"Das Glück am Ende des Ozeans" ist ein historischer Roman, der um das Jahr 1876. Zum Anfang des Romans lernen wir die drei Hauptfiguren - drei Frauen kennen, die auf das Schiff nach Amerika steigen. Die Schicksale dieser drei Frauen werden weiterhin parallel verfolgt. Dabei ist jede von diesen Frauen ist auf eine besondere Weise interessant.
Die erste Frau ist Annett. Eine wissbegierige Frau, die darauf hofft, in Amerika studieren zu können, was ihr als Frau in Deutschland vorbehalten wird. Sie interessiert sich für Mathematik und Ingenieurwissenschaften. Sie ist selbstbewusst und durchsetzungsfähig. In Amerika landet sie bei Emily Roeblings, die die Arbeit ihres Mannes übernommen hatte und eine Brücke zwischen Brooklyn und Manhattan baut. Annett wird ihre Assistentin und erkennt sofort, auf welchen Widerstand die Frauen in diesem Geschäft stoßen. Aber sie schreckt das nicht ab. Sie vertieft sich in ihre neuen Aufgaben. Schon bald trifft sie sich mit Arthur Munroe, dem Journalisten der New York Times, der den Bau der Brücke in der Zeitung beleuchtet. Wir lesen einige seiner Artikel, in denen er seine Skepsis zeigt und Emily verspottet. Aber beim Treffen zeigt er sich als ein höflicher Mann, der nur seine Arbeit macht. Annett dagegen kam mir in dieser Episode sehr unsympathisch vor. Sie verspätet sich um mehr als halbe Stunde und ab der ersten Minute benimmt sich fast frech. Sie reagiert barsch auf jede Frage, sie ist ungeduldig, spielt eine beleidigte Frau, obwohl ich bei dem Treffen der beiden überhaupt keinen Grund dafür sehe. Statt diplomatisch zu sein, benimmt sie sich ziemlich unhöflich, obwohl sie selbst ganz gut versteht, wie wichtig eine gute Besprechung in der Zeitung für die Brücke ist. Sie bezeichnet den Journalisten als einen „eingebildeten Knilch, der von nichts eine Ahnung hat“. Ich konnte diese Einstellung nicht nachvollziehen. Allerdings verlieben sich die beiden ineinander kurz danach, was für mich schon von ihrem ersten Treffen irgendwie vorhersehbar war. Nun sieht alles perfekt aus: sie sind verliebt und verlobt. Annett darf als Gasthörerin in das Technische Kollegium. Alles, was sie sich erwünschen konnte. Kurze Zeit später bekommt sie sogar einen Angebot, als technische Zeichnerin beim Bau eines Wolkenkratzers zu arbeiten. Aber gerade wo alles so perfekt zu sein scheint, beginnt ihr Glück zu zerbrechen: Arthur findet nun gar nicht so schön, dass Annett arbeitet, studiert und immer von Männern umgeben ist. Er meint, die Frauen werden schamlos, sobald sie arbeiten. Und verbietet Annett, weiter zu arbeiten. Die Verlobung wird durch Annett aufgelöst. Dass die Liebe der beiden bei der ersten Probe so einfach bricht, hatte ich nicht erwartet. Er hat sie als eine arbeitende Frau kennen gelernt. Er beobachtete sie und war fasziniert von ihr. Ihr Intellekt schien ihn nicht zu stören. Und dann kam plötzlich so was...
Die zweite Romanfigur - Gottwitha Strumpf - hatte weniger Glück mit ihrer Familie. Sie ist in die Gemeinschaft der Amischen eingeboren worden. (Ich muss gestehen, ich wusste nur sehr wenig davon, wer die Amischen sind. Und durch das Buch habe ich bereits einiges dazu gelernt. Für mich ist das schon ein großer Pluspunkt für das Buch!) Gottwitha wird von ihrer Familie verstoßen, weil sie bei einem Fest für Männer gesungen hatte und dadurch ihre Familie entehrte. Sie wird nach Amerika verheiratet. Als Gottwitha in Amerika ankommt, versteht sie, dass auch hier kein besseres Leben auf sie wartet. Sie wird von ihrem zukünftigen Mann abgeholt, "wie ein Gepäckstück", ohne ein gutes Wort, ohne dass er sie einfach angelächelt hätte. Die Schwiegermutter hat für sie kein gutes Wort. Sie nennt Gottwitha „eine genudelte Gans, die man leider nicht schlachten kann“. Sie meint: „Nichts wird bei dir jemals etwas werden“, ihr fehle es am Glauben und sie stehe schon mit einem Bein in der Hölle. Und das ganze Dorf ist misstrauisch der jungen Frau gegenüber. Ihr Mann Samuel zeigt sich als eine zwielichtige Person: "Samuel des Lichtes" - schweigsam, ignorant, grob, und "Samuel der Dunkelheit" - "ein gebrochenes Kind", das in Gottwithas Schoß weint. Auch nach Monaten des Zusammenlebens wird es nicht besser. Umgekehrt, nach einem Gespräch mit dem Priester verbietet Samuel Gottwitha, ihn anzufassen. Kurz danach wird bei einem Unfall Samuels rechte Hand zertrümmert. Trotz aller Bemühungen wird Gottwitha weiterhin von ihrem Mann und Schwiegermutter abgewiesen und nach einem Streit verlässt sie sogar das Dorf. Später erfährt sie, dass über sie ein Bann gesprochen wurde. Es gibt also kein Zurück mehr. Und sie beschließt, nach Philadelphia zu gehen und das Leben zu erobern. Gottwitha arbeitet nun bei Paul und Vivian. Und aus einer gottesfürchtigen jungen Frau wird eine, die sich für 30 Dollar im Monat ihrem Herrn verkauft, um dadurch mehr Freiheit zu erzielen. Ein Bruch, eine Entwicklung, die mich ehrlich gesagt enttäuscht hatte. Die Geschichte dieser Figur hat für mich ihren Zauber verloren. Gottwitha wird mit den Sachen konfrontiert, die ihr ganzes vorheriges Leben auf den Kopf stellen, ihrem früheren Glauben widersprechen. Aber sie weiß nun, dass „Gott und Freiheit unauflösbare Widersprüche waren“ und sie entscheidet sich für die Freiheit. Diese auszuleben scheint ihr gar nicht mehr so schwer. Doch bald kommt die Wendung: Gottwitha soll das Haus verlassen und vom neuen Anfangen. Und genau in dieser Zeit erscheint ihr Mann. Dass Samuel Gottwitha suchen wird und dass sie zusammen bleiben, konnte ich mir schon einige Kapiteln vorher denken. Ob sie glücklich werden, ist eine andere Frage. Ob es wirklich möglich ist, von einem Tag auf den anderen einen Strich unter dem ganzen Leben zu machen und es neu anzufangen, wie die beiden das machen? Vielleicht. Zumal sie beide starke emotionale Erschütterung erlebt hatten.
Die dritte Figur ist Susanne, die Tochter eines versaufenen Bäckers, der sie an den "Erstbesten" verheiratet. Ihr Mann schlägt die schwangere Susanne, sodass sie noch auf dem Schiff auf den Gedanken kommt, ins Wasser runterzuspringen und sich das Leben zu nehmen. Sie ist völlig verzweifelt und will nicht leiden. Aber kurz bevor sie diesen Schritt macht, wird sie erlöst - als ihr Mann sie wieder angreift, helfen Annett und Gottwitha der Schwangeren und mit gemeinsamen Kräften stoßen sie den Mann von Bord. Dabei werden sie von einem Mann beobachtet, der am Ende des Romans wieder mal erscheint. In Amerika landet Susanne bei Madame Joyce, der Zuhälterin eines Bordells. Zusammen mit ihr und ihren "Mädchen" begibt sie sich nach Westen Amerikas, offen und bereit für alles, was auf sie zukommt. Nach einer langen Reise kommen Susanne mit der auf der Reise geborenen Tochter, mit Madame Joyce und einer der Mädchen, Cherry, in der kleinen Stadt Oak's Hill. Hier macht Susanne eine Bäckerei auf (eine gar nicht so schlechte Idee, wenn man bedenkt, dass sie die Tochter eines Bäckers ist und ihr ganzes Leben mit dem Brotbacken verlief). Die Bäckerei wird schnell ein Erfolg. Susanne hat zwar volle Hände zu tun, aber sie ist glücklich. Bald erscheint in Oak’s Hill ein rätselhafter Mann. Susanne findet ihn attraktiv, aber statt ihn kennen zu lernen, greift sie ihn an. So wie Annett am Anfang Arthur überfallen hatte. Irgendwie sind die beiden in diesem Sinne einander sehr ähnlich. Und wieder mal konnte ich nicht nachvollziehen, warum sich eine Frau so benehmen soll. Sie will ihm nicht einmal Brot verkaufen, obwohl er ganz freundlich ist und ordentlich wirkt. Also wird das eine neue Liebesgeschichte werden. Nach kindischen Provokationen gibt Susanne zu, dass sie verliebt ist. Und schon lebt sie zusammen mit Liam. Beide haben geheimnisvolle Vergangenheit, beide wollen darüber nicht reden, aber sie sind ein gutes Paar, finde ich. Und nun erscheint bei ihrer Hochzeit der Beobachter vom Schiff. Ganz zufällig ist er um die Zeit in Oak's Hill. Er erpresst Susanne und bekommt ihre Bäckerei. Susanne und Liam verlassen die Stadt für einen Neuanfang weit weg von hier...
Zusammenfassend würde ich sagen, es sind drei sehr spannenden Geschichten, die ich sehr gerne verfolge und auf deren Entwicklung ich sehr neugierig war! Leider verlor das Buch im letzten Drittel an Spannung für mich. Vielleicht weil die Geschichte meiner Favoritin, Gottwitha, sich weit von der entzweigte, die mich am Anfang so gefasst hatte. Ich hätte gerne ihr Leben bei Amischen weiter verfolgt. Schon wegen der Lebensweise der Amischen. Ich finde sie zwar teilweise grausam, aber zugleich irgendwie faszinierend. Ich hätte so gerne noch mehr über das Leben dieser Gemeinschaft erfahren, aber leider scheint das Thema abgeschlossen zu sein. Der andere Grund, warum es nicht mehr so spannend war – ich konnte einfach schon einiges vorhersehen. Aber im großen Ganzen war ich mit dem Buch zufrieden und bin sehr froh, es entdeckt und gelesen zu haben!