Bewertung zu "Nie weit genug: Der rote Granat" von Gabi Dallas
Inhalt
Die junge Marleen begibt sich mit wenigem Geld und großen Träumen auf eine Odyssee, um ihrem monotonen, einengendem Leben im Sauerland zu entkommen, die Welt zu entdecken und sich selbst zu finden. Dabei verliert sie sich in den Fängen krimineller Bekanntschaften, aus denen sie es nur mit größten Bemühungen, tatkräftiger Hilfe und einem Hauch von Glück heil herausschafft.
Treu begleitet wird sie von den Wogen des Ozeans und ihrem Talisman, dem roten Granat.
Meinung
Was sich zunächst erst nach einem kleinen Reiseabenteuer anhört, entpuppt sich als eine tiefgründige und emotionale Reise in das Innere der jungen Marleen.
Am Anfang des Romans unterstellt man ihr Naivität, eine überhöhte Risikobereitschaft und eine selbstzerstörende Lebenslust, doch eigentlich versucht sie ihren posttraumatischen Stress zu verarbeiten und wieder Vertrauen und Sicherheit nicht nur in anderen Menschen, sondern auch in sich selbst zu finden.
Je weiter man sie auf ihrer Reise begleitet, desto tiefer wird einem ein Einblick in ihr Psychogramm gewährt. Es fällt nicht schwer sich in die Protagonistin hineinzuversetzen und ihre Taten und Gefühle nachzuempfinden, denn die Autorin schafft es, den Leser durch eine sehr ausdrucksstarke Wortwahl, bildliche Beschreibungen und treffend charakterisierte Antagonisten in das Geschehen einzubringen. Die subjektive Erzählperspektive, der Einbau wörtlicher Rede in den jeweiligen Fremdsprachen, sowie das Benennen einiger Musiktitel untermalen die gewünschte Stimmung und Atmosphäre.
Eine gewisse Spannung und Neugier ist schon vom Anfang an gegeben und der Roman lässt sich leicht lesen. Bis zu einem gewissen Punkt hält sich diese Spannung auch auf einem Level, bis einem dann plötzlich der Kopf explodiert und man mit Gänsehaut überwältigt wird, aus Unfassbarkeit, Schock, Mitleid, Verständnis, Angst und Hoffnung auf ein glückliches Ende. Es gibt fast kein Gefühl, was nicht empfunden wird, vielleicht, weil Marleens Reise so realitätsnah ist, weil man ähnliche Geschichten schon mal in den Nachrichten oder bei Bekannten gehört hat, wenn nicht, und das würde ich niemandem wünschen, sogar selbst erlebt hat. Natürlich nicht zwingend in diesem Ausmaß, wobei es sicherlich auch noch extremere Beispiele gibt, aber in Nuancen musste sich wahrscheinlich jeder Mensch mal den thematisierten Gefühlen auseinandersetzen, manche mehr und manche weniger.
Was neben dem Roman selbst meiner Meinung nach auch sehr gelungen ist, ist die Titel- und Coverwahl. Sie komplementiert der Handlung. Des Öfteren steht Marleen einfach vor der Weite des Ozeans um ihre Lage zu reflektieren und die rote Farbe verkörpert meines Erachtens nicht nur den roten Granaten, sondern auch die Gefahr, das Risiko und die Brutalität. Nicht selten gilt rot als Warnfarbe.
Ich erinnere mich ebenfalls an einen Moment, wo mir klar wurde, warum der Titel "Nie weit genug" gewählt wurde. Die drei kleinen Worte fassen den inneren Kampf der Gefühle sehr gut zusammen und deuten an, dass dieser noch lang nicht beendet und ein immer wieder aufkommender Prozess ist. Dem ist hinzuzufügen, dass auf diesen Roman auch noch zwei weitere folgen werden.
Fazit
Ich kann den Roman wirklich jedem nur wärmstens empfehlen, daher dieser eine Mischung aus Abenteuerroman, Reisethriller und Liebesgeschichte ist. Er zieht den Leser wie einen Sog immer mehr in die Geschichte und ist unglaublich facettenreich. Man hinterfragt seine Ansichten, setzt sich mit sich selbst auseinander, zieht Vergleiche und bangt jede Sekunde mit. Nur selten war ich von niedergeschriebenen Worten so berührt, einige waren mir sogar neu.
Ich hoffe jeder, der die Gelegenheit hat, nimmt sich die Zeit das wunderbare Buch von Gabi Dallas aufmerksam zu lesen. Es hinterlässt einen bleibenden Eindruck.
Ich werde definitiv auch die Fortsetzungen lesen mit der Hoffnung, dass ein paar offene Handlungsstränge noch resolviert werden.