Ferdinand von Schirach ist ein großartiger Autor, ohne Frage. Aber die Geschichten an sich, also die Kriminalfälle als noch ungeschriebene Rohmaterialien des Autors sind atemberaubend gut, da kann man doch gar nichts falsch machen. Deswegen frage ich mich manchmal, ob von Schirach so gut schreibt, weil sein Rohmaterial so gut ist oder ob er von Natur aus ein guter Schriftsteller ist. Lesenwert ist das Buch allemal. Viel Spaß beim gruseln, erschrecken und Schock abbauen!
MerveAkal
- Mitglied seit 27.03.2017
- 14 Bücher
- 6 Rezensionen
- 12 Bewertungen (Ø 4)
MerveAkals Bücher
Zur BibliothekRezensionen und Bewertungen
Bewertung zu "Leselöwen-Hexengeschichten" von Anne Steinwart
Ich erinnere mich gerne zurück an die Zeit, in der ich die kurzen Pausen mit den Hexengeschichten verbrachte. Wir hatten eine Leseecke im Klassenzimmer. Und wie schön war es die Mutmacher Geschichten von Steinwart zu lesen. Wenn ich mal bedrückt war, dann haben mich die Geschichten immer aufgemuntert. Und oft saß ich damals kichernd auf dem Lesesessel. Das ist das erste Buch, das ich gelesen habe. Zufällig lud unsere Klassenlehrerin die Autorin ein und ich fand es so spannend endlich eine Frau kennenzulernen, die Bücher schreibt.
Bewertung zu "Astrid Lindgren - Ihr Leben" von Jens Andersen
Sie war Schriftstellerin, Lektorin, Humanistin, politische Aktivistin, Tierrechtlerin, aber auch Mutter, Frau und Tochter. Astrid Lindgren prägt Generationen über ihr Leben hinaus. Doch wer ist die Autorin, die Pippi Langstrumpf, Die Brüder Löwenherz und Ferien auf Saltkrokan geschrieben hat? Und was war das für ein Leben, das weit nach ihrem Tod nachwirkt?
Man möchte weinen, wenn man die Fotos von Astrid Lindgren sieht und Ausschnitte aus ihrem Tagebuch liest, so schön ist es. Dass sie herzensgut ist, merkten auch ihre Leser*innen sofort.
Immerhin bekam Astrid Lindgren sage und schreibe 75.000 Briefe von ihren Leser*innen und sie bemühte sich jeden Brief einzeln zu beantworten. Viele schrieben ihr und baten sie um Hilfe, auch um finanzielle Unterstützung. Obwohl sie wusste, dass sie es wahrscheinlich nie wieder zurückbekommen wird, verschickte Astrid Lindgren auch mal Geld an ihre Leser*innen. Eine Frau ersuchte 14 Jahre lang finanzielle Hilfe von Lindgren. In 72 Briefen an die Kinderbuchautorin schrieb sie wegen einer Brille, einer Autoreparatur, Spielschulden, einer Rechnung vom Klempner und weitere Ausgaben dieser Art. Lindgren unterstützte ein junges Mädchen sogar bis zur Ausbildung. Astrid Lindgren galt als “klok gumma”, die kluge Alte des Nordens, die man bei allen Belangen und Fragen um Rat fragen konnte und man wusste, dass Lindgren mit Rat und Tat zur Seite stehen wird. Lindgrens Fanpost befindet sich im Astrid-Lindgren-Archiv der Königlichen Bibliothek von Stockholm.
Gütig, großzügig und gut gelaunt
Gütig ist auch Pippi Langstrumpf. Gütig, großzügig und gut gelaunt wie Astrid Lindgren. Es ist ein gutes Gefühl die Biografie einer Frau in der Hand zu halten, die von Natur aus unabhängig ist. Astrid Lindgren war so unbeeindruckt von den Männern ihrer Zeit, so mutig und so fesch. Und sie hatte einen guten Sinn für Zeitmanagement. Die Zeit für ihre Kinder hat sie sich einfach genommen. Nach dem Heranwachsen ihrer Kinder hat sie wohlbedacht eingeteilt, wann sie an ihren eigenen Büchern schreibt und wann sie als Verlegerin arbeitet. Und sie hat viel gearbeitet.
Am Ende eines Lebens steht Astrid Lindgren mit Erfolgen da, mit großen Erfolgen. Aber hinter diesen Erfolgen steht ein starker Wille, Fleiß, die Hartnäckigkeit sich nicht unterkriegen zu lassen und so viel Güte. Lindgren hat so viele Krisen gemeistert und sie hat bei all dem ihr weichmütiges Wesen bewahrt. Das ist stark. Das ist ein großartiges Leben.
Mehr zum Buch
Zahlreiche Zitate aus Lindgrens Tagebüchern und eine reiche Bebilderung machen die Biografie lebendig. Oft schreibt Jens Andersen im Stil eines Romanautors. Der Leser bekommt das Gefühl, das gelesene zu erleben wie auf einer Zeitreise. Nicht zuletzt das umfangreiche Quellenverzeichnis lässt auf das Ausmaß der Recherche schließen. Für seine Recherchen führte Andersen Gespräche mit anderen Biografen und mit Karin Nyman, Lindgrens Tochter. Das Buch erschien zuerst im Gyldendal Verlag in Dänemark und wurde 2015 in Dänemark und Schweden zum “Sachbuch des Jahres” gekürt. Auch hat es den renommierten Politikens Litteraturpris erhalten.
Bewertung zu "Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch / Artık Sessizlik Bile Senin Değil" von Aslı Erdoğan
“Aslı Erdoğan wurde zum Symbol – und da bin ich mir ganz sicher – ohne, dass sie es gewollt hätte”, sagte Sabine Adatepe auf dem Harbour Front Literaturfestival in Hamburg. Adatepe ist eine der Übersetzer*innen des Buches. Im weiteren Verlauf des Panels erscheint eine zurückhaltende bescheidene Frau auf der Leinwand. Das Skype-Gespräch mit Aslı Erdoğan konnten die Besucher dank Beamer mitverfolgen. Und alle applaudierten, dass es krachte.
Aslı Erdoğan wurde im letzten Jahr inhaftiert und musste Monate im Gefängnis verbringen, weil sie von Freiheit und Menschenrechten schreibt. Besser gesagt schrieb, denn schreiben kann sie derzeit nicht mehr. Die Haftzeit hat ihr zu viel weggenommen, sie zu sehr erschöpft und mitgenommen als, dass sie sich auf’s Schreiben konzentrieren könnte. Aslı Erdoğan schrieb über das Leid von unterdrückten Gruppen in der Türkei, von dem Leid der Armenier und der Kurden und das brachte sie ins Visier der Behörden.
Wer offen schreibt, wird verfolgt
Das türkische Gefängnis hat einen gewissen Ruf. Wer das Musikvideo zu “Nichts bleibt mehr” von Kool Savas gesehen hat, wird es wissen. Wie aus Trotz, bewahrheitet sich heute der Ruf des türkischen Gefängnisses: Inhaftierte sind grausamer Folter und Willkür ausgesetzt. Dass Familienangehörige mitinhaftiert und bedroht werden, ist eine neue Dimension. Und wer das schreibt, wer über die Folter und wer über menschenunwürdige Zustände schreibt, wird verfolgt.
Dass ein Politiker die Einführung für Aslı Erdoğans Buch geschrieben hat, ist wenig angemessen. Denn Politiker neigen dazu Eigenwerbung zu betreiben, Ja, sie sind Professionelle darin ihre eigene Haltung als die objektive Realität zu vermitteln. So läuft das Politgeschäft. Für die Einführung indes hätte ich mir eine Literatin gewünscht oder eine Wissenschaftlerin. Zumal Aslı Erdoğan selbst Wissenschaftlerin ist. Sie studierte Informatik und Physik, bereitete ihre Dissertation am CERN vor und brach dann in Rio de Janeiro ihre Promotion ab, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Ihr Stil speist sich aus der Genauigkeit und Nüchternheit einer Wissenschaftlerin.
(Un-)Worte des Leids
Wie fasst man Leid und Trauer in Worte? Aslı Erdoğan nahm diese Herausforderung an und ging ehrlich damit um. Sie gibt auch mal zu, dass ihr die Worte fehlen, um über die grausame Massenvernichtung von Armeniern und Kurden zu schreiben. Es gibt auch überhaupt keine Worte für so großes Leid. Diese Schriftstellerin hat ein zu tiefsinniges Wesen, um sich mit einfachen Beschreibungen zu begnügen. Sie verwendet viel Zeit auf, um die Atmosphäre aufzubauen und kommt emphatisch an den Punkt, an dem sie plötzlich zu einem sachlichen Ton findet und oft anklagt.
Gewarnt sei der gemeine Leser, denn was diese Autorin hervorbringt, zeitgenössisches Schrifttum, ist frei von Konventionen wie roten Fäden und überflüssigem Stilgedöns. Sie vermittelt Atmosphären aus Wahrnehmungsfetzen und Bruchteilen von Erinnerungen, die sie aneinander reiht. Es sind rasant wechselnde literarische special effects. Und oft wirkt es düster und alptraumhaft. Manchmal muss man das Buch zuklappen und an die frische Luft gehen, bevor man weiter lesen kann. Jedes Essay in diesem besonderen Spannungsverhältnis überrascht den Leser auf’s Neue. Manche empfinden ihren assoziativen Stil als eine Herausforderung, wieder anderen gefällt es schlichtweg nicht, doch wir wollen nicht über Farben und Geschmäcker streiten.
Dass ihre Schriften nur lesenswert sind, weil sie verfolgt wird, ist zweifelhaft, denn Aslı Erdoğan schrieb viele Jahre vor ihrer Verfolgung über dieselben Themen und auf dieselbe Art. Literarisch hat sie vielleicht nichts Großes hervorgebracht, womöglich hat sie keine Revolution ausgelöst, das kann schon sein. Sich selbst ist sie treu geblieben.
Bewertung zu "Der Besuch der alten Dame" von Friedrich Dürrenmatt
Bewertung zu "Der Richter und sein Henker" von Friedrich Dürrenmatt
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- 28.04.2017