Nike_Leonhard
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Um diesen kryptischen Satz zu verstehen, muss man "Unterleuten" vollständig gelesen oder, wie in meinem Fall, gehört haben.
Unterleuten ist der Name eines kleinen Dorfs in der brandenburgischen Provinz, irgendwo hinter der Plausitzer Platte. Dort, wo es wenig mehr gibt, als Landschaft. Wo die ehemalige LPG, der einzige Arbeitgeber ist. Wo Berliner ländliches Idyll vermuten und Ruhe vor dem Stress der Großstadt suchen, während unter den Alteingesessenen Fehden ausgetragen werden, deren Wurzeln noch in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg liegen.
Aber genauso kann man den Titel als "Unter Leuten" lesen und das wäre genauso richtig, denn Unterleuten erzählt in erster Linie von Beziehungen. Diese Beziehungen haben es in sich. Vom Idyll keine Spur. Das Idyll lebt nur in der Vorstellung der Hinzugezogenen.
Die Geschichte beginnt schon dramatisch: Mit zwei Hinzugezogenen, die sich in ihrem Haus einigeln, weil das ebenfalls neu hinzugezogene "Tier" auf dem Nachbarhof Reifen verbrennt. Seit Tagen. Ununterbrochen. Warum bleibt ihnen unverständlich, aber der einzige Ausweg scheint, "das Tier" umzubringen.
Dann wechselt die Perspektive. Nach und nach lernt man verschiedene Dorfbewohner kennen und mit jedem neuen Blickwinkel gewinnt das Bild neue Facetten.
Das Drama gewinnt an Fahrt, als ein bekannt wird, dass in Unterleuten ein Windpark geplant ist. Alte Feindschaften werden erneuert, neue Koalitionen und Allianzen gegründet - aber es gibt auch neue Brüche. Das Ende ist herzzerreißend und grotesk gleichzeitig, aber vollkommen glaubwürdig.
Juli Zeh benutzt eine sehr einfache Sprache, die gut zur Handlung, den Menschen und der Landschaft passt. Keine Übertreibungen und nur selten die Metaphern und Bilder, für die ihre frühen Romane bekannt sind. Trotzdem wirkt diese Sprache nie langweilig, vielmehr trägt ihre Nüchternheit zur Glaubwürdigkeit der Handlung bei.
In Unterleuten gibt es keine Identifikationsfigur. Keinen strahlenden Helden, alle wähnen sich im Recht - und gerade daraus bezieht die Handlung ihre Spannung. Ich habe mich beim Hören immer wieder empört, mitgelitten, habe mitgefiebert, Partei ergriffen und beim nächsten Perspektivwechsel gestutzt, weil sich plötzlich ganz anders darstellte. Ich habe geheult, gelacht und hätte ein paar Mal am liebsten geschrien: "Das kannst du nicht tun!"
Kurz: Unterleuten hat mich auch emotional gepackt und in seinen Bann gezogen.
Unbedingt lesen. Oder hören!
Es gibt Bücher, die liest man wegen der Figuren und es gibt Bücher, die man wegen der Geschichte liest. Mythos gehört definitiv in die 2. Kategorie, nicht nur, weil die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, so dass nur schwer auszumachen ist, wer eigentlich die Hauptfigur sein soll. Hinzu kommt, dass die einzelnen Figuren vor allem für bestimmte Positionen stehen und im Laufe der Handlung bis auf eine Ausnahme keine Entwicklung durchmachen.
Stört das? Kein bisschen!
Die Positionen sind optimal besetzt und die daraus resultierende Handlung ist so spannend, dass man das Buch am Ende kaum noch aus der Hand legen mag. Schulz v. Drach verknüpft sehr geschickt die Suche nach einem verschollenen Inkaschatz und den Fund eines Fossils, das allen Vorstellungen der Evolution zuwiderläuft mit Fragen von Religion und Moral - letzteres aber so gekonnt und unaufdringlich, dass man sich als Leserin nie bevormundet fühlt. Statt dessen gewinnt die Handlung neben dem dramaturgischen auch einen intellektuellen Spannungsbogen.
Ich habe das Buch mit großem Vergnügen gelesen und kann es absolut empfehlen.
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