Bewertung zu "Die Schöpfer der Wolken" von Marie Graßhoff
„Die Schöpfer der Wolken“ ist mein erstes Werk von Marie Graßhoff und mein seit langem erstes Buch aus dem Drachenmond-Verlag. Und leider erinnerte es mich auch gleich wieder daran, warum ich Bücher aus diesem Verlag für gewöhnlich umgehe: So viel Sorgfalt in die äußerliche Gestaltung des Buches gelegt wurde – denn natürlich ist das Cover dieses Werkes mal wieder atemberaubend -, so wenig Aufmerksamkeit wurde augenscheinlich dessen Inhalt zuteil ...
Was ich mochte:
Zunächst einmal möchte ich die Idee hinter der Geschichte loben. Auch wenn die Umsetzung ihr letzten Endes nicht gerecht werden konnte, hat mir das Konzept der verschiedenen Dimensionen und der Fähigkeiten, die sie denjenigen verleihen, die mit ihnen verbunden sind, wirklich gut gefallen.
Dann die Briefe an Koba. Diese Briefe, die immer mal wieder zwischen den Kapiteln eingestreut wurden, waren das so ziemlich Einzige, das mich an der gesamten Handlung emotional berühren konnte. Und das so ziemlich Einzige, das die Autorin wirklich schön geschrieben hat, so schön, tiefgründig und gefühlvoll, dass es mich zunehmend frustrierte, wie platt und emotionslos ihr Stil ansonsten geriet – von stellenweise nahezu poetischen Formulierungen, die bewiesen, dass die Autorin eigentlich toll schreiben kann, und es nur noch frustrierender gemacht haben, dass sie es nicht durchgehend getan hat, abgesehen. Beschreiben kann sie gut, das ja, an Bildern im Kopf mangelte es mir daher nicht. Wohl aber an Gefühlen im Herzen.
Außerdem finde ich das Ende sehr gelungen, und das nicht nur, weil ich dieses Buch danach endlich beiseite legen konnte.
Was ich nicht mochte:
Die Figuren. Es waren einfach zu viele und allesamt so blass und austauschbar, dass sie für mich nicht mehr als Namen auf dem Papier blieben. Obwohl zu Anfang eines jeden Kapitels geschrieben steht, aus wessen Sicht das folgende geschildert wird, vergaß ich zwischendurch, aus wessen Sicht ich gerade lese, da es einfach keinen nennenswerten Unterschied machte. Seltsamerweise war Andrew derjenige, der mir noch am greifbarsten erschien, obwohl wir über ihn von allen am wenigsten erfahren. Die anderen fluchten nur ständig vor sich hin, stellten wahlweise sich selbst oder ihm andauernd dumme Fragen, waren eingeschnappt, wenn er sie nicht beantwortete, oder zweifelten an seiner Vertrauenswürdigkeit, wenn er sie beantwortete.
Beziehungen zwischen den Figuren wurden lediglich angedeutet, aber auf über 500 Seiten wurde keine einzige davon vertieft. Dabei hätte es bei einer solchen Vielzahl an Figuren schier endloses Potential für Spannungen und Gruppendynamik gegeben. Aber Spannungen gab es keine, die Gruppenmitglieder vertrauten einander quasi sofort, weil sie alle ja so gleich sind und sich so miteinander verbunden fühlen, schienen einander aber dann doch ziemlich egal zu sein. Und wenn überhaupt einer den anderen mochte, dann geschah das so urplötzlich, dass ich es als Leser nicht so recht nachvollziehen konnte. Insbesondere wann und aus welchem Grund Xia ihre Gefühle Andrew gegenüber so grundlegend änderte, verstand ich bis zum Ende nicht.
Zudem irritierte es mich maßlos, dass alle Figuren ihre Sätze entweder murmelten oder stöhnten, anstatt sie schlicht zu sagen. Solche störenden Wiederholungen, Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler, die meiner Meinung nach eigentlich kein guter Lektor übersehen kann, ziehen sich leider durch das gesamte Buch und behindern den Lesefluss erheblich. Generell empfand ich den Schreibstil außerhalb der Briefe als eher holprig und zäh und viel zu umgangssprachlich, dass ich bisweilen das Gefühl hatte, kein professionell gedrucktes Buch, sondern in dem Tagebuch einer Jugendlichen zu lesen. Und die zahllosen Flüche in jedem zweiten Satz verstärkten diesen Eindruck nur.
Und wenn der Erzählstil schon chaotisch ist, dann spiegelt der bloß das Chaos der Handlung wider – wenn man denn überhaupt von einer Handlung sprechen kann. Denn die Figuren handeln nicht. Blind und ahnungslos folgen sie Andrew überall hin, fliehen mit ihm ohne Sinn und Verstand von einem Ort zum nächsten, ohne dass dabei irgendetwas Relevantes passiert. Die unterschiedlichen Fähigkeiten der Figuren fand ich kreativ und gut durchdacht, allerdings sind sie beinahe genauso irrelevant für die Handlung wie die Figuren selbst. Ehrlich, im Endeffekt begreife ich den Sinn manch einer Figur für die Geschichte einfach nicht.
Außerdem war diese Geschichte größtenteils einfach nicht spannend genug. Zum einen lag das natürlich daran, dass mir die handelnden (oder nicht handelnden) Figuren egal waren, zum anderen war sie von Vorne bis Hinten vorhersehbar. Auf Überraschungen wartete ich vergebens.
Fazit:
Alles in allem liest sich „Die Schöpfer der Wolken“ wie eine unausgereifte Rohfassung. Flache, austauschbare Figuren, unglaubwürdige Beziehungen und eine Handlung, deren Sinnhaftigkeit sich mir nicht erschließt. Der holprige, umgangssprachliche Stil hemmt regelmäßig den Lesefluss, und das Werk ist so voller Fehler, dass ich nicht zu glauben bereit bin, dass es jemals lektoriert worden ist. Gern gelesen habe ich letzten Endes eigentlich nur die Briefe an Koba. Aber von denen gab es leider zu wenige, als dass sie die Bewertung des Buches noch hätten anheben können.