Die Weiße Rose ist und bleibt ein ganz wichtiges Stück nachkriegsdeutscher Erinnerungskultur. Die Bewegung hat ihren festen Platz im Kanon der Kämpfer gegen Hitler und den Nationalsozialismus. Dass der Autor Zoske Theologe ist, mag nicht sonderlich ins Gewicht fallen, allerdings bleiben in seinem Buch die politischen Dimensionen m.E. deutlich unterbelichtet. Das Buch ist an etlichen Stellen leider nicht eindeutig verständlich - ob dies am Autor oder einem schlechten Lektorat liegt, bleibe mal dahingestellt. Dies vereint sich mit einer Problematik, die unten aufgegriffen wird und die in heutigen Zeiten der Aufarbeitung kirchlich sexualisierter Gewalt so nicht mehr stattfinden sollte:
Der Widerstandskreis der Weißen Rose prangerte ab dem Sommer 1942 in Flugblättern das NS-Regime an und rief zur Beendigung des Kriegs auf. Am 18. Februar 1943 wurden Hans und Sophie Scholl beim Auslegen des sechsten Flugblatts in der Münchner Universität ertappt. Der Kreis flog auf, niemand überlebte die Unrechtsjustiz. Robert M. Zoske beschreibt, wer die Freiheitskämpfer waren, wie sie sich zusammenfanden und ihre geheimen Aktionen durchführten und warum ihr mutiges Handeln bis heute ein Vermächtnis ist.
Zoske ist in jenen Passagen souverän, die sich mit den Glaubensausrichtungen der Kernmitglieder der Weißen Rose beschäftigen. Auch die geisteswissenschaftlich-kulturellen Bezüge zu Stefan George usw. werden herausgearbeitet. Zudem weist der Autor zurecht deutlich darauf hin, dass der Personenkreis der Weißen Rose durchaus national bis nationalsozialistisch (zumindest zu Beginn) eingestellt war, sich dann aber etliche daraus vom Regime bzw. deren Protagonisten abwandten und Hitler zum gemeinsamen Feindbild wurde.
Nun zu zwei Problemstellen, die m.E. in Zeiten, in denen die protestantische und katholische Kirchen zusehends die sexualisierte Gewalt institutionell aufarbeiten. Hans Scholls sexueller Missbrauch eines Minderjährigen ihm Schutzbefohlenen wird lapidar beschrieben: "Zum Vorwurf illegaler Jugendarbeit traten Ermittlungen gegen ihn wegen Homosexualität ... und ... sexuellen Missbrauchs Abhängiger". Ohne dies weiter zu kommentieren relativiert der Autor diese schreckliche Tat, indem er Scholl als Täter zu Wort kommen lässt, der die Vielzahl der sexuellen Kontakte daraus plausibilisiert, dass seine Liebe zu dem Minderjährigen so stark gewesen sei, dass sie einen (sexuellen) Ausweg gesucht habe. Kein Wort der Einordnung dieses Sachverhalts, der auch noch so geschildert wird, als ob er nicht zwingen stattgefunden habe. Eine weitere sexuelle Verfehlung von Hans Scholl wird sprachlich - wie weite Stellen des Buchs insgesamt - nicht eindeutig geschildert, sodass der Leser über die Art der Verfehlung sowie die handelnden Akteure nicht aufgeklärt wird. Letztlich muss sich der Leser selbst plausibilisieren, was gemeint ist: "Am 24. Februar ergänzte sie (Sophie Scholl ist wohl gemeint, was sprachlich im Gesamtkontext nicht eindeutig ist, St. S.) freiwillig ihre Aussagen. Scholl habe ihr Morphium gespritzt und sie politisch und sexuell manipuliert." Diese das Andenken von Hans Scholl durchaus relativierenden Straftaten hätten m.E. einer kritischen Würdigung durch den Autoren bedurft, ohne dabei die politische Widerstandsdimension, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, zu schmälern. Dies ist leider nicht erfolgt. Leider ist "Die Weiße Rose" insofern keine gelungene Ergänzung zur bereits vorhandenen NS-Widerstandsforschung.