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Sonnenschein12

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Cover des Buches Auf Tiefe (ISBN: 9783969404591)

Bewertung zu "Auf Tiefe" von H. Dieter Neumann

Auf Tiefe
Sonnenschein12vor 10 Monaten
Kurzmeinung: Berührende und eindrucksvolle Kurzgeschichten, die auch mich als Kurzgeschichten-Muffel sehr in ihren Bann gezogen haben... Empfehlenswert!
Lesenswerte Kurzgeschichten von Nord- und Ostsee...

Um es gleich vorneweg zu sagen: ich bin eigentlich kein Fan von Kurzgeschichten (bin ich einmal drin, bin ich auch schon wieder draußen...), aber ich hatte bereits einige Krimis des Autors H. Dieter Neumann gelesen (empfehlenswert!) und wollte mich deshalb auf dieses „Wagnis“ einlassen. Hinzu kam, dass ich in Hamburg lebe, einige Jahre in Schleswig-Holstein zur Schule gegangen bin, mir ist also die Umgebung durchaus bekannt, so minimierte sich mein „Abenteuer“ Kurzgeschichte... Und dieses „exotische Experiment“ hat sich vollkommen gelohnt – ich will damit nicht ausdrücken, dass jetzt Kurzgeschichten zu meinem bevorzugten Genre gehören, aber Kurzgeschichten von H. Dieter Neumann: jederzeit und immer wieder gern!

Es sind acht Erzählungen, sie umfassen die Zeit vom Untergang der sagenumwobenen Insel Rungholt bis in die Gegenwart. Sie sind nicht lang – und meine Idee, jeden Tag nur eine zu lesen, hat sich für mich als goldrichtig erwiesen, so hatte ich Zeit, mich mit diesem Blickwinkel auseinanderzusetzen. Denn genau das fand ich nötig: die Geschichten haben Tiefe, eine Schärfe, eine Präzision des geschriebenen Wortes, des Ausdrucks, dass sie alle noch länger nachhallen.

Ich werde hier nicht einzeln auf die verschiedenen Geschichten eingehen, denn ich denke, bei Kurzgeschichten ist die Spoiler-Gefahr noch größer als bei Romanen. Es sind keineswegs „Wohlfühl-Geschichten“, einige empfand ich als wirklich traurig. Bei einer erschreckte mich die Perspektivlosigkeit (die wir allerdings genau so oder ähnlich fast täglich in unseren Nachrichtensendungen hören, aber hier waren es eben keine anonymen Menschen, sondern Menschen mit Namen und Vergangenheit), bei einer habe ich mit-gezittert und mit gebibbert (im wahrsten Sinne des Wortes) ... Aber alle habe sie eines gemeinsam: sie lassen eine Botschaft dahinter erkennen, mit der wir LeserInnen uns auseinandersetzen können (wenn wir wollen!) ... Sogar die einzige humorvolle Geschichte hat mich einen Moment innehalten lassen!

Fasziniert hat mich auch meine Erkenntnis, dass bei Kurzgeschichten jedes Wort, jedes Verb, jedes Adjektiv punktgenau und exakt sitzen muss, in Romanen hat der Autor /die Autorin viel mehr Zeilen zur Verfügung, um z.B. Gefühle auszudrücken.

Ich vermute, das Buch heißt nicht ohne Grund „Auf Tiefe“, es sind zwar „See- und Küstengeschichten“ (Untertitel), aber die Geschichten gehen im positiven Sinn sehr „tief“ - zumindest ist es mir so ergangen... Mich haben sie jedenfalls alle sehr berührt und beeindruckt – ich war schon etwas traurig, als ich sie beendet hatte. Ich glaube, es wird ein Buch werden, was ich immer wieder mal hervorholen werde, um die eine oder andere Geschichte noch einmal zu lesen.

Deshalb: ein absolutes Lesevergnügen (auch – oder gerade – für mich als Kurzgeschichten-Muffel), was ich hier sehr gern und wärmstens weiterempfehlen möchte!

Cover des Buches Das Kreuz des Himmels: Roman (ISBN: B0BSRKN73N)

Bewertung zu "Das Kreuz des Himmels: Roman" von Annette Oppenlander

Das Kreuz des Himmels: Roman
Sonnenschein12vor einem Jahr
Kurzmeinung: 1796, ein Kloster in Südtirol immer wieder von französischen und anderen Truppen besetzt, mittendrin eine Nonne, die sich standhaft wehrt...
Eine Frau folgt ihren Weg...

Diesmal hat uns Annette Oppenlander in ihrem Roman „Das Kreuz des Himmels“ nach Südtirol in das Jahr 1796 mitgenommen. Napoleon versucht immer wieder, Südtirol einzunehmen, aber die Tiroler leisten in verschiedenen Koalitionen erbitterten Widerstand.

Frau Oppenlander hat eine ungewöhnliche Protagonistin gewählt: Schwester Magdalena ist Nonne im Benediktiner-Orden, sie lebte tatsächlich im Kloster Säben/Südtirol. Bei einer Bergwanderung entdeckte die Autorin „eine Holztafel mit der Darstellung einer Nonne in französischer Armeeuniform.“ (S. 217, Anmerkungen der Autorin). Dort wurde kurz wurde beschrieben, dass Magdalena heimlich nach Bozen gewandert sei, um den französischen General zu bitten, das Kloster zu retten. Inspiriert von diesen (wenigen) Informationen, begann Frau Oppenlander über das Leben von Magdalena Told zu recherchieren, aber viel war nicht bekannt: Schwester Magdalena hat von 1755 – 1841 gelebt und leitete 48 Jahre Küche und Keller im Kloster Säben. Aber aus diesen dürftigen Informationen hat Annette Oppenlander eine Geschichte „gezaubert“, die gleichermaßen spannend, berührend und auch bewegend ist.

Durch seine Lage lag das Kloster Säben für alle Kriegsparteien strategisch günstig, deshalb wurde es immer wieder aufs Neue umkämpft: „Während der sieben Koalitionskriege besetzten, die Franzosen Säben mehrmals (…). Auch die Tiroler hielten Säben für einen wertvollen Standort als potenzielle Festung und zogen mehrmals ein und aus.“ (S. 219, Anmerkungen der Autorin)

Eine Handvoll Nonnen standen jeweils über 200 Soldaten gegenüber, die keinerlei Skrupel hatten, Hof und Keller des Klosters erbarmungslos zu plündern, so dass die Nonnen teilweise hungern mussten. Aber für Schwester Magdalena noch entsetzlicher: die Soldaten stoppten auch nicht vor religiösen Heiligtümern und der kostbaren Bibliothek. Einige Male gelang es ihr mit Hilfe ihrer Mitschwestern, einige der Schätze zu verstecken, dann zogen die Soldaten ab, Friede und Ruhe kehrte ein... und bald darauf folgte eine neue Armee, die sich genauso schändlich verhielt.   ... und der Schrecken begann erneut...

Aber Schwester Magdalena leistet Widerstand: auch auf die äußerst dringende Forderung, das Kloster zu verlassen, bleibt sie standhaft und hält mit nur wenigen Mitschwestern der Belagerung stand, aber neben der Wut resigniert sie auch langsam: „Wie oft müssen wir Säben noch an den Feind verlieren? Wie oft werden sie noch unseren heiligen Raum beschmutzen und alles, was uns lieb und teuer ist, mit Füßen treten?“ (S. 183) Sie entschließt sich, über die Berge nach Bozen zu wandern und zu klettern, um den französischen Kommandanten um Hilfe für das Kloster zu bitten. Um auf ihrem Weg nicht aufzufallen und um überhaupt vorgelassen zu werden, stiehlt sie im Kloster eine französische Armeeuniform... Der General Fenner empfängt sie und gibt wenig später tatsächlich den Befehl, dass die Truppen aus Säben abziehen, so dass das Kloster Säben noch 200 Jahre weiter existieren konnte (lt. Wikipedia wurde das Kloster erst 2021 wegen Nachwuchsmangels geschlossen).

Mich hat Schwester Magdalena – so wie sie die Autorin beschrieben hat - beeindruckt, sie war für mich keine „Heilige“, sondern ein pragmatischer Mensch, mit beiden Beinen fest auf der Erde (und nicht im Himmel). Sehr gut gefallen hat mir, dass sie z.B. auch fluchen konnte...

Mir war Magdalena sympathisch und ich habe ihren Kampf besorgt begleitet (obwohl ich gestehen muss: die Protagonisten in den anderen Romanen von Frau Oppenlander standen mir menschlich näher) und es gefällt mir, dass diese mutige Frau jetzt durch diesen Roman nicht in Vergessenheit gerät! Ein schönes Buch, dass mir spannende und unterhaltsame Lesestunden beschert hat und dass ich gern weiterempfehle!

Cover des Buches Blutnarbe (ISBN: 9783751738361)

Bewertung zu "Blutnarbe" von Julia Hofelich

Blutnarbe
Sonnenschein12vor einem Jahr
Kurzmeinung: Spannend bis zur letzten Seite, ein Krimi genau nach meinem Geschmack! Endlich erhalten wir nähere Informationen zu Linns Autounfall...
Von Blackouts, Filmrissen und anderen Erinnerungslücken...

„Blutnarbe“ war mein dritter Krimi (Reihenfolge: „Totwasser“, „Nebeljagd“) von Julia Hofelich - und hat mich mal wieder in eine angenehme, wohl dosierte Spannung versetzt... Ich glaube, die Bücher müssen nicht in Chronologie gelesen werden, da es in sich abgeschlossene Fälle sind – wobei diesmal die Rechtsanwältin Dr. Linn Geller in „eigener Sache“ tätig werden muss.

Wir wussten schon aus den vorhergehenden Bänden, dass Linn vor einigen Jahren durch einen schweren Autounfall ihre bisherigen Lebensträume und -ziele abrupt aufgeben musste (Arbeit in einer Großkanzlei mit internationalen Klienten, hohes Einkommen, hoher Lebensstandard), um mit ihrem Kollegen Götz Nowak mühsam eine kleine „Feld-, Wald- und Wiesen“-Kanzlei aufzubauen, es läuft gerade so einigermaßen... Aber jetzt bricht alles erneut auf, als die mutmaßliche Unfallverursacherin Betty Schneider nach fünf Jahren aus der Haft entlassen wird und bei Linn anruft, um über eine Reduzierung des Schmerzensgeldes zu verhandeln, weil ihr „noch etwas eingefallen“ sei. Am nächsten Tag wird Betty Schneider tot aufgefunden und Linn gerät selbst in Verdacht, sie aus Rache ermordet zu haben...und wir Leser wissen: es sieht wirklich nicht gut für Linn aus...

Aber mehr soll hier von der Krimihandlung nicht verraten werden...  Julia Hofelich führt uns gekonnt flott durch die Handlung, navigiert uns auf falsche Spuren, dirigiert uns in Sackgassen. Manchmal war mir Linn etwas zu verbissen und verbiestert in ihre Annahmen und Beweisketten, aber ich da will ich nicht urteilen: ich war noch nie unter Mordverdacht und hatte meine Unschuld zu beweisen... Natürlich stand ich trotzdem fest an Linns Seite und hatte letztendlich jeden in ihrer Umgebung mindestens einmal kurz in Verdacht gehabt, für Linns Unfall und diesen Mordverdacht verantwortlich zu sein... Oder hat Linn doch tatsächlich Betty Schneider ermordet oder hatten die beiden Fälle vielleicht gar nichts miteinander zu tun???

Aber die Autorin schafft es hervorragend, diese (meine) verschiedenen Irrwege immer wieder aufzufangen und mich langsam zu dem fulminanten Show-Down zu führen, bei dem ich nur denken konnte: „ach ja, so war es also“, logisch, begründet, nachvollziehbar – so dass ich das Buch äußerst befriedigt zuklappen konnte.

Aber vorher hatte aber Frau Dr. Linn Geller noch eine wichtige Entscheidung zu treffen (ich gebe zu, ich habe etwas mit ihr gehadert) – sie hat aber die in meinen Augen die richtige Lösung gefunden... und so hoffe ich auf viele weitere Linn-Geller-Thriller

Ich kann hier ganz ruhig eine absolute Leseempfehlung aussprechen, ein Krimi genau nach meinem Geschmack!

Cover des Buches Die Bahnhofsmission (ISBN: 9783404188895)

Bewertung zu "Die Bahnhofsmission" von Veronika Rusch

Die Bahnhofsmission
Sonnenschein12vor einem Jahr
Kurzmeinung: Berlin 1908: gut recherchierter historischer Roman in Kombination mit einem spannenden Kriminalfall -beeindruckend, absolute Leseempfehlung!
Als die Bahnhofsmission noch in den Kinderschuhen steckte...

„Aller Tage Hoffnung – Die Bahnhofsmission“ war mein erster Roman von Veronika Rusch – aber garantiert nicht mein letzter! Ich habe das Buch förmlich inhaliert, es war spannend bis zur allerletzten Seite...

Die Autorin nimmt uns gekonnt mit in das quirlige Leben in Berlin 1908. Am Schlesischen Bahnhof ist die erste Bahnhofsmission eingerichtet worden, „um Frauen Schutz und Hilfe zu bieten, die im Zuge der Industrialisierung in die Städte zogen. Die Frauen suchten nach Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt als Arbeiterinnen (…) oder in Anstellungen als Dienstmädchen zu verdienen. Dabei gerieten viele Mädchen und junge Frauen an unseriöse Vermittler mit zweifelhaften Absichten, die ihnen Unterstützung zusicherten, was aber nicht selten in Ausbeutung und / oder Prostitution endete.“ (Wikipedia)

Genau diese „trockene“ Wikipedia-Erklärung füllt Frau Rusch mit „prallem Leben“, sie lässt uns tief eintauchen in das damalige Zeit- und Lokalkolorit, ihre Figuren sind ausgesprochen authentisch geschildert, ihre Handlungsweisen nachvollziehbar (manchmal nicht sofort, aber im Laufe des Romans...). Ich fühlte mich teilweise mitten auf den Bahnhof „gebeamt“.

Zur Geschichte: Pastor Burkhardt (lt. Wikipedia der tatsächliche Initiator der Bahnhofsmission) hat die Bahnhofsmission ins Leben gerufen und deren Leitung Natalie anvertraut, sie hat in ihrem Leben schon diverse tiefe Täler durchschritten, aber das prädestiniert sie, auf die Hilfesuchenden empathisch zuzugehen und alle respektvoll zu behandeln. Alice, eine junge Frau aus „gutem Haus“ (der Vater ist Chefarzt in der Charité, sie ist quasi mit dem „goldenen Löffel“ im Mund geboren) beobachtet durch einen Zufall eine Szene am Schlesischen Bahnhof und wird so auf die Arbeit der Bahnhofsmission aufmerksam. Alice hat einen Traum: sie möchte gern einen Beruf erlernen und ihr Leben selbstbestimmt gestalten – natürlich und selbstverständlich vollkommen undenkbar in den gesellschaftlichen Kreisen ihrer Eltern. So wird sie heimlich eine der ehrenamtlichen Helferinnen der Bahnhofsmission, lernt die Arbeit kennen und kommt durch ihren Pragmatismus schnell in Kontakt zu den Kolleginnen und Hilfesuchenden.

Die beiden (sehr sympathischen) Hauptfiguren lernen wir mit ihrem Denken, Handeln, Gefühlen, Ängsten, Freuden gut kennen, aber auch viele NebendarstellerInnen erleben wir durch die Beschreibungen der Autorin intensiv, z.B. nehmen wir an dem Schicksal von Baba, einer Obdachlosen, die auf dem Bahnhofsgelände in einer verfallenen Hütte „haust“, intensiv Anteil oder sind beeindruckt von der Lebensgeschichte der „Gräfin“, eine der ehrenamtlichen Helferinnen der Bahnhofsmission.

Als Gerda, eine junge Frau aus der Provinz, aus der Obhut der Bahnhofsmission spurlos verschwindet, gerät der Roman immer stärker zum spannenden Krimi, den ich fast nicht mehr aus der Hand legen konnte! Es wird immer mysteriöser und letztendlich gerät sogar die Arbeit der Bahnhofsmission in Misskredit und Verruf! Natalie nutzt ihre früheren Beziehungen in das Berliner Scheunenviertel und Alice und ihre Schwester Constanze (die mich in ihrer Entwicklung vollkommen überrascht hat) nutzen wiederum ihre Begabungen, um die Bahnhofsmission zu retten...

Ein Buch, was mich wirklich gefesselt hat – zum Glück habe ich gelesen, dass ein zweiter Teil im Februar 2024 erscheinen soll, darauf freue ich mich schon heute!

Und selbstverständlich kann ich dieses Buch nur allerwärmstens weiterempfehlen und drücke ganz fest die Daumen, dass diese Geschichte über die Arbeit der Bahnhofsmission möglichst viele LeserInnen erreicht!

Cover des Buches Die Klinik (ISBN: 9783499008252)

Bewertung zu "Die Klinik" von Hubertus Borck

Die Klinik
Sonnenschein12vor einem Jahr
Kurzmeinung: Spannend und authentisch, sehr sympathisches Ermittlerduo (+ Team) - mein erstes Buch von Hubertus Borck, aber bestimmt nicht mein letztes!!
Ich fühle mich weiterhin sicher in Hamburgs Krankenhäusern...

„Die Klinik“ von Hubertus Borck war mein erstes Buch dieses Autors – aber es wird bestimmt nicht mein letztes gewesen sein...

Es ist immer schwierig, etwas über Thriller zu schreiben, die unerwartete Wendungen beinhalten und uns LeserInnen auf falsche Spuren locken, denn die Gefahr, in ein Spoiler-Töpfchen zu treten, ist doch sehr groß

Deshalb fange ich erst mal harmlos mit dem Ermittler-Duo an: mir haben Franka Erdmann und Alpay Eloglu sehr gut gefallen. Franka ist eine 58-jährige Kriminalhauptkommissarin mit über 30 Jahren Berufserfahrung und Alpay hat vor einem halben Jahr frisch von der Uni beim Landeskriminalamt als Frankas Assistent angefangen. Alpays Vater ist Türke (Lieblingsessen: Königsberger Klopse), seine Mutter Deutsche. Franka leidet etwas darunter, dass sie mit jedem Geburtstag älter wird und es kommt zu der „peinlichen“ Situation, dass ihr zum 59.Geburtstag eine Torte mit einer dicken, fetten 60 geschenkt wird, oh, oh...

Ich gehöre zu der Krimi- /Thriller-LeserInnen-Fraktion, die immer gern etwas über das Leben der Ermittler erfahren, deshalb fand ich die Ausflüge in Frankas private Gedankenwelt sehr interessant und mit Alpays Familie habe ich regelrecht mitgelitten und – gefiebert! Auch habe ich regen Anteil an der wachsenden positiven Arbeitsbeziehung zwischen der erfahrenen Kripo-Beamtin und dem „Frischling“ genommen - im ersten Band hat es wohl offensichtlich zwischen beiden mehrmals heftig geknallt, denn Alpays Familie hält von dem „Erdmännchen“ (Frau Erdmann) nicht viel...

Der junge Familienvater Malte Ostersetzer wird nach einem schweren Fahrradunfall in die Hamburger Karesis-Klinik eingeliefert. Er schwebt in Lebensgefahr und wird in ein künstliches Koma versetzt. Seine Frau und sein bester Freund besuchen ihn abwechselnd täglich. Nach zwei Wochen wird er aus dem Koma zurückgeholt, aber es wird schnell deutlich, dass er aufgrund seiner Verletzungen lebenslang ein Pflegefall bleiben wird. Da stirbt er plötzlich und vollkommen unerwartet... Die Witwe Anna Ostersetzer ist überzeugt, dass er umgebracht wurde und erstattet Strafanzeige.

Und so beginnen Franka und Alpay mit den Ermittlungen, zuerst nicht überzeugt und zögerlich, doch dann fällt ihnen so einiges auf... Aber mehr wird jetzt hier nicht verraten! Es bleibt immer spannend und beim Schluss purzelt so manches (fehlende) Puzzleteil schnell an die richtige Stelle, so dass ich das Buch sehr lösungsbefriedigt zuklappen konnte!

Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, der Spannungsbogen erhalten und mit überraschenden Wendungen (ich war lange Zeit auf einer falschen Spur...), die Charaktere agieren authentisch – und ganz wichtig für mich als Hamburgerin: den Stadtbeschreibungen konnte ich ohne Mühe folgen (ehrlich gesagt: dass bringt mir besonders viel Spaß: die zurückgelegten Wege und Orte auf Richtigkeit zu „kontrollieren“!).

Die Zustände in den Kliniken und die Überforderung der Angestellten in den Kliniken sind allgemein bekannt (spätestens seit Corona!), zum einen Personal, das täglich an das Limit geht (gehen muss), zum anderen die Profitorientierung der Klinikleitungen – und trotzdem denke ich, dass ich mich in Krankenhäusern (auch in Hamburg) „sicher“ fühlen kann und stimme nicht dem Satz auf dem hinteren Klappentext zu: „Dort, wo du schutzlos bist, wirst du getötet.“ Zumindest habe ich vor Krankenhäusern nicht mehr Angst als vorher...

Alles in allem: ein spannender Krimi / Thriller, der mir viel Lesevergnügen bereitet hat und den ich deshalb gern weiterempfehlen möchte!

Cover des Buches Schloss Liebenberg. Hinter dem falschen Glanz (ISBN: 9783426528488)

Bewertung zu "Schloss Liebenberg. Hinter dem falschen Glanz" von Hanna Caspian

Schloss Liebenberg. Hinter dem falschen Glanz
Sonnenschein12vor einem Jahr
Kurzmeinung: Brandenburg 1907: die Fortsetzung ist wieder eine sehr gelungene und spannende Mischung aus Fiktion und historischen Ereignissen!
Preußens Justitia war auf einem Auge blind...

„Schloss Liebenberg. Hinter dem falschen Glanz“ ist der 2. Band einer Trilogie von Hanna Caspian. Im Mittelpunkt stehen zum einen die Bediensteten von Schloss Liebenberg (real existierendes Schloss in Brandenburg), zum anderen der Eulenburg-Harden-Skandal (Philipp Fürst zu Eulenburg ist Besitzer von Schloss Liebenberg, Maximilian Harden ist Journalist), Das Buch startet im Juni 1907.

Ich glaube, hier muss ich empfehlen, die Reihenfolge einzuhalten, da der 2. Band sehr auf den Ereignissen des vorhergehenden Jahres aufbaut, ohne die die weitere Entwicklung nur schwer zu verstehen sein könnte...

Adelheid, Hedda und Viktor arbeiten weiterhin als Dienstboten im Schloss, aber anders als im 1. Band finden sie sich zum ersten Mal zu einer gemeinsamen solidarischen Handlung gegen den despotischen, machtbesessenen und erpresserischen Haushofmeister Opitz zusammen – wobei die Wirkung für die drei nicht richtig erkennbar scheint (und deshalb auch bald wieder Vergangenheit ist). Aber Hanna Caspian schafft es scheinbar mühelos, uns LeserInnen in die damalige Zeit zu katapultieren, uns in die Sorgen und Nöte der Beschäftigten eintauchen zu lassen, so dass wir mitleiden, mitfiebern und auch - seltener – Grund zur Freude mit ihnen teilen. Wie schon im 1. Band erfahren wir alles konsequent nur aus der Sicht der Angestellten. Auch die weiteren Entwicklungen im Eulenburg-Harden-Skandal vernehmen wir nur über 3. Personen und deren Dialoge, einzig Maximilian Harden werden einige kleinere „Gastauftritte“ zugestanden…

Mich hat dieses Konzept bereits beim 1. Band fasziniert und in seinen Bann gezogen und war deshalb sehr erfreut, dass dies auch jetzt erneut eingehalten wird. Die Mischung aus Fiktion und tatsächlich realen politischen Ereignissen machen für mich einen großen Reiz dieses Buches aus.

Die Autorin zeichnet ein sehr lebendiges Bild ihrer Protagonisten, wir sind aktive BeobachterInnen, z.B. bei Adelheids erster Zugfahrt (4.Klasse von Löwenberg nach Oranienburg, eine einfache Fahrt 34 Pfennig – und man beachte: die Züge waren pünktlich!) oder ihr erstes Telefonat (sollte man mit der Dame vom Amt erst sprechen oder gleich die die gewünschte Telefonnummer mitteilen?). Hedda begleiten wir zu ihrer ersten „Versammlung des Zentralverbandes der Hausangestellten“, die sich u.a. gegen das Züchtigungsrecht von Bediensteten aussprechen. Viktor bemerkt immer stärker, dass er seinem Vater recht geben muss, „Gesetz und Richter standen auf der Seite der Reichen, der Adeligen, der Wohlbetuchten.“ (S. 126)

Was mich aber ganz besonders an diesem Buch beeindruckt hat, ist die Fähigkeit der Autorin, einen so komplizierten und vielschichtigen Eklat wie den Eulenburg-Harden-Skandal so verständlich zu schildern, dass ich ihn zumindest ansatzweise verstanden habe (Recherchen bei Wikipedia haben mich eher verwirrt, da hier anscheinend sehr viele unterschiedliche Positionen und Interessen „ihr eigenes Süppchen kochten / kochen" wollten), alles unter dem „Deckmäntelchen“, der Liebenberger Kreis sei eine „homoerotische Tafelrunde politischer Weichlinge, die Wilhelm II (…) vom 'männlichen' Kurs Bismarcks abbringen und stattdessen zu einer dauerhaften Friedenspolitik gegenüber Großbritannien und Frankreich bewegen sollten.“ (Wikipedia) Dieser heute fast unbekannte Skandal ist laut Frau Caspian „deshalb so wichtig, weil diese Hexenjagd, diese Schmutzkampagne, letztendlich eine maßgebliche Stellschraube für die unheilvolle Entwicklung der deutschen Geschichte war.“ (S. 413, Nachwort) Eine Zusammenfassung der verschiedenen Prozesse ergänzen dieses, so dass man den „Überblick“ behält…. Und deshalb gilt der Autorin mein besonderer Dank: perfekt recherchiert, aber mehr noch: uns LeserInnen nachvollziehbar in einer spannenden Handlung und Dialogen perfekt angerichtet – Chapeau, Frau Caspian!

Ich bin jetzt natürlich sehr neugierig auf den 3. und letzten Teil der Trilogie, der hoffentlich für geschichtsinteressierte LeserInnen wieder ein „Leckerbissen“ sein wird!

Cover des Buches Die blinde Zeugin (ISBN: B0BB234D4N)

Bewertung zu "Die blinde Zeugin" von Volker Dützer

Die blinde Zeugin
Sonnenschein12vor einem Jahr
Kurzmeinung: Interessante Idee, die Handlung spannend, mir war aber das Finale zu "blutig" (nichts für "Sensibelchen" wie mich), anderen wird's gefallen!
In den tiefen Abgründen von Gräbersberg...

Ich kenne von Volker Dützer bereits seine historischen Romane „Die Unwerten“, „Die Ungerächten“ und seinen Krimi „Morgen bist Du tot“, die mir alle sehr gut gefallen haben. So habe ich relativ bedenkenlos zu „Die blinde Zeugin“ (überarbeitete Neuauflage des Buches „Treibsand“) gegriffen.

Samantha Baring (Sammy) ist eine junge Trickdiebin, die wohlhabenden Männern die Kreditkarten stiehlt, nachdem sie ihnen durch „Cool Reading“ die zugehörigen Geheimzahlen entlockt hat. Um an potenzielle Opfer zu kommen, arbeitet sie bei einem Catering-Service, der exquisite Feste ausrichtet. Sammys „Geschäft“ läuft so einigermaßen, sie hat schon einige Karten „eingesammelt“ - aber da beobachtet sie einen Mord in dieser illustren Gesellschaft... Zur Polizei kann sie aufgrund ihrer Vorgeschichte nicht so einfach, also sinnt sie auf andere Lösungen – nicht gerade „kluge“ Lösungen, wie ich fand... Es kommt zu einer wilden Verfolgungsjagd und durch einen Unfall erblindet Sammy. Sie wird vom Polizeiassistenten Mario Moretti gefunden, der in ihr eine wichtige Zeugin vermutet und sie seinem früheren Kollegen und neuerdings Privatdetektiv, Jan Stettner zur Betreuung (oder Bewachung?) übergibt.

Moretti und Stettner beginnen nun, den Mord zu recherchieren, Moretti mit den polizeilichen Hilfsmöglichkeiten und Stettner mit seinem großen Erfahrungsschatz. Es stellt sich heraus, dass wohl fast die gesamten Honoratioren der Ortes Gräberssberg in irgendeiner Weise in den „Sumpf der illegalen Machenschaften“ verwickelt sind / waren, wahre Abgründe erscheinen uns Leser*innen – nicht mal vor Morden wird zurückgeschreckt, die dann auch noch vom Leiter der Mordkommission und Stettners ehemaligen Chef und Widersachers gedeckt werden (könnten?)… Aber weitere Informationen werden hier nicht von mir verraten...

Der Schreibstil war – wie ich es von Volker Dützer gewohnt bin – flüssig und bildhalft, die teils sehr frauen- und menschenverachtende Sprache war wohl den handelnden Protagonisten aus Gräbersberg geschuldet. Die Ereignisse wurden aus unterschiedlicher Sicht geschildert, so dass der Spannungsbogen meist erhalten blieb.

Über einen längeren Zeitraum fand ich das Buch spannend, zwar teilweise etwas unrealistisch (konnte Sammy tatsächlich so blöd sein? Gab es in diesem Ort nur die eingeschworene Gemeinschaft? Musste es immer an den spannendsten Stellen ein Gewitter geben? Und was sollten die immer wieder erwähnten Raben bedeuten?), aber zum Teil auch amüsant (z.B. die Dialoge zwischen Stettner und Sammy). Aber den großen „Show-Down“ am Ende empfand ich nur noch ekelerregend, blutig und abstoßend und hatte wirklich große Schwierigkeiten, das Buch zu beenden. Ich glaube, da war ich nicht die richtige Zielgruppe für dieses Buch, die Geschmäcker sind ja bekanntlich unterschiedlich und andere Leser*innen werden sicherlich nicht meine Probleme haben. Mich hat dann zwar wieder der allerletzte Abschluss (realistisch!) und ein kluges Nachwort des Autors etwas versöhnt – aber ich und das Buch passten eben nicht zusammen...

Deshalb von mir an dieser Stelle nur eine eingeschränkte Leseempfehlung: für Fans starker und harter Thriller bestimmt ein Leseerlebnis, „Sensibelchen“ wie ich sollten eher lieber die Finger davonlassen!

Cover des Buches Der Henker von Hamburg (ISBN: 9783740813611)

Bewertung zu "Der Henker von Hamburg" von Anja Marschall

Der Henker von Hamburg
Sonnenschein12vor einem Jahr
Kurzmeinung: Wieder einmal ein spannender und gut recherchierter historischer Krimi von A. Marschall. Ich kann diese Krimi-Reihe nur wärmstens empfehlen!
Sophie, Hauke und ich im historischen Hamburg...

Lang erwartet und endlich erschienen: Anja Marschalls 5. Band der Krimireihe um Hauke Sötje und seine Frau Sophie „Der Henker von Hamburg“. Gleich vornweg: man kann jedes Buch der Reihe einzeln lesen, es sind in sich abgeschlossene Fälle. Aber ich persönlich nehme regen Anteil am Privatleben der Familie Sötje – vom Kennenlernen der beiden bis jetzt als Eltern der bald 2-jährigen Henriette – und da hilft natürlich die Reihenfolge!

Hamburg 1899: Sophie und Hauke sind im bürgerlichen und etablierten Leben der Hansestadt angekommen, sie haben eine große Wohnung, ein Kindermädchen und eine Köchin. Aber Sophie fühlt sich als Hausfrau und Mutter unterfordert, ihr fehlen die geistigen Anregungen, die Gespräche mit Hauke über seine Fälle, zu deren Lösung sie häufig beigetragen hat, während Hauke sie zur Zeit nur beschützen möchte. Sophie fühlt sich durch die herrschenden Konventionen eingeengt, „die Karriere ihres Mannes durch repräsentative Einrichtung“ zu fördern, kann doch nicht alles sein? So ist sie anfangs glücklich, dass die berühmte Opernsängerin Carlotta Francini sie als Vertraute wählt und viel Zeit mit ihr verbringen möchte – was wiederum Sophie in Gewissenskonflikte bringt, ob sie nicht Henriette dadurch vernachlässigt – und es deshalb vorsichtshalber Hauke nicht / zu wenig erzählt... Allerdings fallen Sophie (und uns Leser*innen) bald einige Ungereimtheiten in den Geschichten der Frau Francini auf...

Hauke hat drei Morde innerhalb kurzer Zeit aufzuklären, die anscheinend in irgendeiner Form zusammenhängen, aber wie und warum? Da einer der Ermordeten erhängt worden ist, bittet Hauke den preußischen Scharfrichter Friedrich Reindel um eine Expertise. „Mit seinem Zylinder auf dem Kopf, dem schwarzen Gehrock und dem Spazierstock, auf den er sich stützen musste, wirkte er fast wie ein vornehmer Herr aus dem Senat. Niemand, der ihm begegnete, ahnte, dass ein Henker das Haus am Neuen Wall besuchte.“ (S.168). Herr Reindel entpuppt sich als Mann mit hohem Berufsethos: “Wenn Sie mich fragen, spielte jemand Henker, der vielleicht ein wenig Wissen um das Handwerk besitzt, aber weder das Talent noch das Können. Ein Pfuscher.“ (S. 170)

Die Autorin beschreibt abwechselnd die Gefühle und Gedanken von Sophie und Hauke – und da beide miteinander „schmollen“ und sich nicht austauschen, sind wir Leser*innen klar im Vorteil – wir wissen einfach mehr...

Während sich Hauke mit Kriminalassistent Schröder (sympathisch, pfiffig) austauschen kann, steht Sophie mit ihren Gedanken allein da, denn „es war unschicklich, mortale Dinge dieser Art unter Frauen zu diskutieren.“ (S. 180)

Zum Inhalt will ich jetzt hier nichts weiter verraten, aber es bleibt bis zum Schluss hochspannend, denn mit einem dramatischen Show-Down erfahren wir die wahre Identität des Mörders – mit dem ich keineswegs gerechnet hatte...

Und wieder hat mich Frau Marschalls Schreibstil vollständig in seinen Bann gezogen, sie beschreibt Personen, Situationen, Umgebungen so bildhaft und anschaulich, dass ich immer das Gefühl hatte, ich sei Teil des Szenarios, so als hätte ich das Gästezimmer der Sötjes (sie haben bestimmt eines!) bezogen und würde sie auf ihren Wegen begleiten... Der Zeitkolorit wird wieder (wie in allen historischen Romanen der Autorin) vertieft durch kleine Zeitungsinserate / -artikel aus dem Jahr 1899, die den einzelnen Kapiteln vorangestellt sind. Und mich haben als Hamburgerin natürlich die detaillierten Ortsbeschreibungen fasziniert oder z.B. der Bau des Dammtor-Bahnhofes!

Wieder einmal ein wunderbarer und spannender historischer Krimi, der leider nur einen Nachteil hatte: er war viel zu schnell durchgelesen! Und klar: ich kann ihn jedem nur weiterempfehlen und möchte Anja Marschall zurufen: Bitte weiter so!

Cover des Buches Glasgow Girls (ISBN: 9783453361201)

Bewertung zu "Glasgow Girls" von Susanne Goga

Glasgow Girls
Sonnenschein12vor einem Jahr
Kurzmeinung: Glasgow 1892: eine junge Frau lebt für ihren Traum, Kunst an der Glasgow School of Art zu studieren - spannend und gut recherchiert!
Olivias Weg zur Künstlerin...

Ich kenne von Susanne Goga jetzt (leider!!!) alle vorhandenen Leo-Wechsler-Romane (Krimi-Reihe aus Berlin der 1920-er Jahre) und einen ihrer historischen Romane „Das Haus in der Nebelgasse“ (ebenfalls empfehlenswert!). Nun jetzt also ihr neuestes Buch „Glasgow Girls“…

Schon das Cover empfand ich als wohltuend, es war endlich mal keine Frau von hinten, von vorn, von der Seite auf einem hellblauen Cover mit einer Stadt-Silhouette im Hintergrund, sondern es ist der Ausschnitt eines Gemäldes von John Atkinson Grimshaw (1836 – 1893) und stellt wohl eine Straße in Glasgow in der Dämmerung dar, den genauen Titel habe ich bisher noch nicht herausbekommen – schon einmal der erste Pluspunkt, obwohl ich eigentlich gar kein Cover-Typ bin!

Ich mag historische Romane, bei denen man sich noch weiterführende Informationen einholen kann und dieser Leidenschaft konnte ich ja schon gleich mit dem Cover frönen, aber das Buch ist insgesamt eine gelungene Mischung zwischen Historie und Fiktion, so dass ich häufig weitere Erklärungen lesen konnte.

1892: Olivia ist künstlerisch hochbegabt, aber ihre Chance, an der Glasgow Schools of Art (GSA) studieren zu können, ist äußerst gering, da sie nach dem Tod des Vaters zum Lebensunterhalt für sich und ihre Mutter beitragen muss. Eigentlich soll sie in einer Fabrik arbeiten, aber sie sucht sich gegen den Willen der Mutter eine Stelle als Servierhilfe in Miss Cranstons Teesalon (Kate Cranston: 1849 – 1934, war eine der führenden Persönlichkeiten in der Entwicklung von Teesalons, Olivias Arbeitsplatz hat tatsächlich existiert. Miss Cranston war eine Mäzenin der GSA). Auch Miss Cranston entdeckt Olivias Talent und macht ihr das Angebot, sie finanziell zu unterstützen, während sie das Kunststudium absolviert. Aber trotz allem ist Olivia ihren Mitstudentinnen nicht gleichgestellt, kommen sie doch alle aus wohlhabenden Elternhäusern, während Olivia weiterhin bei Miss Cranston arbeitet, um ihre Mutter zu unterstützen.

Aber Olivia findet im Leiter der GSA, Francis Newbery und seiner Frau Jessie (auch historische Persönlichkeiten), Menschen, die sie in ihrem Weg bestärken und ermutigen.

Wir begleiten Olivia über mehrere Jahre während ihrer Ausbildung, erleben Höhen und Tiefen ihres kreativen Schaffens und ihres persönlichen Lebens, freuen uns über ihre Erfolge, trauern mit ihr bei Misserfolgen. Immer wieder kreuzen Künstler ihren Weg, die es tatsächlich gegeben hat…Aber natürlich: auch schon damals war der Kunstmarkt voll von Fallstricken und Intrigen, in die Olivia naiv und unvorbereitet hineinstolpert und durch die sie sogar fast ihren ehrlichen Ruf verliert.

Ein interessantes, z.T. auch mich berührendes Buch, dass ich von der ersten bis zur letzten Seite mit Spannung gelesen habe. Zum einen fand ich Olivia und ihren Werdegang ausgezeichnet dargestellt, zum anderen faszinierte mich auch die Beschreibung der GSA (teilweise erinnerte mich das Konzept an das „Bauhaus“ in seinen frühen Jahren), für die damalige Zeit unkonventionell und fortschrittlich!

Ich kannte ja schon diverse Romane der Autorin, aber ich war wieder einmal beeindruckt von ihrem anschaulichen und lebendigen Schreibstil, die Personen (egal, ob historisch oder fiktiv) agieren alle vollkommen authentisch, so dass bei mir als Leserin der Eindruck entstand, ich sei mittendrin im Geschehen und könne Olivia zur Seite stehen…

Ein Nachwort rundet das Buch sehr gut ab, dort erfahren wir u.a., dass die Frauen der GSA sich selbst nie als „Glasgow Girls“ bezeichnet haben, dieser Name wurde erst 1990 bei einer Ausstellung von der Kuratorin „erfunden“.

Wieder mal ein Roman von Susanne Goga, der mich begeistert in seinen Bann gezogen hat und den ich selbstverständlich gern weiterempfehle!

Cover des Buches Die Forscherin. Prinzessin Therese und der Ruf des Amazonas (ISBN: 9783453361348)

Bewertung zu "Die Forscherin. Prinzessin Therese und der Ruf des Amazonas" von Katharina Innig

Die Forscherin. Prinzessin Therese und der Ruf des Amazonas
Sonnenschein12vor einem Jahr
Kurzmeinung: Ein hervorragender Roman über die Reise von Prinzessin Therese. Eine faszinierende und beeindruckende Frau, die ich bisher noch nicht kannte
Meine Reise mit Prinzessin Therese 1888 auf dem Amazonas...

Katharina Innig hat mit „Die Forscherin – Prinzessin Therese und der Ruf des Amazonas“ einen hervorragenden Debütroman vorgelegt.

Ich sollte vielleicht kurz gestehen, dass Reiseberichte aus vergangenen Jahrhunderten eigentlich nicht zu meinem bevorzugten Genre gehören – und von Prinzessin Therese (von Bayern) hatte ich als „Nordlicht“ auch bisher nichts gehört...

Aber was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Katharina Innig hat es innerhalb weniger Seiten geschafft, mich zu einer großen Verehrerin von Prinzessin Therese zu verwandeln, ich habe sie kennen und schätzen gelernt (lt. Wikipedia war sie „eine deutsche Ethnologin, Zoologin, Botanikerin und Reiseschriftstellerin. Sie engagierte sich sozial karitativ.“) und an ihrer Expedition auf dem Amazonas 1888 habe ich mit allen Sinnen teilgenommen... Aber das liegt an der ausgesprochen lebhaften und bildhaften Sprache, die die Autorin benutzt, ich konnte gemeinsam mit Therese die exotischen Düfte riechen („Es riecht nach Meer, nach Kaffee, nach Gewürzen, überreifen Bananen und nach dem Staub auf dem sonnendurchglühten Pflaster.“  S. 51), das Licht des Urwalds wahrnehmen („Der Nebel umschließt die Farne und Wurzeln, schleicht lautlos um die Stämme. Manchmal steht er zwischen den riesenhaften Bäumen wie eine wattige weiße Säule, dann tanzt er wie ein zartes Gespinst zwischen den Lianen und um die Sträucher.“ S. 195).  Dies nur eine klitzekleine Auswahl, ich habe mir sehr viele Sätze notiert…

Prinzessin Therese war ihrer Zeit weit voraus: anders als es ihr in die Wiege gelegt, verweigerte sie alle Heiratskandidaten, die ihr ihre Familie präsentierte und brachte sich ein großes naturwissenschaftliches Wissen im Selbststudium bei (Frauen waren zu jener Zeit weder an Gymnasien noch Universitäten zugelassen), außerdem sprach sie mindestens 12 Sprachen fließend.

Doch zurück zum Buch: es ist auf zwei Zeitebenen geschrieben, wir lernen Therese 1924 (als 74-jährige) in ihrem Haus in Lindau kennen, Sie hat Veronika, ihre damalige Reisebegleitung an den Amazonas, zu sich eingeladen, um gemeinsam mit ihr Ordnung in ihre Papiere, Unterlagen und Reiseandenken zu bringen. Dabei erinnert sich Therese an ihre Reise 1888 (als 38-jährige) zurück…

Gemeinsam mit drei Begleitern (einem Reisemarschall, ihrem treuen Diener Max und eben Veronika) trat sie diese Expedition an (im Nachwort erfahren wir, dass der Reisemarschall und der Diener Max historisch belegte Persönlichkeiten sind, Veronika ist der Fantasie der Autorin geschuldet). Alle drei werden aber authentisch und realistisch geschildert: der Reisemarschall ist ein Kompromiss zwischen Therese und ihrem Vater (Prinzregent Luitpold von Bayern), dass Therese überhaupt diese Reise antreten darf, aber „der sehr penible, sparsame und nicht besonders flexible Freiherr hat sehr wenig mit der impulsiven und bis an die Grenze zum Leichtsinn mutigen Prinzessin gemeinsam.“ (Nachwort, S. 360) Die Dialoge / Diskussionen / Auseinandersetzungen mit ihm haben mich wiederholt zum Schmunzeln gebracht. Max, der treue Diener, kennt Therese seit Kindesbeinen und stellt den „ruhigen Fels in der Brandung“ dar, Veronika verkörpert den damaligen (weiblichen) Zeitgeist, dies wird auch in dem 1924-er Teil deutlich.

Und so reisen wir mit den Augen Thereses durch den Dschungel am Amazonas, erleben Belem und Manaus, sehen verlassene und bewohnte indigene Dörfer, spüren exotische Dschungelnächte, verkraften Stürme, teilen (nicht immer!) ihre Liebe zu den seltenen Lebewesen, lehnen mit ihr gemeinsam die Arroganz der Kolonialmächte ab und sind entsetzt über das Machtgefühl der Kautschukbarone…

Wie schon erwähnt, rundet ein Nachwort von Frau Innig das Buch perfekt ab: wir erfahren, was historisch belegt und was Fiktion ist und es wird deutlich, wie intensiv die Autorin die Recherchearbeit betrieben hat – genau meine Kriterien für hervorragende historische Romane!

Ich werde Prinzessin Therese von Bayern und ihre Reise an den Amazonas bestimmt nicht vergessen und will es deshalb natürlich auch gern weiterempfehlen – ich habe es selbst schon zweimal verschenkt!

Über mich

Moin, ich lebe fast mein ganzes Leben in Hamburg und - obwohl ich häufig über das Hamburger "Schietwetter" schimpfe - kann mir eigentlich keinen anderen Lebensmittelpunkt vorstellen...
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