"Meine Mutter war sehr hässlich. Alles andere hätte mein Großvater ihr nie erlaubt. 'Doofsein kannst du dir mit dem Gesicht wenigstens nicht erlauben', sagte er, und wie mit Allem im Leben hatte er natürlich auch damit recht. Also machte meine Mutter das, was sie am besten konnte: alle stolz. Mein armer Großvater konnte sich kaum entscheiden, welche ihrer tollen Begabungen das gesamte Gewicht seiner übersteigerten Erwartungen am meisten verdiente. Das Einzige, wozu meiner Mutter leider völlig das Talent fehlte, war die Liebe." Als diese mit einem Mal doch zuschlägt, mit einer solchen Wucht, dass die Mutter ein halbes Leben braucht, um sich davon zu erholen.
Ich schäme mich fast, dass ich den Klappentext des Buches kopiert habe. Doch nie zuvor haben diese wenigen Wörter und Sätze ein Buch so hervorragend beschrieben, wie man es selbst als Rezensent hätte tun können.
Schönheit ist relativ. Oder nicht? Seit „5 Kopeken“ bin ich mir sicher: Sie ist es! Die erste Seite des Buches handelt ausschließlich von Hässlichkeit, doch die Sätze enthalten so viel unglaubliche Schönheit und beeindruckende Intensivität, wie es nur wenige in der deutschen Sprache beherrschen. Nie bin ich dermaßen verschachtelten Sätzen mit so viel bedeutendem Inhalt mit jeder Menge Verständnis begegnet.
Die Liebe kämpft nicht mit fairen Mitteln. Sie berauscht den Gegner. Sie täuscht ihm vor, auf seiner Seite zu sein. Sie wiegt ihn im Glauben des Triumphs. Aber die hinterhältigste Waffe von allen ist die Hoffnung. Die Hoffnung ist es, die einen davon abhält, sich zur Wehr zu setzen. Die einen dazu bringt, der eigenen Vernunft zu misstrauen. Die einen immer weiter kämpfen lässt, so aussichtslos die Lage auch ist.
Zitat S. 478
Doch nicht immer ist es leicht, den Inhalt zu verarbeiten. Selbstverachtung, Demütigung und Hass prägen im Wesentlichen die Geschichte. Die namenlose Protagonistin verliert sich immer mehr, verliert den Boden unter den Füßen, kann ohne diesen Menschen nicht mehr Leben. Es ist erschreckend nah und ausführlich beschrieben, welche hohen Wellen unerwiderte Liebe schlagen kann.
In der Liebe ist Stolz das erste Opfer. Man kann sich mit Verachtung rüsten. Man kann die beiden Späher Hohn und Spott vorrausschicken, um das Lager des Feindes auszukundschaften. Aber je stolzer der Mensch, desto weniger wird er ihren Warnungen Beachtung schenken. Und umso verheerender sind am Ende die Verluste.
Zitat S. 453
Mein Fazit:
512 Seiten pure Faszination. Noch nie war Hässlichkeit schöner wie in diesem Buch. Es ist eines der größten, die ich je gelesen habe.