage, ob diese beiden wohl jemals zusammenkommen, beantworten?

Beginnen wir am Anfang. Ein 14jähriges Mädchen wird ermordet und verstümmelt aufgefunden. Schnell steht fest, dass hier ein Psychopath am Werk sein muss, denn weitere Opfer folgen. Sie alle sind im Alter des Mädchens, per Internet -Community nimmt der Täter mit ihnen Kontakt auf und erschleicht sich ihr Vertrauen, fragt sie aus, gibt vor, ihre Interessen zu teilen. Das Thema an sich ist nicht neu, es wäre einiges möglich gewesen.

Leider rückt Val McDermid in dieser Folge der Reihe sehr von ihrer üblichen Vorgehensweise ab, was dem Buch absolut zum Nachteil gereicht. Wurde der Täter, seine Psychologie, sein Denken in den vorangegangenen fünf Bänden akribisch unter die Lupe genommen, sucht man dieses Mal vergeblich nach düsteren Abgründen seiner Persönlichkeit, die von Tony Hill förmlich seziert werden. Natürlich hat er ein Motiv, auch die Aufklärung am Ende ist durchaus logisch, aber dieser Teil, der McDermids Bücher ausmacht, fehlt komplett. Sehr schade.

Vielleicht wäre das für den Leser weniger schlimm, wenn sich wenigstens in Sachen Carol-Tony irgendetwas tun würde. Es findet keinerlei Zusammenarbeit statt, beide suchen getrennt voneinander nach einem Täter und stellen erst am Ende fest, dass es sich dabei um dieselbe Person handelt. Tony ist permanent damit beschäftigt, über seine eigene Vergangenheit zu sinnieren und spricht eigentlich so gut wie gar nicht mit Carol, schon gar nicht im privaten Sinne. Ein großer Rückschritt, nachdem im vorherigen Band endlich doch im letzten Kapitel Hoffnung aufkam. Man muss sich langsam fragen, ob McDermid, ähnlich wie es beispielsweise leider auch Kathy Reichs tut, die Entwicklungen in den (Liebes-)Beziehungen ihrer Hauptcharaktere stagnieren lässt, um den Leser zum Kauf des nächsten Buches zu zwingen. Irrungen und Wirrungen sind ja sehr nett, aber permanentes Ja-Nein-Vielleicht sorgt für Frust – besonders wenn Rückschritte derart unmotiviert und unlogisch sind.

Die Geschichte an sich ist, wie bereits erwähnt, in Ordnung. Nichts Besonderes, aber gut und realistisch, wenn auch weniger spannend als sonst. Und zumindest bei mir wirkt ihre Hinhaltetaktik…denn ich werde mir auf jeden Fall den nächsten Band ebenfalls holen. Irgendwann wird es ja wohl schließlich mal mit Tony und Carol klappen ;)

Cover des Buches Der Monstrumologe (ISBN: 9783785760406)

Bewertung zu "Der Monstrumologe" von Rick Yancey

Der Monstrumologe
Mendelssohnvor 13 Jahren
Rezension zu "Der Monstrumologe" von Rick Yancey

Mit diesen Worten beschreibt Will Henry seinen Chef, Doktor Warthrop, dessen Spezialgebiet die Monstrumologie ist – er studiert nicht nur Monster, sondern macht auch, wenn nötig, Jagd auf sie. Als eines Tages ein Grabräuber zu den beiden kommt und von einer grauenhaft zugerichteten Leiche berichtet wird schnell klar: Die einzigen, die diese gefährliche Bestie stoppen können, sind Will Henry und Warthrop…

Es ist schwierig, dieses Buch zu bewerten, denn ich hätte es mir niemals freiwillig ausgesucht. Ich mag Geschichten mit Monstern, Geistern und Bestien eigentlich überhaupt nicht – außer, sie sind harmlos und süß wie die aus der Monster AG ;-) Entsprechend lange saß ich daran; ganze vier Wochen dauerte es, bis ich zur letzten Seite kam.

Ein ganz großer Pluspunkt dieses Buches liegt in seiner schönen Aufmachung. Der Buchdeckel enthält Prägungen, die Seiten sind verziert, es gibt ein Lesezeichen und viele Zeichnungen im Buch. Das allein dürfte im Buchladen für die nötige Aufmerksamkeit sorgen, denn es ist wirklich selten, dass ein Paperback derart nett daherkommt. Allerdings führt es vermutlich auch dazu, dass viele „Der Monstrumologe“ für ein Jugend- oder gar Kinderbuch halten. Das ist es definitiv nicht, denn Rick Yancey schildert bis ins Detail, was die blutrünstigen Monster so alles anstellen, wie der Doktor sie tötet, wie die entstellten Opfer aussehen. Da blättert man selbst mit Mitte 20 noch manchmal schnell weiter…

Die Geschichte selbst ist sehr spannend, teilweise aber auch einfach zu lang geraten. Dadurch, dass alles aus Will Henrys Perspektive erzählt wird, verliert es sich oft in langatmigen Schilderungen seiner Gefühlswelt. Trotzdem, und das ist wirklich seltsam, bleibt einem dieser Junge merkwürdig fremd. Obwohl er so viel Einblick in seine Seele, sein Empfinden gibt, kommt man als Leser nicht an den Punkt, wo man ihn versteht, mit ihm fühlt. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Geschehnisse nun von Will Henrys erwachsenem Ich berichtet werden, Erinnerungen eines älter gewordenen Mannes an seine Kindheit, die zu logisch und zu durchdacht sind, nicht recht zu den kindlichen Empfindungen passen.

Gewöhnungsbedürftig ist die Sprache, die sehr altmodisch anmutet, aber bald vertraut ist und die Atmosphäre unterstützt. Wirklich störend ist hingegen das permanente „Will Henry,…“ des Doktors; dem Folgeband, der wohl schon in Planung ist, würde es guttun, den Jungen einfach nur „Will“ zu nennen oder ab und zu einfach komplett auf den Namen zu verzichten. Wenn außer dem Doktor und seinem kleinen Assistenten niemand zugegen ist, muss man ihn auch nicht in jedem Satz mit vollem Namen ansprechen, oder? Eine Kleinigkeit, die leider nach mehreren Kapiteln wirklich etwas nervt.

Ansonsten ist das Buch für Fans dieses Genres sehr empfehlenswert, da die Geschichte wirklich spannend ist und gut erzählt wird.

Cover des Buches Entsetzen (ISBN: 9783764503444)

Bewertung zu "Entsetzen" von Karin Slaughter

Entsetzen
Mendelssohnvor 13 Jahren
Rezension zu "Entsetzen" von Karin Slaughter

Der zweite Fall für Slaughters neues Ermittlerduo, Will Trent und Faith Mitchell, beschäftigt sich mit einer Frage, die sich vermutlich jeder schon einmal, rein hypothetisch, gestellt hat: Ist man in der Lage, jemanden tatsächlich zu töten? Zu Beginn des Buches muss Abigail Campano feststellen, dass sie es kann…

Gerade von einer Tennisstunde zurückgekehrt findet Abby ihre Tochter Emma ermordet in deren Zimmer vor, der vermeintliche Täter beugt sich gerade über sie. In rasendem Zorn und Entsetzen gelingt es ihr, mit schier übermenschlichen Kräften den Mann mit bloßen Händen zu erwürgen. Doch dann stellt sich heraus, dass es sich bei dem Opfer gar nicht um Emma, sondern deren Freundin handelte und der vermeintliche Mörder ihr nur helfen wollte. Emma selbst wurde entführt; die Chancen, sie lebend zu finden, schwinden von Stunde zu Stunde.

In ihrem typischen Stil schockt Slaughter schon auf den ersten Seiten durch gezielt platische Schilderungen. Allzu deutlich wird Abbys Tat beschrieben, wie immer gibt es viel Blut und Dramatik. Die Ausgangssituation an sich ist wirklich gut erdacht, allerdings flacht die Spannung bereits nach den ersten Kapiteln merklich ab, die Identität des Täters ahnt man bereits recht schnell. Sonst passiert bis kurz vor Ende so gut wie gar nichts: Will und Faith fahren größtenteils etwas ratlos durch die Gegend, verhören, rätseln, hoffen und beschäftigen sich nebenbei mit ihren eigenen zahlreichen Problemen.

Womit wir bei einer der größten Schwachstellen des Buches wären: Protagonisten mit Ecken und Kanten sind super. Niemand will über perfekte, schöne Leute in ihrer tollen Welt lesen. Aber man kann es auch einfach übertreiben. Nehmen wir beispielsweise Will Trent, den charismatischen, geheimnisvollen Special Agent, der nicht nur eine schlimme Kindheit im Waisenhaus hinter sich hat – wo er allen Ernstes seine heutige Verlobte Detective Angie Polanski (wahnsinnig gutaussehend, temperamentvoll, ebenfalls auf der Karriereleiter ganz weit oben) schon kennenlernte – nein, er ist auch noch mit Legasthenie und Dyslexie geschlagen. Selbstverständlich ist er aber trotzdem so ein Genie, dass er es bis ganz nach oben geschafft hat. Es gibt keinen Charakter im Buch, der einfach nur mal völlig normal ist, denn scheinbar wird „normal“ mit „langweilig“ gleichgesetzt und muss deshalb vermieden werden. Dadurch macht man es allerdings dem Leser sehr schwer, sich überhaupt mit irgendeiner Person näher identifizieren zu können.

Sprachlich ist das Buch in Ordnung, allerdings gibt es einige gravierende Fehler in der Übersetzung, beispielsweise Sätze wie „Willst du vielleicht meine Antworten [...] beantworten?“ Das findet man noch ganz witzig, wenn es ein Mal vorkommt, aber irgendwann hat man dann wirklich genug von falsch übertragenen Sprichwörtern und Co. Ich weiß nicht, ob das am Übersetzer Klaus Berr oder dem Lektorat liegt; dasselbe Phänomen beobachtet man beispielsweise auch in den Kathy-Reichs-Büchern (gleicher Verlag, gleicher Übersetzer). Sie strotzen teilweise wirklich vor sprachlichen Fehlern. Das ertrage ich in einer Remittende vom Wühltisch gerne, aber nicht bei einem Hardcover für über 20 Euro.

Fazit: Enttäuschend und leider schnell langweilig, vermutlich Slaughters schwächstes Buch. Positiv zu werten ist der oft hervorblitzende, typische Humor der Autorin, der die teilweise wirklich sehr lang geratenen Passagen erträglicher macht. Und ein kleiner Spoiler für alle Fans, die über den Tod von Jeffrey Tolliver in „Zerstört“ kaum hinwegkommen: Die immer noch am Boden zerstörte Sara trifft im nächsten Buch auf Will Trent…die Weichen für ca. 15 Folgen von „Werden sie, werden sie nicht?“ sind also gestellt

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  • 15.01.2010

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