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Mme O.

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches Gwili und Punk (ISBN: 9783473519859)

Bewertung zu "Gwili und Punk" von Christoph Meckel

Gwili und Punk
Mme O.vor 7 Jahren
An einem kalten Morgen sieht Punk auf der Treppe einen Koffer liegen.


Ich bin einfach zu traurig, dass dieses 1960 erschienene Büchlein nicht nicht einmal einen einzigen Kommentar bekommen hat.
Mir wurde das Buch 1994, als das Buch neu aufgelegt wurde, von der Lehrerin als Klassenlektüre während der Ausbildung zur Erzieherin aufgebrummt.;) Und ich fragte mich damals schon ein wenig schmunzelnd, warum uns die Lehrerin ( Sie war übrigens ganz bemerkenswert und nett) so ein nihilistisches Kinderbuch vorschlägt. Ist es päd. wertvoll wenn ein Punk (hups 1960 war der Punk doch noch gar nicht erfunden!!) landstreichend durch die Welt läuft und draußen schläft und nicht arbeitet und raucht und auch nicht glücklich zu sei scheint. Wenn der mit einem Koffer rumläuft, in dem sich ein unsägliches Lebenwesen befindet, welches uns eher eklig, unfreundlich und fordernd anmutet und das ganze Buch über nur ein Ballast ist, den Punk rumschleppt und füttern muss.. Das Ding heißt Gwili und es ist Punk einen Tages auf die Treppe gelegt worden und er kann es nicht loswerden,. Obwohl er es fast schon mal ersäuft hat. Oder will er es gar nicht loswerden? Gute Frage. Gwili isst am liebsten lebende Hunde. Zur Not auch Pferde und Punk muss für es Haustiere töten. Punk raucht und flucht. Ja, er flucht wirklich unflätigst. Und immer über Gwili. Du feiges Wurmstück. Du Mistvieh. Ein elender Rabenmist bist Du, den ich ersäufen werde und das ist Wahrheit. Darüber freut sich mein 12-jähriger Sohn, dem ich das Buch gerade vorlese. Ist das nicht gehässig?
Oder ist es am Ende doch ein ganz normale Vater - Sohn Geschichte? Irgendwie finden wir es beide aber ganz toll. Und auch poetisch, ehrlich wahr.
Ach halt's Maul,flüstert Punk, halt' Maul, du Wanze.

Cover des Buches Der König (ISBN: 9783940855206)

Bewertung zu "Der König" von Ingrid Ganß

Der König
Mme O.vor 13 Jahren
Rezension zu "Der König" von Ingrid Ganß

Selten ist es mir so schwer gefallen eine Rezension zu schreiben wie hier. "Der König" von Ingrid Ganß.
Fast 10 Jahre nach ihrem Wahnsinns-Debüt "Der Spielmann", hatte ich eigentlich mit gar keinem Buch der Autorin mehr gerechnet, erst recht nicht, mit einer Fortsetzung des Spielmanns. Und die Begeisterung darüber, sowie die Vorfreude auf das Buch, waren riesengroß. Folglich auch meine Erwartungen. ...auch wenn ich mir schon gedacht hatte, dass eine Fortsetzung dem Spielmann nicht das Wasser würde reichen können.
Und nun? Ich habe den König gelesen und muss meine unwillkürliche Enttäuschung versuchen in Worte zu fassen.

Elisabeth. Damals, nach dem dem ersten Band, erschien es mir sehr nachvollziehbar, dass Elisabeth erst mal ohne Jakob ihrer Wege gegangen ist. Und ich war nun besonders neugierig was sie in der Zeit erlebt hat. Aber nur sehr langsam trudeln Informationen darüber ein, was in den immerhin einigen Jährchen geschah. Sie lebt schon länger bei ihrer an Konventionen gebundenen, prüden Cousine Eleonore: Bücher, Handarbeiten, Wohltätigkeiten... in keuscher und wohl ausgestatteter Askese zurückgezogen, unglücklich, zaudernd und frustriert, fristet Elisabeth ein liebloses Dasein. Als Ablenkung dient allein ab und an der Besuch der alten Freundinnen. Dann wird französisch parliert und es ennuierte mich manchmal, deren Gesprächen zu lauschen. (Par Dieu! - diese Dämchen am Hofe...)
Andreas taucht auf und will ihr den sturen Kopf gerade rücken, damit sie nicht vollends vertrocknen solle. Bei Jakob ist er mit dem Appell schon gescheitert. Als Elisabeth dann mit Andreas im Heu landet, ändert sich die Motivation. Dann lässt sie plötzlich doch ihre Bücher zurück, ihre Kräuterbeete, ihre Schreibfeder und begibt sich doch noch nach Reupen um Jakob zu finden, welcher, wie wir ja mittlerweile wissen, der König von Reupen, KEIN Spielmann, ist. Den Spielmann findet sie auch nicht mehr... Philipp (alias Jakob) hat den Zwängen seines Regierungsjobs, sein freies Spielmannsleben geopfert, hat die Laute abgelegt, dafür Verantwortung geschultert. Jakob ist und bleibt verschwunden und Elisabeth wird das Liebchen Philipps des Königs. Sonst nichts. Da wären wir schon auf Seite 300bla. Oh je.. kam nach der zähen Anfangshürde durch Elisabeths Begegnung mit Andreas ENDLICH die Geschichte in Schwung, stagniert sie leider 100 Seiten später schon wieder. Elisabeth verharrt, als des Königs heimliche Bettgefährtin, sehr lange in der Durchgangs-Bauernkate. Zu lange. Unschlüssig, ziellos, dümpelt das Geschehen, entsprechend der Perspektivlosigkeit der handelnden Personen, vor sich hin. Der Sog, das Mitreißende fehlte mir und ich wünschte mir die ganze Zeit das irgendjemand Philipp, oder der Geschichte, oder gar Elisabeth endlich mal kräftig in den Hintern tritt!!
Der Tritt blieb aus, folglich auch die Inspiration.
N'est-ce pas?

Der Schwachpunkt am König ist zweifelsohne die Geschichte. Das Korsett des Erstlings war das Märchen vom König Drosselbart. (DER war spannend, absolut unvorhersehbar in seiner Vorhersehbarkeit, sehr, sehr ausdetailliert und lebendig.)
Nun, hier muss man sich die ersten 200 Seiten regelrecht durchbeißen. Man kann weder nachvollziehen was Elisabeth resignieren ließ, noch was den König eigentlich abhält. Man erfährt von einem Treffen im Dorf seiner Großeltern, aber man bleibt als Leser einfach etwas zulange irritiert und unverständig.
Man kann es Ingrid Ganß aber nicht unbedingt vorwerfen, denn selbst mit Zuhilfenahme aller meiner Phantasie hätte ich keine Geschichte entspinnen können, die den Faden wirklich ergiebig und schlüssig dort weiterspinnt, wo der erste Band aufgehört hat.

Auch hier muss ich aber nachdrücklich die Sprache von Ingrid Ganß loben! Ihre Schreibe ist noch dieselbe, sie findet viele schöne Bilder und nimmt sich sehr viel Zeit für Kleinigkeiten, Dialoge, Momente. Alles blüht. Und das ist wichtig, denn es bewahrt den König davor, ein schnöder einfältiger Ableger à la "Die Wanderhure" zu sein. Barbel, Margarethe, Felizitas, der Hofmaler, Elias, Martin, der junge hübsche Fant. Ich hatte diese Leute mit samt Klamotten deutlich vor mir, mit allen Details und vielfältigen Charaktereigenschaften. Je suis entzückt, vraiment.
Dann, als das Buch von der Erzählstruktur her, wieder Fahrt gewinnt hält es erneut inne und man ist aber zumindest froh, langsam ansatzweise zu begreifen was Jakob/Philipp eigentlich vom Leben abhält.

Was im ersten Band das Herausbilden der Persönlichkeit, Erwachsenwerden und Erwachen der Sinnlichkeit war, ist hier unverblümt und fast frivol. Egal ob der Stallbursche, der eigene Cousin, oder der Müllersbursch Andreas, alle erwecken den sexuellen Appetit der Heldin. ;-)
Alors, der Liebesreigen, der sich hier entspinnt, und die erotischen Anziehungen, fand ich eigentlich sogar recht erfrischend. Jeder ist, so erschien es mir, irgendwann mal von jedem erotisch angezogen. König, Magd, Vagant, Küchenhilfe, Stallburschen, königlicher Hofmaler und jüdischer Finanzier nicht ausgeschlossen. Manchmal wurde es mir aber echt auch zuviel... Kaum zu glauben die Sexualität steht im eigentlichen Zentrum des Buches. Im Spielmann war es die persönliche Entwicklung bzw. Emanzipation und hier... Jedem sind aufgrund seiner Stellung die Hände gebunden. Dann der stets drohende Pranger für das unkeusche Weib, oder die Ehebrecherin, bzw, deren Bedrohung durch eine uneheliche Schwangerschaft: DIE Katastrophe für eine Frau in dieser Zeit. Allerdings ist das Spannungsfeld zwischen ehrbarer Frau und Hure irgendwann mal ausgereizt.
Oh, pardon, lach das ist KEIN erotischer Roman. Ich meine damit eher welche Stellung, oder große Bedeutung die Sexualität hier für den jeweiligen Lebensentwurf der handelnden Personen bedeutet.

War "Der Spielmann" schon schwer in ein Genre einzuordnen (Märchen, historischer Roman UND Romanze), so fällt mir das hier noch schwerer. "Der König" ist überhaupt kein Märchen mehr, er ist noch viel weniger als sein Vorgänger ein historischer Roman, obwohl er hierfür Gelegenheit gehabt hätte. Bleibt die Romanze. Das ist er auch nicht wirklich... Daran krankt der König.

Finalement: Das feine Zusammenwirken menschlicher Charaktere und Gefühle, machen das Buch alles andere als oberflächlich. Ingrid Ganß hat einen fein geknüpften, farbenfrohen, reupischen Teppich vor uns ausgebreitet. Man hat die Menschen bildlich vor sich. Plastisch und unverblümt ehrlich. Eine Stärke von Frau Ganß. Eine formidable Erzählerin.
Aber die Story will und will einfach nicht in die Puschen kommen! Ich für meinen Teil, bin deshalb nicht sehr content mit dem Buch. Hingegen erscheint mir, wenn ich die Kritiken hier lese, andere scheinen eher glücklich damit gewesen zu sein. Immerhin.

Cover des Buches Die Sturmhöhe (ISBN: 9783458141068)

Bewertung zu "Die Sturmhöhe" von Emily Brontë

Die Sturmhöhe
Mme O.vor 14 Jahren
Cover des Buches Abbitte (ISBN: 9783257233803)

Bewertung zu "Abbitte" von Ian McEwan

Abbitte
Mme O.vor 14 Jahren
Rezension zu "Abbitte" von Ian McEwan

Iich habe dieses Buch vor längerer Zeit gelesen und es geht mir nicht aus dem Kopf und immer wenn ich daran denke, habe ich dieses eigenartige flaue Gefühl im Magen, eine Art von Sehnsucht, wie es manchmal passiert, wenn man einen literarischen Schatz gehoben hat. Solche Schätze, die einen auch noch lange nach dem Lesen beglücken, findet man selten und deshalb habe ich das Bedürfnis, etwas zu schreiben und vielleicht sogar jemanden zu animieren, das Buch zu lesen.

Dies ist eine Geschichte mit den alten großen Themen: Liebe, Vergänglichkeit und Schuld. Eine Geschichte, in der erzählt wird, wie sich das Leben zweier Familien für immer verändert: An einem einzigen heißen Sommertag, durch einen tragischen Vorfall, die unglückliche Verkettung von Umständen und nicht zuletzt durch eine Lüge.
Faszinierend ist der Schreibstil und die Atmosphäre die das Buch ausstrahlt. Die ersten zwei Drittel des Buches erzählen von den Begebenheiten dieses einen heißen Sommertages 1935 auf einem Landgut vor London, und alles findet fast in Echtzeit statt. Man spürt die erdrückende Hitze, die willkommene Kühle im Haus und die seltsame Gespanntheit, die auf allen Personen, die sich hier bewegen, zu lasten scheint.

Da ist die dreizehnjährige Briony Tallis, schwer in der vorpubertären Phase steckend und am Anfang ihre Schriftstellerei stehend. Ihre ältere Schwester Cecilia, die in den Collegeferien nach Hause gekommen ist und plötzlich gegenüber Robbie, dem alten Freund aus der Kindheit, befangen ist. Der große aber unreife Bruder Leon und sein Schokoladenfabrik-Freund Paul, den er als Gast mitbringt. Und es gibt Robbie, der uneheliche Sohn der Köchin, der zusammen mit den drei Geschwistern aufgewachsen ist. Er und Cecilia stoßen an diesem Tag bei mehreren denkwürdigen Begebenheiten aufeinander und entdecken bis zum Abend, dass sie sich nicht verabscheuen, sondern lieben. Schließlich die Mutter Mrs Tallis, die wenig glücklich verheiratet und immer überspannt ist, sowie deren pubertierende Nichte Lola und die zwei Neffen, 10-jährige Zwillinge, die zusammen aufgrund der bevorstehenden Scheidung der Eltern, auf dem Landsitz der Tante den Sommer verbringen müssen.
Briony schreibt an ihrem ersten Theaterstück und beobachtet vom Fenster aus eine seltsame "Brunnenszene" zwischen Cecilia und Robbie, wo Cecilia sich so gut wie nackt zeigt. Schockiert und erschreckt, kann sie diese Szene zwar instinktiv irgendwie "erotisch" interpretieren, aber in ihrer Kindlichkeit noch nicht in ihr "normales" Weltbild einordnen. Irritiert beobachtet Briony weitere seltsame Dinge....

Nun wird aus den Begegnungen und den kleinen Ereignissen, dieses Tages, mithilfe der unterschiedlichen Perspektiven, und zeitlich gekonnt verschachtelt, ein Bild gewoben, dass sehr plastisch und eindringlich ist. Sogar die Mutter, die mit schwerer Migräne bewegungslos im abgedunkelten Schlafzimmer liegt, deutet die Aktivitäten im Hause in dem Sie die Geräusche auf ihre Art interpretiert. Einzigartig diese Schilderung!
Was mir auffiel ist, dass die Hitze dieses Tages nicht nur ein Begleitumstand ist, sondern fast als Ursache für jene Ereignisse erscheint, die auf dem Landsitz der Tallis ihren fatalen Lauf nehmen. Etwas Unerhörtes liegt in der Luft. Zunächst passiert jedoch nur wenig.
Die kleine Begebenheiten, die erst später einen Sinn bekommen, reihen sich aneinander, bis das Unerhörte tatsächlich passiert.
Ein plötzlicher krasser Break und der Leser befindet sich abrupt mitten im Geschehen an der Front des zweiten Weltkriegs. Dieser relativ kleine Abschnitt verdeutlicht die Schrecken des Krieges, in einer Eindringlichkeit, wie ich es selten gelesen habe. Die Erzählung pendelt nun zwischen Robbies Kriegserlebnissen und Briony Geschichte, die mittlerweile als Krankenschwester im Lazarett in London "abbitte" leistet. Auch der Prozess, ihrer Entwicklung zur Schriftstellerin wird hervorragend vermittelt und, ein Geniestreich, in die Geschichte verwoben. Ich will nicht zuviel verraten nur: Genial wie Ian McEwan dies eigefädelt hat!
... und ganz am Ende erwartet den Leser eine plötzliche Wendung, die sowohl verblüfft, als auch sehr betroffen macht. Ich hatte danach das Bedürfnis den Roman sofort, in diesem neuen Licht, das der Schluss auf ihn wirft, gleich noch mal lesen zu wollen.

Fazit: Ian McEwan gelang hier ein großer Roman über Schuld und Sühne. Einige bezeichnen das Buch als langweilig, da es wenig Action besitzt und sehr langsam ist. Mich hat es atemlos gemacht und ganz in seinen Bann gezogen! So unterschiedlich kann man es wahrnehmen. Es ist trotz seines Anspruchs, sehr leicht zu lesen, lasst Euch nicht abschrecken! In allem liegt eine Traurigkeit über das Vergängliche und die Liebe, welche die Menschen verbindet. Und es ist einfach eine herzzereisende Lovestory zwischen Cecilia und Robbie!
Ich kann mich nur tief verneigen vor Ian McEwan und diesen großartigen Stück Literatur!
Lesen!

Ach, ja: Lasst Euch auch die Verfilmung nicht entgehen: Abbitte Der Film von Jo Wright ist gut gelungen, denn eigentlich galt das Buch als un- bzw. nur schwer verfilmbar da alles aus verschieden Blickwinkeln und Zeitperspektiven erzählt wird. Dies hat der Film mit filmischen Mitteln meisterhaft umgesetzt und auch die lastende Hitze und die Überspanntheit der großen Eingangssequenz grandios in Szene gesetzt.

Cover des Buches Tess (ISBN: 9783423130233)

Bewertung zu "Tess" von Thomas Hardy

Tess
Mme O.vor 14 Jahren
Rezension zu "Tess" von Thomas Hardy

Ich bin noch ganz benommen vom Lesen und wirklich sehr beeindruckt. "Tess Of The D'Urbervilles", die bittere Story "of a pure woman", hat der englische Dichter Thomas Hardy 1891 veröffentlicht und wurde damals teils erbittert angegriffen und auch von vielen als schockierend abgelehnt. Das Buch hat sich auf für damalige Verhältnisse drastische Art mit der viktorianischen Moral und deren Fallstricken auseinandergesetzt. Heute gilt "Tess" als Hardys berühmtester Roman und als einer der wichtigsten der viktorianischen Epoche.
Es ist für mich das reinste Vergnügen gewesen dieses Buch zu lesen, wobei Vergnügen vielleicht ein etwas irritierender Ausdruck ist, denn die Geschichte ist von einer tiefen Tragik und Traurigkeit, wie man sie wirklich selten findet. Vergnügen bereitete mir das Buch trotzdem, denn die Geschichte von dem armen Landmädchen Tess, ihrem Elend und ihren kleinen Freuden, nimmt einen sehr gefangen, berührt und verzaubert. Aber vor allem ist es die wunderbare Sprache Hardys, die das Lesen zu einem wahren Genuss macht.
Die liebevollen und treffenden Charakterzeichnungen ließen mich immer wieder schmunzeln und die wunderschönen Landschaftsbeschreibungen bringen ebenfalls Linderung.

Alles spielt sich im ländlichen Bauernmilieu des ausgehenden 19 JH, im Südwesten von England ab. Dörfer, Gehöfte, Meiereien, die kleinen Straßen über Hügel und durch Täler, sind die Handlungsorte der Geschichte.
Als die arme Händlerfamilie John Durbeyfields erfährt, dass sie von einem alten normannischen Rittergeschlecht den "D'Urbervilles" abstammen, wollen sie u.a. mit Hilfe der schönen 16-jährigen Tochter Tess daraus Kapital schlagen und schicken diese zur reichen Mrs. Stoke D'Urberville, die sie für einen erfolgreichen Abkömmling des alten Adelsgeschlechts halten und auf deren Unterstützung sie hoffen. Dort wartet der lüsterne junge Alec, der das Mädchen bedrängt und schließlich skrupellos vergewaltigt. Gedemütigt kehrt sie nach Hause zurück. Jahre später begegnet Tess dem jungen Angel Clare, einem Pfarrerssohn, und nach schweren Gewissenskonflikten wendet Tess sich ihm zu.

Wie sich im weiteren Verlauf sogar ein angeblich vorurteilsloser Mensch, der dem Klassendenken und der strengen Religion eigentlich gar nicht abgewinnen kann, als Sklave der Moral und der Konvention erweist, war für mich teilweise fast unverständlich und nur schwer zu ertragen. Hier wird aber die Sinnlosigkeit und das Hohle dieser Konventionen entlarvt und man erkennt, wie tief sogar schon längst überholte Moralbegriffe in der Seele haften und wie schädlich sie sind. So gerät Tess unausweichlich ins Räderwerk eines unerbittlich waltenden Schicksals.
Wenn schließlich sogar der pharisäerhafte und prüde Pfarrer gegenüber seinem modernen Sohn charakterlich gewinnt, ist das echt hartes Brot.
Aber: Es sind nicht wirklich die strengen Regeln dieser Zeit, die das Unheil bringen. So löst sich Hardy auch von der viktorianischen Epoche, denn wenn man genau hinsieht sind es allein die charakterlichen Eigenschaften zweier Männer, beide selbstgerechte Egoisten (der eine offensichtlich, der andere verdeckt), die alles zu Fall bringen. Und der Zufall. So hätte sich eine ähnliche Geschichte wie diese, zu allen Zeiten abspielen können, auch heute.

Eine sehr starke Wirkung hatten auf mich die Landschafts- und Naturbeschreibungen. Sie waren manchmal so schön, dass ich diese Passagen öfter lesen musste. Sie haben auch symbolische Ausdruckskraft, genauso wie die Jahreszeiten und die Farben des Romans.
Das grüne saftige Tal in der Meierei im Sommer umrahmt die aufkeimende Liebe zwischen Tess und Angel. Der beginnende Herbst begleitet die schon von tiefen Schatten und Sorgen geprägte Verlobungszeit. Dann der Winter auf dem brauen Hungeracker in Flintcomb-Ash, wo in Schürze und Flügelhaube gekleidete hart arbeitende Landarbeiterinnen wie Fliegen über die braune gefrorene Ackerfläche kriechen, darunter Tess, von ihrem Ehemann verlassen. Dies alles sind Spiegelbilder der seelischen Verfassung der Heldin. Schrecklich-schön.
Mich erinnerte Tess an diesen Stellen an Gottfried Kellers Romeo und Julia auf dem Dorfe, wo auch die Natur und deren Ausdruck, den tragischen Werdegang des Paares begleitetet. (Lesetipp!)
Jedenfalls wird auch ein interessierter Landwirt oder Agrarökonom ;-) seine Freude mit der Geschichte haben, denn Hardy beschreibt durchaus detailliert das bäuerliche Leben und die Arbeit auf dem Feld, im Kuhstall und der Scheune. Das Bild, wie sich die Melkerinnen mit der Wange an die Kühe schmiegen, den Blick traumverloren in unbestimmte Ferne gerichtet, behalte ich klar vor meinem inneren Auge. (Jetzt aber nicht abschrecken lassen von Melkschemelromantik, Landarbeiterinnenmode und antiquierter Dreschmaschine! ;-))
Hardy schreibt wohl mir Vorliebe Romane, die im ländlichen Raum, fern der Zivilisation spielen, beschreibt bäuerliche Schönheit und wirft literarisch einen wehmütigen Blick zurück, denn zu seinen Lebzeiten hat die industrielle Revolution das ländliche Idyll schon längst eingeholt und seine Schatten darauf geworfen. Verklärung kann man seinen Büchern jedoch dennoch nicht vorwerfen, im Gegenteil.

Falls ich eine Kritik an den Buch nennen sollte, würde ich die etlichen schicksalhaften Zufälle nennen, die natürlich immer gerade zur rechten Zeit, Tess Geschick noch hoffnungsloser machen. Das wirkte gelegentlich etwas konstruiert auf mich. Auch das Frauenbild machte mich manchmal stutzig, aber da bin ich nicht die einzige, dafür ist Hardy ja schon fast berühmt. Womöglich ist ER das große Vorbild von Lars von Trier. ;-) Der hat auch mit marienhaften Leidensgeschichten, mit von Schuld und Schande geprägten einfachen Mädchenfrauen seine sämtlichen Filme gemacht. ;-)

Persönlicher Schlusspunkt: Desillusionierende und tragische Begebenheiten vor dem Hintergrund stimmungsvoller Naturschilderungen. Wie Hardy die tiefe Hoffnungslosigkeit der Geschichte ausbreitet, macht es einem schwer den eigenen Alltag davon nicht überschatten zu lassen, aber es ist erstaunlich wie viel Schönheit sich hierin verbirgt.
Ich bin mitnichten eine Hardy-Kennerin, dies ist mein erstes Buch von ihm, ich kenne lediglich einige Verfilmungen. Dass man an ihm aber nicht vorbei kommt, wenn man sich für Film und Literatur des 19 JH interessiert, habe ich natürlich irgendwann gemerkt und nun wurde es für mich höchste Zeit mit einem seiner Romane zu starten.
Ich finde selten ein solches in jeder Hinsicht lesenswertes Buch und dies ist nach "Abbitte" endlich mal wieder ein richtiges Highlight für mich. Dies war nicht mein letzter Roman von Hardy und es erleichtert mich, dass er, neben 1000 Gedichten und etlichen Kurzgeschichten, ganze 14 Romane auf seinem Konto verbucht, auf die ich mich nun schon freue. :-)

Verfilmungen:
Roman Polanskis Tess 1979 Mit Nastasia Kinski
ITV Tess Of The D'Urbervilles [UK Import] 1998 mit Justine Waddell
BBC Thomas Hardy`s Tess Of The D'Urbervilles 2008 mit Gemma Arterton

Cover des Buches Der Spielmann (ISBN: 9783940855169)

Bewertung zu "Der Spielmann" von Ingrid Ganß

Der Spielmann
Mme O.vor 14 Jahren
Rezension zu "Der Spielmann" von Ingrid Ganß

Der Roman erscheint auch unter den Titel " Die Braut des Spielmanns".

Es war einmal....die schöne, verwöhnte und kluge Prinzessin Elisabeth, die Tochter des deutschen Fürsten von Messelstein. Sie führte ein sorgenfreies Leben zwischen Seidenkleidern und Bällen, aber eigentlich las sie heimlich die Bücher von Descartes und wollte am liebsten eine Universität besuchen, Sie machte sich kritische Gedanken über die ungleichen Verhältnisse und die schrägen Beziehungen zwischen Mann und Frau. Die Ehe verlockte sie deshalb nicht. Alle Bewerber, die um ihre Hand anhielten, wies sie mit resoluter Bestimmtheit ab. Irgendwann hatte der Vater die Nase voll von den Sperenzchen seiner Tochter. Für ihn schien dies nichts anderes als verwöhnter Hochmut zu sein. Der nächste Mann der hereinkäme, solle ihr Gatte werden, wer auch immer es sei, drohte er. Und er machte es auch wahr: Als kurz darauf der abgerissene Spielmann Jakob den Salon betrat, durfte er die schöne Fürstentochter sogleich als seine kirchlich Angetraute mit auf Wanderschaft nehmen. Allein mit dem was sie auf dem Leibe trug, einem schilfgrünen Seidenkleid, begann ein neues Leben für Elisabeth. In der Armut der Landstraßen und der Hütten im Deutschland während des 30jährigen Krieges, an der Seite eines bettelarmen Spielmanns. Sie wurde mit Hunger und Kälte konfrontiert, lernte aber bald, wie eng und klein ihre Welt früher war und wie sich echte Freiheit anfühlt. Ihr wurde sogar bewusst, dass der ihr zugeschriebene verwöhnte Hochmut doch nicht nur in der Einbildung ihres Vaters existierte....
Auch die Geschichte des Spielmanns Jakob wird erzählt, der ein äußerst vielfältiges, abenteuerliches Leben geführt haben muss, der aufrührerischen politischen Gedanken nachhängt und ein sehr begabter Musiker ist. Er lässt die Prinzessin absichtlich an einigen unbequemen Lebensrealitäten hart aufprallen und konfrontiert Elisabeth mit ihren Vorurteilen und dem Unwissen dem echten Leben gegenüber, wo ihre anstudierte Bildung nur wenig Aufschluss zu geben vermochte.
Doch Jakobs nähere Zusammenhänge mit der Geschichte erschließen sich dem Leser erst nach und nach und werden erst zum Schluss einigermaßen enträtselt. Auch er muss sich in der Auseinandersetzung mit Elisabeth, seinen eigenen Vorurteilen stellen. Die Frage wer Jakob eigentlich wirklich ist, zieht sich durch den ganzen Roman.

Ich habe das Buch 2006 gelesen und bin ganz einfach schwer begeistert! Hin und weg! Es ist ein Buch in dem man richtig schwelgen kann. Ingrid Ganß hat ein Art zu schreiben, dass ich das Gefühl hatte unmittelbar dabei zu sein. Die Natur und Landschaften, die kleine Stadt mit ihrem Markt und dem Brunnen, ihrer Schenken und dunklen Gassen. Die Einsamkeit der kleine Hütte im Wald. Das Liegen im gras der kleinen Lichtung. Man hat das Gefühl unmittelbar dabei zu sein. Ich habe jede Seite genossen. Im Laufe der Handlung tauchen auch sehr schöne Nebenfiguren der Geschichte auf, die das Buch noch lebendiger und facettenreicher machen. Das Märchen vom König Drosselbart hat mich schon als Kind fasziniert und das Motiv ist hier wunderbar und detailreich umgesetzt worden. Die Spannung wird schnell aufgebaut, langsam gesteigert und bleibt auch bis zu Schluss erhalten. Die Helden haben ein Seele, sie habe Stärken und Schwächen, entwickeln sich und bedienen nicht nur Klischees.

Welchem Genre dieses Buch nun entspricht kann man nicht so genau sagen:
-- Ist es ein Märchen? Ja und Nein: Es ist eine Variante vom "König Drosselbart" und hat einen märchenhaften Charakter. Andererseits ist es jedoch viel zu realistisch und zu politisch um ein echtes Märchen zu sein.

-- Ist es ein historischer Roman? Ja und Nein: Die Handlung spielt in Deutschland, nach dem 30-jährigen Krieg um 1650 und es werden auch sozialkritische Themen behandelt, z B. die Armut und die Abhängigkeiten der armen Schichten, andererseits hat es doch viel zu wenig politische und geschichtliche Hinweise. Man erlebt doch alles nur aus der Perspektive der Heldin, die einen sehr begrenzten Einblick in die damalige Welt hat.

-- Ist es ein Liebesroman? Ja und Nein: Es ist sehr romantisch, wie Elisabeth und Jakob sich näher kommen aber es fehlen die rosarote Brille und das kitschige Happyend.

Es ist also von alledem ein Stück, und noch ein bisschen mehr, und das macht das Buch auch aus. Dieser Roman hat 100%ig meinen Geschmack getroffen und ich lese viel. Ein richtig gutes Buch ist selten, ich finde, wenn ich Glück habe, höchstens einmal im Jahr eines. Das ist meine Entdeckung der Jahre 2006/2007.

!!!!!!!Vorsicht Spoiler!!!!!!!!
Hier bitte nur weiter lesen wer das Buch schon kennt:
Was viele bemängeln ist der offene Schluss, und dass es kein Happyend gibt, aber hier muss ich sagen, für mich ist dieser Schluss der einzig mögliche, sonst würden alle Optionen in einer Sackgasse enden. Im Endeffekt ist dies ein emanzipatorischer Roman, wo es nicht nur um die Emanzipation der Frau oder speziell der Entwicklung von Elisabeth geht sondern beider Protagonisten. Auch Jakob steht am Ende am Scheideweg und muss sich noch weiterentwickeln, muss sich entscheiden ob er seine Macht nutzen will um seine Ideale zu verwirklichen oder ob er einfach - mit oder ohne Abfindung - abdanken will. Er muss diese Entscheidungen für sich selbst treffen und nicht für Elisabeth.
Das Leben im Wald, in der Hütte, war kein echtes Leben, für beide, es war gestohlene Zeit. Eigentlich auch ein recht fragwürdiges Experiment von Jakob. Was bezweckte er eigentlich genau? Warum mutet er Elisabett so viel zu und die Schach am Ende noch dazu? Elisabeth hat da zwar viel gelernt aber kaum zurück im Schloss merkt sie, dass sie schon nach zwei Tagen wieder über Seidenkleider nachdenkt und sich bald im goldenen Käfig wieder eingerichtet hat, wie vorher bei ihrem Vater auf Messelstein. Bald wäre sie wieder hochmütig und gedankenlos. Dabei hat sie doch schon den Geschmack von Freiheit und Unabhängigkeit gekostet.
Natürlich will man am Liebsten mit einem "Am Schluss ist alles gut" und "Wenn sie nicht gestorben sind dann lieben sich auch heute noch" bedient sein. Aber so gefällig ist der Roman halt nicht. Und das ist auch gut so.
Eine Fortsetzung wünsche ich mir nicht unbedingt, für mich ist das Buch hier zu Ende und man kann sich ja denken, dass die zwei sich wiederfinden wollen, nachdem jeder erst mal seinen Weg gegangen ist, seine Entwicklung gemacht hat und überhaupt bereit ist für eine Bindung.
!!!!!!!Spoilerende!!!!!!

Das einzige was ich nicht verstehe ist warum das Buch kein Bestseller wurde und warum, verflixt! das Buch jahrelang nicht neu verlegt wurde. Eine Schande ist das! Das Buch wurde über Jahre hinweg gebraucht für durchschnittlich 60 Euro verkauft. Der Markt wimmelt nur so von teils grottenschlechten Büchern und so ein Schatz war kaum mehr erhältlich.
November 2009 erschien sie ja dann endlich die Neuauflage. Wurde ja auch Zeit. Und die Fortsetzung ist schon unterwegs: Der König.
Tipp für MärchenliebhaberInnen: Die Sevenwaters Trilogie. Z.B. Band 1 Die Tochter der Wälder. (Geb. Grimms „Die sechs Schwäne“)

Cover des Buches Hunger (ISBN: 9783423113984)

Bewertung zu "Hunger" von Knut Hamsun

Hunger
Mme O.vor 14 Jahren

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