Singapur im 19. Jahrhundert: Eine begehrte, erblühende Hafenstadt, die Menschen aus allen Ländern und Kulturen anzieht, aber dennoch nicht von den Schicksalsschlägen der Zeitgeschichte verschont bleibt.
Vor dieser temperamentvollen, aber ebenso melancholisch-malerischen Kulisse wird eine Liebesgeschichte gestrickt, desse stille Fäden, sich durch ein ganzes Leben ziehen werden...
Das Herz des Buches ist die kleine Georgina, die wilde, unzähmbare, nach außen hin aber lächelnde Orchidee, die ihre Wurzeln in Singapur schlägt und sich nur dort wirklich heimisch fühlt. Angesichts des frühen Todes ihrer Mutter und der Unfähigkeit ihres, versteinert zurückgelassenen Vaters, zieht sie sich mehr und mehr in eine erträumte Gedankenwelt zurück und stellt so ein schützendes Schild vor der ernüchternden Realität auf.
In dem zarten Alter von zehn Jahren macht Georgina zum ersten Mal eine Begegnung mit Raharjo, einem verwundeten "Meeresmann", dessen Boden unter den Füßen einzig allein und das Meer ist.
Sie pflegt ihn gesund - wohlwissend, dass sie niemanden von seiner Anwesenheit erzählen darf, denn einige Gemüter sind daheim ohnehin gegen die kleine Georgina gestimmt.
Während seiner Genesung verbringen die beiden viel Zeit miteinander;
erst es entsteht Zuneigung, und dann tastet sich eine stille, aber intensive Liebe heran...
Doch Georginas Welt gerät aus den Fugen, als der Meeresmann von heute auf morgen aus ihrem Leben verschwindet. Als wäre ihr gebrochenes Herz nicht schmerzerfüllt genug, muss sie zu Verwandten nach England, wo sie sich einer guten Ausbildung unterziehen soll. Im tristen, grauen, in jeder Hinsicht anderem England, das Georginas Heimat ins keinster Weise gleicht.
Erst sieben, lange Jahre später darf sie zurück- gezerrt von ihrem Heimweh erreicht sie Singapur erneut.
Ihre Liebe zu Raharjo schlummert noch in ihrem tiefsten Herzen.
Und dann entdeckt sie ihn wieder- aus der kindlichen Liebe von einst, ist eine entfachte Leidenschaft geworden und auch Raharjo musste unaufhörlich an Georgina denken. Die entbehrte Zeit miteinander wird aufgeholt, die beiden schmieden Zukunftspläne und heiraten sogar klammheimlich nach dem Brauch der Meeresmenschen. Alsbald muss Raharjo jedoch für längere Zeit fort, verspricht aber wieder heimzukehren, zurück zu seiner Nilam, wie er Georgina nennt.
Und Nilam wartet.
Wartet, hofft und bangt.
Wartet auf ihre große Liebe, hofft auf seine Rückkehr und bangt um sich selber, denn unter ihrem Herzen trägt sie ein uneheliches Kind einer heimlichen Liebe. Als sie sich in blinder Panik Paul anvertraut, einem Freund ihres Vater, der Georgina liebt, hat sie keine andere Wahl, als Paul zu heiraten, der sich für den Vater des Kindes ausgibt.
Fortan lebt sie eine Ehe, mit einem Mann, den sie nicht lieben kann und zieht einen Sohn groß, der den Falschen für seinen Vater hält. Sie gebärt noch weitere Kinder, scheint sich nach außen hin mit ihrem Schicksal abgefunden zu habe, während sie in Wahrheit eine vor Schmerz zerbrochene Frau ist.
Die Jahre vergehen, doch Georgina kann ihre Vergangenheit nicht vergessen.
Und eines Tages sieht sie Raharjo wieder...
Gleich zu Beginn der Geschichte, lernt man einen nie gekannten Schreibstil kennen, der so bilderreich, so gefühlsvoll und malerisch ist, dass man alleine um seinetwillen das Buch in jedem Fall zu Ende lesen muss.
Die Autorin entführt uns nicht nur ins ferne Singapur seiner Zeit, sondern skizziert die Handlung derart intensiv, dass jedes Bild vor unserem inneren Auge aufleuchtet.
Die Figuren sind aufs Schönste dargestellt. Jeder Schmerz ist nachzuvollziehen, bei jeder Hoffnung wird mitgehofft, was schlicht und ergreifend daran liegt, dass die Figuren zum Leben erweckt werden und in ihrer Tiefe und Präzision nicht zu übertreffen sind. Dadurch, dass sie so natürlich sind, so detailliert bearbeitet, schließt man sie alle ins Herz, da man ihren Weg geht und ihre Fehler begreift.
Die Liebesgeschichte zwischen Georgina und Raharjo ist von einer prägenden Intensivität, die sich verständlicherweise durch das ganze Buch und Leben der beiden zieht.
Wir lernen die Figuren im kindlichen Alter kennen, als sie sich unbeholfen aufeinander zubewegen und schließen mit ihnen ab, als sie Großeltern mit den Zeichen der Zeit gezeichnet sind und uns dennoch genauso vertraut sind, wie damals.
Es ist eine Geschichte, die uns ihre Emotionen miterleben lässt, eine Geschichte die mich derart berührt hat, dass ich weinen musste.
Raharjo ist ein "Meeresmann", ein Anhänger eines Stammes aus einer alten, fernöstlichen Kultur, der das Meer in diesem Buch zu einem unabdingbaren Statussymbol macht.
Der Leser verliebt sich aufs neue in diese Naturgewalt; so ist das ganze Buch letztendlich mit dem Meer zu vergleichen:
Die unendliche Tiefe, die darin versunkenen Geheimnisse, die Sehnsucht und der Wehmut, das Stürmische, die sachte Melancholie und letztendlich die Wellen, die Jahr für Jahr die gleichen sind, und der Zeit trotzen. All diese Aspekte finden man in diesem Werk, in dieser Geschichte der beiden wieder.
Das Buch erhält von mir die volle Punktzahl, leider kann man hier nur fünf Sterne vergeben. Es hat mich mit jeder Facette, mit jedem Detail begeistern können und ist eines von den Büchern, bei denen man traurig ist, wenn sie zu Ende gehen.