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Nabura

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches Die Burg (ISBN: 9783426448373)

Bewertung zu "Die Burg" von Ursula Poznanski

Die Burg
Naburavor 4 Tagen
Ein Escape Room, der zum Überlebenskampf wird

Maxim hat eine Einladung zu einer exklusiven Veranstaltung erhalten: Er darf als einer der ersten den neuen Escape Room auf der Burg Greiffenau ausprobieren. Dort hat der Milliardär Nevio in den unterirdischen Räumen die neueste Technik verbaut und eine KI programmiert, die den Besuchern eine Escape Room Erfahrung ganz nach ihren Wünschen bietet und jedes Mal neue Rätsel entwirft. Maxim wurde für seine Teilnahme an diesem Testlauf viel Geld angeboten, das er dringend benötigt, da er sich mit seinen eigenen klassichen Escape Rooms verschuldet hat. Neben ihm sind noch eine Influencerin, ein C-Promi, ein Professor und die Gewinnerin eines Preisausschreibens dabei. Gemeinsam mit Nevio und einem Game Master starten sie eine Partie. Bald jedoch beginnt die KI, sich nicht mehr an die vereinbarten Regeln zu halten. Das Spiel wird zum Überlebenskampf.

Escape Rooms sind schon seit einigen Jahren ein beliebtes Event und auch ich habe schon einige besucht. Während die meisten Anbieter für eine Partie auf Rätsel in ein bis zwei Räumen setzen, werden einige kreativer. Bei meinem persönlichen Favoriten muss man zum Beispiel krabbeln und klettern, um in den nächsten Raum zu gelangen und in einem Horror-Szenario, das ich mich bislang nicht getraut habe zu spielen, wird mit echten Schauspielern gearbeitet. Insofern kann ich gut verstehen, dass Maxim als Protagonist des Roman die Zukunft seiner klassischen Escape Rooms durch das neue Angebot auf der Burg bedroht sieht. Immer neue Rätsel, kreiert von einer KI und dargeboten in Räumen, die gänzlich mit LED-Screens ausgekleidet wurden, um ein möglichst immersives Erlebnis zu bieten.

Da es sich um einen Thriller handelt weiß man natürlich, dass etwas schief gehen wird. Erst einmal ließ ich mich aber von der Begeisterung der Teilnehmer packen, die sich an die Lösung der ersten Rätsel machen. Immer wieder wechselt die Perspektive auch zu Alissa und ihren Kolleg:innen, die sich in der Burg um das Organisatorische kümmern sollen und das Event über Bildschirme beobachten. Sie haben lange alles für die große Eröffnung vorbereitet und stehen dementsprechend unter Druck, dass beim Testlauf alles perfekt ist.

Bald gibt es erste Anzeichen, dass etwas nicht nach Plan läuft, welche die Teilnehmer jedoch nur geringfügig beunruhigen. Als die KI sich schließlich ganz querstellt, kippt die Stimmung schnell. Ich war gespannt, wie die unterschiedlichen Charaktere sich im Anblick der aussichtlosen Situation verhalten werden. Der Thriller bietet Spannung und Nervenkitzel, sodass ich zügig weiterlesen wollte. In der zweiten Buchhälfte erlebte ich dann jedoch ein paar kleine Längen, da zwar immer neue Schrecken geboten werden, aber die Handlung nicht mehr so recht vorankommt. Zum Ende hin gibt gibt es einige Enthüllungen im Hinblick auf Geheimnisse der Charaktere, die mich trotz vorheriger Hinweise überraschen konnten. Auch für die Frage, warum die KI so böse werden konnte, wird eine Erklärung geliefert, die Diskussionspotenzial bietet, ob es wirklich so weit kommen könnte. Wer Escape Rooms und Thriller mag, der sollte sich dieses Buch nicht entgehen lassen!

Cover des Buches Ein falsches Wort (ISBN: 9783103975130)

Bewertung zu "Ein falsches Wort" von Vigdis Hjorth

Ein falsches Wort
Naburavor 12 Tagen
Wenn die Ereignisse der Vergangenheit eine Versöhnung unmöglich machen

Bergjlot hat zwei jüngere Schwestern und einen älteren Bruder. Ihre eigenen Kinder sind schon erwachsen, da bricht unter ihren Geschwistern ein Streit ums Erbe der Eltern aus. Einst wurde ihnen versprochen, dass sie alle gleich viel erben sollen. Doch nun haben die Eltern den jüngeren Schwestern Astrid und Åsa je eine der beiden Hütten in Hvaler überschrieben und dabei einen sehr niedrigen Wert angesetzt. Ihr Bruder Bård fühlt sich ungerecht behandelt und möchte Bergjlot auf seiner Seite wissen. Die ist erstaunt, dass sie überhaupt noch etwas erben soll, hat sie doch Jahre zuvor den Kontakt zur Familie gänzlich abgebrochen. Auf Bårds Drängen hin äußert sie sich schließlich doch dazu. Aber je mehr sie sich dadurch wieder mit ihrer Familie beschäftigen muss, desto stärker dringen alte, schmerzhafte Erinnerungen an die Oberfläche.

Auf der ersten Seite der Geschichte informierte die Ich-Erzählerin Bergjlot mich, dass ihr Vater seit fünf Monaten tot ist. Danach beginnt sie ihren Bericht, was sich in den Wochen davor und danach zugetragen hat. Zunächst dreht sich alles um den Streit ums Erbe: Die beiden jüngeren Schwestern möchten Auseinandersetzungen verhindern, finden die Überschreibung der Hütten an sie aber auch fair, da sie seit Jahren viel mehr Zeit mit den Eltern verbringen haben als Bård und Bergjlot. Aus Sicht der beiden älteren Geschwister gab es gute Gründe für ihr Fernbleiben, doch diese werden zunächst nicht ausgeführt.

Der ganze Roman ist aus der Perspektive der Ich-Erzählerin Bergljot geschrieben. Selbst die Briefe und Mails, die sie mit ihren Geschwistern austauscht, fasst sie mit eigenen Worten zusammen. Dadurch entsteht ein einseitiger Blick auf die Ereignisse. Es wird immer deutlicher, dass Bergjlot das Erbe tatsächlich relativ egal ist und ich fragte mich, warum sie den Kontakt zur Familie abgebrochen hat. Ihre Gedanken kreisen, aber immer, wenn sie sich den Gründen nähert drehen sie ab. Sie erwähnt, dass sie viele Jahre Therapie in Anspruch genommen hat wegen Dingen, die ihr als Kind widerfahren sind. In der zweiten Buchhälfte gelingt es ihr schließlich besser, das Unaussprechliche zumindest grob in Worte zu fassen.

Wie reagiert eine Familie auf schwerwiegende Anschuldigungen aus ihrer Mitte, an denen sie eigentlich zerbrechen müsste? In diesem Fall entscheidet sie sich für Verleugnung zugunsten von Harmonie. Bergjlot ist eine unzuverlässige Erzählerin, doch mit der Zeit konnte ich immer besser nachvollziehen, wie sehr sie unter den Reaktionen ihrer Familie leidet. Ihre ganze Wut, Enttäuschung und Trauer bricht hervor, die alten Wunden werden durch den Erbstreit aufgerissen, während ihre Familie auf Versöhnung drängt. Doch den dafür aufgestellten Regeln, die besagen, dass sie dafür von ihrer Wahrheit abrücken muss, kann sich Bergjlot nicht fügen. 

Die Rückblicke in die Vergangenheit, wie es der Erzählerin als junge Erwachsene ergangen ist, brachten für mich nur wenig Erkenntnisgewinn und ich erlebte während der Lektüre durch sich wiederholende Kommunikationsmuster einige Längen. Aus meiner Sicht ist es aber letztendlich die mangelnde Figurenentwicklung, die den Roman ausmacht und zu der schmerzaften Erkenntnis führt, dass manche Wunden nicht heilen können, wenn niemand seine Sicht auf die Dinge überdenken möchte. Eine eindrückliche Lektüre, die nachhallt.

Cover des Buches Der ehrliche Finder (ISBN: 9783103975642)

Bewertung zu "Der ehrliche Finder" von Lize Spit

Der ehrliche Finder
Naburavor 12 Tagen
Wenn die Abschiebung droht

Jimmy ist ein begeisterter Sammler. Sein Taschengeld nutzt er, um Chipstüten zu kaufen, denn in jeder befindet sich ein Flippo. Jeden Tag fährt er auf dem Rad durch die Stadt auf der Suche nach Münzen. Die fünftausend Franc, die er bei seiner Runde im Geldautomat findet, muss er jedoch wieder zurückgeben, sodass sein Traum von einer vollständigen Sammlung schnell wieder in die Ferne rückt. 

Seine doppelten Flippos hebt Jimmy für Tristan auf, um ihn damit irgendwann zu überraschen. Dieser ist sein bester Freund, seit er vor etwas mehr als einem Jahr in der Schule neben ihn gesetzt wurde. Gemeinsam mit seiner Familie ist er aus dem Kosovo bis nach Belgien geflüchtet. Jimmy ist begeistert, als er von Tristan eingeladen wird, bei ihm zu übernachten. In den gemeinem Plan, den Tristan mit seiner Schwester Jetmira ausgeheckt wird, soll er jedoch erst am nächsten Tag eingeweiht werden.

Das neue Werk von Lize Spit ist eine Novelle, die in Belgien als kostenlose Geschichte in der Buchwoche erschienen ist. Zu Beginn lernte ich Jimmy kennen, der stolz darauf ist, Tristan seinen besten Freund nennen zu dürfen. Seit dessen Ankunft in seinem Ort lernt Jimmy fleißig mit ihm die Sprache. Allerdings wird er schnell eifersüchtig, wenn Tristan Zeit mit anderen verbringt. Umso mehr freut er sich über die Einladung zur Übernachtung bei Tristan und seiner großen Familie.

Ich konnte gut nachvollziehen, wie faszinierend die Großfamilie Ibrahimi auf Jimmy wirken muss, der allein bei seiner Mutter wohnt, seit der Vater die Familie verlassen hat. Doch das muntere Treiben ist alles andere als sorgenfrei. In diversen Szenen zeigt sich, dass Tristan und seine Familie schwere Traumata erlitten haben, als sie zu Fuß bis nach Belgien geflüchtet sind. Und nun droht die Abschiebung. 

Die Geschichte setzt sich schließlich auf bedrückende Weise mit der Frage auseinander, wie weit ein Kind zu gehen bereit ist, um im Land und damit in Sicherheit bleiben zu dürfen. Das Ende ist jedoch abrupt und insgesamt hätte ich mir einen stimmigeren Handlungsbogen gewünscht. Die fünftausend-Franc Szene zu Beginn und auch Jimmys Flippo-Sammlerei haben am Ende wenig mit dem zentralen Thema der Novelle zu tun. Dieses hätte man noch intensiver ausschöpfen können, damit die knapp über 120 Seiten bei diesem schweren und wichtigen Thema noch eindringlicher nachwirken.

Cover des Buches Every Day. Letztendlich sind wir dem Universum egal. Die Graphic Novel (ISBN: 9783737343763)

Bewertung zu "Every Day. Letztendlich sind wir dem Universum egal. Die Graphic Novel" von David Levithan

Every Day. Letztendlich sind wir dem Universum egal. Die Graphic Novel
Naburavor 19 Tagen
Die neue Graphic Novel zur Geschichte von A und Rhiannon

A wacht jeden Tag in einem neuen Körper auf. Die Regeln sind immer dieselben: Es sind Körper von Jungen und Mädchen in einem ähnlichen Alter und geographisch nicht zu weit voneinander entfernt. A wacht nie zweimal im selben Körper auf. An Tag 5994 ist A im Körper von Justin, dessen Freundin Rhiannon niedergeschlagen wird. Um sie aufzuheitern, überredet A sie, die Schule zu schwänzen und einen Tag am Meer zu verbringen. In den darauffolgenden Tagen geht Rhiannon A nicht mehr aus dem Kopf. Im Körper eines Mädchens taucht A als künftige Mitschülerin in der Schule auf, im Körper eines Jungen bei einer Party, auf der sie eingeladen ist. Noch nie hat sich A jemandem anvertraut - wie würde Rhiannon darauf reagieren? Und wohin soll all das führen?

Ich habe den Roman "Letztendlich sind wir dem Universum egal" von David Levithan kurz nach seinem Erscheinen im Jahr 2015 gelesen und sehr gemocht. Auch die Verfilmung aus dem Jahr 2018 habe ich gesehen. Nun ist die Graphic Novel zum Buch erschienen, die von Dion MBD illustriert wurde. Meine Erinnerung an die Handlung war noch recht gut und so war ich gespannt, wie die Umsetzung im neuen Format gelungen ist.

Wie unterschiedlich die Körper sind, in denen A erwacht, lässt sich visuell gelungen darstellen. So wurde noch deutlicher, welcher Herausforderung sich A Tag für Tag stellen muss. Während im Roman immer genau beschrieben wird, welche Identität A für den Tag übernommen hat, sprechen hier die Bilder für sich, sodass die Geschichte mit wenigen Worten auskommt und an einigen Tagen überhaupt kein Text abgedruckt ist. Dadurch bleibt noch mehr Raum für die Fantasie des Lesenden. 

Der Illustrator arbeitet gelungen mit verschiedenen Farbschemata, welche die Welt jeden Tag auch auf diese Weise ganz anders erscheinen lassen. Mein einziger Kritikpunkt an den Illustrationen ist, dass Dion MBD eine merkwürdige Art hat, Nasen zu zeichnen. Rhiannon hat wie fast alle weiblichen Charaktere im Profil eine übertriebene Stupsnase, männliche Nasen sind lang und gerade. Werden Gesichter von vorn gezeigt, dann sind die Nasen fast gar nicht zu erkennen, wodurch die Gesichter irritierend leer wirken.

Die wachsenden Gefühle von A für Rhiannon werden auch ohne viele Worte gelungen transportiert. Eine gewisse Orientierung bieten die Mails und Textnachrichten zwischen den beiden. So nimmt die mir bereits bekannte Geschichte ihren Lauf und zog mich abermals in ihren Bann. Das bittersüße, melancholische Ende lässt mich auch nach dem wiederholten Eintauchen in die Geschichte nicht kalt. Sehr gerne empfehle ich die Graphic Novel weiter.

Cover des Buches Hallo, du Schöne (ISBN: 9783832169459)

Bewertung zu "Hallo, du Schöne" von Ann Napolitano

Hallo, du Schöne
Naburavor 19 Tagen
Mit diesen Figuren möchte man gerne noch mehr Zeit verbringen

William Waters ist ein Einzelkind, seit seine drei Jahre alte Schwester kurz nach seiner Geburt überraschend verstorben ist. Seine Eltern haben diesen Schicksalsschlag nie ganz überwunden und ihm wenig Liebe zukommen lassen. Seine Tage verbringt William mit Basketball spielen und ist schließlich so gut, dass er ein Stipendium für die Northwester University in Chicago erhält und sein bisheriges Leben hinter sich lässt. Dort lernt er Julia Padavano kennen, die mit ihren Eltern und ihren drei Schwestern in der Nähe des College wohnt. Als die beiden ein Paar werden, wird William in der Familie herzlich aufgenommen. Ihr Leben scheint vorgezeichnet: Eine gemeinsame Wohnung, Hochzeit, Kinder und Karriere. Doch dann kommt es zu unerwarteten Ereignissen, welche alle Charaktere aus der Spur werfen. Wie werden sie unter den veränderten Bedingungen ihre Zukunft gestalten?

Das Buch beginnt im Jahr 1987 mit dem Kennenlernen von William und Julia. Ich erhielt einen kurzem Abriss über Williams Kindheit und bevor ich mich versah waren die beiden ein Paar. Nach dem ersten Kapitel aus Williams Perspektive wechselt diese zu Julia und es ging in ebenso hohem Tempo weiter: Die beiden verloben sich und beschließen, zu heiraten. Die dritte im Bunde, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, ist Julias Schwester Sylvie. Sie arbeitet seit ihrem dreizehnten Lebensjahr in einer Bibliothek, da ihr das Geld fürs College fehlt. Wärhend sie darauf wartet, dass ihr die große Liebe begegnet, lässt sie sich von diversen Jungen zwischen den Bücherregalen küssen.

Nach dem zügigen Einstieg spielt ein großer Teil der Geschichte in den Jahren 1982 bis 1984. Hier tauchte ich tiefer in das Leben der vier Schwestern und William ein. Auch wenn das Buch aus drei Perspektiven erzählt wird erfuhr ich ebenfalls so manches über die Zwillingsschwestern Cecelia und Emelina sowie ihrer Eltern Rose und Charlie. Die Charaktere wurden mir schnell sympathisch und die ersten schicksalhaften Entwicklungen ließen mich hoffen und bangen. Es kommt zu Brüchen, die mich hoffen ließen, dass sie wieder gekittet werden können. Doch manche Entscheidungen scheinen unwiderruflich.

Beim Lesen dieses Familienromans erlebte ich die ganze Bandbreite an Emotionen. Es geht um Liebe und Zusammenhalt, aber auch Eifersucht und Enttäuschung. Ann Napolitano behandelt die Themen gefühlvoll und mit großer Sensibilität. Ich lernte die Charaktere immer besser kennen, die einfach nicht aus ihrer Haut können. Ihre Entscheidungen, so folgenreich sie auch sein mögen und so unverständlich andere sie auch finden, wurden mir begreiflich gemacht. Zum Ende hin wird es noch einmal hochemotional und ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Auch wenn ich mit den Figuren noch mehr Zeit hätte verbringen können, ist die Länge des Romans genau richtig und dieser rundum gelungen. Für mich ein echtes Herzensbuch, das ich absolut weiterempfehlen kann!

Cover des Buches Yellowface (ISBN: 9783847901624)

Bewertung zu "Yellowface" von Rebecca F. Kuang

Yellowface
Naburavor einem Monat
Ein absolut lesenswerter Roman

June Hayward ist eine aufstrebende Autorin, deren Debütroman im Hinblick auf die Verkaufszahlen allerdings hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Ihre Freundin Athena Liu hingegen, die sie während ihres Studiums in Yale kennengerlernt hat, landet mit ihrem ersten Buch gleich einen Bestseller, wird von der Branche gefeiert und räumt Preise ab. Als die beiden sich in Athenas Wohnung treffen und diese überraschend stirbt, nimmt June das Manuskript an sich, das Athena gerade vollendet und bislang streng geheim gehalten hat. June redet sich ein, dass es ganz in Athenas Sinne gewesen wäre, dass sie das Manuskript vollendet. Von einer geteilten Autorinnenschaft würde eine Tote auch nicht mehr profitieren, wieso es also nicht gleich als ihres ausgeben? Schließlich bestehet keine Chance, dass das Geheimnis ans Licht kommt, solange sie selbst nichts erzählt - oder?

Ich hatte im Vorfeld der Lektüre schon viel Lob für die Originalausgabe gesehen, sodass ich mit hohen Erwartungen in die Geschichte startete. Die Ich-Erzählerin June sprach mich als Leserin direkt an und erzählte zunächst von der Nacht, in der Athena in ihrem Beisein gestorben ist. Von Beginn an merkt man, dass sich June für ihr Handeln rechtfertigen will, es liest sich wie ein Plädoyer für ihre Sache. Athena wird als überheblicher Shootingstar dargestellt, der June trotz ihrer Freundschaft nicht besonders nahe stand und deren Tod zwar tragisch ist, sie emotional aber nicht allzu tief trifft. Die Eifersucht auf Athenas Erfolg trieft aus den Zeilen des Buches, sodass Junes Entscheidung, das Manuskript zu stehlen und als ihres auszugeben, für mich nachvollziehbar wurde.

Das Verhalten von June ist natürlich entsetzlich und moralisch völlig inakzeptabel. Gleichzeitig musste ich im Laufe der Geschichte widerwillig zugeben, dass sie ein manipulatives Talent besitzt, mit welchem sie ihr Umfeld um den Finger wickelt und dasselbe in meine Richtung versucht. Ihre Freundschaft zu Athena betont sie mal, dann wird sie wieder heruntergespielt, je nachdem was gerade besser passt. Sie spinnt ein Netz aus Lügen und tut alles für ihr Ziel, aus dem Manuskript einen Verkaufsschlager und aus sich eine Bestseller-Autorin zu machen. 

Beim Lesen schwankte ich zwischen der Hoffnung, dass June für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen wird und der Neugier, wie weit sie es noch treiben kann, bevor ihr Kartenhaus in sich zusammenfällt. Währenddessen beobachtete ich gespannt das Verhalten ihres Verlags, der Branche und der sozialen Medien auf die Ereignisse. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob weiße Autor:innen alle Geschichten erzählen dürfen und die Bedeutung von Own-Voices-Romanen und Sensitivity Reading. Junes geklautes Manuskript wird vom Verlag als Bestseller auserkoren und es werden Änderungen zulasten der Authentizität und zugunsten des Rassismus vorgenommen, um ein möglichst großes Publikum anzusprechen. Schließlich setzt sich der Roman mit digitalen Shitstorms und Cancel Culture auseinander. 

In Amerika hat das Buch für Kontroversen gesorgt, inwiefern die Autorin Rebecca F. Kuang hier auf Basis eigener Erfahrungen mit der Buchbranche abrechnet. Doch gerade im Hinblick auf Junes Verlag, der sich hinter sie und ihr rassistisches Verhalten stellt und in der Folge die Verkäufe in der rechten Szene ansteigen, ist die Geschichte von großer Aktualität. Ich kann dieses Buch klar weiterempfehlen.

Cover des Buches Die Halbwertszeit von Glück (ISBN: 9783757700225)

Bewertung zu "Die Halbwertszeit von Glück" von Louise Pelt

Die Halbwertszeit von Glück
Naburavor einem Monat
Ein berührender Roman auf drei Zeitebenen

Mylène ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die 2019 in Paris lebt und in Kürze ihren Verlobten Frédéric heiraten will. Als ein Anwalt auftaucht und ihr berichtet, dass sie eine Wohnung in Amsterdam von einer ihr völlig unbekannten Frau geerbt hat, gerät ihr Leben aus den Fugen. Auch in Hollys Leben in Los Angeles ist 2003 plötzlich alles anders, als ihre Arbeitskollegin Jay bei einer Explosion stirbt, nachdem sie für Holly eingesprungen ist. Ihre Schuldgefühle führen dazu, dass sie ihren Traum von der Karriere als Drehbuchautorin begräbt und beginnt, sich um Jays Familie zu kümmern. In der DDR im Jahr 1987 findet die Einsiedlerin Johanna im Wald ein Mädchen, das bei ihrem Fluchtversuch angeschossen wurde. Eigentlich wollte sie sich aus solchen Geschichten heraushalten, doch nun muss sie entscheiden, ob sie der jungen Frau hilft und sich dami selbst in Gefahr bringt.

Das Buch beginnt mit einem Prolog im Jahr 1938, dessen Bedeutung sich mir im Laufe der Geschichte erschloss. Danach lernte ich auf drei verschiedenen Zeitebenen Mylène, Holly und Johanna kennen. Ihre Leben werden allesamt durch einscheidende, überraschende Ereignisse durcheinander gewirbelt. In der Folge stehen sie vor der Entscheidung, wie sie weitermachen wollen. Eine Rückkehr zu ihrem bisherigen Leben scheint für alle drei zumindest für den Moment undenkbar zu sein.

Es gibt drei Handlungsstränge auf drei Zeitebenen, die immer abwechselnd erzählt werden und deren Zusammenhang zunächst nicht klar ist. Stattdessen sprang ich beim Lesen zwischen den Geschichten hin und her und wurde dadurch immer wieder aus dem Lesefluss gerissen. Da die Kapitel oft mit einem spannenden Cliffhanger enden, wurde ich auf der anderen Seite zum zügigen Weiterlesen animiert, da ich wissen wollte, wie es weitergeht.

Mit der Zeit wird deutlich, dass die Geschichten der drei Frauen, so unterschiedlich sie auch sind, gewisse Parallelen aufweisen. Sie alle haben Unglück erlebt und feststellen müssen, wie flüchtig Momente des Glücks sein können. Die Ereignisse fand ich berührend und habe mitgehofft, dass sich für die Protagonistinnen alles zum Guten wenden wird. Nachdem ich lange gerätselt habe, wie die Handlungsstränge zusammenhängen, wird schließlich fast alles innerhalb eines Absatzes gelüftet. Das hätte man für meinen Geschmack noch geschickter einfädeln können. Insgesamt hat mir der Roman trotz der kleinen technischen Schwächen aber sehr gut gefallen. Begebt euch mit Mylène, Holly und Johanna auf eine Reise voller Höhen und Tiefen!

Cover des Buches Schwestern in einem anderen Leben (ISBN: 9783810530936)

Bewertung zu "Schwestern in einem anderen Leben" von Christiane Wünsche

Schwestern in einem anderen Leben
Naburavor einem Monat
Eine folgenschwere Entscheidung

Die Sommerferien des Jahres 1976 verbringt die sechzehnjährige Rebecca die meiste Zeit mit ihrer Clique an Waldsee. Zu dieser gehört auch der Musiker Ulf, der ihr Freund ist und den sie ihren Eltern verheimlicht. Die unbeschwerte Zeit findet für Rebecca kurz nach Ferien ein jähres Ende. Als sie sich von ihren Eltern im Hinblick auf ihre Zukunft in die Enge gedrängt fühlt, trifft sie eine folgenschwere Entscheidung.

Im Jahr 2023 führt Rosi ein ruhiges Leben mit vielen Freunden und Bekannten. Ihre Familie sieht sie jedoch als unerreichbar an und verbietet sich die Gedanken an diese. Eine Meldung im Fernsehen treibt die alten Erinnerungen schließlich an die Oberfläche und sie erinnert sich zurück, welchen Verlauf ihr Leben in den letzten Jahrzehnten genommen hat.

Der Roman beginnt mit einem Prolog, in dem eine grauhaarige Frau nach langer Zeit in ein Dorf zurückkehrt, in dem sie sich einst gut auskannte. Danach lernte ich Rebecca und ihre Familie im Jahr 1976 sowie Rosi im Jahr 2023 kennen. Aufgrund vieler Andeutungen war mir der Zusammenhang zwischen den Erzählsträngen schnell klar, dennoch hatte ich zahlreiche Fragen im Hinblick auf das Warum und Wieso.

In den Kapiteln, die in der Vergangenheit spielen, gibt es nicht nur Erzählabschnitte aus der Sicht von Rebeca, sondern auch aus der Sicht von ihrer Schwester Miriam und ihrer Mutter Hilde. So erhielt ich umfassende Einblicke in die Familiendynamik und welche Konsequenzen Rebeccas Handeln nicht nur für sie selbst, sondern auch für die anderen Mitglieder der Familie hat. Das emotionale Chaos, das in Rebecca tobt, wurde mir begreiflich gemacht und ich konnte nachvollziehen, wie sie zu ihrer Entscheidung gekommen ist.

Im Laufe der Geschichte fiel es mir allerdings zunehmend schwer, weiterhin Verständnis für Rebecca aufzubringen. Nachdem sie Abstand zu der ganzen Situation gewonnen hat und sich in Ruhe Gedanken über ihre Zukunft machen kann, handelt sie im Hinblick auf ihre Familie immer wieder kaltherzig. Das Leid der Familienmitglieder äußert sich auf ganz unterschiedliche Weise und ich erlebte dieses auf beklemmende Weise mit.

Rosis Erinnerungen an die Vergangenheit sind abwechslungsreich und nahmen mich mit durch mehrere Jahrzehnte deutsche Geschichte. Themen wie das Leben in Kommunen, die Suche nach den verbleibenden Mitgliedern der RAF, die Punkszene und das aufkommende Interesse für Bio-Produkte werden im Roman auf interessante Weise behandelt. Für mich als Düsseldorferin war es schön, dass weite Teile der Geschichte in der Umgebung spielen und mich an viele bekannte Orte führten. Das Ende des Romans stimmte mich schließlich auch im Hinblick auf Rebecca ein wenig versöhnlich. Gerne empfehle ich "Schwestern in einem anderen Leben" an alle weiter, die Lust auf eine berührende Familiengeschichte haben.

Cover des Buches Tahara (ISBN: 9783257072433)

Bewertung zu "Tahara" von Emanuel Bergmann

Tahara
Naburavor einem Monat
Zwischen Glamour und Geheimnissen

Marcel Klein arbeitet seit vielen Jahren als Filmkritiker für das Kinomagazin "Hollywood" - zuerst in L.A., inzwischen als freier Mitarbeiter in Berlin. Auf den Filmfestspielen in Cannes hat er ein volles Programm mit Pressekonferenzen, Vorführungen und Partys am Abend. Dabei macht sich bei ihm ein gewisser Verdruss bemerkbar, er erlebt die immergleichen unoriginellen Fragen und Platitüden. Eine willkommene Abwechslung ist da Héloïse, die er am ersten Festivalmorgen auf der Hotelterrasse kennenlernt. Die Lehrerin aus Metz hat keine Verbindung zur Filmbranche und ist aus Neugier nach Cannes gekommen. Nach einem holprigen Start sehen die beiden sich zufällig immer wieder und fühlen sich zunehmend zueinander hingezogen. Doch Héloïse ist nicht ganz ehrlich zu Marcel. Als dieser sich in eine heikle Situation bringt, verlassen die beiden überstürzt gemeinsam die Stadt.

Ich werde im Mai einige Tage an der Côte d'Azur verbringen und habe das Buch als frühe Einstimmung auf den Urlaub gelesen. Der Roman beginnt mit Marcel Kleins Eintreffen in Cannes und seiner ersten Begegnung mit Héloïse. Für ihn ist ist das Filmfestival ein Ereignis, das er seit Jahren besucht und das nichts besonderes mehr für ihn ist. Beiläufig erzählt er Héloïse von den anstehenden Pressekonferenzen und Interviews mit den großen Stars der Filmindustrie. Während er seine Termine mit wenig Motivation wahrnimmt, genießt er die luxuriöse Unterbringung, das gute Essen und die exklusiven Partys auf Kosten der Zeitschrift, denn er selbst ist tief verschuldet. 

Héloïse übt von Beginn an eine Faszination auf Marcel aus, doch die ersten Gespräche verlaufen unglücklich, da stets einer den anderen in irgendeiner Weise brüskiert. Dennoch verbringen die beiden zunehmend Zeit miteinander. Héloïse hat jedoch von Beginn an klargestellt, das sie verheiratet ist - wohin also soll all das führen? Durch einige Kapitel aus ihrer Sicht lernte ich, sie und ihr Handeln besser zu verstehen.

Die erste Buchhälte verläuft in ruhigen Bahnen und ich wartete auf die im Klappentext angekündigten Geheimnisse und die Flucht aus Cannes. Nach einer besonders wilden Party mit Alkohol und Drogen offenbart Marcel am nächsten Tag bei einem Interview die schlechteste Version seiner selbst und bringt sich selbst in eine heikle Situation. Das bringt endlich Schwung in die Handlung und die Ereignisse nehmen ihren Lauf. 

Marcels und Héloïses Ausbruch aus ihren in vorgegebenen Bahnen verlaufendem Leben schwankte ich zwischen einer Bewunderung für die wilde Romantik der Situation und einer gewissen Abgeklärtheit, dass sich beide sehenden Auges ins Unglück stürzen und Marcel die Konsequenzen seines Handelns auch redlich verdient hat. Doch wer dachte, dass alle Geheimnisse gelüftet wurden, wird zum Ende hin noch mal eines besseren belehrt und erlebt eine Überraschung, welche die gemeinsamen Tage von Marcel und Héloïse noch mal in ein anderes Licht rücken. Ein Buch für alle, die Lust auf eine bewegende Lektüre rund um eine amour fou an der Küste Südfrankreichs haben.

Cover des Buches Deine Margot (ISBN: 9783627003166)

Bewertung zu "Deine Margot" von Meri Valkama

Deine Margot
Naburavor einem Monat
Auf der Suche nach Margot

Als Viljas Vater Markus im Jahr 2011 überraschend stirbt, findet sie in seinen Hinterlassenschaften ein Bündel Briefe, verfasst am Ende der 80er Jahre. Sie stammen von einer Frau, die sich Margot nennt und diese an Erich adressiert hat. Offenbar waren die beiden ein Liebespaar. Auch von einem Kind ist die Rede, das Kastanie genannt wird und das Margot schrecklich vermisst. Vilja vermutet, dass Erich ihr Vater und sie Kastanie sein soll. Aber das würde heißen, dass ihr Vater in den zwei Jahren, in denen er mit seiner finnischen Familie in der DDR gelebt hat, eine außereheliche Beziehung geführt hat. Vilja selbst hat so gut wie keine Erinnerungen an die Zeit und erst recht nicht an eine fremde Frau, ihre Mutter blockt sämtliche Fragen ab. Um mehr über Margots Identität, die Geheimnisse ihres Vaters und ihre eigene Vergangenheit herauszufinden, kehrt Vilja in das Hochhaus in Berlin zurück, in dem sie einst mit ihren Eltern und ihrem Bruder gewohnt hat.

Das Cover im Stil eines Briefumschlags spielt auf die Briefe der mysteriösen Margot an. Mit dem letzten dieser Briefe beginnt die Geschichte. Diesen konnte ich als Leserin genauso wenig einordnen wie die Protagonistin Vilja Siltanen. Sie ist gerade von Helsinki nach Berlin geflogen, um vor Ort nach der Absenderin und nach Antworten zu suchen. Ihr einziger Anhaltspunkt ist Ute, die während der Zeit der Familie Siltanen in der DDR die beste Freundin ihrer Mutter war.

Ein zweiter Erzählstrang beginnt im Jahr 1983 und erzählt von dem Eintreffen der Familie in Ostberlin. Markus soll dort als Journalist für die finnische Zeitung "Kraft des Volkes" authentische Berichte aus der DDR liefern, während sich seine Frau Rosa um die beiden Kinder kümmert. Die Perspektive wechselt zwischen Markus und Rosa, sodass ich einen guten Eindruck davon bekam, wie unterschiedlich die beiden ihre vorübergehende Heimat empfinden.

Durch die beiden Erzählstränge erlebte ich das Geschehene einmal aus Sicht der Betroffenen als Gegenwart und einmal mit einer Außenperspektive auf die Vergangenheit. Diese beiden Ebenen werden von der Autorin Mari Valkama geschickt miteinander verwoben. Am nähesten fühlte ich mich Vilja, deren Wunsch nach Antworten ich gut nachvollziehen konnte. Sie war zwei Jahre alt, als sie in der DDR eintraf und ihre Erinnerungen an die Zeit sind kaum vorhanden. Kann sie diesen vielleicht auf die Sprünge helfen, indem sie an die Orte ihrer Kindheit zurückkehrt?

Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Ich freute mich mit Vilja über jeden neuen Hinweis auf ihrer Suche, während ich in den Rückblicken in das emotionale Chaos eintauchte, in dem sich ihre beiden Elternteile während des DDR-Aufenthalts befunden haben. Gut gefallen hat mir auch, dass nicht nur das persönliche Schicksal der Familie beleuchtet wird, sondern auch gesellschaftliche Einblicke in die Zeit vor, während und nach der Wende in Ostberlin gegeben werden. Dabei urteilt die Autorin nicht, weder über das Thema Untreue noch im Hinblick auf die DDR, sondern sie lässt die Gefühle und Gedanken der Charaktere für sich sprechen. Ein wirklich berührendes und fesselndes Buch, für das ich eine klare Leseempfehlung ausspreche!

Über mich

Ich heiße Hanna und bin eine begeisterte Leserin. Um meine Herzensbücher zu finden und mich vor argen Flops zu bewahren, bin ich Mitglied bei Lovelybooks. Meine Leseeindrücke teile ich gerne mit anderen - hier auf Lovelybooks, auf unserem Blog http://www.buchsichten.de und auf Instagram https://www.instagram.com/buchsichten/

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