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Miss_Cooper

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Cover des Buches Das Buch der Phobien und Manien (ISBN: 9783608987539)

Bewertung zu "Das Buch der Phobien und Manien" von Kate Summerscale

Das Buch der Phobien und Manien
Miss_Coopervor 6 Monaten
Kurzmeinung: Ein bezaubernd gestaltetes Kompendium über die vielschichtige menschliche Psyche
verworrenes Seelenleben

Rezension:




Tief in uns verankert liegt sie, die Angst. Ewig lauernd. Wodurch sie ausgelöst wird ist dabei ganz individuell und bis zu einem gewissen Grad auch nützlich. Instinktiv warnt sie uns vor Gefahren, beispielsweise wilden Tieren oder zu großen Höhen. Angst macht uns umsichtig und Handlungsbereit. Doch wenn die Furcht einer Situation oder einem Objekt gegenüber exzessiv und nicht mehr angemessen ist, spricht man von einer Phobie. Einem übersteigerten Angstgefühl welches von Herzrasen, Benommenheit, Übelkeit, Schwindel, Taubheit und Krämpfen begleitet wird. In der Psychoanalyse geht man davon aus, dass die Phobie als Folge eines inneren Konflikts entsteht. Um diesem Konflikt aus dem Weg zu gehen wird dieser einfach in Form einer Phobie ausgelagert. Auch verdrängte Erinnerungen, oder ein Schock kann dieses Nervenleiden auslösen. Doch einige Phobien benötigen überhaupt keinen Auslöser, sie entstehen spontan und haben eher eine evolutionäre Ursache. Sie sind in jedem Fall komplex und können sich für die Betroffenen auf diverse Bereiche ihres Lebens auswirken. Schätzungsweise zwanzig Prozent der Menschen leiden mindestens einmal in ihrem Leben an einer Angststörung, von denen mittlerweile rund vierhundert diagnostiziert und beschrieben wurden. Während Phobien eine Manifestation der Angst darstellen, sind Manien völlig anders gelagert. Sie gehören zu den affektierten Störungen, also den Stimmungserkrankungen und drücken sich durch unpassendes Verhalten, Maßlosigkeit, erhöhtem Rededrang, Sprunghaftigkeit und Selbstüberschätzung, bis hin zum Größenwahn aus. Erkrankte können ihr Handeln oft nicht mehr einschätzen und ihre Aktivitäten befinden sich weit über dem Normalniveau. Eine Manie ist weit mehr als eine Phase guter Laune sie ist eine Impulskontrollstörung, deren Auslöser multifunktionell sind. Es wird vermutet, dass nicht nur psychosoziale Belastungen wie Stress verantwortlich sind, sondern auch hereditäre und biologische Ursachen einfließen. Einige dieser Angst- und Zwangsstörungen beschreibt die preisgekrönte Sachbuchautorin Kate Summerscale in ihrem Kompendium „Phobien und Manien“




In einer knappen Einleitung erfasst sie zunächst alle Manien und Phobien auf die sie später detailliert eingehen wird. Doch bevor es soweit ist, gewährt sie einen Exkurs in die Geschichte dieser Krankheitsbilder. Wann sie das erste mal benannt wurden, 1786 durch den Arzt Benjamin Rush. Aus welchem Grund unsere Psyche sie überhaupt entstehen lässt. Warum Frauen und noch viel häufiger Kinder von diesen spezifischen Ängsten betroffen sind. Welche Rolle die Gesellschaft und das persönliche Umfeld bei deren Entstehung spielt und wie sich eine kognitive Verhaltenstherapie auswirken kann. Jede der von Kate Summerscale aufgelisteten psychischen Störungen wird erläutert und mit anschaulichen Beispielen von Betroffenen belegt. Nicht selten lässt sie Zitate von angesehenen Wissenschaftlern einfließen und versucht zu veranschaulichen, woher bestimmte Ängste, oder Zwänge herrühren und verweist auf ähnlich gelagerte Phobien und Manien.




„Wir werden alle getrieben von unseren Ängsten und Sehnsüchten, und nicht selten sind wir sogar ihre Sklaven.“




Für mich, die leidenschaftlich gerne Küchentisch-Psychologie praktiziert ist Kate Summerscales kurzgefasstes Lehrbuch „Phobien und Manien“ ein absoluter Zugewinn. Ihr sprachlicher Duktus ist dabei leicht verständlich und überaus unterhaltsam. Die Berichte der Betroffenen sind teilweise so bizarr und illusionär, dass ich mich frage wie verflochten die menschliche Psyche sein muss, um diese Angst- und Zwangsstörungen entstehen zu lassen. Doch wie vernunftwidrig diese zu sein scheinen, besitzen sie fast alle einen rational erklärbaren Auslöser. Auch hinter jeder Manie steckt ein psychisch belastender Ursprung. Allerdings lässt sich bei einer Vielzahl von ihnen schwieriger von einer fixen Idee und einer pathologischen unterscheiden, so dass diese einfach oft vorgetäuscht werden, um beispielsweise einer Strafe vor Gericht zu entgehen. Kate Summerscales Kompendium hat mir einen faszinierenden  Einblick in die humane Psyche gewährt und mir auch bewusst gemacht wie gedankenlos ich mit dem Begriff „Phobie“ um mich werfe.  



Cover des Buches Die Krimi-Ladys von Dedley End (ISBN: 9783442493647)

Bewertung zu "Die Krimi-Ladys von Dedley End" von Victoria Walters

Die Krimi-Ladys von Dedley End
Miss_Coopervor einem Jahr
Kurzmeinung: Ein Mord in der Idylle der Cotswolds und eine neugierige Buchhändlerin auf Spurensuche
Mord im Herrenhaus

Ob brutal flauschiger Landhaus-krimi, oder eiskalter Krimi-Noir, sie füllen meine Regale zuhauf. Eingekuschelt in meine lieblings Wolldecke, vor mir eine Tasse lauwarmer Tee. Überschreite ich Grenzen, starre in finsterste Abgründe und stille meine Gier nach dem Bösen. In der Geborgenheit meines behaglichen Wohnzimmers, kann ich meine Ängste hypothetisch erleben, denn eines weiß ich genau, am Ende wird alles gut. Die Sicherheit wird wieder hergestellt. Kaum ein Genre in der Literatur ist so vielschichtig, wie das der Kriminalromane und kaum eines ist so beliebt bei seiner Leserschaft. Es gilt der ewige Kampf gut gegen böse. Im Fokus einer jeden Kriminalgeschichte, steht ein Verbrechen, meist wird das fünfte der zehn Gebote gebrochen. Unweigerlich tut sich ein bunter Katalog von Fragen auf, die durch die ermittelnde Person, im laufe der Geschichte beantwortet werden. Und ich, ich kann aus sicherer Entfernung ebenfalls, durch scharfsinnige Kombinationsgabe miträtseln und versuchen die einzelnen Puzzleteile zusammenzusetzen. Und schlussendlich völlig verblüfft sein, weil ich wirklich auf die falsch gestreuten Hinweise reingefallen bin. Eines der vielen Subgenres des klassischen Kriminalromans ist der Cosy Crime, eine gemütlichere Variante, eingebettet in einer wunderschönen Landschaft. In der es selten ein Berufsermittler ist, der dem Mörder das Handwerk legt, sondern meist ein neugieriger Zivilist auf Spurensuche geht. Auch alltäglichere Dinge wie Familienleben, Freundschaften und Romantische Beziehungen finden in einem Cosy Crime ihren Platz. Victoria Walters „Die Krimi-Ladys von Dedley End“ bedient genau dieses Genre der Kriminalromane. 


In den Cotswolds, dem Herzen Englands, wo Schafherden auf sanften grünen Hügeln grasen und die pittoresken Ortschaften mit ihren honigfarbenen Cottages und den engen Kopfsteinpflasterstraßen, die Landschaft schmücken, liegt das Dörfchen Dedley End. Die sechsundzwanzig jährige Nancy Hunter könnte sich keinen schöneren Flecken Erde zum Leben vorstellen. Sie ist dort aufgewachsen, kennt jeden Grashalm und seit sie einige Jahre zuvor den Buchladen von ihrer Großmutter Jane übernahm, wüsste sie auch keinen Grund mehr, das Dorf in dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, zu verlassen. Sie würde es auch gar nicht übers Herz bringen ihre Großmutter, bei der sie lebt, seit sie zehn Jahre ist, zurückzulassen und auch den Buchladen selbst könnte sie niemals aufgeben. Ihr verstobener Vater hat diese besondere Buchhandlung, in der es ausschließlich Kriminalromane, Detektiv-, Polizei- und Spionagegeschichten im Sortiment gibt, vormals eröffnet. Obwohl Nancy mit ihrem Leben mehr als zufrieden ist, wäre ihr ein wenig Abwechslung im Alltag nicht unlieb. Diese ergibt sich schneller als gedacht, in Form einer Einladung zu der Verlobungsfeier von Maria Roth. Was sehr erstaunlich ist, denn die Tore von Roth Lodge dem Familienanwesen wurden seit fast dreißig Jahren nicht mehr für Besucher geöffnet. Seit eine Gartenparty aus dem Ruder lief, hat sich die Familie Roth fast völlig aus dem Dorfleben zurückgezogen und sich in ihrem herrschaftlichen Anwesen auf einem kleinen Hügel, etwas außerhalb von Dedley End verschanzt. Und nun soll das halbe Dorf Teil dieser Feierlichkeit werden. Nancy kann es nur recht sein, sie war schon immer neugierig darauf, wie es ist, die heiligen Hallen von Roth Lodge zu betreten. Jonathan, Nancys Freund aus Kindertagen und Lokalreporter in Dedley End, hat es sich in den Kopf gesetzt ebenfalls zu der Verlobungsfeier zu gehen. Obwohl er explizit nicht eingeladen wurde, die Presse ist bei dieser Veranstaltung unerwünscht, hofft Jonathan dort endlich eine richtige Story an Land ziehen zu können. Es gelingt ihr, Jonathan mit einzuschleusen und der, wird alles andere als enttäuscht. Während des Sektempfangs gellt ein markerschütternder Schrei durch den Salon. Unter der Balustrade der Empfangshalle, auf dem Steinfußboden liegt Lucy Roth. Tot. Offensichtlich ist sie über das Geländer gefallen. Allen ist sofort klar, das kann kein versehen gewesen sein, es war ganz klar Mord. Nancy, die das Gefühl hat, dass bis auf ihren Ehemann Harry Roth, niemand aus der Familie um die junge Frau trauert, ja nicht einmal ehrlich betroffen wirkt, will Lucy Gerechtigkeit zukommen lassen. Sie nimmt sich vor, der Sache selbst auf den Grund zu gehen, denn immerhin versteht sie berufsbedingt eine ganze menge von Morden. Doch so leicht wie es in ihren Büchern scheint, ist es dann doch nicht. Gemeinsam mit ihrer Großmutter, deren Neugierde, die von Nancy fast übertrifft und Jonathan der eine noch viel größere Story wittert versucht sie mehr über die Frau herauszufinden, die erst seit sechs Monaten Teil der Familie Roth war. Und die dort auf eine generelle Ablehnung stieß. Unter Lucys Mädchennamen findet sie nirgends etwas. Was die Vermutung nahelegt, dass, wenn sie kein Geist gewesen war, unter falschem Namen geheiratet hat. Aber warum? Was hat die bildschöne Frau versucht zu verbergen? Nancy ist sich sicher, das der Mörder innerhalb der Familie zu suchen ist und das dazugehörige Motiv wird sie auch noch herausfinden.


„Harry war eines Tages einfach wieder vor der Tür gestanden und hatte alle mit seiner heimlichen Heirat vor den Kopf gestoßen. 

Nicht nur das, er hatte auch noch unter seinem Niveau geheiratet, jedenfalls in den Augen der Familie, eine Frau aus bescheidenen Verhältnissen, die dann auch noch versuchte, ihre eigenen Vorstellungen im Haus durchzusetzen…“


„Die Krimi-Ladys von Dedley End“ ist ein Cosy-Krimi nach Lehrbuch. Alles ist ein wenig weicher. Die malerische Landschaft kreiert eine Atmosphäre die im gesamten Buch erhalten bleibt. Eine, die mich an Herbstlaub und knisternde Kaminfeuer denken lässt. Der Todesfall selbst, bleibt eher eine Randnotiz, etwas das geschehen musste, aber zu blutig ist um sich davon zu sehr einnehmen zu lassen. Und dennoch gab es keine Seite, die ich als unspannend empfunden hätte. Victoria Walters streut ihre Hinweise gut gezielt, aber auch auf die falschen Fährten. Natürlich bin ich auf diese reingefallen, dabei habe ich mich doch für so raffiniert gehalten. Den Mörder habe ich bis zum Großen Finale nicht entlarven können. Wobei ich sagen muss das der Knall am Ende, für mich eher ein laues Lüftchen war. Es war mir einfach zu weit hergeholt und nicht plausibel genug. Auch sprachlich musste ich zunächst reinkommen. Ihr Syntax ist etwas holprig und wirkt dadurch gestelzt. Manche Formulierungen hören schlichtweg verkehrt an. Doch trotz der hin und wieder wildgestückelten Sätze, fand ich sehr schön ausgearbeitete Dialoge vor und auch die Charakteristika der Protagonisten wurden hingebungsvoll gezeichnet. Es blieb zwar alles ein wenig oberflächlich, aber dennoch brillierten sie mit Charme und Liebenswürdigkeit.


https://misscoopers.wixsite.com/misscooper/post/victoria-walters-die-krimi-ladys-von-dedley-end

Cover des Buches Das Geheimnis von Windsor Castle (ISBN: 9783442492343)

Bewertung zu "Das Geheimnis von Windsor Castle" von Oscar Muriel

Das Geheimnis von Windsor Castle
Miss_Coopervor 2 Jahren
Kurzmeinung: Zu viel Handlung auf zu wenigen Seiten.
Hexenjagd

Alexandrina Victoria von Kent ist nervös als sie durch das Querschiff von Westminster Abbey schreitet. Alle Augen sind auf sie gerichtet, verfolgen jeden ihrer zaghaften Schritte. Endlich erreicht sie den Chair of Estate und setzt sich. Doch es ist nur ein kurzes Ausruhen. Es folgt eine schier endlos lange Zeremonie, deren Strapazen sie mit Würde und Contenance erträgt. Denn am Ende dieser Prozession wird sie die Herrscherin über das mächtigste Land Europas sein und das gerade einmal mit 19 Jahren. Einem Alter in dem man jungen Mädchen höchstens zutraut sich selbst einen Hut auszusuchen, aber doch nicht ein ganzes Land zu regieren. Trotz aller Zweifel und Vorurteile ist das britische Volk schon bald entzückt von seiner kleinen, nur knapp einen Meter fünfzig großen, sehr tugendhaften Monarchin. Und die frisch gekrönte Victoria schreitet auch sofort ans Werk. Eine ihrer ersten Amtshandlungen besteht darin, ihre kontrollsüchtige Mutter, mit der sie bisher das Zimmer teilen musste in einen weit, weit entlegenen Flügel des Schlosses zu verbannen. Eigensinnig und starrköpfig wie sie ist, besteht sie auch darauf das Land allein zu regieren und weigert sich vehement zu heiraten. Bis ihr Cousin, Albert von Sachsen-Coburg-Gotha sie besucht und sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Es folgt eine dieser seltenen royalen Liebeshochzeiten. Zwanzig Jahre ist der ewig geduldige, unermüdliche Albert ihr wichtigster Ratgeber und engster Vertrauter. Als er stirbt zerbricht die sonst so schillernde, ungestüme Victoria. Fast drei Jahre verschanzt sie sich hinter ihren dicken Schlossmauern und meidet die Öffentlichkeit vollständig. Für das Volk wird sie zu der schrulligen Witwe von Windsor. Einer kleinen, dicken, ewig griesgrämig blickenden Frau, die statt der Krone nur ihre weiße Witwenhaube trägt. Der Erinnerungskult um ihren toten Albert wird für Victoria zur Obsession. Selbst Jahre später darf in seinem Zimmer nichts verändert werden, sogar der Rasierschaum wird täglich für den Verstorbenen bereitgestellt. 


Das vereinigte Königreich 1889. Queen Victoria tobt vor Wut. Das Fest der Liebe rückt immer näher. Und wie jedes Jahr an Weihnachen, möchte sie auch in diesem Jahr eine Séance durchführen, um mit ihrem geliebten Mann Albert, der mittlerweile vor fast dreißig Jahren von ihr gegangen ist, Kontakt aufzunehmen. Doch ist es ihr an diesem Weihnachtsfest nicht möglich. Und warum, weil zwei abgehalfterte Detectives ausgerechnet die beiden Hexen töteten, die das Wissen darum besaßen diese besondere spiritistische Zusammenkunft durchzuführen. 


„ … Sie haben ihre Majestät davon überzeugt, dass sie, und nur sie, dazu imstande sind, mit dem Prinzen zu kommunizieren, und jeder andere, der Gleiches behauptet, ein Scharlatan sein müsse. …“


Das kann und will die Königin des Vereinigten Königreichs nicht auf sich sitzen lassen. Die beiden Detectives müssen dafür bestraft werden, hart bestraft. Sie will ihre Köpfe rollen sehen. Um die Männer ausfindig zu machen und ihren Willen auszuführen, beauftragt sie einen ihrer Premierminister mit dieser Aufgabe. Lord Salisbury zögert keine Sekunde und sendet seinerseits Männer aus, die Inspector Ian Frey und dessen Vorgesetzten Adolphus McGray zu ihm bringen sollen. Frey, der es sich gerade in seinem Morgenrock und einer Tasse Tee in seinem Lieblingssessel gemütlich gemacht hat, wird unsanft aus seinen Träumerein an vergangene Tage gerissen, als mehrere gut gekleidete, sehr kräftig und bedrohlich aussehende Männer in sein Haus eindringen und ihn unsanft in eine Kutsche verfrachten. Als er ebenso harsch wieder hinausgezerrt wird, kommt eine weitere Kutsche auf dem kleinen Innenhof des Holyrood Palace an. Aus ihr wird der wild um sich tretende McGray bugsiert. Als der Premierminister vor ihnen steht und verkündet, dass die Queen ihrer beider tot will, ist es als würde sich die Welt aufhören zu drehen. 


„ Mir waren schon unverschämte, grausige, tragische und unglaubwürdige Nachrichten übermittelt worden. Diese nun aber traf bei mir einen Nerv, von dessen Existenz ich gar nichts gewusst hatte. Ich vernahm die Worte, ich begriff sie, doch es war trotzdem so, als wären sie mir in einer fremden Sprache übermittelt worden.“


Doch Lord Salisbury macht ihnen ein Angebot. Gibt ihnen die Möglichkeit ihre Köpfe aus der Schlinge zu ziehen. Das einzige was sie dafür tun müssen, ist alle noch praktizierenden Hexen zu liquidieren und nur eine zu verschonen, die eine Séance mit Victoria vollziehen kann. Der Premierminister selbst hat ebenfalls ein großes Interesse daran die Hexen tot zu sehen. Mit den über Jahre hinweg gesammelten pikanten und intimen Geheimnissen werden er und sein Sohn von ihnen erpresst. Das, soll nun ein Ende haben.   Sollte dieses Unterfangen den beiden Ermittlern gelingen, verspricht er ein gutes Wort bei der Königin für sie einzulegen. Es ist zwar nur ein kurzer Strohalm, aber Frey und McGray klammern sich an diesen und beginnen sofort die losen Textsammlungen und Bücher zu durchforsten, die sie über die Hexen von Lancashire in dem vergangen Jahr gesammelt haben. Das Problem ist nur, dass sich der Zirkel, nachdem die beiden obersten Hexen von ihnen getötet wurden, in mehrere kleine aufgesplittert hat. Und die sind nun im ganzen Land verstreut. Durch Zufall ist McGray allerdings im besitz einer Karte, die die Standorte der verschiedenen kleinen Zirkel markiert. Aus der Not heraus bitten sie selbst die despotische Lady Ann Ardglass um Hilfe, denn obwohl sie McGray am liebsten die Pest an den Hals wünschen würde, verabscheut sie die Hexen, die ihrer Familie so viel Leid zugefügt haben, noch weitaus mehr. Und tatsächlich kann sie ihnen einige nützliche Informationen liefern. Eine schwarze Katze überbringt dem Ermittler Duo eine Nachricht. Pansy, McGrays Schwester schwebt in größter Gefahr. Ein Hexenzirkel der sich die Marigolds nennt ist auf dem Weg zu ihr. Sie überlegen nicht lange und reisen sofort zu den Oakley Inseln, wo sich die junge Frau derzeit in einer entlegenen Klinik für betagte Menschen befindet. Doch ihre Reise bleibt nicht unentdeckt. Sie werden nicht nur von den Männern des Premierministers verfolgt, die sie im Auge behalten sollen, damit sie keine Dummheiten begehen, sondern auch von einer Gruppe vermummter Gestalten. Ein unerbittliches Katz und Maus Spiel erwächst, welches die Ermittler nicht nur an den Rand ihrer Körperlichen Kräfte bringt, sondern ihnen auch einige mysteriöse Rätsel aufgibt.


In „Das Geheimnis von Windsor Castle“ setzt Oscar de Muriel die Geschichte um die Hexen von Lancashire fort. Einer Gemeinschaft von Frauen, die Ränke schmieden, Zauber wirken und Personen für ihre Zwecke instrumentalisieren. Auch wenn der Plot in engem Bezug zu dessen zweitem Band „Der Fluch von Pendle Hill“ steht, ist ein lesen desselbigen nicht unbedingt von Nöten, er funktioniert auch sehr gut als eigenständiger Roman, da essentielle Teile noch einmal in dem Buch aufgearbeitet werden. Es ist bereits de Muriels sechster Band, den er um das disparate Ermittler Duo, Ian Frey und Adolphus McGray gewoben hat. Zweier Männer die vom Wesen her nicht unterschiedlicher sein könnten. Der eine, ein affektierter Dandy aus London, der den heideüberwucherten, zerklüfteten Bergen und schier endlos wirkenden Mooren Schottlands noch immer nichts abgewinnen kann. Der andere, ein Schotte durch und durch, gekleidet in Tartanmuster, chaotisch, halsstarrig und ordinär in seiner Wortwahl. Und dennoch teilen sie eine grundlegende Gemeinsamkeit, die Leidenschaft für ihren Beruf. Und dafür setzten sie nicht selten ihr eigenes Leben aufs Spiel. Auch in „Das Geheimnis von Windsor Castle“ bleibt de Muriel seinem syntaktischen Stil treu, verbindet den auktorialen Erzähler mit dem Ich Erzähler, der in Form von Ian Frey auftritt. Zeichnet ein verblüffend anschauliches Lokalkolorit, streut viele kleine Hinweise aus, die erst am Ende zu einem Gesamtbild zusammenlaufen und verwebt geheimnisvolles mit realen Bezügen. Auch an dramatischen  Passagen mangelt es dem knapp sechshundert Seiten langen Buch nicht. Wobei mir die Hinleitung und der Spannungsaufbau oftmals zu gekünstelt und fadenscheinig daherkam. Generell ist die Abfolge der Ereignisse sehr verworren. Es geschehen zu viele Dinge in zu kurzer Zeit. Verfolgungsjagden, Handgemenge, Morde. Und dann zwischendrin diese Kryptischen Auszüge aus einem Tagebuch, dessen Schreiber erst am Ende des Buches ein Gesicht bekommt. Welches aber nur einen entfernen Bezug zu dem eigentlichen Plot hat. Und ganz ehrlich haben sie auch am Ende für mich keine wirkliche Bewandtnis. Es ist aber nicht die einzige unlogische Textpassage. „Das Geheimnis von Windsor Castle“ ist gespickt von Logikfehlern und losen Enden. Das Buch ist einfach zu schmal, als das all diese Verästelungen zu einem befriedigenden Schluss kommen könnten. Es sind zu viele Handlungen, die am Ende nur noch verwirrend und kompliziert gestaltet sind. Ich hatte gar keine Zeit bestimmte Ereignisse auf mich wirken zu lasen, vielleicht ist mir auch aus diesem Grund der Höhepunkt des Buches nicht aufgefallen. Es gab da nur diese unzähligen, rasanten Verfolgungsjagden. Auch das Zusammenspiel seiner Protagonisten ging fast vollständig verloren. Wobei mir McGray, der Schotte mit dem losen Mundwerk, den ich zu Beginn so erfrischend fand, zuletzt ziemlich auf den Geist ging. Kaum ein Satz der seinen Mund verlässt, ist nicht mit einem vulgären Schimpfwort versetzt. Alles in allem ist mein Fazit zu „Das Geheimnis von Windsor Castle“ ziemlich ernüchternd. Aber ich bin mir sicher, dass sein nächster Roman wieder mehr meinen Geschmack trifft. 


 

Cover des Buches »Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen« (ISBN: 9783960084082)

Bewertung zu "»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen«" von Martin Schörle

»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen«
Miss_Coopervor 3 Jahren
Kurzmeinung: Zwei auf Papier gebannte Theaterstücke, die durch Wortgewandheit, Witz und feinster Ironie brillieren.
Ein Autor zwei Inszenierungen

Sobald das Licht in den kunstvoll verzierten Lampen an den Wänden gedimmt wird, verstummt auch langsam das baritonartige Gemurmel im Saal. Helles Scheinwerfer Licht erleuchtet nun eine kleine Bühne. Der gepolsterte Sitz fühlt sich etwas durchgesessen an und auch die Knie stoßen fast an den vorderen Sitz. Es macht nichts, denn der schwere rote Vorhang öffnet sich in diesem Moment majestätisch zu beiden Seiten. Allein das ist schon eine beeindruckende Inszenierung. Der erste Akt beginnt und der Alltag verblasst. Wir beobachten die Akteure auf der Bühne, wie sie dabei sind eine magische Atmosphäre für uns zu schaffen. Wir leiden, lieben und freuen uns mit ihnen. Ein Theaterbesuch, für viele mehr als nur stillsitzen und zusehen. Es ist etwas besonderes, fast ehrfürchtiges. Wo sonst verbindet sich etwas so altes, mit dem modernen Zeitgeist. Doch wie nehmen wir ein Stück, welches sonst einem erwartungsvollen Publikum präsentiert wird wahr, wenn es diese Bühne verlässt und als reine Textform dargelegt wird? Ist es möglich diese Dramaturgie einzufangen? Martin Schörle jedenfalls hat es gewagt und zwei seiner Theatertücke, samt Regieanweisung in literarischer Form herausgebracht.  

Vorhang auf für „Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten“. Auftritt Hans Fredenbek. Einem Vollblutbeamten wie er dem Lehrbuch entsprungen sein könnte. Einem, der sein Leben den Akten, Statistiken und Vorschriften verschrieben hat. Einem Endvierziger ohne große Ambitionen, der nur Dank der Regelbeförderung eine herausgehobene Position erreicht hat und seine Arbeitstage in einem trostlosen Büro verbringt. Hans Fredenbek allerdings ist damit vollauf zufrieden, mehr noch, es erfüllt ihn. Ohne seine Arbeit fühlt er sich verloren und aller Freude beraubt. Freizeit ist für Fredenbek folglich schier unerträglich. Jedes Jahr muss er mit seiner Frau verreisen, die Wahl fällt immer auf den selben Italienischen Ort. 


„Überall entspannte, urlaubsgebräunte, gut gelaunte Menschen. Ich bitte Sie, das ist doch nicht lebensnah!“


Um sich wenigstens während dieser Zeit ein Hochgefühl zu gönnen, entwickelt er, ein für alle anderen Teilnehmer unleidliches Hobby. Er schließt sich in Bahnhofstoiletten ein, um dann von jedem Passanten der diese aufsuchen will, eine schriftliche Erklärung ihres Anliegens zu fordern. Möglichst auf deutsch. Das löst für gewöhnlich einen Tumult vor der Tür aus und das wiederum erfreut sein Herz. Wenn er dann später am Abend seiner Frau einen schriftlichen Bericht zur Kenntnis geschrieben hat, ist Fredenbek mit der Welt zufrieden. Und auch sonst ist er von sich als Person recht überzeugt. Von seinem Ordnungssinn kann sich so mancher eine Scheibe abschneiden. Mit seinem Wissen über verschiedenste Themen, speziell über das Seelenleben der Frau, welches er mit einer dunklen Grotte vergleicht, trumpft er gerne auf. Nur leider scheint sich niemand für seinen immensen Wissensschatz zu interessieren. Vielmehr behandeln ihn die Menschen als aussätzigen und das, obwohl seine Arbeit im höchsten Maße von Bedeutung ist.  

Hans Fredenbek könnte einem fast leidtun, wäre er nicht durch seine belehrende Art so furchtbar unsympathisch. Obendrein noch unsensibel, neurotisch und pedantisch. Den ungehaltenen Worten, die aus ihm herauspoltern, könnte man Mutwilligkeit nachsagen. Doch wenn ich mir Hans Fredenbek in seinem farblosen Anzug - sitzend in seinem ebenso farblosen Büro vorstelle, wie er nach diesem einen, für ihn perfekten Radiergummi sucht, ohne welches er scheinbar nicht existieren kann. Und wie er sich immer mehr in fahrt redet, dabei in die wirrsten Gedankengänge verstrickt und diese unbedachten, rassistischen und sexistischen Äußerungen tätigt, kann ich diesen gar keine Gewichtung beimessen, weil er dabei so schrecklich naiv und ungelenk wirkt. Was zwischenmenschliche Sachverhalte angeht, scheint er mithin unbewandert, nahezu ignorant zu sein. 

Mit Hans Fredenbek hat Marin Schörle, der selbst Verwaltungsbeamter ist, einen theatralischen und skurrilen Charakter geschaffen. Dessen Fantasie und den Was-Wäre-Wenn-Szenarien nicht selten ins absurde abdriften. Der sich in Animositäten verstrickt und vor seinem Leben außerhalb des Büros die Augen verschließt. Zunächst stand ich dem „Büchlein“ etwas skeptisch gegenüber, ich hatte die Befürchtung, das ohne den Akteur die Botschaft verloren gehen könnte. Doch dank Schörles bildhafter Sprache, und seinem wunderbar fließenden Syntax, konnte Hans Fredenbek auf meiner geistigen Bühne in Aktion treten und seinen knapp fünfzig Seiten langen Monolog halten, der an vielen Stellen nicht nur grotesk, sondern auch auf erschreckende Weise einleuchtend ist. Wie sonst kann man sich erklären das Telefonanrufe in Ämtern, meist ins leere laufen, wenn nicht, dass sich der zuständige Beamte unter dem Tisch versteckt sobald dieses klingelt. „Nichtalltägliches aus dem leben eines Beamten“ liefert für mich den Beweis das es sehr gut funktionieren kann ein Theaterstück lediglich zu lesen. So gut das mir dabei an vielen Stellen die Tränen vor lachen kamen.


Nach einer kurzen Unterbrechung, folgt das zweite Stück des Autors, „Einladung zum Klassentreffen“. Das Bühnenlicht erleuchtet Carsten und Marina, die beiden zentralen Figuren und einige wenige Nebendarsteller. Das Bühnenbild ist geteilt, Marina auf der einen Seite, die im Zug nach Hause sitzt, Carsten auf der anderen, vor ihrer Haustür, mit einem Strauss Blumen in der Hand. Marinas Handy klingelt, Carsten ist dran. Carsten, den sie seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hat, mit dem sie während des Abiturs ein Liebespaar bildete und der sie nun zu einem Klassentreffen einladen will. Das Gespräch verläuft zunächst ganz unverfänglich. Er bringt sie auf den neusten Stand was ihre ehemaligen Mitschüler angeht. Das der Kai jetzt bei der Meldebehörde arbeitet und Katharina, die damals als Radikalfeministin bekannt war, jetzt Pastorin ist und fünf Kinder hat. Doch ziemlich schnell wird das Telefonat intimer. Carsten gesteht ihr, dass er sie nie vergessen hat und seine Gefühle ihr gegenüber noch immer existent sind. Marina die von diesem Geständnis völlig überrumpelt ist, geht in Abwehrhaltung. Wird zynisch und schnippisch. Denn für sie ist dieser Abschnitt ihres Lebens lediglich eine Erinnerung und diese romantischen Gefühle längst verblasst. Doch angesichts Carstens Ehrlichkeit, schüttet nun auch Marina ihm ihr Herz aus. Erzählt von ihrer gescheiterten Ehe, dem unerfüllten Kinderwunsch, ihrer Fehlgeburt, dem Alkoholkonsum und den darauffolgenden Therapiestunden. Alles unter den wachsamen Ohren einiger Mitreisender, die völlig ungeniert dem Telefonat der beiden lauschen. 

„Einladung zum Klassentreffen“ besticht hauptsächlich durch seinen dynamischen Dialogtext. Einem einfallsreichen, gut konstruierten Dialog, mit einem elegant eingewobenen Subtext. Doch so richtig warm wurde ich trotz Schörles gekonnter Erzählform weder mit Marina, noch mit Carsten. Sie war mir zu zickig, er mir zu gewollt gefällig. Leider war mir auch das grand finale zu weit hergeholt und etwas zu abwegig. Unrealistisch fand ich allerdings auch schon den Gedanken, dass man einer Person die man zwanzig Jahre weder gesehen, noch gesprochen hat, immer noch beziehungstaugliche Gefühle entgegenbringen kann. Doch ich darf dabei nicht vergessen, es ist ja immer noch ein Theaterstück, da sollte ich etwas Nachsicht walten lassen. Der Grundtenor des Stückes beinhaltet eine gewisse Tragik, die allerdings durch amüsante Einwürfe aufgelockert wird. Meine hauptschmunzel Nebenfigur war die ältere Dame im Nebenabteil des Zuges, die dann und wann ungefragt Bemerkungen zum Telefonat äußert. Alles in allem war „Einladung zum Klassentreffen“ ein abwechslungsreiches Stück in dessen Szenerie ich mich gut einfühlen konnte und dessen Hauptfiguren charakterlich geschickt ausgebaut wurden. Bleibt nur noch zu sagen, dass es sich für mich in jedem Fall gelohnt hat diese beiden Theaterstücke zu lesen, denn Martin Schörle ist ein wirklich Wortgewandter Autor, dessen feine Ironie mir sehr zusagt.

Cover des Buches Unter Wasser Nacht (ISBN: 9783446269453)

Bewertung zu "Unter Wasser Nacht" von Kristina Hauff

Unter Wasser Nacht
Miss_Coopervor 3 Jahren
Kurzmeinung: Ein Paar das am Verlust ihres Sohnes zu zerbrechen droht.
Seelenschmerz

https://misscoopers.wixsite.com/misscooper


Er ist beängstigend und faszinierend zugleich. Er ist der, der unabwendbar kommt. Er ist das Ende allen Seins.

Der Tod, so sagt man leichthin, gehört zum Leben dazu und ist der Preis den wir irgendwann zahlen müssen. Denn wir, wir sind nur zu Gast auf dieser Welt. Dennoch fürchten wir nichts mehr und an nichts werden wir weniger gerne erinnert, als an unsere eigene Sterblichkeit. Doch müssen wir uns Früher oder später mit dieser auseinandersetzten und arrangieren. Was ist aber, wenn es nicht um unser eigenes Ableben geht, sondern jemand stirbt, der uns nahesteht uns etwas bedeutet. Jemand der eine Lücke hinterlässt, die niemand zu füllen vermag. Plötzlich werden wir mit einer Flut aus Gefühlen konfrontiert, auf die wir nicht vorbereitet waren. Wir ringen mit Verzweiflung, Sehnsucht, Angst, aber auch mit Wut über die eigene Hilflosigkeit. So unterschiedlich oder ausgeprägt diese Gefühle auch sein mögen, gehören sie doch zu einem heilsamen, wenn auch schmerzhaften Prozess, dem der Trauer. Jeder Mensch trauert auf seine eigene Weise, dabei gibt es kein richtig oder falsch, kein kurz oder lang, keinen schweren oder leichten Schicksalsschlag. Trauer sollte nicht qualifiziert werden, sie folgt keinem Fahrplan, und ist nicht weg therapierbar.  



„Bedenkt: den eigenen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem Tod der anderen muß man leben.“  Mascha Kaléko, Memento


Seit dem Verlust ihres Sohnes vor einem Jahr versuchen auch Sophie und Thies mit diesem lähmenden, allumfassenden Schmerz zurechtzukommen. Während Sophie sich in ihre Arbeit flüchtet, um dem Schmerz zu entkommen, vergräbt sich Thies in sich selbst. Redet nicht mehr, fühlt nicht mehr. Sondern streift Tag für Tag einsam durch die Elbauen, verharrt an dem Ort an dem sein Sohn dreizehn Monate zuvor nur noch Tod geborgen werden konnte. Bekleidet mit T-Shirt, Hose und Schuhen wurde er nach tagelanger Suche aus der Elbe geholt. Die Behörden gehen von einem Unfall aus, denn die Elbe ist ein trügerischer Fluss, der an vielen Stellen Untiefen birgt. Thies jedoch kann sich nicht mit dieser Theorie abfinden. Er glaubt, dass mehr dahintersteckt. Woher stammten die Kratzer in seinem Gesicht und woher hatte er das Armband, welches er bei sich trug. Vielleicht hat sich jemand an dem elfjährigen Jungen gerecht? Es wäre nicht unwahrscheinlich. Aaron war in der Gemeinde nicht gerade beliebt und bei weitem kein einfacher Junge. Er schikanierte andere, hatte spaß daran sie zu quälen, war aggressiv und unkontrollierbar. Nie war er fröhlich, nie traurig. In seinem Innern herrschten nur Wut und Ablehnung, auch seinen Eltern gegenüber. Bereits vor dem Abend seines Verschwindens, waren Sophie und Thies am Rande der Verzweiflung. Und schon damals fühlten sie sich von ihrem Umfeld im Stich gelassen. Und auch in ihrer Beziehung werden sie zu Einzelkämpfern. Sie geben sich nur noch einer Illusion von Nähe hin. Immer größer wird die Kluft zwischen ihnen. Soviel unausgesprochenes lässt sie beinahe daran ersticken. Sophie sehnt sich so unbedingt nach jemanden, der sie stützt, doch denjenigen findet sie weder in ihrem Mann, noch in ihrer besten Freundin Inga. Die sie nicht ohne Neid auf ihr perfektes Familienglück betrachten kann. 


„Ich bin verbittert und ungerecht, dachte Sophie. Niemals hatte sie jemand sein wollen, der auf seine besten Freunde neidisch ist. Und doch war es so gekommen. Sie konnte ihre Gefühle nicht unterdrücken. Und deshalb konnte sie nicht mehr mit Inga befreundet sein.“


Wie durch Fügung lernt sie Mara kennen, eine Frau die in der Gegend nach jemanden sucht. In dieser Unbekannten, die auch alle anderen in ihren Bann zieht, scheint Sophie die Freundin gefunden zu haben, nach der sie sich so sehr gesehnt hat. Und auch Thies wird von ihr ins Leben zurückgeholt. 


„ Er spürte den Druck der Finger durch den Pullover. Und darunter sein Herz, schneller, heftiger pochend als sonst.“


Doch wer die Frau ist, die in ihre Leben eindringt und dort für noch mehr Chaos sorgt, erkennen sie erst später.


Ähnlich wie der Weg den jeder Trauernde beschreiten muss, ist auch Kristina Hauffs Roman „Unter Wasser Nacht“ ein Prozess. 

Anfangs wirft sie einen Mantel der Schwermut über mich, bis ich mich am Ende daraus befreie und der Hoffnung begegne. 

Jedes ihrer Wörter, wirkt mit Bedacht gewählt. Emphatisch beschreibt sie die klaustrophobisch enge Welt in der Thies und Sophie leben und dabei an ihren Schuldgefühlen und den unausgesprochen Worten zu ersticken drohen. Ich spüre Sophies Verzweiflung, sowie ich Thies lähmende Gleichgültigkeit begreifen kann. Aber nicht nur ihre Charaktere gestaltet sie vielschichtig, auch das Lokalkolorit beschreibt Kristina Hauff stimmungsvoll, dabei werden kleinste Umgebungsmerkmale von ihr eingefangen. Ich konnte es vor mir sehen, das malerische Wendland, mit den Elbauen und dem sich dahinziehenden Fluss, dessen Wasseroberfläche in der Sonne glitzert. Durch den Roman führen mich hauptsächlich die beiden Protagonisten Thies und Sophie aber auch in die Gedanken und Gefühlswelt einiger Nebencharaktere, wie der von Sophies Freundin Inga, oder deren Tochter Jella tauche ich ein. Durch die Analepsen, also Rückblenden, die von den Charakteren erinnert werden, schafft Kristina Hauff eine noch größere Komplexität. Und ihr Roman erfährt dadurch einen noch größeren Spannungsverlauf. Denn ob es sich bei dem Tod von Aaron nun um einen Unfall, oder doch um etwas anderes handelt, bleibt noch zu klären. Ebenso wie weit Mara in diese Geschichte eingewoben wird. Abschließend bleibt nur noch zu sagen „Unter Wasser Nacht“ ist für mich ein ernsthafter, atmosphärischer, facettenreicher Roman, der unwahrscheinlich gut durchdacht und in sich völlig rund wirkt. Kurzum, absolut lesenswert. 


Cover des Buches Die Silbermeer-Saga - Der König der Krähen (ISBN: 9783743203662)

Bewertung zu "Die Silbermeer-Saga - Der König der Krähen" von Katharina Hartwell

Die Silbermeer-Saga - Der König der Krähen
Miss_Coopervor 4 Jahren
Kurzmeinung: Ein Buch vollgepackt mit Poesie
Vom Suchen und Finden

Salz liegt in der Luft, es legt sich auf die Haut, man schmeckt es auf der Zunge, es riecht sogar nach Salz, gepaart mit dem unverkennbaren süßlichen Duft langsam verrottender Algen. Eisig bläst der Nordwind, verwirbelt das Haar, zieht durch die Kleidung bis tief hinein in die Knochen, bleibt dort stecken wie tausend kleine Nadeln. Die Sicht ist grau und trüb, nebelverhangene Inseln schälen sich aus der aufbrausenden See. Rau und unnachgiebig ist das Leben an der Küste des Silbermeers. Und Entbehrungsreich. Entbehrungsreich vor allem an Freude. Die Tage sind gezeichnet von den immer gleichen stupiden Abläufen, eine grausame Zeitverschwendung des Lebens. Doch die verschlossenen Bewohner Colms akzeptieren ihr karges Dasein, sie kennen ja kein anderes, wollen auch kein anderes. Fürchten sich vor dem Fremden, dem Unbekannten. Und sie fürchten sich vor der Silbersee mit all ihren Kreaturen die sich in ihr verbergen, den Wassermännern, Seegespenstern, dem Königskraken. Dennoch fahren die Fischer Colms täglich hinaus auf das Meer um ihre Netze mit den wertvollen Colminfischen zu füllen. Ein Gift hängt in ihren Schuppen, so heilsam, wie tödlich. Und kostbar. Dieses Gift vom Fisch zu trennen obliegt den Frauen und Mädchen Colms, so stehen sie Tag für Tag an den Bottichen und zerstoßen die Schuppenkleider. 


Die vierzehnjährige Edda Valt gehört zu jenen Fischfrauen, die sich in der dunklen Materie der Eintönigkeit verlieren. Die Bewohner Colms allerdings meiden das rothaarige Mädchen mit den stechend grünen Augen, die alles zu durchdringen scheinen. An ihr haftet eine Andersartigkeit und obwohl sie fast ihr ganzes Leben in dem Küstenort verbracht hat, fühlt sie sich selbst jetzt noch als ein Fremdkörper in der Gemeinde. Als der einflussreiche Fischer Ruben, sie und ihren kleinen Bruder Tobin auf dem Dorfplatz halb erfroren gefunden und bei sich aufgenommen hat, war sie etwa sechs. Erinnerungen an ihr altes Leben, vor Ruben hat sie nicht mehr. Umso fester bindet sie sich an dem was ihr von damals geblieben ist, ihren Bruder. Einem schüchternen, zerbrechlich wirkenden zehnjährigen. Eddas Liebe zu Tobin ist gewaltig, die Angst davor das ihm etwas geschehen könnte noch gewaltiger. Besonders während der Kaltwochen an denen jedes Jahr ein Kind aus Colm spurlos verschwindet, steigt Eddas Furcht, dass ihr Bruder eines der Seekinder werden könnte. 


„Doch wie in jedem Jahr würden die Gebete, die roten Türen, die Puppen aus Holz eines der Kinder nicht schützen können. Ein Kind, das in den kommenden Tagen zum Seekind werden und bald schon nicht mehr dem Land, dem Dorf und seinen Eltern gehören würde, sondern den Fluten, dem nassen Blau, dem kühlen Grau, der dumpfen Stille tiefer Wasser.“ 


Die Kaltwochen haben sich erst über die Küste gelegt, als eines der Kinder verloren geht, ein Junge, allerdings nicht Tobin. Eine Welle der Erleichterung zieht durch die Gemeinde. Doch noch bevor der Frühling in Colm Einzug hält, überfällt Edda eine bittere Ahnung. Etwas hat ihren Bruder geraubt. Als sie ihr Zuhause betritt, ist Tobins Zimmer leer. Und ein zweites Mal in diesem Jahr, wird jeder Stein in Colm umgedreht, doch Tobin bleibt verschwunden. In seinem verwaisten Zimmer entdeckt Edda eine einzelne, tiefschwarze Feder, bei ihrem Anblick erinnert sie sich an einen Traum, den nicht nur sie, sondern auch ihr Bruder von einem Schwarz geflügelten Wesen hatte. Sie bringt die Feder der alten Maron, einer Hexe und erfährt von einer Legende. Auf der letzten Insel ganz im Norden des Teermeers lebt ein Wesen, den sie den König der Krähen nennen. Ihm, da ist Maron sich sicher, gehört diese Feder.


„‚Der König der Krähen hat sich deinen Bruder geholt. Und er lebt auf einer der Inseln dort draußen.‘ Sie deutete mit dem Kinn in Richtung der Silbersee. ‚Dorthin bringt er die Kinder. Er isst sie nicht. Und er gräbt ihnen auch nicht die Augen aus. Er verwandelt sie in Vögel. Damit er weniger einsam ist.‘“


Ein Hoffnungsschimmer glimmt in Edda auf. Tobin lebt, ist nicht zu einem Seekind geworden, sie muss ihn nur finden. Edda schaudert bei dem Gedanken über die tückische Silbersee, mit all ihren namenlosen Ungeheuern die sie beherbergt zu reisen. Doch sie muss ihre Furcht überwinden, für Tobin. 


„Manche Geschichten können nicht so einfach erzählt werden, Mädchen. Man muss für sie kämpfen, für sie bluten, für sie reisen, fürchten und hoffen und suchen und finden und wieder verlieren.“


Literatur sollte immer etwas wagen, sie sollte glücklich machen und wehtun. Katharina Hartwell hat in ihrem ersten Band der Silbermeer-Saga „Der König der Krähen“ all das erreicht. Aus ihren Worten erwachsen Bilder und jedes von ihnen ertrinkt in Poesie. Ganz gleich wieviel Lob ich auf ihr Werk regnen lasse, es kann ihm nicht gerecht werden. Selten hat mich ein Buch emotional so berührt. Mit kaum einem Protagonisten habe ich je so mitgelitten, wie mit Edda Valt. Dem starrköpfigen, kompromisslosen, impulsiven und mutigen Mädchen, das nirgendwo hingehört und die mit dem Verlust ihres Bruders, selbst das letzte Stückchen Heimat verliert das sie kannte. Ein Mädchen das aufbricht, um nicht nur ihren Bruder, sondern auch sich selbst zu finden und die während ihrer abenteuerlichen Reise über das Silbermeer eine innere Verwandlung durchlebt. Katharina Hartwell erschafft eine fantastische Welt in der die Geschöpfe so alltäglich wirken, wie Hase und Igel. In der die Orte nur entfernt an bekannte Gegenden erinnern und die mit einer sagenhaften Präzision all die Düsternis und Melancholie dieser Welt auf dem Papier einfängt. Ein Buch über Güte, Freundschaft, bedingungslose Liebe, Vertrauen, über das Scheitern und das wieder aufstehen. Ein Buch welches ich öffnete damit es am Ende mich öffnet.

Cover des Buches Im Bann der Fledermausinsel (ISBN: 9783442488872)

Bewertung zu "Im Bann der Fledermausinsel" von Oscar Muriel

Im Bann der Fledermausinsel
Miss_Coopervor 4 Jahren
Kurzmeinung: Ein klassischer Whodunit, in einer märchenhaften Kulisse mit zwei grandios gezeichneten Protagonisten
Eine literarische Schnitzeljagd


Bereits zum vierten Mal nimmt Oscar de Muriel mich mit auf eine literarische Schnitzeljagd durch das viktorianische Großbritannien. Einer Epoche die geprägt ist von Wirtschaftskrisen, der Ausbeutung von Arbeitern, Hungersnöten, Elend und Krankheit, aber auch die der Industriellen Revolution und der radikalen Frauenrechtsbewegungen um Emmeline Pankhurst. Einer Zeit in der man noch zum Telegrafenamt ging, um eine Nachricht „mal eben schnell“  zu senden und man sich eine Droschke samt Pferd mietete, anstatt sich ein Taxi zu rufen. Besonders in den Elendsvierteln Londons war die Verbrechensrate zur Zeit Queen Victorias hoch, sehr hoch, die Aufklärung dieser hielt sich allerdings in Grenzen. Es gab weder eine Form der forensischen Genetik, noch konnte man etwas mit Indizien anfangen. Die Aufklärung eines Verbrechens glich also der einer schicksalhaften Fügung. Man war stets auf Zeugen angewiesen, oder besser noch, der Täter wurde gleich auf frischer Tat ertappt. Hin und wieder half es auch Foltermethoden anzuwenden, um dem Verdächtigen ein Geständnis abzupressen. Doch man musste nicht immer auf den Zufall vertrauen, oder der Grausamkeit freien lauf lassen. Manchmal brauchte es auch nur einen gewieften Ermittler, oder wie es in Oscar de Muriels viktorianischer Krimiserie der Fall ist, zwei findige Ermittler. 

Der versnobte Dandy, Ian Frey, wurde aus seinem geliebten London nach Edinburgh zwangsversetzt, um sich dort einer neu gegründeten, recht fragwürdigen Abteilung des CID (Criminal investigation Department, oder kurz, die britische Polizei) unterstellen zu lassen. Deren Auftrag ist es, sich allen ungelösten Mordfällen zu widmen, die einen Zusammenhang zum Paranormalen bilden, doch dies empfindet er nicht mal als das bitterste an der Sache. Sondern seinen neuen Vorgesetzten Adolphus McGray, einen bärbeißigen, resoluten Schotten, mit einem Faible für alles Okkulte, der es sich nicht eine Sekunde nehmen lässt an Frey Spitzen auszuteilen und ihn aufzuziehen. Doch so gegensätzlich die beiden Männer in ihren Charaktereigenschaften auch sind und so wenig angetan sie auch vom jeweils anderen sind, ergänzen sie sich doch ganz hervorragend. So wurden beide mit Scharfsinn, Weitsicht und dem Gespür für Details gesegnet. 


Knapp ein Monat ist vergangen, seit Frey und McGray den Fall um Irvings Theatertruppe zu den Akten legen konnten. Einer augenscheinlich erholsamen Zeit. Während McGray seine jüngere Schwester Amy auf den Oakley Inseln besucht, die, seit sie ihre Eltern sechs Jahre zuvor tötete, kein Sterbens Wörtchen mehr gesagt hat. Wird Frey von Millie Fletcher, dem Dienstmädchen einer wohlhabenden und angesehenen Familie aus den Highlands kontaktiert. Sie berichtet, das sie siebzehn Jahre zuvor von dem Bruder ihres Dienstherren vergewaltigt und geschwängert wurde. Das Sie das Baby, um diese Eskapade zu vertuschen einem Priester anvertrauen musste. Und das dieser fast schon erwachsene Junge nun doch zurückkehren soll, um das Erbe seines kürzlich verstorbenen Vaters anzutreten. Allerdings möchte irgendjemand ganz offensichtlich nicht, das Millies Sohn nach Hause kommt, denn sie erhielt einen Brief, der ihrem Sohn mit dem Tod droht, sollte dieser zurückkommen. Nun erhofft Millie sich Geleitschutz von McGray. Im Gegenzug bietet sie ihm an, seine Schwester vom Wahnsinn zu befreien. Natürlich springt McGray, als er davon erfährt sofort darauf an. Er könnte es sich nie verzeihen, würde er auch nur eine Sache unversucht lassen um seine geliebte Schwester von ihrer Manie zu erlösen. Also macht er sich auf den Weg in den äußersten Norden Schottlands um Benjamin abzuholen und in das Herrenhaus der Familie Koloman am Loch Maree zu begleiten. Der besonnene und ruhige sechzehnjährige ist zwar nicht begeistert seine Heimat und seinen Ziehvater zu verlasen, um künftig einer Familie anzugehören, von deren Existenz er erst in diesem Moment erfahren hat, aber er erklärt sich einverstanden mit McGray zu gehen. Doch etwas grausames ereignet sich in der Nacht vor seiner Abreise, Vater Thomas wird ermordet. Warum jetzt? Was wusste Benjamins Ziehvater, was nicht ans Licht kommen durfte. Um das zu entschlüsseln fehlt McGray allerdings die Zeit, er gibt den Fall an den Örtlichen Constable weiter und fährt zusammen mit dem Jungen und seinem plötzlich auftauchenden blasierten Cousin Dominik Koloman zum Loch Maree. Unterdessen ist Frey, der seinen Onkel Maurice im Schlepptau hat, bereits im Herrenhaus der Kolomans eingetroffen. Eine geistreiche und doch eigentümliche Familie wie Frey findet. Mit einem Schwesterngespann deren gebaren fast ans unanständige grenzt und die selbst bei den so seltenen Schottischen Sonnenstunden hinter zugezogenen Vorhängen ihren Experimenten nachgehen, anstatt sich draußen aufzuhalten. Als McGray endlich eintrifft, wird die zu ihren Ehren gegebene Willkommensfeier jäh ein Ende gesetzt, als aus dem nahegelegenen Wald Schreie ertönen. Ein Mann hängt tot am Baum, nicht ein tropfen Blut ist mehr in seinem Körper.

„Eine klaffende Wunde zog sich quer über seine Kehle, das Blut war noch nicht geronnen und tröpfelte langsam herab. Es war ein gerader, sauberer Schnitt, ausgeführt mit der Präzision und der Erfahrung eines Chirurgen. Die Haut oberhalb der Schnittwunde war blass, geradezu ekelhaft grau, sein Gesicht darunter gerötet. Ich musste unwillkürlich an den dunklen Bodensatz von Wein denken, der sich unten in einem Glas absetzt und Klümpchen bildet.“


„Im Bann der Fledermausinsel“ ist ein traditioneller, routiniert erzählter Whodunit, ohne viel Chichi. Durch den mich zwei grandios skizzierte Protagonisten führen. Wie in seinen drei vorangegangenen Büchern schlägt de Muriel auch hier einen gradlinigen Stil ein, der mich durch seine wenig gestelzte und authentische Ausdrucksweise überzeugt. Erneut wechselt er zwischen zwei Erzählperspektiven, die, des Ich-Erzählers in Form von Frey, der an eine Berichterstattung angelehnt ist und dem des Auktorialen -Erzählers der mich über McGrays Schulter schauen lässt. Genauso treu bleibt er seinen Hauptcharakteren, die sich weiterhin einen permanenten verbalen Schlagabtausch liefern, die sich allerdings auch im laufe der Bände weiterentwickelt haben, allen voran Ian Frey, der immer mehr seine kühle und überhebliche Art ablegt. Gleichermaßen wie um seine Protagonisten kümmert sich de Muriel auch um das Randpersonal, besonders angetan hat es mir Onkel Maurice, der noch englischer als Frey ist, mit einer wundervollen Taktlosigkeit glänzt und der gegenüber McGray immer eine kleine Gemeinheit auf den Lippen hat. Auch das Lokalkolorit der beinahe Märchenhaften Kulisse lässt er lebendig erscheinen. Trotz alledem, ist „Im Bann der Fledermausinsel“ kein literarisches Meisterwerk. Als Krimi vielleser bin ich vielleicht zu abgebrüht, aber ich finde es fehlt dem ganzen an Spannung, erst auf den letzten Seiten wird es so richtig stürmisch und einige Passagen habe ich absolut nicht voraussehen können, dennoch hätte ich mir mehr solcher Effekte gewünscht. Auch den Mystischen Anteil, der de Muriels Krimireihe von anderen unterschied, habe ich in „Im Bann der Fledermausinsel“ etwas vermisst. 


Cover des Buches Der Insasse (ISBN: 9783426281536)

Bewertung zu "Der Insasse" von Sebastian Fitzek

Der Insasse
Miss_Coopervor 5 Jahren
Kurzmeinung: Nichts ist wie es scheint
Vor der Erlösung kommt immer die Qual

Die einen verehren ihn wie einen Gott, können nicht genug bekommen von dem Nervenkitzel den er mit seinen Büchern kreiert. Die anderen halten ihn für abgedroschen, nichtssagend, verabscheuen ihn für die grausamen und verstörenden Szenerien, die er im Kopf seiner Leser freisetzt. Doch ganz egal was man über Sebastian Fitzek denken mag, seine Bücher sorgen unter Garantie immer für Gesprächsstoff und keiner, weder Kritiker noch Anhänger kann leugnen das die Phantasie von Sebastian Fitzek schier grenzenlos scheint. Auch mit seinem neusten und mittlerweile sechzehnten Psychothriller „Der Insasse“ - „Die Blutschule“ unter dem Pseudonym Max Rhode mal ausgenommen, begibt sich Fitzek erneut auf eine schmale Gratwanderung. Dieses Mal, so lässt der Einband, der die Haptik einer Gummizelle aufweist, vermuten, auf das Terrain in dem der Wahnsinn zu Hause ist. Einer Nervenheilanstalt. 


Max Berkhoff ist sechs, als er spurlos aus dem Vorgarten seines Wohnhauses verschwindet. Nach einem Jahr wird die Suche nach dem kleinen Jungen eingestellt. Denn die Steuergelder sind knapp bemessen und im Grunde steht der Täter auch schon fest. Für Polizei und Medien war es der kürzlich verurteilte Guido Tramnitz. Der unter der Maskerade eines Paketzustellers, bereits zwei Kinder entführt, in seinem selbstgebauten Brutkasten misshandelt und anschließend getötet hat. Doch über Max schweigt er sich aus, warum? Hat er doch bereitwillig die beiden anderen Morde gestanden und sich an dem Leid, welches er mit seinen Taten hervorrief, ergötzt. Seiner Anwältin gelingt es sogar ihn als Unzurechnungsfähig einstufen zu lassen, was ihm die Türen zu einer Psychiatrischen Anstalt öffnet. Max’ Vater Till, der mit dem Verschwinden seines Sohnes auch seinen Lebensinhalt verloren hat, kann die Ungewissheit nicht ertragen. Es zerreißt ihn förmlich, nicht zu wissen was mit seinem Sohn geschehen ist. Auch wenn er die Hoffnung schon längst aufgegeben hat, Max lebend zu finden, will er wenigstens von seinem Leblosen Körper abschied nehmen können. Das die Ermittlungen nun eingestellt werden sollen, reißt ihm den Boden unter den Füßen weg, denn Tramnitz ist der einzige der weiß was mit seinem Sohn geschehen ist. Ein Plan reift in Tills Kopf. Um jeden Preis will er mit Tramnitz Kontakt aufnehmen, auch wenn das bedeutet das er selbst in die Klinik eingeliefert werden muss. Tills Schwager Skania, einem Polizeibeamten, gelingt es tatsächlich ihn unter falscher Identität einweisen zu lassen. Patrick Winter heißt sein neues Ich. Doch viel mehr als dessen Namen, seinen Job und das er sich in einem Kindergarten selbst in Brand gesetzt hat weiß Till nicht über den Mann in dessen Haut er geschlüpft ist. Doch das soll sich bald ändern. 


„Sollte dir was passieren, in deiner Zelle, auf dem Hof, unter der Dusche oder auch nur im Behandlungszimmer, kann dir vor Ort keiner helfen. Für die Ärzte, Pfleger und Schwestern bist du ein ganz normaler Irrer. Und auch ich brauche Zeit, um dich da wieder rauszuholen.“


„Der Insasse“ machte es mir nahezu unmöglich ihn auch nur eine Sekunde lang aus der Hand zu legen. Durch Fitzeks klaren, unglaublich präzisen und dynamisch gestalteten Syntax treibt er die Spannung mit nur wenigen Sätzen in die Höhe. Bereits während der ersten Seiten ziehen sich meine Gedärme zusammen, denn Sebastian Fitzek hält nichts von langem Vorgeplänkel. Er steigt direkt in der Handlung ein und die ist wahrhaftig keine leichte Kost. Er weiß genau welche Knöpfe er drücken muss, um Ängste zu schüren und mir ein frösteln unter die Haut zu jagen. Auch die zahlreichen Cliffhanger, die er am Ende eines jeden kurzen Kapitels meisterhaft setzt, machten es mir schwer mich aus der erdrückenden Umarmung seiner Worte zu befreien. Immer wieder musste ich während des Lesens innehalten um die Verstrickungen in meinem Kopf zu entwirren. Sebastian Fitzek liebt eben das Spiel mit der menschlichen Psyche. Nichts ist wie es scheint. Immer wieder sprengt er die Grenzen meiner Vorstellungskraft und selbst die scharfsinnigste Kombinationsgabe hätte mir das Ende von „Der Insasse“ nicht offenbart. Mit einer morbiden Komplexität schraffiert er sein Werk. Ähnlich wie er es bereits bei seinen vorangegangen Werken getan hat. Wer diese kennt, weiß mittlerweile auch wie der Autor tickt. Das der Weg das Ziel ist und dass dieser immer wieder mit Tücken und Hindernissen ausgestattet wird. Zuverlässig bleibt Sebastian Fitzek seinem Stil auch in „Der Insasse“ treu. Der nicht unbedingt super innovativ ist und auch an einigen Stellen unschlüssig wirkt, dennoch schafft er einen Plot der sämtliche Facetten eines durchdachten Psychothrillers abdeckt und darüber hinaus weitere Gefühlsschattierungen in mir kreiert. Etwas das nicht nur einen bitteren Geschmack in meinem Mund zurück lässt, sondern mir am Ende sogar die Tränen in die Augen steigen lässt. 


Cover des Buches Der Medicus (ISBN: 9783453471092)

Bewertung zu "Der Medicus" von Noah Gordon

Der Medicus
Miss_Coopervor 5 Jahren
Kurzmeinung: Ein Buch das wohl niemals seine Lebendigkeit einbüßen wird
Wenn unmögliches zum möglichen wird

https://misscoopers.wixsite.com/misscooper/blog/noah-gordon-der-medicus


Wie lange sich „der Medicus“ schon im obersten Fach meines Bücherregals versteckt hält und sich somit meinem Sichtfeld entzieht,  ich weiß es nicht. Sicherlich schon sehr, sehr lange. Das ich es überhaupt besitze ist mir nämlich völlig entgangen. Woher ich es habe, kann ich gar nicht mehr sagen. Wahrscheinlich habe ich es auf irgendeinem Flohmarkt ergattert. Noch wahrscheinlicher ist es, dass meine Mutter es mir heimlich untergejubelt hat. Denn seit Ewigkeiten liegt sie mir in den Ohren das ich das Buch doch endlich mal lesen sollte. Eines steht aber mit Sicherheit fest, das es schon durch viele Hände gewandert ist. Einige der Seiten sind eingerissen und besitzen den typisch vergilbten Schleier, der mein Exemplar als nicht mehr neu Brandmarkt. Der Buchdeckel wurde mehrmals mit Tesafilm geklebt und der unterschwellige Geruch der ihm entsteigt lässt mich an feuchte Kellerwände denken. Aber ich will mit meinem Buch ja auch keinen Schönheitspreis gewinnen. Allein sein Inhalt soll mich überzeugen. 


„Der Medicus“ erzählt die Geschichte von Robert Jeremy Cole, der als dieser neun Jahre alt ist zuerst seine Mutter und kurz darauf seinen Vater verliert. Zurück bleiben er und seine vier jüngeren Geschwister, um die er sich liebevoll kümmert. Alle bis auf Rob werden, da sie nun Waisenkinder sind in verschiedenen Familien untergebracht. Doch ihn will niemand haben, er ist zu jung um die Arbeit eines Erwachsenen Mannes zu verrichten, gleichzeitig aber schon so alt das er dessen Appetit teilt. Als Rob mitbekommt das man ihn als Unfreien verkaufen will, damit er wenigstens etwas Geld einbringt, nimmt er die Gelegenheit war um bei dem fahrenden Bader Henry Croft in die Lehre zu gehen.


„‚Ich bin Bader und suche einen Lehrling. Weißt du, was ein Bader ist, kleiner Cole?‘ 

‚Seid Ihr so etwas wie ein Arzt?‘

Der dicke Mann lächelte. ‚Das reicht fürs erste. Bukerel hat mich über deine Lage unterrichtet. Sagt dir mein Gewerbe zu?‘

Das war nicht der Fall; auf keinen Fall wollte er so etwas werden wie der Quacksalber, der seinen Vater zu Tode geschröpft hatte. Aber noch weniger wollte er als Unfreier verkauft werden, und so bejahte er die Frage ohne jedes Zögern.“


Nach anfänglicher Skepsis lernt er nicht nur den gutherzigen Bader zu schätzen, sondern auch dessen Berufszweig. Im übrigen waren Bader damals für die einfachen Leute die einzige Möglichkeit für vergleichsweise kleines Geld ärztlichen Rat einzuholen. Im Gegensatz dazu war ein studierter Medicus meist nur dem Adelsstand vorbehalten. Nachdem Rob sowohl das Jonglieren mit fünf Bällen, sowie ein dutzend Taschenspielertricks erlernt hat, darf er seinem Lehrmeister bei dessen Patienten assistieren. Als Rob einen alten Mann bei den Händen nimmt, spürt er das der Greis bald sterben wird. Doch die beiden bleiben nicht lange genug in dem Dorf um sich Gewissheit darüber zu verschaffen, denn Menschen wurden schon wegen weit weniger heiklen Dingen der Hexerei bezichtigt. Ein ähnliches Gefühl überkam ihn auch damals, als seine Eltern starben. Und zum ersten Mal wird ihm bewusst das dies eine Gabe sei. Fortan kann er seine Energie besser den Lebenden widmen. Rob ist gerade achtzehn, als der Bader an einem Herzinfarkt stirbt. 


„Er dachte daran, wie der Mann damals den kleinen Jungen in London gerettet hatte. Er sah den Bader vor sich, wenn er freundlich war und wenn nicht; er erinnerte sich an die zärtliche Freude, mit der er gekocht und das Essen mit ihm geteilt hatte, und an seine Selbstsucht; an die Geduld, mit der er ihn ausgebildet hatte an seine Grausamkeit; an seine Zotigkeiten und seine vernünftigen Ratschläge; an sein Lachen und seine Zornesausbrüche; an seine Herzlichkeit und seine Trunksucht. Das was sie füreinander empfunden hatten, konnte man nicht Liebe nennen, das wusste Rob. Aber es war etwas gewesen, das der Liebe so nahekam, daß Rob, als die Morgendämmerung das wächserne Gesicht in graues Licht tauchte, bitterlich weinte, und das nicht nur um Henry Croft.“



Es fällt nun Rob zu, das Erbe des Baders anzutreten, durch das normannische England zu ziehen und kleinere Leiden zu kurieren. Als  sein Weg, den eines Jüdischen Medicus kreuzt - einem Mann der soviel mehr von der Medizin versteht, soviel größeres bewirken kann, verspürt Rob erstmals den Wunsch selbst Medicus zu werden. Allerdings findet er keinen Qualifizierten Medicus der ihn in die Lehre nehmen will. Doch er hört von einer Schule in einem weit entfernten Land, die die besten Mediziner der Welt hervorbringt. So fasst er nun den Entschluss an dieser Schule, der madrassa angenommen zu werden. Die geringere Hürde besteht darin, die weite Reise bis nach Persien unbeschadet zu überstehen, die wahrscheinlich größere ist die, dass es keinem Christen gestattet ist dort zu studieren. Doch Rob’s Entschluss steht fest und er ist bereit jeden Preis für die Verwirklichung seines Traums zu bezahlen. Wenn er sich für die Zeit des Studiums nun sein Christengewand abstreift und den Schleier des Judentums überwirft…? Das könnte doch die Lösung sein. Sich selbst redet er ein das er seinen Glauben nicht aufgibt und das er es zum Wohle der Menschen tut, deren Leiden er zukünftig besser lindern könnte. Zum ersten Mal in seinem Leben verlässt Rob sein Heimatland um sich in eine fremde Welt zu wagen. Zwanzig Monate dauert seine entbehrungsreiche und anstrengende Reise in den Orient. Während dieser Zeit lernt er nicht nur die Sitten und Brauchtümer des Judentums, sondern eignet sich auch die Persische Sprache an. An seinem Ziel der Stadt Isfahan angelangt, führt sein Weg ihn augenblicklich zur madrassa. Dennoch wird er nicht als Student zugelassen, denn er kann weder Empfehlungsschreiben vorweisen, noch stammt er einer angesehenen Familie ab. Doch Rob hält an seinem Traum fest und ergreift seine letzte Chance, setzt alles auf eine Karte und ersucht den Schah Persiens als Bittsteller.


„Der Medicus“ verweilte doch etwas länger als erwartet auf meinem Nachttisch. Doch nicht etwa weil ich es zu lang oder langweilig fand, im Gegenteil. Ich wollte keine der 691 Seiten überfliegen, sondern das leben und werken des jungen Baderlehrlings aufmerksam begleiten. Einen Charakter der mich das ganze Buch über fesselte, der durch seine Ängste, Unsicherheiten, aber auch durch seine Zuversicht und sein Mitgefühl so einnehmend menschlich wirkte. Zugegeben bevor ich Gordon’s Werk aufschlug habe ich eine staubige Geschichte über Religion und eine trockene Berichterstattung der mittelalterlichen Welt erwartet. Den Grund -Tenor bilden auch die religiösen Konflikte des Mittelalters, deren Feindschaft Gordon sensibel von alle Seiten beleuchtet. „Der Medicus“ ist aber auch eine Geschichte, die von Freundschaft, Liebe, Heilkunst und den kulturellen Differenzen des elften Jahrhunderts handelt.


„‚ Hast du schon einmal darüber nachgedacht‘ , sagte Rob langsam, ‚daß jeder Glaube für sich in Anspruch nimmt, ganz allein Gottes Herz und Ohr zu besitzen? Wir, ihr und der Islam - jeder beschwört seine einzig wahre Religion. Könnte es vielleicht sein, daß sich alle drei irren?‘ ‚vielleicht haben wir alle drei recht‘ , gab Mirdin zur Antwort.“ 


Bildhaft und ungeschönt beschreibt Noah Gordon eine Welt die mir fremd erscheint. Eine raue und grobe Welt. Im verlauf des Buches begegnen mir nicht nur eine Vielzahl von Fremdwörtern, die leider an kaum einer Stelle ihre Anmerkung finden, sondern auch ebensoviele exotisch klingende Namen, die ich mir nun wirklich nicht alle behalten konnte. Einige Passagen wirken wie Anleitungen zu Nachahmen und dank Gordon kann auch ich jetzt endlich Jonglieren. Gordon selbst bezeichnet seinen Roman als mittelalterlichen Phantasie Epos, da er einige historische Ungenauigkeiten aufweist, die er jedoch ganz gezielt verwendet. 1999 wurde „Der Medicus“ zu den zehn beliebtesten Werken der Literatur gekürt, woraufhin Gordon sein Werk mit zwei Fortsetzungen komplettierte. „Der Schamane“ und „Die Erben des Medicus“ kamen an dessen Erfolg allerdings bei weitem nicht heran. 


Cover des Buches Die Todesfee der Grindlay Street (ISBN: 9783442488643)

Bewertung zu "Die Todesfee der Grindlay Street" von Oscar Muriel

Die Todesfee der Grindlay Street
Miss_Coopervor 5 Jahren
Kurzmeinung: Ein Viktorianischer Kriminalroman, der von seinen Gegensätzen lebt und mit einer fulminanten Besatzung auftrumpft. Absolut lesenswert!
Und Schottlands Bühne färbt sich rot

https://misscoopers.wixsite.com/misscooper/blog/oscar-de-muriel-die-todesfee-der-grindlay-street


Im Irischen Volksglauben heißt es, eine Todesfee, besser bekannt als Banshee sei eine Geistergestalt aus der Anderswelt. Ein weibliches Wesen das den Tod eines autochthonen Irischen Familienmitglieds voraussagt. Ihr Schrei so erzählt man sich, sei so Markerschütternd das er einen in den Wahnsinn treiben kann. Es ist ein Klagelied das die Banshee in so erschütternder Weise anstimmt. Sie betrauert damit den Totgeweihten. Einige die glauben einer Banshee begegnet zu sein, berichten, sie sei stets in ein  weißes Gewand gehüllt, ihre Haut sei so bleich wie die eines Toten selbst, ihre Augen leuchtend rot und die Zähne in ihrem Mund würden auf groteske Weise hervorstehen. Die Person deren Tod bevorsteht, hört ihr Klagen selbst allerdings nicht.   


Es ist der diabolische Schrei einer Todesfee, der während der finalen Aufführung von „Macbeth“ im Londoner Lyceum Theatre ertönt. Zeitgleich ereignen sich hinter der Bühne zwei weitere Vorfälle. Während die begnadete Lady Macbeth Darstellerin Ellen Terry auf ihrem Schminktisch ein in blutgetränktes Hirn entdeckt, stößt der Theatermanager Bram Stoker auf eine mit Blut geschriebene Botschaft. Die da lautet… 


„Heil dir! Macbeth, bald findest du den Tod 

      Heil dir! Und Schottlands Bühne färbt sich rot“


Es ist eine Prophezeiung, darin ist sich die Theatertruppe rund um den großen Theatermacher Henry Irving einig. Dennoch werden die geplanten Vorstellungen im Royal Lyceum Theatre in Edinburgh nicht abgesagt. Nur wenige Tage bevor „das Schottische Stück“ in Edinburgh Premiere feiern soll, wird unter der Regent Bridge eine in weiß gekleidete Frau gesichtet, deren infernalischer Schrei die Stille der Nacht auf ohrenbetäubende Weise durchbricht. Die Erscheinung hinterlässt allerdings weit mehr als nur aufgeschreckte Bürger. Eine weitere mit Blut geschriebene Botschaft prangt auf der Straße. Um der Sache nachzugehen wird die schottische Polizei hinzugezogen. Eigens für solch absonderliche Fälle wurde eine spezielle Einheit ins Leben gerufen. Die „Kommission zur Aufklärung ungelöster Fälle mit mutmaßlichem Bezug zu Sonderbarem und Geisterhaften“. Diese besteht aus zwei detectives, dem grobschlächtigen und harschen Adolphus McGray, der, nachdem seine Schwester ihre Eltern getötet und ihm im Wahn einen Finger abtrennte nur noch „Nine-Nails“ genannt wird. Sowie dem kultivierten waschechten Londoner Ian Frey, der sich zwei Jahre zuvor alles andere als bereitwillig nach Schottland hat abkommandieren lassen. Doch noch despektierlicher als in Schottlands Hauptstadt geistig zu verkümmern, empfindet Frey die Tatsache für „Nine-Nails McGray“ zu arbeiten. Einen Mann den er für einen schludrigen, groben Klotz mit einer haarsträubenden Ausdrucksweise hält. Aber auch McGray kann sich für den eitlen Pfau Frey nicht unbedingt erwärmen. Und so werden sie es niemals müde dem jeweils anderen mit gutgezielten Spitzen, mitzuteilen was sie voneinander halten. 


„‚Anmerkungen von I.P.Frey‘ , las McGray laut vor.

 ‚Ich wusste gar nicht, dass sie einen zweiten Vornamen haben. Wie lautet er?‘ ‚Das tut jetzt nichts zur Sache. Was jetzt hingegen sehr wohl …‘ 

‚Petunia?‘ 

‚McGray!‘ 

‚Peaches?‘ 

Resigniert legte ich mir eine Hand auf die Stirn. Er würde jetzt nicht mehr lockerlassen. ‚Na schön. Er lautet Percival, und wenn sie jetzt endlich…‘ ‚Och, Sie sind ein Percy? Das ist ja zum Schreien!‘“ 


Während Frey die Erscheinung der Todesfee für einen inszenierten Werbegag hält, der die Kartenverkäufe ankurbeln soll. Ist McGray sicher, dass sie es mit einem echten Phänomen zu tun haben. Als man unter der Regent Bridge eine blutdurchtränkte Tasche findet, bringt „Nine-Nails“ dieses Beweisstück auf schnellstem Wege zu der Wahrsagerin seines Vertrauens. Madame Kathrina orakelt das am dreizehnten, also am Tag der Premiere von „Macbeth“ mindestens eine Person ums Leben kommen wird. Während McGray sich bestätigt sieht, hält Frey das ganze für Humbug und setzt alles daran zu beweisen, dass die vermeintliche Todesfee weltlicher Natur entspricht. Nachdem er die Theaterbesatzung befragt hat wird der Kreis der Verdächtigen immer kleiner, bis schließlich der großspurige und vollständig von sich eingenommene Macbeth Darsteller Henry Irving zu den Hauptverdächtigen zählt. Doch auch der vom Übernatürlichen besessene Bram Stoker trägt ein Geheimnis mit sich.


Nach „die Schatten von Edinburgh“ und „der Fluch von Pendle Hill“ ist „die Todesfee der Grindley Street“ der dritte Fall der um das ungleiche Ermittler-Duo gestrickt wurde. Ein weiteres Mal vereint Oscar de Muriel wirklichkeitsgetreue Ereignisse mit Okkultismus. Und ein weiteres mal gelingt ihm dieser Spagat messerscharf. Zunächst tat ich mich etwas schwer in das Buch hineinzukommen, da es mit Fragmenten diverser Briefe und Tagebucheinträgen beginnt, mit denen ich vorerst noch nichts anzufangen weiß. Vermutlich wollte de Muriel dadurch die Aufmerksamkeit steigern und Spannung erzeugen. Einige dieser Auszüge werden im laufe des Buches wiederaufgenommen, die meisten jedoch erst am Ende des Werkes vollständig aufgeklärt. Ähnlich verwirrend sind auch die etlichen kryptischen Sätze mit denen der Band gespickt ist. Doch noch befremdlicher empfinde ich, dass er einem realen Viktorianischen Theaterensemle erneut leben einhaucht. Henry Irving, Ellen Terry und Bram Stoker haben in dieser Konstellation tatsächlich einmal gelebt. Oscar de Muriel hat ihre Leben und Werke mit Sicherheit hervorragend recherchiert, dennoch fühlt es sich seltsam an, dass ihnen nun bestimmte Wesenszüge, Haltungen und Aussagen angedichtet werden. Andererseits hätte ich mir stellenweise mehr sprachliche Kreativität gewünscht, denn einige Passagen werden in genau dem gleichen Wortlaut niedergeschrieben, wie sie schon in den ersten beiden Bänden zu finden waren. Auch im dritten Band fungiert Inspector Ian Frey als Berichterstatter. Der Großteil des Buches ist wie schon zuvor aus seiner Sicht geschrieben. Dennoch erscheint „die Todesfee der Grindlay Street“ nicht mehr ganz so mitreißend wie seine vorangegangenen Bände. Stehen in de Muriel’s erstem Werk noch die beiden Ermittler Frey und McGray im Fokus, so geraten sie im dritten Band immer weiter in den Hintergrund. Was ich persönlich sehr bedauerlich finde, denn die grundverschiedenen Welten die in Form der beiden aufeinander treffen machen de Muriel’s Bücher erst so unvergleichlich. Dennoch war „die Todesfee der Grindley Street“ absolut fesselnd und lesenswert, wenn auch mit einigen Abzügen. Es gibt ja wirklich viele die eine gute Geschichte verfassen können, aber sie durch Charaktere und Eindrücke lebendig werden zu lassen vermögen nur wenige. Oscar de Muriel gehört definitiv zu der Sorte Schriftsteller, die farbenprächtige Bilder im Kopf erzeugen.  


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Was einst als kleiner Zeitvertreib anfing ist mittlerweile zu einer echten Leidenschaft geworden... denn irgendwie werden aus jedem guten Buch mindestens 2 neue und ich schleppe die Bücher nun Stapelweise mit nach Hause.

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