Bewertung zu "Atlas der unentdeckten Länder" von Dennis Gastmann
Da saß er also. Auf einem Plastikstuhl im Morgenland. Zwischen Subway und Kentucky Fried Chicken. Nüchtern betrachtet war er auf eine Werbe-kampagne hereingefallen. Man sollte das Morgenland nie vor dem Abendland loben.
Wie war er nur dahin geraten? Dennis Gastmann wollte Abenteuer. Mehr als nur Trevi-Brunnen und Sagrada Familia. Nein, auch nicht mit dem Selfie-Stick durch Angkor Watt. Die Welt stand ja offen. Es musste doch noch mehr geben! Das große Unbekannte. Dafür war er durchaus bereit, Unsicherheiten zu ertragen. Träumer sind die wahren Idealisten.
In seinem aktuellen Buch lässt er uns teilhaben an seinem Streifzug durch entlegene Gebiete. Muss man dafür nicht auf den Mond? Nein es gibt sie noch, scheinbar vergessene Regionen dieses Planeten in denen die Einwohnerzahl die Zahl der Touristen noch deutlich übersteigt.
Ich empfehle diese besondere Lustreise langsam zu lesen. Wie eine gute Schokolade. Nicht in einem Haps! 11 kleine feine Stückchen auf der Zunge zergehen lassen. Mit kleinen Pausen. Dann wird die Vielfalt deutlich. Jeder Bissen schmeckt anders. Nach Passionsfrucht, Betelnuss und Kamelmilch. Hier und da ein bitterer Beigeschmack, ein bisschen Wodka im Abgang. Der Rote Messwein ist auch fein. Zuweilen eine Prise Kichererbse. Man riecht förmlich das Blau von Palau, vereinzelt frittiertes Allerlei, ach ja, ein Spiegelei ist auch dabei.
Die Zeilen sind mit reichlich Gespür geschrieben, wie ein Lied mit ganz viel Gefühl gesungen werden sollte. Nur haben wir hier keine Strophen, keinen Refrain. Nichts wiederholt sich. Der Aufbau der Kapitel ist nicht fortlaufend. Nur die ersten 3 stehen irgendwie im Zusammenhang. Kein Schema, kein rundes Bild. Teilweise eine Herausforderung für den Leser. Kartenmaterial findet man leider nicht.
Aber immer wieder gelingt es dem Autor zu zeigen, dass sich die Bewohner seiner Ziele an ihre oft schwierigen Lebensumstände angepasst haben. Wie eine Wüstenmaus oder ein Chamäleon. Das berührt. Zudem der aufmerksame Blick auf die Mitreisenden die alle nur das eine suchen, die große Freiheit.
Gerade als privilegierter Reisender ist es eine Gratwanderung nicht abschätzig und allzu kritisch zu berichten. Darauf versteht sich der Autor großartig. Respekt ist das Zauberwort.
Gastmann hat die Kontinente nicht neu vermessen, aber mich weitergebildet und ganz beiläufig wunderbar unterhalten. Das liegt vor allem an unzähligen kleinen Nebensätzen wie: „Das eine Frau die Ofen genannt wird, zu Depressionen neigt, ist verständlich.“
Fragt man sich am Anfang noch, wie viel Wahrheit das Machwerk enthält, so ist man am Ende überzeugt, dass so viel reine Vorstellungskraft schier unmöglich wäre. Es wirkt, echt, ernst und entspannt zugleich, wie Angelo der letzte Protagonist des Buches.
Der Text spielt mit den Kontrasten. Und so ist sie nun mal die Welt:
„Blassbrauner Klotz vor ernüchternd grauer Straße, brav eingefangen aus spitzem Winkel….keine Traumgebilde…“
„Puaiti“ bedeutet kleine Blume und so hatte sie sich an jenem Morgen eine weiße Tiaréblüte hinter das linke Ohr gesteckt…frangipanigelbe Bänder ins Haar geflochten…die im Südseewind….“
Am Ende steht fest: Nichts ist unentdeckter als der Ozean. Der Reichtum der Urwälder und die Zahl der Amazonasvölker bleiben uns hoffentlich noch lange verborgen.
Zufrieden schlägt man die letzte Seite um. Ein Foto des Autors in Abendsonne. Dankbar lächelt man ihm zurück. Er schaut nach rechts oben. Ich bin irritiert. Was heißt das jetzt? Finden Sie es heraus!