OelemannC
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OelemannCs Bücher
Zur BibliothekRezensionen und Bewertungen
Bewertung zu "Glücklich die Glücklichen" von Yasmina Reza
Bewertung zu "Wenn das Schlachten vorbei ist" von T. C. Boyle
Bewertung zu "Kein menschlicher Makel" von Ellinor Wohlfeil
Bewertung zu "Die Erfindung des Augenblicks" von Karl Otto Mühl
Bewertung zu "Was das Leben mit der Liebe macht" von Erwin Koch
Erwin Koch, den deutsche Leser vielleicht durch seine Mitarbeit beim SPIEGEL, der ZEIT oder der SÜDDEUTSCHEN kennen, legt im Groothuis-Verlag sein wunderschön gestaltetes, auf edlem Papier gedrucktes erstes Prosawerk vor. In einem Interview soll er gesagt haben, es gehe ihm lediglich um die Verwirklichung einer Absicht: eine gute Geschichte auch gut zu erzählen.
Dass er das wie kaum ein Zweiter kann, hat er jetzt bewiesen. „Was das Leben mit der Liebe macht“ lautet der Titel, und darunter steht noch „Wahre Geschichten“, obwohl das meiner Meinung nach nicht einmal eine Rolle spielt.
Es sind samt und sonders bewegende Geschichten, und darauf kommt es ja an.
Auch, wenn man es nicht so sehr mit kurzen Literaturformen hat, rate ich jedem Leser, sich mit diesem Wunderwerk auseinanderzusetzen.
Einfach die erste Geschichte - warum nicht gleich in der Buchhandlung?- kurz anlesen, und Sie werden sehen, dass Erwin Koch Sie mit jeder Zeile, jeder Seite in seinen Erzählsog zieht. Sofort ist man mittendrin im Leben derer, von denen Koch berichtet; er benötigt dazu nur wenige karge, sparsame Sätze. Koch beschönigt nichts, er beschwichtigt nicht, klagt weder an, noch will er trösten. Beziehungen werden nicht seziert, auch nicht die Verhältnisse, in denen die Menschen leben, lieben und leiden. Ob es ein gutes oder böses Ende gibt, scheint den Autor nicht zu interessieren. Es ist halt wie es ist. Manchmal ist das, was das Leben mit der Liebe macht, schön.
Manchmal eben nicht. Erwin Koch ist ein Meister der Aussparung, der Leser soll fühlen, ahnen, dem nachspüren, was zwischen den Zeilen steht. Eine gewisse stilistische Nähe zu Ferdinand von Schirach springt dabei ins Auge.
Von der Wucht der Liebe bzw., was die Menschen dafür halten, wird man getroffen, als sei man selbst der, über den Koch schreibt. Immer sind einem die Figuren nahe, egal wie weit sie zeitlich und geografisch entfernt sein mögen.
Es sind Lebens - und Liebesgeschichten über Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen zusammenkommen. Zusammenbleiben bis zum manchmal bitteren Ende. Oder es wollen, aber nicht können. Es könnten, aber nicht wollen. Keine der neun Geschichten ist erfunden, jede ist wahr, irgendwo auf der Welt so passiert. Auf einmal, merkte ich, spielte das doch eine Rolle.
Die Authentizität dieser Literatur verursacht Gänsehaut!
Was hier ans Tageslicht kommt, ist verblüffend, erschreckend, grandios,
unfass- und wunderbar, ganz schön traurig. Immer (sic) aber rührt es. Die Schicksale entfalten sich auf wenigen Seiten wie ein guter Roman; auch das ist eine große Kunst des Erwin Koch!
Man hat noch viele Fragen an ihn, wenn die Geschichte schon lange zu Ende ist. Aber die Antworten muss man wohl selbst finden … Kein Reporter schreibt so über die Liebe wie Erwin Koch, hat ein Kritiker der ZEIT geschrieben. Da stimm ich zu! Grandios!
Beipackzettel
Gewarnt wird vor der "Gretchen"-Lektüre besonders bei Bauchweh-Anfälligkeit und chronischer Miesepetrigkeit. Am besten wirkt die Substanz dieses unverschämten Romans nach dem Aufwachen und vor dem Einschlafen!
Unter dem Pseudonym Einzlkind schriftstellert seit Geraumem ein fabuliermächtiger Intellektueller, nur weiß man nicht genau, um wen es sich handelt. Sub sigillo wurde bereits Hans Magnus Enzensberger ins Spiel gebracht; auch traten Vermutungen auf, es handele sich um die „Beppoppelki“- Erschafferin Sylvia Richard-Färber. Nichts davon ist wahr; meine eigene Vermutung rückt den Verlagsleiter und Herausgeber dieses hochkomischen Werkes, Klaus Bittermann, ins Licht. Dass er ebenso ein Meister der Groteske ist wie die beiden zuerst Genannten, stellt jedenfalls in Literaturkreisen schon lange kein Geheimnis mehr dar.
Worum es in Gretchen geht?
Tja, wenn das so einfach zu beantworten wäre! Aber ich möchte es versuchen.
Gretchen Morgenthau ist eine Theaterlegende, auf einer Stufe mit Gott stehend, wie sie selbst in aller Bescheidenheit zum Besten gibt.
Sie bringt Nachwuchsganoven erbarmungslose Härte bei und unterrichtet Debütanten in Weltrevolution. Dafür muss sie sich vor Gericht verantworten.
Es geschieht das für sie Undenkbare: sie wird verurteilt, 4 Wochen in einer diasporösen britischen Insel mit den kauzigen Einwohnern ein Theaterstück einzustudieren.
da sie erst 75 ist, das ganze leben also noch vor sich hat, akzeptiert sie den Spruch und begibt sich nach Gwynfaer.
Zunächst erwägt sie die Einstudierung von Ibsens Peer Gynt, überlasst dann aber die Probenarbeiten ihrem Regieassistenten, der kurzerhand das Theaterstück eines anderen norwegischen Dramatikers, eines Beckett-Epigonen, einstudiert. Gretchen ist einerseits zutiefst empört, kann die Geschehnisse jedoch andererseits nicht mehr abwenden, weil sie spürt, dass es ihr Leben ist, das auf die Bühne gebracht wird und dem sie sich naturgemäß nicht entziehen kann.
„Nein, Gretchen Morgenthau trachtete es nie nach postmortaler Ehre; im Diesseits wollte sie unsterblich sein, das Jenseits war ihr schnuppe.“
Ein Meisterwerk der Groteske ist dieses Roman! Aber, wie gesagt, Vorsicht! Meine Lachsalven brachten mich bei der Erstlektüre verdächtig nah ans Ersticken.
Über mich
- 07.10.1958