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Siebente

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Cover des Buches Der Glasmurmelsammler (ISBN: 9783810501523)

Bewertung zu "Der Glasmurmelsammler" von Cecelia Ahern

Der Glasmurmelsammler
Siebentevor 8 Jahren
Kurzmeinung: Spannend, überraschend, anders, interessant, anregend, lesenswert.
Eine andere Ahern

Cecilia Ahern - das waren für mich bislang phantasievolle Geschichten, oft etwas unwirklich, unrealistisch. Eine Zeit lang mochte ich Ahern besonderen Zauber. Doch dann kam für mich auch die Zeit, an der mir das zu unrealistisch war - und da habe ich dann eine Zeit lang kein weitere Buch mehr von ihr gelesen. 

Die Beschreibung des Glasmurmelsammlers, einer Geschichte, in denen die Murmeln für die Erinnerungen der Hauptfigur Fergus Boggs stehen, schien mir interessant. 

Dazu, und zu meinen Eindrücken Stück für Stück mehr.

1. Die Hauptfiguren:
a) Fergus Boggs
b) Sabrina
c) Hamish 
d) Gina
e) Cat
2. Ort und Zeit der Handlung
3. Die Geschichte
4. Themen
a) Geheimnisse

b) Erinnerungen
c) Stark sein
4. Pro & Contra
5. Fazit


1. Die Hauptfiguren:
a) Fergus
Als Leser begleitet man Fergus Boggs - vom Alter des Schuljungen, der von seinen Priester-Lehrern geschlagen und in die Kammer gesperrt wird, bis hin zum Endfünfziger, der nach einem Schlaganfall im Pflegeheim liegt und sich nicht erinnern kann. 
An der Figur von Fergus spielt Ahern - ob gewollt oder unabsichtlich - auch die Frage eines quasi mittleren Kindes aus: Fergus hat ältere Brüder, die ihn ärgern, einen großen Bruder, der ihn geschützt, aber auch kleine (Halb-)Brüder, die vielleicht noch mehr die Aufmerksamkeit der Mutter bekommen. 
Nachdem er als Junge von seinem Priester-Lehrer Schläge auf die Finger bekommen hat, gibt ihm ein anderer Priester Murmeln. Die trösten den kleinen Fergus über die schmerzenden Hände, über die Strafe, über manch weiteren Kummer hinweg - und bringen ihn dazu, eine Liebe und Leidenschaft für Murmeln zu entwickeln, eine Liebe, die er erst mit seinem Schlaganfall verliert.

b) Sabrina
Sie ist Fergus Tochter. Als Leser lernt man sie als Bademeisterin kennen, eine, die etwas frustriert auf die älteren Leute, die in dem Bad planschen, aufpasst, die frustriert über ihre Ehe ist, über ihre Familie (drei Jungs), die sich um ihren Vater Fergus, der im Pflegeheim liegt, kümmert, aber kein richtig liebevolles Verhältnis zu ihm hat.
Nach und nach lernt Sabrina aber mehr über ihn - und vielleicht auch ein wenig mehr über sich.

c) Hamish
Hamish ist die Art von großer Bruder, die in mancher Hinsicht jeder gern hätte: Er beschützt Fergus, heitert ihn auf, ist für ihn da. Hamish hat den eigenen toten Vater gefunden, ist selber auch nicht ganz auf der geraden Bahn, schleift den jüngeren Bruder nachts mit, um mit Fergus Murmlespiel andere Spieler abzulocken und so Geld zu verlieren. Schließlich verprügelt er einige Jungs schwer, flieht nach London, nimmt dort Fergus Namen an und wird schließlich mit Mitte 20 tot aufgefunden. 

d) Gina
Sie ist Fergus Frau, aus gutem Hause. Gerade weil Ginas Eltern reich(er) sind, fängt Fergus an, sich zu verstellen. Er verrät Gina nicht, dass er Murmeln sammelt, dass er auch als Erwachsener Murmel-Turniere spielt. Beide leben in gewisser Weise aneinander vorbei.

e) Cat
Cat ist die Frau, die Fergus mit Mitte 50 kennen lernt und in die er sich Hals über Kopf verliebt. Ihr verrät er von seiner Murmelleidenschaft, sie hat Verständnis, versorgt, umsorgt ihn auch noch, nachdem er schon ein Jahr im Pflegeheim ist und sie nicht mehr erkennt. 

2. Ort und Zeit der Handlung
Die Geschichte spielt - vor allem in Irland. Zeit ist die Gegenwart bzw. die Zeit maximal 50 Jahre zurück (also 1960er), in die Zeit, in der Fergus klein war. 
Ort und Zeit sind aber nicht wirklich massiv maßgeblich. Die Geschichte könnte ebenso gut in Berlin, München oder Köln spielen, in LA, New York oder Paris. 

3. Die Geschichte
Der Glasmurmelsammler ist die Geschichte von Fergus Boggs. Er ist einer von sieben (?) Söhnen, seine Mutter nach dem Tod des Vaters zum zweiten Mal verheiratet, die Brüder ärgern Fergus, nur der älteste Hämish ist immer für ihn da, tröstet ihn, macht ihm Mut. 
Fergus hat Priester als Lehrer. Wenn die ihn bestrafen wollen, erhält er Schläge auf die Hände, wird in eine Kammer eingesperrt. Dort erhält er von einem jungen Priester schließlich Bloodies, blutrote Murmeln. Hamish ermuntert Fergus, zu trainieren, Murmeln zu spielen, und so auch die Strafzeiten in der Kammer positiv zu gestalten. Fergus wird ein äußerst geschickter Murmelspieler, schlägt die älteren Brüder, zieht heimlich mit Hamish um die Häuser, gewinnt auch gegen Erwachsene und spielt Hamish Geld ein.
Und Fergus sammelt Murmeln, auch besondere Exemplare.
Als er sich schließlich in Gina, ein Mädchen aus gutem Hause, verliebt, schämt sich Fergus sowohl wegen seiner Familie (die deutlich ärmlicher ist) als auch wegen der Murmeln. Auf der Hochzeitsreise in Venedig will er ihr schließlich seine Murmelleidenschaft anvertrauen, gibt fast sein ganzes Geld für eine besondere Herzmurmel aus. Doch Gina ist verärgert. Und so führt Fergus ein Doppelleben - eine mäßig glückliche Ehe mit Gina und sein Leben als erfolgreicher Murmelspieler, der sogar Weltmeister wird. Mit Gina hat Fergus eine Tochter, Sabrina. Aber die Ehe scheitert, Fergus scheitert im Beruf, findet erst wieder Hoffnung mit Cat, einer deutschstämmigen Frau, die sich herzlich um ihn kümmert und ihn aufrichtig liebt. Doch jobmäßig geht es weiter bergab, Fergus muss Murmeln verkaufen, erleidet schließlich einen Schlaganfall und verliert seine Erinnerungen. 
Das ist der eine Handlungsstrang, Teile davon erfährt der Leser durch Sabrina, die Tochter. 
Sie ist Rettungsschwimmerin, auch nicht sonderlich glücklich mit ihrem Mann und den drei Söhnen. Sie wird von Lea, einer Krankenschwester im Pflegeheim, informiert, dass dort Kisten für Fergus angekommen sind. Sabrina nimmt die Kisten mit, findet darin die Murmelsammlung des Vater, von der sie nie wusste. Sie findet auch heraus, dass Murmeln fehlen und begibt sich auf die Suche nach diesen besonders wertvollen Sammlerstücken. Sie erfährt vom Doppelleben ihres Vaters, als Hamish O'Neill - so nannte sich Fergus als Murmelspieler. 

4. Themen
a) Geheimnisse
Wahrscheinlich hat jeder von uns kleine oder größere Geheimnisse, die er oder sie vor den Mitmenschen fern hält. Man sammelt etwas, glaubt, dass andere dafür kein Verständnis haben, hat besondere Interessen oder Talente, über die andere vielleicht nur schmunzeln würden. Oder man hat Schwächen, die man verbirgt.
Ja, für einen erwachsenen Mann ist es nicht ganz gewöhnlich, Spielzeug zu sammeln, da sein ganzes Geld rein zu stecken. Andererseits: Die Murmeln, die Sammelleidenschaft ist etwas, das in diesem Fall Fergus glücklich macht. Eigentlich sollte so ein Glück etwas sein, das man teilt. Die Geschichte gibt also Denkanstöße. 

b) Erinnerungen
Ursprünglich dachte ich, dass die Murmeln Fergus Erinnerungen zurück bringen. Ganz so ist es nicht. Ahern erzählt die Geschichte fast schon chronologisch. Und man hat fast den Eindruck, als würde sich Fergus immer an seine Kindheit mit den Murmeln erinnern. 

c) Stark sein
Dieses Thema ist ein Grundsatzteam in der Geschichte - aber auch im Leben insgesamt: Jeder versucht im Alltag, seine Schwächen zu verbergen, um anderen keinen Angriff zu geben. 
Fergus muss das sowohl gegenüber den brutalen Priestern tun, gegenüber seinen großen Brüdern, später auch, als es jobmäßig nicht läuft, gegenüber seiner Frau Gina. 
Auch Sabrina fordert sich Stärke ab, die sie nicht immer hat. 

5. Pro & Contra
***************
Pro
- viele nachdankenswerte Momente
- ungewohnt für einen Ahern Roman
- lässt sich gut weglassen
- sympathische Figuren

Contra
???

6.Fazit
Mir hat der Glasmurmelsammler gut gefallen. Ich fand die überraschend andere Erzählweise von Ahern - im Vergleich zu ihren früheren Büchern - gut. Die Themen, die sie anspricht, wie Erinnern, Vergessen, Stark sein sind wichtig, kommen sonst aber nicht allzu oft in Romanen vor. Die Geschichte gibt Denkanstöße. 
Insofern von mir eine Empfehlung mit 4 1/2 Bauchsternen. 

Cover des Buches The Girl on the Train (ISBN: 9780857522313)

Bewertung zu "The Girl on the Train" von Paula Hawkins

The Girl on the Train
Siebentevor 9 Jahren
Zerrissen

Vielleicht haben sie es auch schon erlebt: man geht jeden Tag an einem Haus vorbei, fährt an einer Wohnung vorbei, und irgendwie glaubt man, die Menschen darin zu kennen. Oder: man denkt sich eine Geschichte aus, über genau diese Menschen. Diese Gedanken kamen mir bei der Leseprobe von „The Girl on the train“. Hauptfigur Rachel ist jeden Tag mit dem Zug unterwegs, kommt jeden Tag am selben Haus vorbei, sieht die selben Menschen. Doch dann ändert sich alles. Als ich die Leseprobe von „The Girl on the train“ las, Klang der Ansatz für mich zunächst nach das Fenster zum Hof. Jemand sieht durch ein Fenster ein Verbrechen und dann wird alles anders. Anders ist das richtige Stichwort: denn tatsächlich verläuft die Geschichte anders. Wie? Dazu nun Stück für Stück mehr.

1. Die Figuren
a) Rachel
b) Megan
c) Anna
d) Tom
e) Scott
2. Die Geschichte
3. Themen
a) Unglücklichsein
b) Sucht
4. Erzählweise
5. Zielgruppe
6. Lesbarkeit der englischen Version
7. Pro & Contra
8. Fazit

1. Die Figuren
Die zentrale Figur der Geschichte ist. Ist sie auch… Aber nicht ganz. Auch Mengen spielt eine wichtige Rolle Anna weniger und dann sind da noch Tampons Gott. Aber der Reihe nach.

a) Rachel
Mein erster Gedanke: Rachel ist nur eine ganz normale Berufstätige, die jeden Tag mit dem Zug aus einem vor Vorort nach London pendelt…
Und ich kann mich zunächst sehr gut mit ihr identifizieren. Denn auch ich bin jahrelang mit dem Zug gependelt, auch ich habe mir manchmal überlegt, was die Leute um mich rum oder in den Häusern, an denen ich vorbei kam, so machen und denken.
Rachel hat es auf ein Paar abgesehen, die direkt an der Bahnlinie wohnen. Sie bewundert die durchtrainierte junge Frau und ihren gutaussehenden Mann, sie glaubt, dass die zwei garantiert ganz glücklich sind!
Sie ist es nicht, erfährt man bald. Auf der Heimfahrt trinkt sie was – Alkohol. Doch nicht nur auf der Heimfahrt. Rachel IST Alkoholikerin, sie trinkt auf dem Hin- und Rückweg, sie trinkt in der Wohnung, in der sie Untermieterin einer Bekannten ist, sie trinkt fast ständig Alkohol. Mit dem Saufen hat sie angefangen, als sie nicht schwanger wurde, ihr Mann ging erst fremd, trennte sich dann.
Rachelt trauert ihrem Ex-Mann Tom nach, sie hat ihren Job verloren – mit ihm hat sie nur ein paar Häuser von dem des Paares entfernt gewohnt, von dem sie jetzt fasziniert ist – von Megan und Scott.
Mir erscheint Rachel zu wenig selbstdiszipliniert, zu selbstmitleidig. Ihr Alkoholismus hat zu einer Abwärtsspirale geführt, aus der sie nicht mehr heraus kommt.
Normalerweise sind interessante Hauptfiguren ein Trumpf einer guten Geschichte. Die wichtigste Figur von „The Girl on the train“ ist für mich leider keine so grandiose Hauptfigur, sie ist jemand, den ich nicht so gerne begleiten würde.

b) Megan
Wenn man Megan mit den Augen von Rachel sieht, dann ist Megan ganz anders: Glücklich verheiratet, schön, stark, einfach eine Frau in einem perfekten Leben. Doch das ist nur Rachels Sicht. Megan selber ist auch sehr unglücklich, hat Depressionen. Der frühe Tod ihres Bruders macht ihr zu schaffen. Und mit der Zeit erfährt man, dass Megan eine frühe Liebe hatte, Mutter wurde, aber das Kind durch ihre Unachtsamkeit ums Leben kam.
Jetzt ist sie mit Scott verheiratet, der von dieser Vorgeschichte nichts weiß – ebenso wenig davon, dass Megan fremd geht.

c) Anna
Anna ist Rachels Nachfolgerin als Ehefrau von Tom. Während der Ehe mit Rachel, betrügt Tom seine Frau mit Anna, trennt sich schließlich von Rachel, heiratet Anna, die beiden bekommen eine Tochter. Aus Annas Sicht ist Rachel eine Verliererin, eine Psychopathin, die Tom immer noch nachhängt, die vor der gemeinsamen Haustür steht, die auch einmal ins Haus eingedrungen und Toms und Annas Tochter Evie fast entführt hätte.
Anna hat eine Ehe – die von Rachel und Tom – zerstört. Sie ist ein Grund für Rachels Unglücklichsein. Aber sie sieht sich nur als Opfer, wirkt lange Zeit naiv und eindimensional.

d) Tom
Annas Mann, Rachels Ex-Mann – tja ... Er ist eine kantige Figur: Sich zu trennen, sich neu zu verlieben – an sich ist das heute normal. Und so mancher würde sagen: Wer vermag es ihm verdenken, denn es ist sicher nicht einfach, wenn die eigene Frau nicht mehr vom Alkohol los kommt und man selber macht- und hilflos zuschauen muss ... (Auch wenn da der berechtigte Einwand kommt: Erst einmal sollte man lange und mit Liebe kämpfen, um die Frau wieder vom Alkohol abzubringen.)
Tom ist zerrissen: Er scheint einerseits den Wunsch zu haben, noch ein wenig für Rachel da zu sein, andererseits weiß er: Anna hasst Rachel, er handelt sich Ärger ein, wenn Anna erfährt, dass er mit Rachel redet.

e) Scott
Zunächst ist er der perfekte Ehemann von Megan – in Rachels Sicht. Dann ist er der Mann, der Angst um Megan hat. Denn die ist plötzlich verschwunden. Und er ist der Verdächtige. In gewisser Weise ist Sott für mich sogar die interessanteste Figur der Geschichte. Denn er hat gute und schlechte Seiten, ist am ehesten ein Mensch mit Brüchen.

2. Geschichte
Jeden Morgen und jeden abend fährt Rachel im Zug an ihrem ehemaligen zu Hause vorbei. Mit ihrem Mann Tom hat Rachel direkt an der Bahn gewohnt. Doch Tom liebt im selben Haus inzwischen mit seiner neuen Frau und seiner Tochter. Und ein paar Häuser weiter wohnt ein anderes scheinbar glückliches Paar: Sie nennt die beiden Jess und Jason – tatsächlich heißen sie aber Megan und Scott. Eines Tages sieht Rachel Jess/Megan wieder einmal vom Zug aus. Jess/Megan küsst einen Mann. Aber es ist nicht Scott.
Und Rachel ist nicht nur irgend eine Pendlerin auf dem Weg zur Arbeit. Sie selber hat nicht nur ihren Mann verloren, sondern auch ihre Job. Eine Samstags abends ist sie total betrunken in ihrem ehemaligen Wohnort dann: Filmriss! Rachel erinnert sich nicht, was passiert ist es ist die Nacht, in der Megan verschwindet.
In der Zeitung liest sie von Megans Verschwinden. Rachel will der Polizei helfen, will Scott entlasten, macht eine Aussage und berichtet von dem Fremden, den Megan geküsst hat. Doch bei der Polizei merkt man schnell, dass Rachel alkoholsüchtig ist, sie gilt als unzuverlässige Zeugin. Dazu kommt, dass auch Anna, die neue Frau von Rachels Ex-Mann sich bei der Polizei meldet – und gegen Rachel wettert.
Nun versucht Rachel, Scott selber zu helfen, tischt ihm die Lüge auf, sie sei mit Megan befreundet gewesen und wisse, dass es da einen anderen Mann gegeben habe. Zunächst findet Scott es tröstlich, mit einer Freundin von Megan Kontakt zu haben. Als er aber erfährt, dass Rachels Geschichte zur Hälfte gelogen ist und sie Megan nie kannte, ist er richtig sauer. Und er gerät in Verdacht – als die Polizei Megans Leiche findet.
Die weiteren Irrungen und Wirrungen verrate ich an dieser Stelle nicht. Doch nach diesem Punkt gewinnt die Handlung an Fahrt und Sog.

3. Themen
a) Unglücklichsein
Das Unglücksein ist Kernthema der Geschichte. Eigentlich und auch uneigentlich ist jeder der fünf zentralen Charaktere nicht so wirklich und richtig glücklich:
Rachels steht vor den Trümmern ihres Lebens: erst ging ihr Kinderwunsch nicht in Erfüllung, sie suchte Trost im Alkohol, dann hat ihr Mann sie betrogen und verlassen und zu schlechter letzt war sie so betrunken, dass ihr Chef sie gefeuert hat. Der letzte Schritt, der noch zum absoluten Absturz fehlt, wäre, dass sie ihre Wohnung verliert. Auch das passiert – fast. Denn ihre Mitbewohnerin ist es wirklich Leid, die ständig betrunkene Rachel um sich zu haben. Aber aus Mitleid lässt sie Rachel dann doch noch bleiben ...
Auch Megan ist nur scheinbar glücklich. Der Tod ihres Bruders, der Tod ihrer Tochter, der Bruch ihrer Beziehung, all das haben sie fast zerbrochen. Und Scott ist zwar auf den ersten Blick ein toller Mann. Aber sie kann sich ihm mit diesen Sorgen nicht anvertrauen und findet kein Ziel im Leben, das ihr wieder Halt gibt.

b) Sucht
Wie grade schon geschildert: Die Sucht hat Rachel zerstört. Sie wirkt willensschwach, selbstmitleidig. All das führt – wie schon gesagt – dazu, dass sie in ihrer Rolle immer tiefer an den Abgrund gerät und für den Leser nicht unbedingt die sympathische Identifikationsfigur ist.

4. Erzählweise
Das Besondere an diesem Buch ist, dass es aus der Ich-Perspektive erzählt ist – aber aus drei verschiedenen Ich-Perspektiven. Zunächst wechseln sich Rachel und Megan ab, dann kommt später auch noch Anna dazu. Die einzelnen Kapitel wirken dann auch zum Teil wie innere Monologe, weil sie sehr in der Gedankenwelt der jeweiligen Figur spielen.
Weitere Besonderheit: Die Geschichte wird zwar einerseits innerhalb der jeweiligen Figur chronologisch erzählt. Megans Erzählstrang ist aber im Vergleich zu Rachel und Anna in der Vergangenheit angelegt.
Trotzdem kann man der Erzählung ganz gut folgen. Die Tatsache, dass die Erzählweise so ungewöhnlich ist, ist sicher ein Pluspunkt des Buches.

5. Zielgruppe
Ich habe hier die fünf wichtigsten Figuren aufgezählt. Doch man merkt’s schon: Im Zentrum stehen die Frauen, aus ihrer Perspektive wird die Geschichte erzählt, deswegen würde ich auch eher Frauen als Zielgruppe sehen. Wer einen klassischen Krimi/Thriller erwartet, ist hier allerdings fehl am Platz. Ermittler und Ärzte oder die Täterperspektive sind hier nur Randerscheinungen.

6. Lesbarkeit der englischen Fassung
Ich habe Englisch studiert, im Alltag spreche ich englisch aber inzwischen nicht mehr, englischsprachige Bücher sind für mich eine gute Möglichkeit „im Film“ zu bleiben.
Dieser Roman bot für mich keine Schwierigkeiten, ich konnte ihn auf Englisch problemlos lesen und verstehen.

7. Pro & Contra
Pro
- Erzählweise
- Mal eine andere Art von Krimi/Thriller
- Gute zweite Hälfte

Contra
- zu selbstmitleidige Hauptfigur
- Anlaufzeit

8. Fazit
„The Girl on the train“ war eine andere Art von Krimi/Thriller – im positiven – aber auch ein wenig im negativen Sinn. Aus der Idee, dass jemand aus dem Zug etwas beobachtet, hatte ich eigentlich eine etwas andere Geschichte erwartet, den aktiven, spannenden Versuch dieser Figur, ein Verbrechen aufzuklären.
Ansatzweise versucht das Rachel auch, sie versucht, herauszufinden, warum Megan, die Frau, die sie vom Zug aus gesehen hat, verschwunden ist. Aber sie stolpert dabei über, sie scheitert dabei an sich selbst. Rachel ist zu selbstmitleidig, sie trinkt, sie scheitert, sie trinkt mehr, sie scheitert weiter. Jeder von uns scheitert, aber wenn jeder dann so aufgeben würde, dann wäre das Leben eine einzige Katastrophe. Auch die Anlaufzeit, bis die Geschichte an Fahrt und Sog gewinnt, war etwas lang. Aber wenn man die hinter sich bringt, wird man durch eine gute zweite Hälfte entschädigt.

Cover des Buches Blood on Snow (ISBN: 9781846559921)

Bewertung zu "Blood on Snow" von Jo Nesbø

Blood on Snow
Siebentevor 9 Jahren
Anders


Ich hatte eine Tante in Amerika, die oft das Wort „different“ benutzte. Different heißt anders, konnte aber auch abwertend merkwürdig bedeuten oder ungewöhnlich gut.

Mir kam diese Mehrdeutigkeit in den Sinn, als ich Jo Nesbos Roman „Blood on Snow“ in den Händen hielt. Und das aus mehreren Gründen:

1.     Ich hatte bislang noch nie einen Roman gelesen, der von der Ursprungssprache (Norwegisch) in eine andere Sprache (Englisch) übersetzt worden war, die nicht meine „Muttersprache“ (Deutsch) ist ...

2.     Man kennt ja Nesbos Romane: Normalerweise sind die mehr als 400 Seiten dick, sein neuestes Werk kommt da deutlich schlanker daher.

3.     Die Schrift war ungewöhnlich groß, für so ein dünnes Taschenbuch.

4.     Statt mit Nesbos Serienhelden, dem Ermittler Harry Hole hat man es mit es diesmal mit einem Killer als Hauptfigur zu tun.

5.     Und im Laufe der Geschichte fiel mir auch auf, dass der Erzählstil in diesem Roman besonders ist.

Was diese Ungewöhnlichkeiten aber in der Summe ausmachen, dazu nun  Stück für Stück mehr.

 

 

1.     Die Hauptfiguren

a)     Olav

Olav ist der bereits erwähnte Killer. In vielen Krimi-Thrillern sind das unsympathische Psychopathen im Blutrausch oder zumindest mit einem ganz gewaltigen Knacks. Das Besondere an dieser Geschichte ist, dass Olav durchaus sehr sympathisch rüber kommt. Er ist ein Verbrecher mit Gewissen. Ihm liegt es nicht, einen Mann umzubringen und seine Frau dann in Nöten zurück zu lassen. Er hat andere Wege der Kriminalität für sich ausprobiert (z.B. Drogendealer, Geldeintreiber, Fluchtwagenfahrer), aber diese „Tätigkeiten“ behagten ihm aus dem einen oder anderen Grund nicht.

In die Frau eines Opfers – Maria – hat er sich verliebt und ihr als Wiedergutmachung  sein eigenes Geld zukommen lassen. Ein wenig war er in sie verliebt.

b)     Hoffmann

Hoffmann ist Olavs Chefs, in anderen Ländern würde man ihn wahrscheinlich als eine Art Mafiaboss beschreiben, der in allen möglichen kriminellen „Geschäftsfeldern“ seine Finger im Spiel hat – und das überaus erfolgreich. Prostitution, Drogenhandel, Mord, alles gehört zu seinem Bereich. Und darin ist er skrupellos.

Während Olav als Figur dem Leser recht nahe kommt, bleibt die Beschreibung von Hoffmann weitgehend an der Oberfläche.

c)     Maria

Wie schon erwähnt, war sie die Frau eines Opfers, wurde von Olav gerettet, war für ihn lange Zeit auch fast so etwas wie eine Heilige, die er aus der Entfernung anbetete.

d)     Corinna

Sie ist Hoffmanns Frau. Hoffmann beauftragt Olav, sie umzubringen, doch Olav verliebt sich in sie, tötet Hoffmanns Sohn, der Corinna auch immer wieder brutal vergewaltigt hatte. Olav will mit Corinna fliehen.

 

 

2.     Geschichte

Die Geschichte spielt in Oslo, könnte aber weitgehend auch in anderen größeren Städten stattfinden, egal ob in Deutschland oder in Großbritannien oder sonst wo. Sie – die Handlung – ist eigentlich recht schnell erzählt und schon in der Schilderung der Figuren enthalten. Olav ist Killer, arbeitet für den Gangster-Boss Hoffmann., der zusammen mit dem Fischer einer der beiden zentralen Mafia-Köpfe in Oslo ist. Olav erhält den Auftrag, Hoffmanns Frau zu töten, verliebt sich aber in sie. Mit Unterstützung der Gegenseite, der Männer des Fischers, will er nun Hoffmann töten und anschließend mit Corinna ins Ausland fliehen.

 

3.     Erzählstil

Auch die Art der Erzählung ist anders, ist ungewöhnlich. Nesbos nutzt (fast im gesamten Roman) die Ich-Erzähler-Perspektive. Der Leser bekommt die Geschichte aus Olavs Sichtweise erzählt, aus dem Blickwinkel eines Berufskillers, der aber durchaus ein Gewissen hat, der durch seine Gedanken sympathisch wirkt und wird. Er ist nicht einfach das Tötungswerkzeug für seinen Boss, er überlegt selber, was sinnvoll ist.

 

4.     Lesbarkeit

Wie schon erwähnt: Es ist ungewöhnlich, einen Roman um zwei Ecken zu lesen, nämlich weder in der Originalsprache noch in der Sprache, die man selber spricht. Dadurch wirkte die Geschichte auf mich einen Hauch weniger geschmeidig als ein direkt in Englisch geschriebenes Buch oder als ein Buch in meiner Sprache. Trotzdem habe ich „Blood on Snow“ ohne große Gedanken über bestimmte Ausdrücke, ohne Schwierigkeiten auf Englisch lesen können..

 

5.     Zielgruppe

Grundsätzlich ist „Blood on Snow“ ein Roman, der sicher vielen – männlichen wie weiblichen – Krimi-Thriller-Fans Spaß machen kann. Aufgrund seiner Dünne ist er auch was für Wenigleser. Dagegen werden Leute, die dicke Schinken mögen und Nesbos ausführlichere Geschichten gewohnt sind, ungewöhnlich kurz, vielleicht auch sogar zu kurz.

 

6.     Pro & Contra

Pro

-       interessante Hauptfigur

-       mal eine andere Art von Krimi

-       lässt sich leicht weg lesen

-       großer Druck (für manche ein Pluspunkt)

Contra

-       anders als gewohnt (ungewöhnlich kurze Geschichte)

-       große Taschenbuchausgabe

 

 

7. Fazit

„Blood on snow“ ist ein durchaus lesenswerter Krimi. Er punktet für mich durch die ungewöhnliche Erzählperspektive aus der Sicht eines sympathischen Killers mit Herz, aus der Sicht von Olav. Da die Geschichte kurz ist, lässt sie sich gut weg lesen (ich hatte allerdings zuvor noch ein paar andere Bücher in der Reihe, deswegen hat es bei mir einen Moment gedauert). Der große Druck kann für Leute, die allmählich eine Lesebrille brauchen, von Vorteil sein, denn die Schrift kann man dann vielleicht auch noch ohne Brille im Bett lesen.

Zu den Nachteilen gehört für mich die Kürze der Geschichte. Es ist eben kein typischer Nesbo sondern eine ungewöhnlich kurze Erzählung. Für dieses kurze Format finde ich dann wiederum die großformatige Taschenbuchausgabe zu groß. Sie ist zu unhandlich, um das Buch auch ins kleine Gepäck auf dem Weg zur Arbeit, Uni, Schule, etc. mit zu nehmen. Ich kann da nur immer wieder die Verlage ermuntern, zurück zum normalen Taschenbuch zu kehren, da das leserfreundlicher ist.

Für „Blood on snow“ gibt es von mir vier von fünf Sternen.

Cover des Buches Before I Go to Sleep (ISBN: 9781784160012)

Bewertung zu "Before I Go to Sleep" von S.J. Watson

Before I Go to Sleep
Siebentevor 10 Jahren
Morgen ist ein neuer Tag


Morgen ist ein neuer Tag – das kann – je nach Sichtweise – ganz unterschiedlich klingen: Hoffnung machend, manchmal beängstigend, vielleicht auch einfach nur normal.

Normal. Viele Dinge nehmen wir selbstverständlich: Gesund zu sein, Essen zu haben, Freunde und/oder Familie zu haben. Doch was ist, wenn dieses Selbstverständliche verschwindet?

Am allerselbstverständlichsten nehmen die meisten wahrscheinlich, dass sie ganz natürlich wissen, wer sie sind. Ich bin ich, ich bin so alt, so groß, sehe so aus, habe diese und jene Hobbys, Freunde, diesen Job und so weiter ...

Doch was ist, wenn man morgens aufwacht und jeder Tag ein neuer Tag ist? Was ist, wenn man nicht mehr weiß, wer man ist, wo man ist, wann man ist, wer mit einem lebt, was gestern war, was vor Jahren geschehen ist? Bitte einmal vorstellen: Was wäre wenn, was wäre wenn man jeden Tag neu aufwacht und keine blasse Vorstellung von sich und der Welt hat? Genau das passiert Christine, der Hauptfigur von S.J. Watson Roman „Before I go to sleep“ (deutscher Titel „Ich.darf.nicht.schlafen“.

 

 

 

1. Der Autor:

S.J. Watson? Nie gehört?! Ich auch nicht – bis ich über Lovelybooks auf diesen Roman gestoßen bin. Kein Wunder: S.J. Williams ist als Autor noch „neu“, „Before I go to sleep“ ist sein Erstlingswerk, ein sehr erfolgreiches.

Watson, Jahrgang 1971, ist Brite und hat für einen Autor einen eher ungewöhnlichen Hintergrund:  Er studierte in Birmingham Physik, arbeitete für den staatlichen britischen Gesundheitsdienst mit hörgeschädigten Kindern. 2008 besuchte er ein Studienprogramm für Kreatives Schreiben.

 

 

2. Ort und Zeit der Handlung

Der Roman spielt in etwa in der Gegenwart, in Großbritannien. Der genaue Ort ist aber für die Geschichte an sich nicht wirklich wichtig.

Und die Zeit? Hier bin ich ein klein wenig gestolpert. Watson beschreibt seine Hauptfigur als Jahrgang 1960 und jetzt 46/47 Jahre alt. Damit wäre man im Jahr 2006 oder 2007 – das Buch erschien aber erst 2011. Nicht wichtig, aber es ist mir aufgefallen.

 

 

3. Die Figuren

**a) Christine

Christine ist die zentrale Figur dieser Geschichte. Der Leser erlebt die Handlung an ihrer Seite. Wie schon erwähnt: Christine ist 1960 geboren und inzwischen 46 oder 47 Jahre alt. Doch genau das ist ihr nicht bewusst. Sie wacht jeden morgen auf, weiß nicht, wer sie ist, wo sie ist, wann sie ist. Sie leidet unter Gedächtnisverlust.

Trotzdem oder grade drum ist sie ein interessanter Charakter. Denn eine zentrale Frage der Geschichte ist: Wie geht Christine mit ihrem Schicksal um? Eine weitere: Hat sie eine Chance, wieder ein Stück ihres Ich zurück zu gewinnen und wieder Erinnerungen zu sammeln? Und: Wem kann sie trauen?

 

**b) Ben

Ben ist der Mann, neben dem Christine jeden Morgen wieder aufwacht. Er kümmert sich liebevoll um sie, hat Bilder im Haus aufgehängt, um ihr wieder klar zu machen, wer sie war, wer sie ist, wer er ist: Ihr Mann. Seit Jahren hat Christine ihr Gedächtnis verloren – es ist erstaunlich, dass Ben trotzdem zu ihr hält.

 

**c) Dr. Ed Nash

Christines Arzt sagt, er wolle ihren sehr ungewöhnlichen Fall für eine Langzeitstudie untersuchen. Tatsächlich hilft er ihr, mit ihrem Schicksal umzugehen.

 

 

4. Die Geschichte

Christine wacht auf. Sie weiß nicht wirklich, wer sie ist, wo sie ist, mit wem sie ist. Sie erschrickt über den fremden Mann neben sich. Der stellt sich als ihr Mann Ben vor, zeigt ihr mit Hilfe von Fotos, dass sie zusammen sind und wer sie ist. Trotzdem erschrickt Christine erneut: Sie denkt, sie sei in ihren 20ern. Tatsächlich ist sie aber Mitte/Ende 40. Sie hat ihr Gedächtnis verloren, anscheinend unwiederbringlich. Ein Unfall sei Schuld, behauptet Ben.

Als er aus dem Haus ist, ruft Dr. Nash an. Christine ist verwirrt. Denn auch an ihn kann sich Christine nicht erinnern. Sie hat weder Kurz- noch Langzeitgedächtnis, jeden Tag wacht sie quasi bei 0 auf, ohne jegliche Erinnerungen.

Mit Ed Nash trifft sich Christine heimlich. Er gibt ihr ein Tagebuch, in dem sie alles, was sie erlebt, erfährt, vielleicht doch erinnert, aufschreiben soll. Jeden Morgen ruft Nash Christine an, erinnert sie, wo das Buch versteckt ist. Und so sammelt Christine allmählich ein Stück von sich, erfährt, was ihr Ben erzählt hat, was er aber auch verschweigt. Sie meint sich zu erinnern, dass sie mal Schriftstellerin war, Ben verneint. Doch Ed Nash bestätigt, dass sie einen nicht unerfolgreichen Roman veröffentlicht hat. Mit dem Roman überreicht Nash ihr einen Zeitungsausschnitt. Christine erinnert sich, schwanger gewesen zu sein. Doch Ben sagt, sie hätten kein Kind gehabt. Erst als Christine nachbohrt, räumt er ein, ihr Sohn Adam sei als Soldat in Afghanistan gefallen. Er habe gelogen, um sie (und sich) vor der (erneuten) Trauer um Adam zu verschonen.

Christine erinnert sich auch an Claire, ihre beste Freundin. Doch Ben sagt, beide hätten den Kontakt verloren, Claire lebe jetzt in Australien oder Neuseeland.

Der Reiz an der Geschichte ist die Frage: Schafft es Christine, Stück für Stück mit Hilfe des Tagebuchs, ihre Vergangenheit wieder zusammen zu setzen, wie ein Puzzle? Schafft sie es zu erfahren, was ihr genau passiert ist, wie sie wirklich ihr Gedächtnis verlor? Und wem kann sie trauen? Spielt jemand ein falsches Spiel? Ist es Dr. Nash? Oder Ben? Oder jemand ganz anderes?

 

 

5. Themen

**a) Gedächtnisverlust

Das Thema ist in der Form zwar nicht komplett neu, aber doch durchaus nicht so abgenudelt wie viele andere Grundthemen von Romanen. Der Gedanke, was wäre, wenn man jeden Morgen beim Punkt 0 aufwacht, ist interessant, aber vor allem auch beängstigend. Denn: Jeder von uns ist schließlich die Summe seiner Erinnerungen und Erfahrungen.

 

**b) Vertrauen

Schon im ganz normalen Leben ist es oft schwierig, zu wissen, wem man wirklich vertrauen kann, wer es wirklich gut oder schlecht mit einem meint. Wenn man aber eben nicht auf Erfahrungen und Erinnerungen aufbauen kann, ist es doppelt schwer. Wie schon gesagt: Dieser Aspekt ist einer der besonderen Reize der Geschichte.

 

 

6. Thriller?

Ich lese sehr häufig Thriller. Oft haben sie ein (immer wieder kehrendes) Grundmuster: Eine Einstiegsszene mit einem Menschen, der verängstigt ist und schließlich von einem brutalen Täter ermordet wird. Dann ein oder zwei oder drei „Ermittler“ oder Pathologen oder Juristen, die versuchen, den Fall aufzuklären. Oft dazwischen eingeblendete Szenen mit dem Täter.

Bei „Before I go to sleep“ ist der Fall anders gelagert. Der Auftakt, die Situation der aufwachend Christine, die nicht weiß, wer und wo und wann sie ist, ist zwar auch unheimlich, aber auf eine ganz andere Art als die sonst üblichen Mordszenen. Es gibt über weite Strecken nicht die nervzerreißende Spannung, ob der Mörder noch ein Opfer findet, ob er gar der Hauptfigur etwas antut. Im Gegenteil, wenn man nicht weiß , dass „Before I go to sleep“ auch Thrillerelemente haben soll, kann man die Geschichte eher als eine psychologische Darstellung ansehen: Was ist, wenn man jeden Tag am Punkt 0, ohne Erinnerungen und Erfahrungen aufwacht?

Doch mit der Idee, dass es sich auch um einen Thriller handeln soll, im Hinterkopf, rätselt man im Laufe der Geschichte: Wer ist der Täter? Gibt es einen Menschen aus Christines Vergangenheit, der ihr etwas angetan hat? Ist sie Opfer eines Experiments (denn Nash erzählt ihr, dass Kurz- und Langzeitgedächtnis auf diese kombinierte Weise möglicherweise auch durch Drogen/Medikamente verloren gegangen sein könnten)? Spielt jemand ein falsches Spiel mit Christine?

Auf diese Fragen gebe ich hier keine Antworten. Denn Spannung muss ja schließlich sein – oder?

 

 

7. Lesbarkeit der englischsprachigen Fassung

Ich habe Englisch studiert. Aber das ist schon ein paar Jahre her. Und zuletzt habe ich vor allem Romane auf Deutsch gelesen. Trotzdem habe ich „Before I go to sleep“ flüssig verstanden, ohne Probleme, ohne zu überlegen, was bestimmte Begriffe bedeuten, ohne ein Lexikon zur Hilfe zu nehmen.

Das einzige, was ich zu der englischsprachigen Fassung kritisch anmerken muss: Der Titel ist im Deutschen (für meinen Geschmack) besser: Christine macht sich zwar nicht bewusst, dass sie versuchen könnte, nicht zu schlafen, um den Moment zu verhindern, in der sich ihre Erinnerungen auslöschen. Das würde aber von „Ich. darf.nicht.schlafen“ impliziert. Trotzdem wirkt dieser Titel auf mich treffender als „Before I go to sleep“. Denn der englischsprachige Namen der Geschichte wirkt eher lapidar. Es ist zwar richtig: Was passiert, woran sich Christine erinnern kann, passiert, bevor sie schlafen geht. Trotzdem macht der englische Titel die Dramatik nicht deutlich, dass nämlich nach dem Schlaf alles anders ist.

 

 

8. Fazit

„Before I go to sleep“ ist für meinen Gschmack ein sehr guter, ein sehr lesenswerter Roman. Autor S.J. Watson bleibt stets an der Seite seiner Hauptfigur Christine, die trotz ihres Gedächtnisverlustes an Stärke gewinnt und deswegen eine Person ist, an deren Seite man gerne bleibt. Die Geschichte ist ungewöhnlich, es ist eine ungewöhnliche Form des Thrillers, aber eine gute, eine interessante.

Zusammen mit Christine erfährt der Leser Stück für Stück mehr über sie, liest mit ihr die Sammlung ihrer Erinnerungen, die Sammlung dessen, was sie durch Nachfragen bei Ben und bei Ed Nash über sich erfährt. Langsam wird das Bild der früheren Christine immer vollständiger und man kommt mit ihr der Auflösung, warum sie ihr Gedächtnis verloren hat, näher.

Ich kann eine Empfehlung ohne Wenn und Aber geben.

 

 

 

 

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