Diese Rezension wollen wir ausnahmsweise mal ganz klassisch mit der Wiedergabe des Inhalts beginnen. Der Klappentext fasst das Werk nämlich außergewöhnlich gut zusammen
Es sind scheinbar gewöhnliche Alltagsszenen: ein nigerianisches Mädchen am Pool. Die Tochter einer Londoner Gangsterfamilie. Eine US-amerikanische Politikerin. Doch sie alle verbindet ein Geheimnis: Von heute auf morgen haben Frauen weltweit die Gabe – sie können mit ihren Händen starke elektrische Stromstöße aussenden. Ein Ereignis, das die Machtverhältnisse und das Zusammenleben aller Menschen unaufhaltsam, unwiederbringlich und auf schmerzvolle Weise verändern wird.
In diesem Werk steht die Frage „Wäre die Welt besser, wenn alleine Frauen herrschen würden?“
Wobei zu Beginn noch gar nicht klar ist in welche Richtung es den Leser in dieser Geschichte verschlägt. Erzählungen in drei Handlungssträngen, die sich über den ganzen Globus verteilen. Die USA, Großbritannien und Südafrika. Nach und nach verschlägt es die Protagonisten auch in den nahen Osten und in die ehemaligen Ostblockstaaten. Ein schlauer Zug die Handlung über den ganzen Globus zu zerstreuen, wenn es doch um die Frage der Weltverbesserung geht.
Das Ergebnis ist relativ schnell klar: „Nein.“ Dieser Roman kehrt die Machtverhältnisse lediglich um, ohne nennenswerte positive Auswirkungen. Wir lesen hier aus mehreren Perspektiven. Überwiegend weibliche Perspektiven, ein männlicher Protagonist. Wir lesen von einer neuen Religion, die fanatisch die „Göttin“ verehrt, von Politikerinnen, die im Wahn Kriege beginnen und von einer brutalen „Mafiabossin“. Unser männlicher Protagonist wird in dieser Gesellschaft als darstellender „Frauenreporter“ durchaus akzeptiert und kann sich zumindest anfangs in Gänze in die neue Struktur integrieren.
Der Grund seiner Integration könnte jedoch doppeldeutiger nicht sein. Er hilft die Kunde von der „Gabe“ – elektrische Entladungen können von Frauen durch Berührung eingesetzt werden – zu verbreiten und trägt so maßgeblich zur Umkehr der Machtverhältnisse bei.
Die Stimmung in diesem Werk ist typisch für eine Dystopie äußerst düster und beklemmend. Die Szenen absolut brutal und blutig dargestellt. Ohne groß zu Spoilern sei hier gesagt, dass das Verstörendste an diesem Werk die Vergewaltigungsszene an einem unschuldigen Mann war.
Und auf Grund dieser Szenen liest sich das Buch nach und nach eher wie eine antifeministische Doktrin und beschreibt Szenen, die man sich auch im schlimmsten Patriachat nicht auszumalen vermag.
Nimmt man übrigens den gesellschaftlichen und dystopischen Charakter des Werks weg und bleibt auf hoher Flugebene, reden wir von einem kurzweiligen, actionreichen Roman, der auf jeder Seite unterhält.
Und der es schafft, dass man sich wie in einem Tatsachenbericht gefangen fühlt.
Was jedoch am Ende auf jeden Fall bleibt, ist ein Gedankenspiel über die Entwicklung der Welt. Egal welcher religiöse Fanatismus, egal welche Herrschaftsform – alle sind sie inakzeptabel, sobald es sich in ein Ungleichgewicht und Extrem entwickelt.
Auch stellt das Buch unterschwellig die Frage, ob es eine reale, eine echte Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern überhaupt geben kann oder ob das Machtgefüge sich immer zu der Seite neigt, welche an körperlicher Überlegenheit mehr zu bieten hat.
Fazit: Wer ein dystopisches Werk mit Nachhall lesen will, der ist hier genau richtig und sollte zugreifen. Will man sich mit einem „Matriarchat“ beschäftigen, welches nicht zu literarisch ausschweifend ist, wie zB. Margaret Atwoods „Der Report der Magd“, sollte man es zwingend lesen und sich fragen: benötigen wir nicht eine neue Gesellschaftsform, die unabhängig von Geschlecht oder Religion vorherrscht?!