Bewertung zu "Reckless - Steinernes Fleisch" von Cornelia Funke
Obwohl ich als Kind so einige Bücher von Cornelia Funke gelesen und geliebt habe, konnte ich mich an die „Reckless“-Reihe nie so richtig heranwagen, obwohl ich die Thematik durchaus ansprechend fand. Mit dieser Leserunde ergriff ich die Chance, das nachzuholen, und bin nicht enttäuscht worden, aber so richtig begeistern konnte ich mich leider auch nicht.
Rein optisch ist diese Ausgabe sehr einladend, das Cover immer noch düster angehaucht, jetzt aber in grau und blassrosa gehalten, innen sind zum Abschnitt passende Bleistiftzeichnungen der Autorin, die mir sehr gut gefallen haben und erheblich zum Lesevergnügen beitrugen. Auch sonst liegt das Buch in der softcover-Ausgabe gut in der Hand.
Die dargestellte Welt hat mich zu Beginn und auch im Laufe des Buches überrascht, denn sie ist zwar märchenhaft, aber gleichzeitig auch sehr düster. Cornelia Funke beschreibt die Spiegelwelt umfassend und offenbart immer wieder neue Figuren und Elemente aus mehr oder weniger bekannten Märchen, tut das aber auf eine viel realistischere und dadurch schonungslosere Weise. Besonders die Idee der Goyl und ihre Entwicklung im Laufe der Handlung haben mich beeindruckt.
Während der Beginn sehr interessant und spannend ist, fand ich den darauffolgenden Zeitsprung und die danach sehr spärlichen Informationen zur Situation eher verwirrend. Dass man am Anfang der Handlung sehr wenig über die Spiegelwelt weiß sorgt zwar für Spannung, gleichzeitig ist es aber schwer, zu verstehen, was passiert, besonders, wenn es viele Dinge auf einmal sind.
Nach dem Aufbruch der ProtagonistInnen erleben sie mehrere episodische Abenteuer, mit denen viele interessante Nebencharaktere eingeführt werden und man die Chance hat, die Spiegelwelt besser kennenzulernen. Dafür war ich einerseits sehr dankbar, denn eine Geschichte zu lesen, die in einer Welt spielt, über die man eigentlich nichts weiß und die man folglich nicht versteht, ist für mich etwas frustrierend. Anderseits wirkten die kurzen Handlungsabschnitte teilweise unnötig und als wären sie eher dazu da, das Geschehen in die Länge zu ziehen. Besonders der Mittelteil war deswegen stellenweise langweilig, darauf folgen aber im Rahmen des Endes einige unerwartete Wendungen und eine hoffnungsvolle, aber auch offene Aussicht auf den nächsten Teil (den ich noch nicht gelesen habe).
Obwohl mir Fuchs die ganze Zeit sehr sympathisch war, sind die Figuren eher eindimensional und hätten mehr gestaltet und an Tiefe gewinnen können. Vor allem bei Clara wäre das wünschenswert, denn sie spielt lange keine wirkliche Rolle außer „Die Freundin von Will“. Die Geschichte hat eigentlich genug Potenzial für umfangreichere Charaktere und schöpft das zum Ende hin nur teilweise aus.
Trotz aller Kritik, die hier natürlich auf hohem Niveau ist, zeichnet ein Buch von Cornelia Funke aber ein herausragend guter Schreibstil und ein Talent für zauberhafte Momente und Details aus, die „Reckless“ vielleicht nicht zum besten Werk der Autorin, aber schon einem empfehlenswerten Lesevergnügen machen. Ich bin gespannt auf die folgenden Teile und bedanke mich herzlich für das gewonnene Leseexemplar.