Rolf-BernhardEssig
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Rezensionen und Bewertungen
Bewertung zu "Der Bär auf dem Försterball, 1 Cassette" von Peter Hacks
Mein Lieblingsbuch - definitiv! Und ich kenne eine gewaltige Menge nach inzwischen ca. 46 Leserjahren. Der Bär und ich lernten uns übers Fernsehen kennen, wo in einer Büchersendung, ich glaube es war "Lemmy und die Schmöker" Peter Hacks' Bilderbuch vorgestellt wurde. Ich lachte so sehr und freute mich gleichzeitig derartig am Sprachklang und an der schönen kritischen Wahrheit über Autoritätsgläubigkeit und Alkoholfolgen, daß ich mir das Buch zum Geburtstag wünschte. Das alte Cover war nicht so schön wie das aktuelle, die Illustrationen innen dafür schöner als die neuen. Die Version mit den Bildern von Walter Schmögner ist für mich unübertroffen! Wer jetzt sagt, das sei doch ein Kinderbuch. Hm. Schon. Und? Ich kenne nur gute und weniger gute und schlechte Bücher. Der Rest ist mir nicht so wichtig. Brummmmm! ("Und die Stimme des Bären war so tief wie die Schlucht, in die die Omnibusse fallen.")
So ein Sog hinein ins Leben, in den Sturm des Erlebbaren, der das geerdete Dasein doch nicht anficht! So eine Liebe - selbst und gerade zum Schweinchen, das geschlachtet wird, und zum Blutwurstmachen, zum Eintauchen in das Vergehen, zum Hochsteigen, zum eigenen Haar und zum Aufgeben von dem, was nicht mehr nötig ist. Selten gab mir ein Buch so fest die Hand und nahm mich mit, so daß ich sie heut noch spüre. Und das einzige, was ich zutiefst bedaure, daß ich seinen tschechischen Wohlklang nicht kenne noch verstünde.
Daß dieses Jahrhundert-Buch noch keine Rezension hier hat? Ich fasse es nicht. Und wer glaubt, daß ich den Mund zu voll nehme - "Im April" bietet mehr als alle Fantasy-Schinken echte Magie, Lesemagie, die sich der beschriebenen Magie eines Ortes verdankt, einer Schweizer Wiese, viel mehr aber noch der Magie der Sprache und Figuren, zuletzt der Viraghs zauberhafter Kompositionskunst. Wer noch Literatur zu lesen in der Lage ist, die fordert, die aufnimmt in eine eigene Welt, der wird sich nach wenigen Seiten an das "Blair Witch Project" erinnert fühlen. Unheimliches geschieht, aber kein Splatter. Langsam entwickeln die Parallelgeschichten sich und der Ort, an dem sie spielen, wächst in sie hinein, durch sie hindurch, ob es um das späte Mittelalter geht oder um die Schweiz des 20. Jahrhunderts. Ein wenig erinnert es an die jüdischen Friedhöfe, die oft - wie in Prag zum Beispiel - viel zu klein waren, so daß man auf den Toten wieder Tote beerdigte, bis der Grund sich über den Grund umher erhob, und es erhob sich auch ein Gemurmel all der Toten und all der Gebete für sie und der Gespräche mit ihnen, das ein unheimlich deutliches Gemurmel ergibt.
Dies hier geheimnist freilich viel zuviel herum, da Christina Viragh, die auch noch eine vielfach prämierte und herausragende Übersetzerin ist, das Magische in Klarheit präsentiert, eine unheimliche durchaus, eine tödliche für manche Figuren, aber eine belebende, bereichernde, prickelnde für den phantasiebegabten Leser. Und ein politisches Buch ist dies hier ganz nebenbei auch noch.
Über mich
- männlich
- 01.01.1963
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