Bewertung zu "Heute schon für morgen träumen" von Lori Nelson Spielman
Emilia ist zufrieden mit ihrem Leben. Es ist zwar nicht gerade aufregend, in der italienischen Bäckerei ihrer Großmutter zu arbeiten, aber sie kann sich nicht beschweren; schließlich hat sie ja ihre Katze und ihren besten Kumpel Matt. Dann erhält sie plötzlich eine Einladung von ihrer Großtante Poppy, die zu ihrem 80. Geburtstag mit Emilia und ihrer Cousine Lucy nach Italien fahren will, um dort ihre große Liebe wiederzutreffen und den vermeintlichen Fluch der Familie Fontana zu brechen, der angeblich alle zweitgeborenen Töchter dazu verdammt, für immer alleine zu bleiben. Als sie die ausgeflippte Poppy, die vor Jahrzehnten von der Familie verstoßen wurde, kennenlernt, riskiert sie das erste Mal in ihrem Leben etwas. So begibt sie sich auf eine Reise, die ihr nicht nur die Welt, ihre Tante und ihr wahres Ich näherbringt, sondern auch die Wahrheit über ihre Mutter, über die Poppy offenbar Bescheid weiß…
Das Cover ist hübsch anzusehen und kommt sehr verspielt daher mit den knalligen Farben und den Vögeln und Blättern. Damit fällt es optisch jedoch aus der bisherigen Lori-Nelson-Spielman-Reihe bei Fischer heraus, da die sonst so typische „Baumform“ und der Colourblocking-Effekt fehlen. Dadurch wirkt das Buch im Regal leider ein wenig abgegrenzt von den anderen Werken der Autorin, auch wenn das Cover ein schönes ist. Angenehm fällt dagegen auf, dass der Umschlag nicht mehr so rau wie seine Vorgänger ist, sondern ein glattes Finish bekommen hat, von dem sich die Vögel und Pflanzenteile sowie die Schriftzüge glänzend abheben und sogar ein bisschen hervorstehen. Auf dem Buchrücken hält dieser Effekt leider nicht an.
Der Schreibstil sorgt für einen extrem guten Lesefluss und einen einfachen Einstieg in die Geschichte, da die Autorin es versteht, mit sehr einfachen Worten eine sehr greifbare Atmosphäre zu erzeugen. Die eigentliche Geschichte wird aus Emilias Perspektive erzählt, doch zwischendurch gibt es immer wieder Kapitel, in denen der Leser in die Rolle von Poppy schlüpft, wenn diese Teile ihrer Vergangenheit für Em und Lucy aufleben lässt. Für eine gute zeitliche Orientierung sorgen dabei die Jahresangaben, die jeweils neben Poppys Namen in der Kapitelüberschrift auftauchen.
Durch die intensive Atmosphäre, die die Autorin in beiden Zeitsträngen entstehen lässt, wird man als Leser emotional sehr stark in die Geschichte eingebunden. So kann man sowohl mit Emilia als auch mit Poppy mitfiebern, wenn es darauf ankommt. Dabei erfüllt Poppy mehr die Vorbildfunktion, während man selbst eher das Gefühl hat, mit Emilia mitzuwachsen.
Poppy wird als wirklich starke und lebensbejahende Persönlichkeit gezeichnet. Besonders beeindruckend ist dabei, wie sie zu ihren Fehlern steht und es trotz allem schafft, immer das Gute zu sehen und für andere da zu sein, wenn es ihr selbst mehr als schlecht geht.
Nebenbei bekommt man jede Menge schönes Italien-Flair mitgeliefert, da die Protagonistinnen sowohl Venedig als auch Venedig als auch Florenz und die ländliche Gegend der Tosakana besuchen, was Lori Nelson Spielman immer sehr anschaulich vermittelt.
Leider sind einige Entwicklungen der Geschichte relativ vorhersehbar oder sogar bereits von Anfang an bekannt, wenn man nur genau genug liest, was dem Buch an einigen Stellen den Überraschungseffekt nimmt.
Trotz allem ist die Geschichte jedoch so schön geschrieben, dass man darüber gerne hinwegsieht, insbesondere deshalb, weil sie einfach wahnsinnig starke Emotionen hervorruft, die nicht selten eine Packung Taschentücher verlangen! Die gut ausgearbeiteten Charaktere, die starken Stimmungen und die komplexen Beziehungen der Protagonisten und Antagonisten untereinander geben der Geschichte trotz einiger kleiner Schwächen jede Menge Tiefe, weshalb das Buch in jedem Fall absolut lesenswert ist – Für-sich-selbst-Einstehen, Liebe und Hoffnung einen Platz im eigenen Leben einräumen und Abenteuerlust haben alle einen Platz in dieser Geschichte und inspirieren dazu, sich im eigenen Leben viel mehr darauf zu konzentrieren anstatt es allen anderen recht machen zu wollen!