SolunaBach
- Mitglied seit 07.02.2013
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- 13 Bewertungen (Ø 4,08)
SolunaBachs Bücher
Zur BibliothekRezensionen und Bewertungen
Ein Buch wie auf Speed geschrieben, das man auch wie auf Speed liest. Harter Stoff, Clemens Meyer schreibt detailliert und sehr von innen über das brutale Geschäft mit dem Sex. Der Leser wird nicht geschont und Voyeure kommen überhaupt nicht auf ihre Kosten.
Genau das ist es vermutlich, was Ulrich Wickert vermisst als er im interview mit dem Autor findet, Clemens Meyer schreibe "prüde" über Sex. (Aber Wickert gibt ja auch an, er habe bei der Lektüre "geschmunzelt"– was mich fassungslos gemacht hat.)
Der Roman geht an die Nieren, besonders weil klar ist, dass Meyer wirklich ausgiebig im Milieu recherchiert hat, harte Fakten nicht erfunden hat. Darüber hinaus macht die ständig wechselnde Erzählperspektive das Lesen zwar nicht einfach, schafft aber eine fast schon unheimliche Echtheit.
"Im Stein" habe ich als ziemlich gnadenlose Abrechnung mit dem menschenunwürdigen Sexgeschäft gelesen, das ja in gerade in der Literatur sonst auch gern mal romantisiert wird. Und was viele vielleicht nicht wissen:
Der Handel mit Frauen boomt ja ausgerechnet in unseren Land, aufgrund falsch verstandener Liberalität in der Gesetzgebung.
Der große Wenderoman, wie C. Meyer selbst sein Buch versteht, ist
"Im Stein" für mich nicht. Denn – wenn er das überhaupt ernst meint–hiesse das dann doch im metaphorischen Sinn, dass die Bürger der ehemaligen DDR nach der Wende von westlichen Zuhältern zu Prostituierten wurden, die sich für Geld auf fast alles einlassen.
Das neue Buch von Sabine Peters hat mich sofort interessiert, weil ich selbst in diesem Jahr einen Roman veröffentlicht habe, in dem es um die Hamburger Gesellschaft geht.
Aber im Gegensatz zu mir ist Sabine Peters eine mit Preisen ausgezeichnete Schriftstellerin, schreibt echte Literatur in sehr eigener Sprache. Gut beobachtet, reflektiert, philosophisch manchmal.
Eine durchgehende Handlung im klassischen Sinne , gibt es im "Narrengarten" nicht, der Roman ist eher eine Momentaufnahme. Mittelschichts-Menschen begegnen sich im Gegenwarts-Hamburg, mal gibt es wirkliche Bindungen zwischen ihnen, mal schrammen sie nur rein zufällig im öffentlichen Raum aneinander vorbei. Dann verlieren sie sich wieder und die Erzählung wendet sich den nächsten zu. Jedes Kapitel könnte auch für sich genommen als Kurzgeschichte funktionieren.
Dialoge gibt es so gut wie nicht, die Protagonisten monologisieren über ihr Leben und das ist bei allen unfroh, ohne Ausschläge, seltsam emotionslos.
Es geht um durchschnittliche Probleme und Sorgen von Prototypen einer
mittelmäßigen Mittelschicht. Alltag eben.
Auch wenn immer explizit Hamburger Schauplätze benannt werden, könnte das ganze jedoch überall, in jeder deutschen Stadt ablaufen.
Gelangweilt habe ich mich mit dem Buch nicht, aber das Gelesene berührt mich auch nicht, ich entwickele keinerlei Empathie für die Akteure. Vielleicht weil es unter dem vielzähligen Personal keinen "Helden gibt, sich niemand heraushebt, alle so unglaublich klein und normal sind.
Alle existieren, aber keiner lebt. Irgendwie trostlos.
Bewertung zu "Der Hals der Giraffe" von Judith Schalansky
"Bildungsroman" steht auf dem Buch, und das was draufsteht, ist auch drin. Am Ende von der "Hals der Giraffe" hat man seinen Bildungshorizont im Fach Biologie mit Sicherheit erweitert. Einen Plot, eine Handlung, gibt es eher weniger, dennoch ist das Buch ganz und gar nicht langweilig.
Der Leser begleitet Inge Lohmark, desillusionierte Lehrerin für Bio und Sport durch ihre freudlosen Tage an einer Schule in Vorpommern. Inge betrachtet ihre Mitmenschen unter rein naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten: ständig setzt sie ihre Beobachtungen der menschlichen Spezies in Bezug zum großen Ganzen, der Entwicklungsgeschichte aller Lebewesen.
Darwins "Survival of the Fittest" ist eine ihrer Maximen. Wer schwach ist, hat Pech gehabt, auf Inges Mitgefühl kann keiner hoffen, erst recht nicht die verachteten Schüler. Emotionen sind ihr fremd und der ehemals real existierende Sozialismus hat Spuren bei ihr hinterlassen.
Judith Schalanskys Roman mit einer total unsympathischen Heldin, für die Margot Honecker Pate gestanden haben könnte, ist toll geschrieben, schwer intelligent und ziemlich boshaft.
An guten Tagen findet man den Roman sicher witzig und amüsant, an schlechten zieht er vermutlich eher runter.
Über mich
- 07.02.2013
- http://herzkammeranarchie.com