Cover:
Das Cover passt natürlich wie die Faust auf's Auge. Oder um das Meer-Thema beizubehalten, wie die Muschel an den Strand. Das unschuldige weiß und die zarten Blümchen verleihen etwas Feminines, das durch die blauen Wellen in Aurfuhr gebracht wird. Metaphorisch gesehen stellen die Blüten und das reine Weiß Evas Leben dar, bis plötzlich ein Ereignis heranrollt und ihr bisheriges Wahrheitsbild durcheinanderwirbelt. Übrigens ziehen sich diese Wellen auch über die Seiten - wofür ich immer zu haben bin. Ich denke, wenn ihr euch das Cover zu lange anseht, werdet ihr früher oder später seekrank.
Inhalt:
Eva liebt Jackson und Jackson liebt Eva. Eine selbstverständliche Voraussetzung, wenn die beiden doch ein Ehepaar sind. Und wie die meisten Ehepaare wollen auch sie sich das Adjektiv "alt" dazuverdienen. So viel Zeit sollen die beiden aber nicht bekommen. Bei einem stürmischen Morgen verschwindet Jackson auf seinem Angelausflug spurlos. Von dem wütenden Meer weggerissen, lautet die Zeugenaussage. Eva trauert und reist nach Tasmanien, dem Heimatland Jacksons, um seine Familie kennenzulernen, um Leute um sich zu haben, mit denen sie trauern kann, um ihm auf diese Weise irgendwie nahe zu sein. Dort erwarten sie jedoch falsche Lügen, die ihre wahr geglaubte Wahrheit berdrohlich schwanken lässt.
Meine Meinung:
DER SOMMER, IN DEM ES ZU SCHNEIEN BEGANN baut vor allem auf stimmungsvolle Beschreibungen, die der atmosphärische Schreibstil gekonnt komplettiert. Die Seiten fliegen unter den vor Spannung versteiften Fingern dahin und an den besonders nervenzehrenden Stellen ist mir ein ums andere Mal Gänsehaut die Arme emporgekrochen. Was wohl diesen Roman ausmacht, sind die überraschenden Wendungen und langsamen Aufdeckungen der Wahrheit, die tatsächlich besser als 'brutale Wahrheit' bezeichnet werden sollten. Die Handlung folgt verschlungen Wegen und schlägt verschiedene Abbiegungen ein, doch nach der Hälfte wurde das weitere Geschehen für mich ein wenig vorhersehbar, was meinem Lesevergnügen aber keinen Abbruch getan hat, vielmehr freute ich mich, wenn meine wilden Spekulationen ins Schwarze trafen.
Die Autorin behält den Überblick und führt alle losen Fäden am Ende zusammen. Das Finale hat in meinen Augen leider geschwächelt, ist aber keineswegs eine Enttäuschung. Mich hat kaum die Vorhersehbarkeit gestört, sondern dieses Gefühl, das aufkam, als ich den Buchdeckel zugeschlagen habe. Ich wurde den Gedanken nicht los, dass im Grunde die ganzen Situationen auf dieses Ende hingearbeitet haben und der Kontrast daher extrem überspitzt wurde. Ich habe nicht gefiebert, nicht gebangt, denn mir war klar, wie Eve sich entscheiden wird. Außerdem hat mir die Schilderung der Gedankengänge gefehlt, sodass es machmal schwierig war, einige von Eves Handlungen nachzuvollziehen. Wenn Eve ihren Gefühlen ausgesetzt war, dann sollte ich in der Lage sein, ihr teilweise irrationales Verhalten zu rechtfertigen, aber dazu war ich nicht imstande. Da waren mir zu viele Lücken, um mich in sie hineinzuversetzen und ihren Zustand nachzuempfinden. Sie verliert immer mehr an Sympathie, auch weil sie nicht für sich besteht. Sie ist vollkommen abhängig von den anderen Charakteren und ein ausgearbeitetes Bild von ihr entsteht nicht. Obwohl sie die Protagonistin ist, bleibt sie so blass wie ihre beste Freundin, Callie, die eigentlich sehr viel Potential hat, was man lediglich an den wenigen Stellen, die der Leser mit ihr genießen konnte, erkennen konnte. Saul finde ich ganz wunderbar, doch leider viel zu glatt, ohne Makel. Wahrscheinlich wirkt aus diesem Grund der Kontrast zu seinem Bruder überspitzt. Die Abstinenz einer Figurenentwicklung ist bei den Nebencharakteren verständlich, bei der Hauptfigur leider nicht und macht sich dementsprechend unangenehm bemerkbar. Realistisch waren jedoch die Beweggründe für Sauls und besonders für Jacksons Entscheidungen. Dickes Pluspunkt!
Fazit:
Spannung zieht sich durch Lucy Clarke's gesamten Roman und beschert dem Leser ein beinahe ungesundes Verlangen nach mehr. Dem sehr gut ausgearbeiteten Plot stehen die bildhaften Beschreibungen in nichts nach - sie laden nach Tasmanien ein, auf eine Erkundung und Selbstentdeckung des Meeres, das Geheimnisse hütet und selber hält. Wenn man die Kosten für eine Reise dorthin nicht aufgebracht werden können, bietet sich DER SOMMER, IN DEM ES ZU SCHNEIEN BEGANN als Ersatz an, schaut man über einige Kritikpunkte hinweg.