Poesiesoso
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Poesiesosos Bücher
Zur BibliothekRezensionen und Bewertungen
Bewertung zu "Frankissstein: A Love Story" von Jeanette Winterson
Bewertung zu "Das leise Platzen unserer Träume" von Eva Lohmann
Bewertung zu "Verschwinden in Lawinen" von Robert Prosser
Ein pastelliges Buchcover mit zartem rosafarbenen Himmel, eine Frau inmitten einer unendlich friedlich aussehenden Schneelandschaft, ein Gemälde kein Foto. Keine reale Abbildung der Realität, vielmehr eine erdachte, leicht surreale Wirklichkeit.
Wie perfekt dieses Bild zu dem Debütroman der finnischen Autorin passt, merkt man schon nach wenigen Seiten. Ein Paar hat einen Autounfall und muss einige Tage in einem abgelegenen vermeintlich luxuriösen Hotel verbringen. Es könnte idyllisch und entspannend sein, aber die Figuren verfallen rasch in eine trostlose Einsamkeit. Die Beziehung der beiden Hauptfiguren Karo und Risto ist nicht liebevoll, sondern distanziert und verletzend, zunehmend sogar toxisch. Alltäglichkeiten wie gemeinsames Kochen am Abend enden in Streit und den Tag verbringen sie häufig getrennt voneinander. Dass ihr Verhältnis schon länger kein romantisches ist, wird immer wieder in Rückblicken und Erinnerungen erzählt.
In Anbetracht des überschaubaren Umfangs des Romans ist die Informationsdichte wirklich überraschend. So erfahren wir Details über die familiären Hintergründe der Beiden, ihre erste Begegnung bereits zu Schulzeiten oder Karos alleinigen Sohn. Vor allem Karo wird zu einem komplexen Charakter, der sich nur schwer fassen lässt. Mal ist sie in ihrem Verhalten aggressiv und zerstörerisch, dann wieder kümmernd und zugewandt. Sie ist voller Gegensätze und somit eine unzuverlässige Erzählerin. Dadurch baut sich eine Sogwirkung auf, die das Lesen vorantreibt, obwohl eine stetige Distanz zur Geschichte besteht. Sympathische Charaktere oder gar ein verzaubertes Winterwonderland in Lappland sucht man vergebens, vielmehr ziehen sich viel Ungesagtes und eine austauschbare Szenerie durch die Geschichte.
Auch mit den zahlreichen Nebenfiguren, denen die Autorin teils eigene Kapitel widmet, kommt eine gewisse Unruhe in die Haupthandlung und der erzählerische Faden wird dauernd unterbrochen. Auch diese Beziehungen sind von Grenzüberschreitungen und diversen psychischen Abgründen geprägt. Die Personen zeigen fast ausnahmslos fragwürdige Verhaltensweisen, die bis zum Ende nicht erklärt werden.
Worin all das Erzählte eskaliert, stellt Terhi Kokkonen bereits mit dem Prolog voran, aber auf dem Weg dahin hat sie sich meines Erachtens nach in Nebensächlichkeiten verloren und wollte zu viele aktuell gesellschaftlich relevanten Probleme wie manipulierende Gewaltbeziehungen, Mobbing oder sexuelle Übergriffe thematisieren. Die Geschichte hat viel Potenzial, das aber in der finnischen Weite verloren gegangen ist.