Bewertung zu "Der Besuch der alten Dame" von Friedrich Dürrenmatt
Um was geht es?
Wieviel ist ein Menschenleben wert? Würdest du für eine halbe Milliarde einen Menschen töten? Diese Frage müssen sich die Einwohner der Städtchens Güllen stellen. Doch zu welchem Ergebnis werden sie kommen?
Was denke ich darüber?
Dieses Buch steht in vielen Schulen auf dem Lehrplan. Da ich das Buch in Deutsch nie gelesen habe, dachte ich mir, es ist an der Zeit auch mal ein Buch von Dürrenmatt zu lesen. Außerdem steht das Buch auf meiner SuB-Abbau-Challenge-Liste, also habe ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Cover
Das Cover ist so ganz anders als andere Cover, die ich bisher gesehen habe. Das liegt vor allen Dingen daran, dass es eher abstrakt auf mich wirkt und man im ersten Moment die alte Dame, um die es im Buch geht, gar nicht erkennt. Bei genauerem Hinsehen kann man sie aber deutlich ausmachen und sie wirkt, ähnlich ihrem Charakter im Buch, gefährlich, kalt und übermenschlich. Wie eine riesige Puppenspielerin, die ihre Marionetten dirigiert und manipuliert.
Charaktere
Die alte Dame ist in diesem Buch eindeutig der Bösewicht und ich muss gestehen, dass ich sie von Anfang an nicht leiden konnte. Sie ist so von Hass erfüllt und lebt so sehr in der Vergangenheit, dass sie ihre Gegenwart gar nicht wahr zu nehmen scheint. Sie ist kalt und scheint der festen Ansicht zu sein, dass man die ganze Welt regieren kann, wenn man nur genug Geld hat. Zusätzlich scheint sie immer anderen die Schuld dafür zu geben, was in ihrem Leben bisher schief gegangen ist.
Die anderen Charaktere im Buch waren für mich weitaus weniger greifbar und irgendwie haben sie mir schrecklich leid getan, dass man sie in eine solch moralisch verzwickte Lage gebracht hat. In gewisser Weise konnte ich durchaus mit ihnen mitfühlen, auch wenn mir einige Handlungen nicht ganz begreiflich waren.
Schreibstil
"Der Besuch der alten Dame" ist ein tragisches Theaterstück in 3 Akten und eben auch als solches geschrieben. Durch die vielen Bewohner der Stadt, die im Stück vorkommen ist es mir doch sehr oft schwer gefallen den Überblick zu behalten und zu verstehen, wer wer ist und wie die verschiedenen Personen zueinander stehen. Man kann das Stück zwar recht schnell lesen, aber mich hat es oft verwirrt, wenn aus einem Stadtbewohner auf einmal ein Hintergrundobjekt wurde.
Handlung
Die Handlung an sich fand ich durchaus spannend. Das in einem Buch die Frage aufgeworfen wird, wieviel ein Menschenleben wert ist, finde ich sehr tiefgründig. Umso mehr hat mich dann aber der Charakter der alten Dame erschreckt. Wie kann man nur Menschen mit Geld ködert, damit sie jemanden aus ihrer Mitte umbringen? Nur weil dieser ehemalige Geliebte sie schwanger verlassen hat, heißt das nicht, dass man das Recht hat, sich auf diese Weise an ihm zu rächen.
Als noch viel schlimmer empfand ich es, dass Claire (die alte Dame), dass alles schon lange geplant hat und das ganze Dorf systematisch runtergewirtschaftet und alle Bewohner an den Rand ihrer Existenz gebracht hat, nur um an einem einzigen Mann Rache zu nehmen. Wie krank ist das denn?
Dürrenmatt hat mit diesem Buch eine Geschichte zu Papier gebracht, die vielleicht von der Grundidee unwahrscheinlich ist, aber die Reaktion der Güllener Bürger auf das durchaus unmoralische Angebot der alten Dame ist sehr realistisch.
Das Stück hat mir sehr zum Nachdenken angeregt, was bei vielen Büchern leider nicht vorkommt. Außerdem hat Dürrenmatt mir mit Claire eine Hauptperson gegeben, die ich wirklich und wahrhaftig nicht ausstehen kann und von der ich mehr als einmal angeekelt war.
Das Stück ist leider teilweise sehr verwirrend, denn es wechselt mitten im Akt die Orte und Bürgen werden auf einmal zu Hintergrundrequisiten. Auch ist es mir oft schwer gefallen die Menschen in Claires Gefolge richtig ein zu ordnen. Ganz zu schweigen von der aberwitzigen Anzahl an Ehemännern, die sie in ihrem Leben verschleißt.
Abschließend kann ich nur sagen, dass das Buch wirklich lesenswert ist und einen zum Grübeln anregen kann.