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MichaelSterzik

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Cover des Buches Nachtkommando (ISBN: 9783492063425)

Bewertung zu "Nachtkommando" von Simon Scarrow

Nachtkommando
MichaelSterzikvor 10 Minuten
Kurzmeinung: Ein grausames, historisches Thema absolut fesselnd erzählt. Hochklassige Unterhaltung, die unterhält und aufklärt. Pageturner
Gegen das Vergessen

Der Zweite Weltkrieg - der Holocaust - die systematische Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten in Deutschland, die Millionen Menschen das Leben kostete. Der planmäßige Mord, ein Verbrechen jenseits aller Menschlichkeit, jenseits von Ethik und Moral, das kurz nach Beginn des Zweiten Weltkrieges mit der Verfolgung der Juden in Europa begann. Doch nicht nur Juden wurden ermordet, jede Gruppe von Menschen, die dem Regime im Weg stand, als Gefahr galt, erwartete ein Todesurteil. Homosexuelle, politisch Verfolgte, Sinti und Roma und andere sollten nach der Ideologie des NS-Regimes vernichtet werden. Als lebensunwert galten auch Menschen mit Geisteskrankheiten, Erbkrankheiten und körperlichen Behinderungen. Diese Krankenmorde schlossen auch die Tötung von Kindern ein. Die nordisch-germanische Rasse sollte erhalten werden, ganz im Sinne der Eugenik, der Rassenhygiene, die die Ausmerzung der Kranken als natürliche Auslese erklärte. Im Rahmen der nationalsozialistischen Erbgesundheitspolitik wurde sie zum Staatsziel.


Simon Scarrow thematisiert das Thema der Kinder-„Euthanasie“ in seinem neuem Titel: „Nachtkommando“. Der Kriminalinspektor Horst Schenke, hat hier seinen zweiten Auftritt. 


Berlin, Januar 1940: In einer eiskalten Nacht kehren ein SS-Arzt und seine Frau von einem Konzertabend zurück. Als die Sonne aufgeht, liegt der Arzt leblos in einer Blutlache vor seinem Schreibtisch, darauf ein Abschiedsbrief. Doch seine Witwe ist überzeugt, dass es sich um Mord handelt, und wendet sich an Kriminalinspektor Horst Schenke. Gegen den Willen seiner Vorgesetzten ermittelt Schenke und stößt auf immer weitere brisante Details. Er ahnt, dass er einem schrecklichen Geheimnis größeren Ausmaßes auf der Spur ist und seine Ermittlungen möglicherweise nicht überleben wird ...(Verlagsinfo) 


„Nachtkommando“ ist ein spannendes Zeitzeugnis, das unter die Haut geht. Emotional katapultiert die Geschichte in einen Abgrund, der in der Geschichte zwar bekannt ist, aber wenig thematisiert wird. Der Schrecken, den der Leser empfindet, ist gewaltig. 


Die Geschichte spielt im Jahr 1940, Polen ist erobert, der Zweite Weltkrieg hat begonnen. Das Naziregime ordnet nicht nur die militärischen und politischen Strukturen völlig neu. Auch traditionelle, gesellschaftliche und soziale Formationen werden zerschlagen. Der Nationalsozialismus durchdringt alles. Die Verfolgung und Deportation der Juden beginnt. Die Todesmaschinerie wird in Gang gesetzt.  


Staatliches Unrecht - Verbrechen, bei denen die Ermittler zwischen Pflicht und Menschlichkeit stehen. Wie geht man vor, wenn man feststellt, dass der Staat systematisch „Kinder“ ermordet, die nicht in die kranke Ideologie passen? Verzweifelte Eltern - Väter, die sich rächen wollen und dabei selbst eine Grenze überschreiten. Aber hat diese Grenze überhaupt noch eine Bedeutung, wenn die Menschlichkeit außer Kraft gesetzt ist? 


Die Bevölkerung wusste zum Teil von den Verbrechen, die geschahen, sie ahnte es zumindest, sie waren verängstigte Mitläufer, Nutznießer der Nazis, aber auch wissentlich Täter, die ihre Macht missbrauchten, um zu töten, aus Lust, aus der Motivation, sich zu bereichern etc. Der systematische Massenmord war bekannt und wurde verschwiegen.


Das Simon Scarrow das Thema „Euthanasie“ aufgreift und damit die Morde an Kindern in der Story als zentralisiertes Element erzählt ist im Grunde genommen ambitioniert. Der Schrecken dieser Mordlust an Kindern, die als Fehlschläge eingeordnet werden, berührt sehr. Doch der Autor konfrontiert uns auch damit, dass die Menschen unter dem Naziregime vor Angst nicht rebellierten, oder kritische Fragen stellten. Die Angst vor Denunzierung, vor Verhaftung und letztlich auch vor der Ermordung lähmte die Gesellschaft. Auch das ist eine unmittelbare Botschaft des Autors.  


Die Protagonisten, vor allem das Ermittlertrio, sind interessant gezeichnet. Horst Schenke glaubt noch an das System, hadert mit sich, dass er nicht an der Front ist, und doch ist er voller Zweifel, voller Fragen und Antworten, die er weder leise noch laut auszusprechen wagt. Wir schreiben das Jahr 1940 - noch glaubt man an die deutsche Weltherrschaft. Auch Schenkes Gewissen, seine seelische Not, steht im Mittelpunkt, und man darf gespannt sein, welche Rolle er in den kommenden Romanen dieser spannenden Reihe spielen wird. Er ist ein „Stellvertreter“ für das Volk, das sich anpassen will, um nicht aufzufallen - doch der seelische Druck dürfte mit den kommenden Kriegsjahren zunehmen und sich entladen wollen.


Simon Scarrow hat sehr gut recherchiert und eine sehr stimmungsvolle, authentische Atmosphäre geschaffen, die den Leser kompromisslos auf eine Zeitreise in eine dunkle Epoche schickt. „Nachtkommando“ behandelt konsequent ein brisantes Thema, das man nicht vergessen sollte. 


Es gibt Nebengeschichten, die immer wieder um die Frage kreisen, auf welcher Seite man sich moralisch und menschlich positionieren will. Manchmal stehen sich diese Komponenten selbst im Weg, auch wenn der Leser dadurch einen guten Einblick in den Alltag unter der Naziherrschaft erhält. 


Selbst das Nachwort des Romans ist lesenswert und konfrontiert den Leser mit Tatsachen, die dem Roman nachhaltig ein sehr gutes Zeugnis ausstellen. So wird auch deutlich, mit welcher Intensität sich der Autor diesem Buch gewidmet hat.


Fazit


Eine Konfrontation und ein dunkles Vermächtnis, so spannend und emotional erzählt, dass „Nachtkommando“ ein sehr wichtiges Buch ist. 

Brillant erzählt - ein Pageturner, den man unbedingt lesen sollte. Gegen das Vergessen.


Michael Sterzik

Cover des Buches Stille Falle (ISBN: 9783426309537)

Bewertung zu "Stille Falle" von Anders de la Motte

Stille Falle
MichaelSterzikvor einem Tag
Kurzmeinung: Brillante Story - noch bessere, sehr originelle Figuren. Ein Krimihighlight des Jahres. Bedingungslose Leseempfehlung.
Cover des Buches Die Entführung (ISBN: 9783453274297)

Bewertung zu "Die Entführung" von John Grisham

Die Entführung
MichaelSterzikvor 4 Tagen
Kurzmeinung: Wenig juristische Themen. Wenig Spannung. Zu viele Dialoge, die ins "Nichts" führen. War das jetzt ein Pausenfüller für den nächsten Titel?
Die Entführung aus dem Genre Justizthriller

John Grisham feierte mit seinem Bestseller „Die Firma“ einen großen internationalen Erfolg. Durch die Verfilmung mit Tom Cruise wurde der Titel zu einem der bekanntesten des Erfolgsautors. Als ehemaliger Anwalt versteht es der Amerikaner, das nordamerikanische Rechtssystem und die verschiedenen Instanzen der Justiz auf spannende und sehr informative Art und Weise darzustellen. Als Leser begleiten wir die Protagonisten bis vor den Richterstuhl, sitzen mit dem Angeklagten im Gerichtssaal und warten auf das Urteil. Wir verfolgen die rhetorischen Wortgefechte zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft. Die Justiz ist nicht blind, sie ist nicht unvoreingenommen, sie ist nicht unparteiisch - sie ist mitunter käuflich, sie ist manipulierbar. 

 

Der Roman „Die Entführung“ ist eine Fortsetzung von „Die Firma“, und wir treffen den Anwalt Mitch McDeere - nur fünfzehn Jahre später. Erfahren und inzwischen Vater von zwei Kindern, ist er ein erfolgreicher Anwalt in New York. 

 

Es ist ein ambitioniertes Vorhaben, eine Fortsetzung zu einem so erfolgreichen Titel zu schreiben. Die Erwartungen der Leserinnen und Leser können sehr hoch sein. Die Handlung spielt nicht vor Gericht. „Die Entführung“ ist ein Politthriller, der gnadenlos vom Weg abgekommen ist.

 

Fünfzehn Jahre ist es her, dass Mitch McDeere gemeinsam mit dem FBI seine kriminelle alte Firma hat hochgehen lassen. Mittlerweile arbeitet er in der größten Anwaltskanzlei der Welt in Manhattan. Da holt ihn das Verbrechen wieder ein: Als ihn ein Mentor in Rom um einen Gefallen bittet, findet sich Mitch schnell im Zentrum eines mörderischen Konflikts wieder. Er soll durch eine immense Lösegeldzahlung eine Geiselnahme beenden, doch die Umstände sind dramatisch. Schon bald ist nicht nur er selbst in Gefahr, sondern auch die, die ihm nahestehen. (Verlagsinfo) 

 

Wer erwartet, dass dieser Titel an die Spannung des ersten Teils anknüpft, wird enttäuscht. Es geht nur sekundär um ein juristisches Thema, wie auch eine Geiselnahme, bzw. die Verhandlungen um die Freilassung der Geisel, dem Rechtssystem wenig Präsenz bietet, um sich von einer überzeugenden Seite zu zeigen. 

 

Wir erfahren viel über die Organisation großer Anwaltskanzleien. Wir reisen in ein Libyen unter der Willkürherrschaft Gaddafis. Mit einer aktuellen politischen Situation hat dieser Titel also nichts im Sinn. Das ist schade, denn diese Aktualität hätte dem Roman vielleicht den Weg zum Erfolg geebnet. An keiner Stelle wird die Geschichte spannend. Nicht einmal eine interessante Wendung, eine Momentaufnahme, die man als nachhaltig empfinden könnte, blitzt auf.

 

Auch die Figuren sind nicht überzeugend positioniert. Mitch McDeere und seine Frau, die auch im ersten Band eine Nebenrolle spielte, werden immer wieder mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Nicht von außen betrachtet, denken sie immer wieder an die dramatischen, spektakulären Ereignisse zurück, die sie in Lebensgefahr brachten. Keine Figur trägt die Handlung oder treibt sie in eine Richtung, die den Leser fesseln könnte. Kaum vorhanden sind auch Nebengeschichten mit interessanten, charismatischen Charakteren. 

 

Fazit

 

„Die Entführung“ entführt den Leser in eine überdimensionierte Kurzgeschichte. Mit einem Justizthriller hat das Buch nur wenig zu tun. John Grisham vergibt hier die Chance, eine bekannte und erfolgreiche Figur nachhaltig für spätere Romane aufzubauen. Zwar solide geschrieben, aber zu keinem Zeitpunkt atmosphärisch spannend. Leider enttäuschend.

 

Michael Sterzik

Cover des Buches Krieger (ISBN: 9783453471924)

Bewertung zu "Krieger" von Simon Scarrow

Krieger
MichaelSterzikvor 11 Tagen
Kurzmeinung: Er weiss wovon er schreibt. Ein Intensiver Einblick in die Welt der Kelten - Britannien. Spannend und Informativ.
Keltische Karriere

Krieger – Simon Scarrow/T.J.Andrews 

 

Die Kelten - ein altes Volk, das von den Römern „Gallien“ genannt wurde, das heutige Frankreich und Großbritannien. Wir erinnern uns: Gallien wurde von Julius Cäsar mit brutaler militärischer Gewalt erobert. In seinem Werk „Der Gallische Krieg“ berichtet der charismatische Diktator von seinem Feldzug, der ein blutiges Ende fand, als Cäsar die Aufständischen bei Alesia vernichtete und Vercingetorix gefangen nahm. 

 

Auf den Britischen Inseln verliefen die Feldzüge der Römer ganz anders. Es gab viele Siege, viele Niederlagen und viele Tote auf beiden Seiten. Die britischen Druiden übten zwar nicht die religiöse Macht über die Stammesfürsten und Könige aus, hatten aber großen Einfluss auf die Politik. Als Stellvertreter oder Diener der verschiedenen keltischen Götter nutzten sie ihre Macht manipulativ, um interne und externe Angriffe zu steuern. Die Römer zerstörten viele ihrer heiligen Stätten und Plätze auf den Britischen Inseln, aber sie konnten die Ideale und den Einfluss der Druiden nicht besiegen. Es gibt keine gesicherten Überlieferungen über die Gräueltaten, die von diesen keltischen „Zauberern“ oder Priestern begangen wurden.

 

Es gab Feldherren, Könige und Heilige, die ihre Spuren in der Geschichte hinterlassen haben. Einer von ihnen war „Caratacus“, ein britannischer Königssohn. Ihm gelang es, die verschiedenen Stämme zu vereinen. Doch die Macht der römischen Legionen setzte auch seinem Aufstand Grenzen. Als Geiseln wurden er und seine Familie in Rom „eingekerkert“, lebten „frei“, aber der Willkür Neros ausgeliefert und als Barbaren beschimpft. 

 

Simon Scarrow und T. J. Andrews erzählen im ersten Band von „Warriors“ von der Ausbildung des jungen Caratacus, der unter der Anleitung von Druiden zu einem der größten Kriegsherren Britanniens wird.

Als im Jahr 43 römische Schiffe in Britannien anlanden, rechnen die Befehlshaber mit einem raschen Sieg: Das Imperium wird sich die Insel einverleiben wie viele andere Territorien zuvor. Doch trotz ihrer Disziplin und der überlegenen Waffentechnik gelingt es den Legionen nicht, die über die Insel verstreut lebenden Clans durch einen Handstreich zu unterwerfen. Stattdessen formiert sich heftiger Widerstand gegen die Invasoren. Besonders ein Mann ist den Römern ein Dorn im Auge – Caratacus, der jüngste Sohn eines lokalen Königs, wurde von Kindesbeinen an in der hohen Kunst des Krieges geschult. Unter seinem Schwert versammeln sich die Einwohner Britanniens zur alles entscheidenden Schlacht. (Verlagsinfo) 

 

Simon Scarrow und sein Koautor wissen, wovon sie schreiben. Sie präsentieren eine Geschichte, die nicht nur spannend ist, sondern auch die Welt der britischen Druiden auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstandes und der Quellen ein Stück näher bringt. Ein abschließendes Urteil darüber, ob übertriebene Wahrheit oder Stoff für Legenden, lässt sich nicht fällen. Die Charaktere sind stereotyp aufgebaut, dennoch gibt es hier keine einfache Gut-Böse-Wertung. Die Geschichte ist in zwei Perspektiven aufgeteilt, die Vergangenheit Caratacus und die Gegenwart, in der er einem Historiker seine Lebensgeschichte erzählt. 

 

Eine atmosphärische Spannung baut sich schnell auf, ist dann zwar vorhanden, steigert sich aber nicht weiter. Die Autoren konzentrieren sich nicht auf ein klassisches Feindbild. Sie zeigen auch die inneren Konflikte der britannischen Stämme. Das Streben nach Macht und Einfluss wirft die Frage der Instrumentalisierung auf - wollen sich diese Stämme der römischen Macht unterordnen und an ihr teilhaben oder sehen sie sich als Manipulatoren, die mithilfe  der römischen Militärmaschinerie ihre Machtposition ausbauen wollen? So oder so - am Ende sind sie in jeder Hinsicht Verlierer, die einen hohen Preis zahlen. 

 

Caratacus Lebensgeschichte ist mit diesem Band „Krieger“ aber nicht zu Ende, seine Biographie nicht erzählt. Der Stellvertreterkrieg, der Sieg über die Nachbarclans ist geglückt. Doch nun stehen dem Krieger die römischen Legionen gegenüber, eine Militärmaschinerie, die gnadenlos erobert und ganze Völker vereinnahmen kann. 

 

Die eigentliche Geschichte, die uns wohl erst in Band 2 erzählt wird, steht also mit der römischen Bedrohung noch in den Startlöchern. Bei der historischen Analyse gehen die Autoren quellen sicher vor. Natürlich sind sie relativ frei in der Interpretation, aber auch als historischer Roman steht hier die Unterhaltung im Vordergrund. Interessant ist die Beschreibung der Druiden.

Die Charaktere werden einfach erzählt - Caratacus sticht hier aber natürlich hervor, wobei sein älteres Ich - in der Beschreibung tiefgründiger ist. 

 

Fazit

 

Spannend, was hier erzählt wird. Unterhaltsame historische Geschichte - auf den Punkt gebracht - wird von Historikern hervorragend erzählt. Sehr empfehlenswert.

 

Michael Sterzik 

Cover des Buches Waiseninsel (ISBN: 9783785728680)

Bewertung zu "Waiseninsel" von Max Seeck

Waiseninsel
MichaelSterzikvor einem Monat
Kurzmeinung: Die Story ist nicht originell. Erinnert ein wenig an alte Krimis - Eingeschränkte Region, überschaubarer Kreis der Verdächtigen. Langweiig.
Niemand ist eine Insel

Gerne erinnern wir uns an die klassischen Kriminalfilme vergangener Zeiten. Ein lokal begrenzter Tatort, ein überschaubarer Kreis von Verdächtigen. Jeder könnte der Täter sein. Jeder hat seine Geheimnisse, und wenn man genauer hinschaut, verhalten sie sich alle merkwürdig zueinander, oder? 

 

Im Mittelpunkt steht ein Ermittler, ein Analytiker, ein begnadeter Menschenkenner, ein hochintelligenter Charakter, der Spuren sieht, die andere übersehen und als menschlicher Lügendetektor feine Nuancen im Sprachbild der verdächtigen Personen erkennt. 

 

Dazu kommt vielleicht noch eine mysteriöse, paranormale Geistergeschichte und fertig ist der Grundstein für eine spannende Handlung? So einfach ist das. 

Um alles in Einklang zu bringen, muss der Autor auch originelle Ideen verwenden, sonst wirkt seine Geschichte wie eine Schablone, die schon oft verwendet wurde. Erinnern wir uns gerne an die Großmeisterin der Kriminalliteratur Agatha Christie - denn Parallelen tauchen unweigerlich auf. 

 

Mit „Waiseninsel“ geht es für die finnische Kriminalbeamtin Jessica Niemi im vierten Band dieser hochkarätigen Krimireihe weiter. Ihr Schöpfer, der Finne Max Seeck, ist derzeit wohl der angesagteste und vielleicht auch erfolgreichste Autor. Inzwischen hat die Buchreihe auch das Interesse amerikanischer Produzenten geweckt, die sich die Rechte gesichert haben. Man darf auf eine Verfilmung gespannt sein. Seine Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet.

 

Kommissarin Jessica Niemi gerät in eine Auseinandersetzung, wird handgreiflich und prompt von einem Passanten gefilmt. Das Video geht viral und sie wird beurlaubt. Um Abstand zu gewinnen, fährt Jessica auf die zwischen Finnland und Schweden gelegenen Åland-Inseln.
 Dort trifft sie auf eine Gruppe älterer Menschen, die als Kinder während des Krieges fliehen mussten und hier auf der Insel in einem Waisenhaus lebten. Nun treffen sie sich wieder. Als einer der Alten tot aufgefunden wird, beginnt Jessica zu ermitteln. Denn bereits zuvor kamen zwei Menschen auf dieselbe mysteriöse Weise ums Leben. Alle drei Opfer scheinen mit der Legende um »Das Mädchen im blauen Mantel« im Zusammenhang zu stehen ...(Verlagsinfo) 

 

Alles ist anders - wenn man diesen Roman mit seinen drei Vorgängern vergleicht. Jessica Niemi ist auf sich allein gestellt. Kein Team, das ihr vor Ort den Rücken freihält und sie bei ihren Ermittlungen unterstützt. Als Einzelgängerin sollte das eigentlich ihre Komfortzone sein, aber auch ein einsamer Wolf braucht ein Rudel um sich herum, wenn er sich in einer angespannten Grenzsituation befindet. 

 

Wie bereits erwähnt, hat sich Max Seeck bei der Gestaltung wohl von alten Klassikern à la Agatha Christ inspirieren lassen. Die Spannung baut sich nur sehr langsam auf, die Größe des kriminalistischen Puzzles erschließt sich nur sehr langsam. Der Schauplatz der Handlung ist regional sehr begrenzt. Auch der Kreis der Verdächtigen ist nicht dörflich, sondern eher ein kleines Team „alter“ Herren und Damen, die sehr geheimnisvoll wirken. 

 

Die Insel präsentiert sich mit einer natürlichen Härte und einer Geistergeschichte um das Mädchen im blauen Mantel. Letztlich ist es diese Legende, die dem Roman seine eigentliche Kraft verleiht. Ein latentes, aber immer wieder offensives Gefühl der Gänsehaut, das man beim Lesen nicht los wird. So könnte man die Atmosphäre beschreiben, wie die eines kleinen Vorpostens auf einem Friedhof. 

 

Im Mittelpunkt der Handlung steht natürlich das Mädchen im blauen Mantel, das hier in einem ehemaligen Waisenhaus für kurze Zeit gelebt hat und spurlos verschwunden ist. 

Interessant ist auch der Aspekt, dass Jessica, die ein wenig an Schizophrenie leidet, bald nicht mehr in der Lage ist zu unterscheiden, welche Geister nun real sind und welche nicht. 

 

Der vierte Band - „Waiseninsel“ - ist eindeutig der schwächste dieser hervorragenden Reihe. Beispiellose Längen und Szenen/Dialoge, die sich am Ende als völlig überflüssig erweisen. Der Wechsel der Perspektive Jessica / Das Mädchen im blauen Mantel ist mir zu unausgewogen. Ich hätte mir gewünscht, dass es mehr Rückblicke in die Vergangenheit gegeben hätte.

 

Allerdings muss ich sagen, dass Max Seecks Erzählstil und seine Ausdrucksweise exzellent sind. Nicht poetisch, aber mit viel Verstand und Gefühl umgesetzt. Dadurch werden viele emotionale Punkte beim Leser aktiviert.

 

Auch die Charakterentwicklung bleibt in diesem Band „Waiseninsel“ eingefroren. Es gibt nicht viel Neues - weder bei Jessica noch bei den anderen Figuren in ihrem Umfeld. Ob es eine Fortsetzung der Reihe geben wird, wird am Ende nicht klar. Sie kann - muss aber nicht. Und wenn - dann muss die Entwicklung von Jessica insgesamt weitergehen. Es muss einen Meilenstein geben, sonst ist sie als Person nicht mehr interessant.

 

Fazit

 

Eine einsame Insel, so unspektakulär wie die Spannung des Romans. Ich hoffe, dass der nächste Band inhaltlich wieder stärker wird. Denn diese Reihe gehört zu den besten dieser Zeit, bis auf diesen Ausrutscher.

 

 

Michael Sterzik

Cover des Buches Monster (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 11) (ISBN: 9783550202254)

Bewertung zu "Monster (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 11)" von Nele Neuhaus

Monster (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 11)
MichaelSterzikvor 2 Monaten
Kurzmeinung: Sehr spannend, aber manchmal etwas überfrachtet. Sehr viel Gefühl, und auch Verständnis für menschliche Abgründe. Sehr zu empfehlen.
Monster und Maulwürfe

Ein schweres Verbrechen wie ein Mord ist mit erheblichen und nachhaltigen sozialen Erschütterungen verbunden. Das Leben, das sonst vielleicht stabil gewesen wäre, wird irreparabel beschädigt, und für die Angehörigen wird ihre kleine Welt nicht mehr so sein, wie sie vorher war. Das Trauma verfolgt aber nicht nur die Angehörigen, der Tsunami einer solchen Tat reißt alles mit sich. Die Angehörigen des Täters, die Freunde des Opfers und auch die Ermittler bleiben von solch grausamen Taten nicht unberührt. 


Neben dem ersten Schock, der Verzweiflung und der tiefen Trauer, die man als Angehöriger spürt, ist es sicherlich auch die unbändige Wut auf den Täter, die man empfindet. Kann man nach einem Mord sein Gewissen erleichtern? Wo sind die Grenzen zwischen Verbrechen und Rache? Diese Genugtuung, den seelischen Schmerz zu lindern, bringt aber das Leben des Opfers nicht zurück. Wann wird der Mensch zum „Monster“, das ohne Rücksicht und Gnade weiteres Leid verursacht? 

Die 11 Bände der Reihe Bodenstein/Kirchhoff haben nur sekundär mit dem biblischen Sprichwort Auge um Auge - Zahn um Zahn zu tun, vielmehr wird es unweigerlich politisch. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Es geht auch um Leid, um den Verlust eines Menschen, um den Umgang mit der Presse und um den unvermeidlichen Fingerzeig, dass man nicht vorschnell zum Vorurteil greifen sollte.

Im Feld wird die Leiche eines jungen Mädchens gefunden. Die 16-Jährige Larissa wurde erdrosselt. Durch eine DNA-Analyse gerät ein abgelehnter afghanischer Asylbewerber, der erst zu einer Haftstrafe verurteilt, aber nach einer Haftbeschwerde auf freien Fuß gesetzt wurde, ins Visier der Polizei. Er kann untertauchen, bevor Pia und Bodenstein mit dem Mann sprechen können.

Auf einer Landstraße im Hintertaunus wird nachts ein Mann von einem Auto erfasst und getötet. Sein Körper ist übersät mit Bisswunden, sein Gesicht entstellt. Der Mann hatte bei einem illegalen Autorennen eine schwangere Frau getötet. Wovor ist er geflohen und wer hat ihn so zugerichtet?  

Pia und Bodenstein stoßen auf immer mehr rätselhafte Todes- und Vermisstenfälle und auf eine Parallele zum Mordfall Larissa. Ohne es zu ahnen, steuern sie auf eine Katastrophe zu. (Verlagsinfo) 

Nele Neuhaus jongliert mit vielen brisanten Themen aus vielen Ressorts. Da geht es um die politische Brisanz eines solchen Mordes, um den Druck der Presse, um die Wut der Menschen, die Migration kategorisch ablehnen, und natürlich auch um Selbstjustiz. 

Keiner dieser thematischen Bälle entgeht der Hand der sympathischen Autorin. Aber es geht nicht nur um diese Themen, die Autorin drückt auch sehr genau die Knöpfe, um uns nicht nur nachdenken zu lassen, sondern auch die Emotionen der anderen zu spüren. Der Schmerz, die Verzweiflung, aber auch das Gefühl, dass ein Team von Polizistinnen und Polizisten Opfer eines Verrats geworden ist, ist sehr spannend. Verrat in den eigenen Reihen, oder hatte man in den Jahren der Zusammenarbeit eine Person übersehen - vielleicht wollte diese Person auch strategisch übersehen werden.

Zur Vertiefung der Charaktere der Hauptfiguren wird das Privatleben der Hauptfiguren immer wieder wohldosiert eingeflochten und lockert die durchgehende Spannung gelegentlich auf. Es bleibt genug Zeit, um Luft zu holen, und die Ausflüge in die Nebenhandlungen sind alles andere als übertrieben. 

Beide Fälle sind nicht miteinander verwoben, das wäre auch zu viel des Guten gewesen. Nele Neuhaus hat die Handlung mit Spannungselementen fast überfrachtet. Es ist ein schmaler Grat zwischen einer authentischen Handlung und einer mit Spannung geladenen Räuberpistole. 

Die Handlung ist auch polarisierend. Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man sie betrachtet. Nele Neuhaus beleuchtet beide Seiten, ohne direkt Partei für eine Seite zu ergreifen. 

Die Geschichte der Figuren ist noch lange nicht zu Ende erzählt, das spürt man und so ist es auch sicher, dass ein weiterer Band folgen wird. Die Reihe ist endlich und sollte es zumindest sein - das kann ruhig noch etwas dauern. 

Fazit 

Maulwürfe sind keine Monster. Monster - das sind Menschen, deren moralischer Kompass in einem Magnetfeld gefangen ist, das von Vorurteilen, von Hass, von Wut und von einer maßlosen Traurigkeit erfüllt ist. „Monster“ ist ein sehr starker Roman, den man auf jeden Fall gelesen haben sollte. 

Michael Sterzik

Cover des Buches Der Kriminalist - Die Logik des Todes (ISBN: 9783734111709)

Bewertung zu "Der Kriminalist - Die Logik des Todes" von Tim Sullivan

Der Kriminalist - Die Logik des Todes
MichaelSterzikvor 2 Monaten
Kurzmeinung: Die Stärken der Hauptfigur wurden überhaupt nicht ausgearbeitet und dargestellt. Wenig Spannung, wenig Humor.
Oberflächlich bis langweilig

Autismus - Asperger-Syndrom - Menschen mit diesen neuronalen Störungen sind nicht grundsätzlich behindert. Sie haben Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion, also auch Schwierigkeiten in der nonverbalen Kommunikation, Mimik und Gestik des Gesprächspartners einzuordnen. Das Vorurteil, dass es eine Intelligenzminderung gibt, stimmt so nicht. Es gibt Inselbegabungen: Logik, mathematisches Verständnis, Analytik usw., die für uns eher ein Grund zum Staunen als ein Grund zum Erschrecken sind. 

Andere Eigenschaften dieser Menschen sind Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, der Wille, Termine einzuhalten. Es muss also klare Regeln für sie geben. Darüber hinaus sind sie sehr pflichtbewusst und arbeiten mit großem Fleiß. 

Da sie die „Welt“ aus einer anderen Perspektive sehen, ist ihre Wahrnehmung eine ganz andere. Viele sind handwerklich begabt oder geistig sehr kreativ und bieten uns alternative und originelle Lösungen an, auf die wir selbst nicht gekommen wären. Dies bringt große Vorteile für die Bereiche Technik, Wissenschaft, nachhaltige Entwicklung, Innovation, Kunst (Fotografie, Grafik, Illustration, Schreiben), Informatik, aber auch für die Entwicklung von strategischen Projekten, Standards oder Arbeitsstrukturen.

Etwas schwieriger wird es, wenn noch einmal auf das Thema Kommunikation eingegangen wird. Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung haben keinen „sozialen“ Filter. Sie können nicht lügen oder sich bewusst verstellen. Ihre direkte Art kann zu äußerst lustigen, aber auch peinlichen Momenten führen. Sie sind auch nicht an Smalltalk oder Klatsch interessiert und erst recht nicht an eigenen Machtbestrebungen. 

Tim Sullivan ist ein erfolgreicher Drehbuchautor, Regisseur und Produzent, der an zahlreichen TV-Produktionen beteiligt war. „Der Detektiv - Die Logik des Todes“ ist der zweite Band einer Reihe um DS George Cross, der an einer milden Form von Asperger leidet und trotzdem oder gerade deswegen ein brillanter Ermittler ist. 

Detective Sergeant George Cross hat unvergleichliche Talente. Mit seiner brillanten Kombination aus Logik, Entschlossenheit und oft auch Pedanterie ist er für die Angehörigen oft die letzte Hoffnung, endlich Antworten in verzwickten Fällen zu finden. Als ein Bagger auf einer Abrissfläche eine Leiche ausgräbt, ist es an Cross, die Wahrheit aus allen Fragmenten zusammenzusetzen, die er finden kann. Bräunungsstreifen am Körper und seltsame Narben an den Unterarmen verraten die Identität des Toten: ein männlicher Amateur-Rennradfahrer, der seine Leistung mit Drogen steigerte. Nun muss Cross die Hintergründe der Tat aufdecken - und gerät dabei in eine dunkle Familiengeschichte ...(Verlagsinfo) 

Leider ist der zweite Band der Reihe bei weitem nicht so stark wie der erste Band. Die charakterlichen Eigenheiten, Talente und Inselbegabungen eines George Cross kommen hier leider weniger zur Geltung. Stattdessen verliert man sich in unzähligen Dialogen mit Zeugen und Verdächtigen, die weder spannend noch handlungsrelevant sind. 

Im Vordergrund steht die gute alte Ermittlungsarbeit. Actionszenen gibt es nicht, die erwartet man auch nicht, wenn man den Vorgänger gelesen hat. Allerdings erwartet man eine gewisse Originalität, einen Ansatz von Humor und eine gewisse Situationskomik, wenn Cross mit anderen interagiert oder in eine Diskussion einsteigt. 

Diese Figur wird ebenso wie alle anderen Figuren, die man kennt, nicht weiter ausgearbeitet. 

Erst gegen Ende, vor allem bei der abschließenden Befragung des Täters, wird der Roman stark. Doch dafür ist es fast schon zu spät. 

Fazit

Der Roman ist sehr oberflächlich - zu wenig originell und es gibt keine spannenden Elemente. Auch intelligenter Humor fehlt. Also sehr enttäuschend und leider nicht zu empfehlen. Trotzdem werde ich mir den dritten Band zu Gemüte führen, wenn er denn veröffentlicht wird. Die Figur des George Cross ist interessant - aber im Großen und Ganzen ist diese stilistische Ebene ein Schritt zurück.

 

Michael Sterzik

Cover des Buches Seven Days (ISBN: 9783442494019)

Bewertung zu "Seven Days" von Steve Cavanagh

Seven Days
MichaelSterzikvor 2 Monaten
Kurzmeinung: Grandioser spannender Aufbau. Abwechslungsreich - Kaltblütig, aber auch menschlich. Kein unbedingter Justizthriller - vielseitige Storys.
Zeitpunkte des Todes

Im Süden der USA gibt es noch die Todesstrafe. Obwohl von Menschenrechtsorganisationen stark kritisiert, obliegt es den Bundesstaaten selbst, dieses Rechtssystem anzuwenden. Die Akzeptanz der Todesstrafe schwankt zwischen 64% und 80% in der Gesellschaft. 

 

Es gibt durchaus Staatsanwälte, die konsequent und kompromisslos die Todesstrafe fordern. Egal, wie souverän die Pflichtverteidiger versuchen, dem entgegenzuwirken, oder ob es Verfahrensmängel aufgrund von Rassendiskriminierung gibt. Die Macht der Staatsanwälte lädt zu Spekulationen ein. Glaubt man den Statistiken, ist es gar nicht so abwegig, dass viele Unschuldige zum Tode verurteilt wurden und letztlich durch die Hand des Staates ihr Leben verloren haben. 

 

Viele Täter haben nicht die finanziellen Mittel, sich erfahrene Anwälte zu leisten. Diese können auch medialen und politischen Druck ausüben. Die Pflichtverteidigung ist nicht hilflos, aber ggf. nicht besonders motiviert, abgesehen auch von der mangelnden Erfahrung im Umgang mit dieser Situation. Ich habe von der Rassendiskriminierung vor Gericht gesprochen - gerade im Süden der USA ist die Hautfarbe des Angeklagten immer noch ein Kriterium, das ablehnend behandelt wird. Die Geschworenen werden von der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft ausgewählt. Sie sind das entscheidende Gremium, das über Leben und Tod entscheidet.

 

In diesem Thriller: „Seven Days“ von Steve Cavanagh werden genau diese Themen sehr, sehr spannend umgesetzt.

 

Man nennt ihn den König der Todeszellen. Randal Korn hat mehr Menschen auf den elektrischen Stuhl geschickt als jeder andere Staatsanwalt in Amerika. Und er liebt es, Hinrichtungen beizuwohnen. Sein nächstes Opfer: Andy Dubois, ein junger Afroamerikaner, der wegen Mordes an einem weißen Mädchen zum Tode verurteilt werden soll. Korn hat bereits alles für einen möglichst kurzen Prozess vorbereitet. Doch er hat die Rechnung ohne Eddie Flynn gemacht. Dem New Yorker Anwalt bleiben sieben Tage, um Andy vor der korrupten Justiz zu retten und den wahren Täter zu finden. Dann soll das Urteil gesprochen werden. Wird Eddie Flynn dann noch leben? (Verlagsinfo) 

 

„Sieben Tage“ ist nicht unbedingt ein klassischer Justizthriller. Die Spannung wird nicht nur im Gerichtssaal erzeugt, obwohl diese Szenen die Höhepunkte der komplexen Geschichte sind. Es gibt auch Actionszenen, aber die Dialoge vor Gericht und nicht zuletzt die verschiedenen Perspektiven der Figuren erzeugen eine atmosphärische Spannung, der man sich nicht entziehen kann. 

 

Das fast Unglaubliche an der Geschichte von „Seven Days“ ist, dass sie realistisch ist. Ein Staatsanwalt, der seine Macht ausnutzt, um sein eigenes Ego zu befriedigen: Dieser Missbrauch ist gar nicht so abwegig. Aber es geht nicht nur um diesen Staatsanwalt, sondern auch um andere manipulative Bedrohungen durch andere Personen oder Interessengruppen.

 

 

Die Charaktere in diesem Thriller sind hervorragend in ihrer Gestaltung. Jeder spielt seine Rolle fantastisch. Das Team um den ehemaligen Betrüger und heutigen Rechtsanwalt Eddie Flynn vernetzt sich mit dem Staatsanwalt und dessen Stellvertreter, Polizisten, Zeugen, Opferfamilien etc. Komplex - aber überschaubar. Eine Trennung zwischen Haupt- und Nebenrollen gibt es eigentlich nicht. Es ist nicht nur die Spannung, die diesen Roman so gut macht. Es ist auch die vom Autor gekonnt eingesetzte Sensibilität, die Menschlichkeit - Verletzlichkeit und Schmerz, Hoffnungen und Ängste. 

 

Besonders faszinierend sind die rhetorischen Wortgefechte vor Gericht. Dieser Schlagabtausch zwischen Zeugen, Verteidigung und Staatsanwalt ist filmreif, und man wünscht sich als Leser, selbst in der Reihe der Zuschauer zu sitzen und diesen Prozess zu verfolgen. 

 

Etwas eindimensional wird dargestellt, wie die Gesellschaft in den Südstaaten der USA funktioniert. Obwohl die Südstaaten kulturell ein anderes Erbe tragen als der industrielle Norden, werden hier Vorurteile und Klischees bedient. Auch wenn diese nach wie vor vorhanden sind und wohl auch immer vorhanden sein werden, so war das für mich doch ein wenig zu einseitig. 

 

Das Ende ist anders als erwartet. Das „Recht“ kann auf verschiedene Art und Weise durchgesetzt werden - es hängt ggf. von der Bedrohung ab, der man sich zu stellen hat. Steve Cavanagh spielt nicht nur mit verschiedenen Spannungselementen, er versteht es auch, mit allerlei Wendungen, Cliffhangern eine solche Atmosphäre aufzubauen, der man sich hingeben muss. 

 

Fazit

 

Ein Anwalt und ehemaliger Trickbetrüger, der spielerisch die Karten aufdeckt, um mit viel Verstand und Gefühl der Justiz seinen Willen aufzuzwingen. So muss ein Thriller sein. 

 

Michael Sterzik

 

Cover des Buches Death - Das Kabinett des Dr. Leng (ISBN: 9783426227695)

Bewertung zu "Death - Das Kabinett des Dr. Leng" von Douglas Preston

Death - Das Kabinett des Dr. Leng
MichaelSterzikvor 2 Monaten
Kurzmeinung: Es ist wohl der Zeitpunkt gekommen, an dem es absurd wird, Spannung ist vorhanden und der Showdown motiviert zu der Fortsetzung zu greifen.
Es wird absurd

Mit dem vorliegenden Band Death - Das Kabinett des Dr. Leng wird die Reihe um den exzentrischen und geheimnisvollen Agenten Pendergast fortgesetzt. Die Geschichten, die dabei zum Einsatz kommen, sind von den beiden erfolgreichen Autoren bereits sehr originell umgesetzt worden. Zwischen wissenschaftlichen Themen und vielen Mythen, Legenden und paranormalen Ereignissen ist diese Reihe so interessant wie die X-Akten.

 

Nach 21 Bänden könnte es allerdings eng werden mit weiteren Grenzfällen des FBI, und noch enger wird es, wenn es darum geht, die Charaktere weiterzuentwickeln. Im Laufe der Zeit wird die Garde der Protagonisten immer größer - mal tauchen die „alten“ Weggefährten wieder auf, mal in Nebenrollen, mal wieder in Hauptrollen an der Seite von Pendergast.

 

Nach außen hin ist Constance Green eine ebenso kluge wie bildhübsche Mittzwanzigerin - doch das Mündel von Special Agent Pendergast ist 140 Jahre alt!

Jahrhunderts ermordete Pendergasts wahnsinniger Vorfahre, der Serienmörder Dr. Enoch Leng, nicht nur die Geschwister von Constance, sondern führte auch finstere Experimente an der jungen Frau durch, die sie bis heute nicht altern lassen. Als Constance nun eine Möglichkeit findet, in der Zeit zurückzureisen und Leng erneut gegenüber zu treten, ergreift sie sofort die Chance. Doch ihr waghalsiger Plan könnte sie geradewegs in eine Falle führen.

Im New York der Gegenwart muss Agent Pendergast alles daran setzen, Constance vor ihrer Vergangenheit zu retten ...(Verlagsinfo)

 

Klingt abenteuerlich, oder? Vielleicht auch ein bisschen absurd. Und fast könnte man meinen, dem Autorenteam gehen die Ideen aus. Ein Racheengel, der durch die Zeit reist. Nein - es geht zwar in die Vergangenheit, aber in ein Paralleluniversum, sodass keine neue „Realität“ entstehen kann - das wäre dann doch etwas zu abgedreht gewesen. Trotz dieser sehr ungewöhnlichen und absurden Zeitreise-Theorie ist der Roman spannend.

 

Allerdings dauert es sehr, sehr lange, bis die Geschichte wirklich interessant wird. Das letzte Drittel der Handlung ist die Rettung für den ganzen Roman. Die vielen verschiedenen Erzählperspektiven sind zwar abwechslungsreich. Aber viele Sequenzen sind überflüssig oder zäh erzählt.

 

Und die Figur des Dr. Leng ist anspruchsvoller, wenn man das Wort „originell“ verwenden will. Eine intellektuelle Figur, die Pendergast und Constance Green absolut ebenbürtig ist.

 

Wenig Verwendung finden naturwissenschaftliche Themen. „Quantenphysik“ wird zwar erwähnt, aber nicht einmal ansatzweise erklärt. Interessanter sind da schon die Geschehnisse in der „Vergangenheit“, als Zeitreisender ist es schwer, sich in die Gesellschaft einzufinden. Man muss ohnehin auf viele Details achten, wenn man sich 140 Jahre in einer Umgebung aufhält. Das eigene Wissen kann gefährlich werden und Umgangsformen und sprachlicher Ausdruck wären nur weitere Hürden, denen man begegnen würde.

 

 

Douglas Preston und Lincoln Child agieren souverän die Leser gleich für den Folgeroman zu motivieren. Trotz vieler Schwächen, wird man wissen wollen, wie es weitergeht, denn Dr. Leng liegt in Führung, aber das Team um Pendergast hat eine sehr persönliche Geheimwaffe, die das absurde einmal mehr in den Schatten stellt.

 

Fazit

 

Spannende Zeitreise – zwischen Akte X und zurück in die Zukunft. Letztlich überholt sich die Reihe allerdings selbst und erreicht nicht die Qualität der ersten Bände.

 

Michael Sterzik

Cover des Buches Ein Fluss so rot und schwarz (ISBN: 9783608501797)

Bewertung zu "Ein Fluss so rot und schwarz" von Anthony Ryan

Ein Fluss so rot und schwarz
MichaelSterzikvor 3 Monaten
Kurzmeinung: Harter apokalyptischer Roman, der sehr stark anfängt, aber zum Ende hin leider immer abgefahrener wird. Horror ala "The last of us".
In the army now....

Die Literatur mit postapokalyptischen Titeln nimmt stetig zu. Es gibt Endzeitromane in denen ein Atomkrieg, die zivilisierte Welt wie wir sie kennen ist vernichtet, die Überlebenden kämpfen sich auf der Suche nach Rohstoffen, Nahrung und Zuflucht durch eine verbrannte Welt. Das wäre eine Variante, eine andere erzählt ggf. von einer Pandemie und präsentiert uns eine Welt, in der „Zombies“ die wenigen Überlebenden als Nahrung betrachten. Der Grundtenor ist also immer ähnlich. Und ebenfalls in der Beschreibung von Hoffnungslosigkeit, Brutalität und Verzweiflung und viel Action gibt es viele Gemeinsamkeiten.

 

Getragen werden diese Storys von sehr individuellen Charakteren; meistens sind es einfache Menschen, die in diesen Extremsituationen über sich selbst wachsen, es quasi müssen. Die Spannung entsteht also nicht nur über beschriebene actionreiche Szenen, sondern maßgeblich über die Entwicklung und das Schicksal der Protagonisten. Viele überleben es am Ende nicht, auch das ist Teil einer spannenden Dramaturgie.

 

Anthony Ryan thematisiert einen Endzeitthriller in seinem neuesten Roman: „Ein Fluss so rot und schwarz“.

 

Sechs Menschen erwachen auf einem Schiff. Ohne jede Erinnerung. Der siebte ist tot. Was ist passiert? Warum nimmt das Schiff Kurs auf ein postapokalyptisches London? Und von welchem Grauen künden die Schreie im dichten Nebel? Eine Mission auf Leben und Tod beginnt, der sich niemand entziehen kann.
Als Huxley zu sich kommt, weiß er nichts mehr. Nicht mal seinen Namen. »Huxley« ist ihm auf den Unterarm tätowiert. Offenbar befindet er sich an Bord eines fremdgesteuerten Militärschiffs auf der Themse. Und er ist nicht allein. Da gibt es noch fünf weitere Überlebende. Den sechsten findet er tot auf, Selbstmord. Sie alle sind nicht zufällig hier: Zusammen sind sie Polizist, Soldat, Ärztin, Physikerin, Historiker und Polarforscherin. Über ein Satellitentelefon erhalten sie von einer mysteriösen Stimme Anweisungen. Unaufhaltsam steuern sie in ein zerstörtes und ausgestorbenes London hinein. Doch schließlich stellen sich ihnen nicht mehr nur Schiffswracks und Brückenruinen in den Weg. Immer lauter werden die Schreie in der Ferne. Im dichter werdenden Nebel lauert ein Grauen außerhalb ihrer Vorstellungskraft. Mit jeder Seemeile wird deutlicher, dass ihre Reise ins Unbekannte ein schreckliches Geheimnis birgt. (Verlagsinfo)

 

Stark beschrieben hat der Autor die Ausgangslage, in der sich die Protagonisten befinden. Eine kleine Bühne, ein Schiff, das automatisch gesteuert wird, sechs Menschen, die mitunter unterschiedliche Talente und Instinkte besitzen, sich aber an nichts aus ihrer Vergangenheit erinnern können. Allerdings trägt jeder eine Reihe von frischen Operationsnarben, die sich nicht erklären lassen.

 

Die Atmosphäre des Romans ist konsequent düster gehalten. Nicht nur das beschriebene London, sondern auch die Angst, die Verzweiflung dieser Personen, die nach und nach verstehen, dass sie ein Rettungskommando sind. Fragt sich nur, für wen, oder wofür.

 

Die Story legt ein gutes Tempo vor und ist sehr kurzweilig, aber dennoch spannend. Wie in vielen verwandten dystopischen Geschichten, geht es auch sehr brutal und blutig vor. Anthony Ryan hat originelle Ideen, aber auch dieses Genre besitzt immer eine ähnliche Rezeptur und somit verwundert es den Leser auch nicht, dass er sich phasenweise an die Story von „the last of us“ erinnert, jedenfalls was die Grundidee ist.

 

Es ist auch ein kleiner Horrortrip – eine Entwicklung der Charaktere sieht man nicht, dafür ist der Seitenumfang des Buches auch viel zu gering. Originelle Ideen hat er allerdings verwendet und dadurch ist der Titel auch gut zu empfehlen.

 

Der Showdown wirkt dann zwar in sich schlüssig, dennoch aber nicht zufriedenstellend. Am Ende ist eine kleine Kurzgeschichte, mit wenig Hintergrund, und noch weniger Antworten auf viele Fragen die beim Lesen aufkommen.

 

Fazit

 

Spannende Horrorstory mit viel originellen Ideen. Man hätte viel mehr daraus machen können. Aber vielleicht und das würde ich mir hoffen, schreibt Anthony Ryan weiter an dem Grundplot dieses guten Romans.

 

Michael Sterzik

Über mich

Freier Redakteur bei dem Kulturmagazin Lübecks u.. anderen Medien. Rezensent für Buchbesprechungen.

Lieblingsgenres

Historische Romane, Krimis und Thriller, Fantasy, Kinderbücher, Sachbücher, Biografien, Jugendbücher, Literatur, Unterhaltung

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