„Wir kamen nach Hause, weil wir Versager waren.“ So beginnt der Roman „Die Shakespeare-Schwestern“ von Eleanor Brown. „Wir“ das sind die drei Schwestern Rosalind, Bianca und Cordelia, deren Namen alle aus Shakespeare Stücken stammen, denn nichts anderes schien dem exzentrischen Literaturprofessor eines kleinen und provinziellen Universitätsstädtchens im Mittleren Western der USA angemessen für seine Töchter. Und auch in der weiteren Erziehung spielen Shakespeare und seine Texte eine zentrale Rolle. Seine Sonette werden zu ihren Kinderreimen, seine Theaterstücke zur Lektüre in der Pubertät – Zitate zu geflügelten Worten, mit denen sich die einzelnen Familienmitglieder auch über lebensentscheidende Ereignisse wie Hochzeit oder Krebserkrankung informieren (S.13). Eine Art familieninterner Code gepaart mit einer seltsamen Hybris, die die einzelnen Familienmitglieder äußerlich miteinander verbindet, sie innerlich doch eher von einander fern zu halten scheint. Die Shakespeareverweise wirken immer wieder wie ein magischer Kreis um die Familie gezogen, ein Kreis, der gerade die Mädchen zu einer Art „Wir“ werden lässt, bei dem sie sich letztlich jedoch immer wieder fragen, wie sie dort eigentlich hinein geraten sind.
Diese Hybris steht in starkem Kontrast zum Eröffnungssatz. Vordergründig kehren die drei Schwestern wegen der Krebserkrankung der Mutter nach hause zurück, doch dient dies, wie das erzählende auktoriale Wir der drei Schwestern gleich zur Anfang entlarvt, nur als Vorwand. Heim gekommen ist jede aus einem anderen Grund, doch letztendlich alle um sich dort ihre Wunden zu lecken, die ihnen das normale Leben jenseits von Literatur und Text zugefügt hat. Rose, die brave und zielstrebige Intellekutelle, die sich nicht traut die Liebe ihres Lebens zu leben. Bean, femme fatale und Glamourlady aus New York, kehrt zurück, nachdem aufgeflogen ist, dass sie Geld in großen Mengen unterschlagen hat. Cordy, das durch und durch sympathische Hippiemädchen, verwöhntes Nesthäkchen, das sich nun als werdende Mutter neuen Herausforderungen stellen muss.
Sie alle kehren in einen heißen und schwülen Sommer in das Haus ihrer Eltern zurück. Der heiße Sommer, der sich zäh über die Stadt ergießt, spiegelt perfekt die stagnierenden Leben der drei Schwestern. Emotionen, Träume, Ängste - alles wirkt wie aufgestaut, unterdrückt und erdrückend. Pointiert schafft es die Autorin diese nahezu ausweglose Ausgangssituation der drei Frauen zu vermitteln.
Im folgenden ent-wickeln sich über viele viele Seiten die drei Geschichten, werden neue Fäden gesponnen, die die drei Zauberschwestern letztlich aus ihrer mystischen Verbindung. Jenseits von Shakespearezitaten werden Worte gefunden, die einen ehrlicheren und unmittelbareren Austausch zwischen den drei Mädchen aufscheinen lassen. Jede einzelne findet den Mut, ihre Geschichte zu erzählen und sich mit der Realität und den eigenen Ansprächen auseinander zu setzen.
Verglichen mit einem Shakespeare’chen Drama erscheint die Exposition, die Einführung in die Figuren gelungen, auch das Weiterentwickeln der Geschichte, ihre Durchführung steht stabil und ist glaubhaft. Die retardierenden Momente der Handlung sind jedoch zunehmend langatmig. Individuelle Beweggründe der Schwestern wirken zu schablonenhaft und bei aller Sprachgewandtheit der Autorin wird die Psychologie der Figuren scheinbar immer blasser. Die Katastrophe, die das Drama fordert, bleibt aus, das kathartische Moment, das sich die Leserin erhofft, zerfließt in einer heiteren jedoch nicht sehr überzeugenden weihnachtlichen Schlussidylle.
Mein Fazit: Ein Buch, das mich etwas ratlos zurücklässt. Viele sehr gute Passagen, die mich durch den Text getragen haben. Das große Aha Erlebnis, das ich mir vom Anfang versprochen habe, blieb allerdings aus.