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Stefan_Albus

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Cover des Buches Für 'ne Moment (ISBN: 9783455501773)

Bewertung zu "Für 'ne Moment" von Wolfgang Niedecken

Für 'ne Moment
Stefan_Albusvor 13 Jahren
Rezension zu "Für 'ne Moment" von Wolfgang Niedecken

"Verdamp lang her, dat ich bei dir am Jraav wohr ..." - klar! Aber an wessen eigentlich? Keine unwichtige Frage - mich hat sie etwa 2,5 Jahrzehnte verfolgt, denn für mich gehören BAP-Songs seit "Für usszeschnigge" zum Soundtrack meines Lebens. Darum war mir, als würde mir meine Buchhändlerin statt der neuen Autobio des kölschen Dylans einen Goldbarren in die Tüte stecken. Sicher: Es steht Niedecken drauf, also ist natürlich auch Niedecken drin - an diesem Mann scheiden sich ja seit Jahren die Geister, und wer ihn bislang nicht leiden konnte, wird nach Lektüre dieses Epos auch nicht auf die Knie fallen und sich den Inhalt des Aschenbechers über die Stirn kippen.
Was ich an Niedecken mag, ist der ruhige Blick auf die lyrischen, stillen Momente des Alltags, vor denen man oft mit offenem Mund steht und sich sagt: "Daran möchte ich mich immer erinnern!" Der bekennende Böll-Verehrer schafft es irgendwie, einige davon aufzuschreiben, in Akkorde einzuwickeln und so für kommende Tage zu konservieren, in denen es mal nicht so rund läuft. Dieses Talent trägt auch das Buch: Es enthält tonnenweise Sätze, die man sich anstreichen möchte – "Für ne Moment" gehört ganz sicher zu den Top-10 der Bücher mit den meisten Eselsohren in meiner Bib.
Für BAP-Fans (und -Verächter) kommen natürlich noch eine ganze Menge Körner hinzu. Man erfährt zum Beispiel einiges über Gründung, Zusammenrütteln, Aufstieg und ... - na ja, nennen wir es "die Entwicklung hin zur heutigen Besetzung" der Band, auch wenn der Dissens mit "Major" Heuser und der Ausstieg zum Beispiel "Effendi" Büschels nicht eben in grelles Licht getaucht werden. Aber das Werk ist eben eine Autobiografie und kein Spex-Gutachten. Außerdem ist BAP ja nur eine von vielen Facetten, die den Mann ausmachen: Niedeckens zweites Leben als Maler zum Beispiel kannte ich bislang auch nicht - spannend! Und inspirierend.
Etwas schwer zugänglich fand ich zuweilen leider die gedanklichen Sprünge, die sich Niedecken und sein Coautor Oliver Kobold leisten - oft geht es nämlich nicht chronologisch voran, sondern, nun ja: in Themenkomplexen. Der Leser wird immer wieder in Exkursen etwa über "Niedecken und Beuys" durch die Jahrzehnte gewirbelt und irgendwann wieder über dem ursprünglichen Zeitstrahl abgeworfen, wo er sich verwundert die Augen reibt, weil er plötzlich wieder in Kneipenszenen mitgenommen wird, die gerade eben noch 20 Jahre zurücklagen.
Aber es ist ja auch ein Buch und keine Soap. Ein Personen- und vielleicht Ortsregister wäre allerdings schön gewesen, um die vielen lockigen Episoden nachträglich etwas kämmen zu können, und Bildunterschriften hätten ebenfalls Spaß gemacht ("Wer ist denn der Typ neben Mick Jagger?" "Ich glaub' Niedecken ..." "Ach so ... ja, kann sein ...").
Trotzdem hat mir "Für ne Moment" viel Spaß gemacht. Jetzt weiß ich auch, warum Niedecken überhaupt Kölsch singt, wer "zaubre kann" oder "Jraduss" bleiben soll. Und an welchem Grab er damals stand. Verdamp lang her.

Cover des Buches Unter deutschen Betten (ISBN: 9783426783979)

Bewertung zu "Unter deutschen Betten" von Justyna Polanska

Unter deutschen Betten
Stefan_Albusvor 13 Jahren
Rezension zu "Unter deutschen Betten" von Justyna Polanska

Das größte Wunder ist eigentlich, dass sie trotz allem in Deutschland bleiben will – stellenweise liest sich das, was Justyna Polonska hierzulande mit Lappen und Schrubber in der Hand zustößt, nämlich wie ein 2011er-Remake von Wallraffs „Ganz unten“.
Sicher: Zunächst einmal ist das Buch ein Beispiel dafür, wie smarte Lektoren mit der passenden Titelwahl, nun ja, sagen wir: Kaufanreize schaffen können, die ein Opus am Ende nicht einlöst. OK: Man erfährt im Buch tatsächlich irgendwann irgendwie auch, was unter deutschen Betten so vor sich hinmodern kann. Sogar Putztipps gibt es. Aber um Wollmäuse, Sanitäranlagen in bemitleidenswertem Pflegezustand und vergessene Hamsterleichen geht es in dem Buch eher am Rande. Stattdessen ist es über weite Strecken ein Bericht vom alltäglichen Nahkampf an der bundesdeutschen Migrantenfront, an der sich eine rechtschaffene Polin gegenüber rechthaberischen Rentnern, geizigen Hausdamen mit Herrenmenschen-Allüren und tumben Freaks behaupten muss, die sich eher für ihre Körbchengröße als für ihre Arbeit interessieren – um nur einen kleinen Ausschnitt aus der aufgebotenen Palette des alltäglichen „Vorne-hui-hinten-pfui“-Panoptikums zu erwähnen.
Wie Polonska mit diesen Herausforderungen umgeht, ist allerdings spannend genug, um über einige kurzweilige Lesestunden zu tragen. „Vergnügliche“ Stunden sind es allerdings eher nicht – dazu ist vieles, was die polnische „Perle“ uns auftischt, viel zu peinlich: Shoppen in New York – aber keine zehn Euro mehr für die Dame am Staubfeudel? An einem heißen Tag literweise kühle Limo kippen – und die durstige „Putze“ dann gerade mal die leere Kanne wegräumen lassen? Leute mit Tendenz zum Fremdschämen dürften bei der Lektüre einige Gelegenheiten finden. Aber auch das Gegenteil: Danke, „Mr. Chaos“ – you saved my day! So. Und ich sag‘ ab jetzt auch nie wieder „Putzfrau“. Obwohl „Haushaltshilfe“ für mich klingt wie „Entsorgungspark“. Aber so ist das vielleicht manchmal.

Cover des Buches Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht (ISBN: 9783499624759)

Bewertung zu "Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht" von Dieter Moor

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht
Stefan_Albusvor 13 Jahren
Rezension zu "Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht" von Dieter Moor

Es gibt Bücher, die hängenbleiben. Dieses hier klebt geradezu. Aber in schön! Denn Dieter Moor zieht durch, was sich Viele wünschen: raus aus der Stadt, aufs Land, endlich den true big step machen vom falschen ins wahre Leben! Aber he – kann das klappen?
Ja! – soviel vorweg. OK – eigentlich kam die Idee von Moors Frau: Ein Hof in Brandenburg! Plattes Land, das gepflügt werden möchte, Gegend zum Hinknien … und – nanu: Techno-Events in Hörweite, Neonazis – und seltsame, schräge Nachbarn. Und jetzt? Obwohl… schräge Nachbarn? Na ja … mal sehen. Das Schönste an Moors herzenswarmem Buch ist für mich die Offenheit, mit der er auf seine neuen Mitmenschen zugeht und sich lieber über den verklemmten Toblerone-Mann in sich kaputtlacht als über die Leute nebenan, die sich schon seit Jahrhunderten die Brandenburger Erde aus den Stiefeln kratzen und sich „ehrlich machen“. Von „mein Gott, was soll ich hier“ über „na ja, mal sehen, was kommt“ bis zum ersten Prost auf dem Feuerwehrfest – Moor schildert den klassischen Dreisprung des aufgeschlossenen Verwurzelten so sympathisch, dass man auf der Stelle Haus und Hof verticken möchte, um in Hintergraubrot oder sonstwo einen Traktor anzuwerfen und die Hand über reife Gerste streichen zu lassen.
OK – kann man ja immer noch. Für‘s erste reicht zum Glück dieses Buch: Eine kleine große Wohlfühl-Herzmassage und unbedingte Leseempfehlung für alle, die vom täglichen Stau auf dem Weg ins muffige Büro die Nase voll haben und ahnen, dass es wichtigeres gibt als Quartalszahlen: Freunde zum Beispiel. Und gute Nachbarn.

Cover des Buches Barfuß auf dem Dixi-Klo. Triathlongeschichten vom Kaiserswerther Kenianer. (ISBN: 9783936973563)

Bewertung zu "Barfuß auf dem Dixi-Klo. Triathlongeschichten vom Kaiserswerther Kenianer." von Lars Terörde

Barfuß auf dem Dixi-Klo. Triathlongeschichten vom Kaiserswerther Kenianer.
Stefan_Albusvor 13 Jahren
Rezension zu "Barfuß auf dem Dixi-Klo. Triathlongeschichten vom Kaiserswerther Kenianer." von Lars Terörde

Schade, dass Triathlon niemals ein Massensport wird – dieses Buch würde Lars Terörde dann unter Garantie reich und berühmt machen. Sein Held, der "Kenianer" könnte sich dann genau das Superspezialkohlefaser-Bike aus dem Schaufenster seines Lieblingsausrüsters greifen, vor dem er bislang mutmaßlich wie ein 16-jähriger vor einem Porsche-Laden hin- und herschleichen muss. Und müsste vor allem seine zeitaufwendigen Trainingspläne nie wieder pulverisieren lassen durch Besuche bei Kindergarten-Theateraufführungen oder Kaffeekränzchen bei der Schwiegermutter. Oder ähnlich nebensächliche Termine, die von Ehepartnern und ähnlichen Leistungsbremsen zuweilen in den Raum geworfen werden. Jede Wette: Spätestens 2012 würde der Kenianer dann beim Ironman auf Hawaii seinen großen Zeh in den pazifischen Ozean stecken.
Aber mal im Ernst: X Kilometer schwimmen, dann Y0.000 Meter radeln bis der Arzt kommt und am Ende noch Z Kilometer rennen (setzen Sie hier ruhig alle Zahlen zwischen zwei und 42 ein, die Ihnen in den Kopf kommen) - das dürfte etwas sein, was nur wenige in ihrer DNS finden können. An die richtet sich aber das Buch. OK, um an Terördes Heldenepos seinen Spaß zu haben, muss man hightech-Rädern und Neopren-Anzügen nicht unbedingt etwas abgewinnen können - aber vor einem netten kleinen Halbmarathon sollte man auch nicht unbedingt fies sein.
Dann aber macht's Spaß: Denn Terörde entführt den Leser mitten in die Welt der Tempo-Freaks, Gel-Lutscher, Windschatten-Fahrer, Funktionsklamotten-Fetischisten und GPS-Pulsuhr-Junkies. In kleinen Episödchen von achim-achilles'chem Format breitet der Autor ein Jahr im Leben eines zwei-zentner-Hobbysportlers aus, der das Pech hat, mit einem trainingsfaulen Schwager geschlagen zu sein, der offenbar trotz allem eine Kreuzung aus Jan Ulrich und Haile Gbrselassie ist.
Was macht man da, wenn das finale Duell ansteht? Trainieren, bis die Schwarte kracht, Frau zum Gelträger erziehen, den eigenen Sohn beschummeln. Und den Gegner sabotieren. Ein Sympathieträger ist der Held deshalb - nun ja: nicht immer unbedingt, aber den zum Teil doch arg kränkenden Zynismus eines Achim Achilles fährt Terörde dann auch wieder nicht auf - im Gegenteil. Zum Glück: So wird das Buch zu einer recht witzigen Konfrontation mit allem, was im Leben eines Triathleten so gut- und schiefgehen kann. Vieles davon kennt man auch als Genuss-Sportler, der sich schon mal zu einem Wettkampf hat schleppen lassen: Das Buch ist gewissermaßen 224 Seiten gebundenes Augenzwinkern unter Sportsfreunden.
So wird es vom bloßen Lesestoff zu einem schönen langsamen Lauf durch die Befindlichkeiten eines Freizeit-Ausdauersportlers und ganz nebenbei zu einer netten Motivationshilfe, die im Regal gleich neben der Dose mit den läufertypischen "Nahrungsergänzungsmitteln" und den Energyriegeln liegen sollte.
Und wer weiß? Vielleicht hilft das Buch ja mit, den Triathlon zum Massensport zu machen. Würd' mich freuen. Das Buch bekommt jedenfalls einen guten Platz im Regal mit den Laufbüchern.

Cover des Buches Zwei Esel auf dem Jakobsweg (ISBN: 9783936973181)

Bewertung zu "Zwei Esel auf dem Jakobsweg" von Tim Moore

Zwei Esel auf dem Jakobsweg
Stefan_Albusvor 13 Jahren
Rezension zu "Zwei Esel auf dem Jakobsweg" von Tim Moore

Von der heiligen Schrift gerade mal so viel Ahnung, wie man für "Das Omen" braucht – und trotzdem pilgern? Mit einem ESEL? Kann das gutgehen?
Ja! Und wie: Das knapp 380 Seiten starke Manuskript, das Tim Moore seinem Verlag nach etlichen Camino-Wochen auf den Schreibtisch knallt, gehört für mich zu den schönsten Jakobsweg-Berichten überhaupt! Kurzweilig, witzig, ein wenig durchgeknallt, alles andere als heilig - und deshalb doch so herrlich authentisch wie ein in der Meseta-Sonne durchgeschwitzter Pilgerhut.
Moore hat sich als Reisejournalist seine Sporen verdient, indem er als faule Couch-Kartoffel die Tour de France nachgefahren ist - und überlebt hat. Aber einen Rucksack vom Gewicht eines mittelgroßen Mammuts durch Spanien schleppen - muss vielleicht doch nicht sein. Aber he: Wozu lässt das Reglement Esel zu? Das Problem: Mit Shinto, seinem grauen Begleiter, bewahrt Moore seinen Rücken zwar vor dem vorzeitigen Zerbröseln, zieht ansonsten aber nicht unbedingt das goldene Los: Das Tier hat zum Beispiel Angst vor Brücken. Resultat: Umwege, Umwege, Umwege ... und überhaupt, wo stellt man einen Esel abends unter? Hauahauaheh: Eine ähnlich witzige Konstellation habe ich zuletzt bei Tony Hacks' "Mit dem Kühlschrank durch Irland" gefunden.
Aber keine Sorge: Moore meistert das. Und Shinto auch. Am Ende kommen beide in Santiago de Compostela an - Tim sogar ein ganzes Stück reifer, als er losgegangen war. Aber das ist vielleicht schon die größte Gemeinsamkeit mit vielen doch eher trockenen Pilgerberichten, die man im Laden so findet - das bekannte Kerkeling-Epos mal ausgenommen. Mein Fazit: Ein fünfsterne-Lesespaß für Pilgerweg-affine mit einem Tiefgang wie ein Übersee-Containerschiff voller Johannes-Evangelien. OK - sagen wir: Selbstfindungs-Schinken.
Und, ganz nebenbei, einer der ersten Auslöser für mich, mich selbst mal mit dem Gedanken an eine Pilgerwanderung zu beschäftigen. An ein eigenes Buch hatte ich damals nicht gedacht. Trotzdem erscheint es diesen März. Tja: Auch das kann der Weg mit einem machen. Tim Moore hatte mich gewarnt ;-)

Cover des Buches Tour de Franz (ISBN: 9783548268620)

Bewertung zu "Tour de Franz" von Cécile Calla

Tour de Franz
Stefan_Albusvor 13 Jahren
Rezension zu "Tour de Franz" von Cécile Calla

Tagesschau? Bild-Zeitung? Spiegel? Reicht nicht. Wer wissen will, wie wir Deutschen wirklich ticken, sollte sich ab und zu mal mit Ausländern zusammensetzen, die eine Zeit lang hier leben und einen guten "Blick" haben. Oder Bücher wie Cécile Callas "Tour de Franz" lesen.
Hier bekommt der deutsche Michel auf charmante und witzige Art einiges um die Ohren gehauen. Und es tut nicht mal weh - sondern schmeckt eher wie ein freundlicher Begrüßungskuss: Karneval, Spargel- und Steuerwahn, Malle - zu allem kann Calla, die es als junge Berlin-Korrespondentin einer französischen Zeitung nach Deutschland verschlagen hat, eine erfrischende Story erzählen.
Und ich habe immer wieder mitgegrinst, -gelacht, -geprustet. Nicht zuletzt auch, weil Cécile Calla weiß, dass auch in Frankreich so mancher Nagel schräg in der Wand sitzt. Letztlich ist es gar nicht so schlimm, ein deutscher Spießer zu sein - wer keine Eigenart hat, ist noch langweiliger. Also: lieber Gartenzwerge sammeln als gar kein Hobby haben. Oder, anders ausgedrückt: Nur wer ein Gesicht hat, kann auch lachen. Dann ist ab und zu ernst gucken auch kein Problem.
Mein Fazit: "Tour de Franz" hat meinen Horizont erweitert und richtig Spaß gemacht! OK, ist kein Elias Canetti, aber ich empfehl's trotzdem gerne weiter. Einziger Haken: Cécile Calla findet Bücheregale im Wohnzimmer seltsam - in Frankreich gelten die Lieblingsbücher als was intimes. Die zeigt man nicht jedem. Ich fürchte, LovelyBooks hätte es zwischen Bayeux und Nizza ziemlich schwer ;-)

Cover des Buches Sieben Tage in der Kunstwelt (ISBN: 9783100780225)

Bewertung zu "Sieben Tage in der Kunstwelt" von Sarah Thornton

Sieben Tage in der Kunstwelt
Stefan_Albusvor 13 Jahren
Rezension zu "Sieben Tage in der Kunstwelt" von Sarah Thornton

Sie malen Bilder? Schaffen Skulpturen? Dann ein guter Rat: Ab in den Keller damit! Schnell! Besser, Sie zeigen das Zeug niemandem. Es sei denn, Sie sind ein durchgeknallter Borderliner mit dem Gewissen eines Lehman-Bankers, dem Vermarktungsgespür eines Drückerkolonnen-Managers und dem dicken Fell eines CSU-Ministerpräsidenten.

Denn anders werden Sie mit ihren Werken keinen Erfolg haben. Und falls doch, ihn kaum überleben – das sind zumindest die Folgerungen, die man aus Sarah Thorntons Buch ziehen kann. Kann das sein: Der Kunstmarkt von der Laune einiger weniger Spin-Doktoren abhängig, Kunst eine Ware, der man weniger Respekt entgegen bringt als einer Tüte Bücklinge an einem Bottroper Marktstand, Großkünstler eher Manager als inspirierte Schöpfer neuer Ideen, die uns alle weiterbringen? Nun ja: Ja.

Im Ernst: Thornton ist keine Journalismus-Praktikantin, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, sondern eine versierte Journalistin, die sich die Brennpunkte der Kunstwelt einmal genauer angesehen hat. Unaufgeregt, sachlich und dich mit einem guten Gespür für die Stellen, an denen es "Klick" macht, zeigt sie in ihrem Buch, was der "Kunstmarkt" heute ist: Ein Reaktor kurz vor dem Durchgehen, die nächste große Spekulations-Blase, ein Haufen Könige ohne Kleider, die jede Woche um ein anderes Platin-Kalb tanzen - auf jeden Fall etwas, vor dem wahre Künstler ihre Werke besser in Sicherheit bringen.

Mein Fazit: Unbedingt lesenswert! Für Kunstliebhaber in etwa das, was früher die "So reparier' ich es selbst"-Schinken für das eigene Auto waren. Und vielleicht ein Anreiz, bei zeitgenössischer Kunst endlich nicht mehr auf das zu achten, was die Medien dazu raustun, sondern auf das, was der eigene Verstand dazu sagt. Kunst wirkt nämlich nicht durch die Brieftasche. Sondern durch den Hinterkopf.

Cover des Buches So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein! (ISBN: 9783462041118)

Bewertung zu "So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!" von Christoph Schlingensief

So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!
Stefan_Albusvor 13 Jahren
Rezension zu "So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!" von Christoph Schlingensief

Der Tod kann nicht lesen. Sonst, so bin ich mir sicher, hätt' er Christoph Schlingensief noch ein paar Jahre unter uns gelassen.

Sicher, über die öffentliche Person Schlingensief kann man streiten. Künstler? Punk? Kind? Choleriker? Blender? Visionär? Ach ja ... Wie so oft, wenn man einen bestimmten Bekanntheitsgrad erreicht hat, ist man letztlich das, was die Leute aus einem machen. Egal - hier, auf diesen 255 Seiten, findet man jedenfalls den Menschen hinter all dem Mediengetöse. Voller Angst und doch voller Kraft, extrem verletzlich und trotzdem - nun ja: inspirierend. Sogar in seinen letzten Monaten noch, sogar dann, wenn er von Angst eigentlich gelähmt ist. Denn Thema des Buchs ist gar nicht mal unbedingt der Tod. Sondern das, was wir ihm täglich abringen sollten. Nicht das Sterben, sondern die Frage, wie wir leben sollten.

Sicher: Dieses Buch zu lesen macht keinen Spaß. Es greift einem nach der Kehle. Aber man sollte zumindest versuchen, sich hineinzuwagen. Christoph Schlingensief hat mir jedenfalls noch einmal gezeigt, wie selbstverständlich uns doch Vieles geworden ist, vor dem man doch eigentlich mit offenem Mund stehen sollte. Täglich.

Schließlich kann Jeder heute um fünf nach drei vor einen Gurkenlaster laufen. Traurig, wenn dann nur noch der Bestatter helfen kann. Noch trauriger, wenn dann Träume unter die Räder gekommen sind, die man bis zum Gongschlag eigentlich locker hätte realisieren können.

Ich muss irgendwann mal an sein Grab fahren.

Cover des Buches Unser allerbestes Jahr (ISBN: 9783596182244)

Bewertung zu "Unser allerbestes Jahr" von David Gilmour

Unser allerbestes Jahr
Stefan_Albusvor 13 Jahren
Rezension zu "Unser allerbestes Jahr" von David Gilmour

Es gibt wahre Geschichten, die ziehen jeden Roman an den Ohren in die Ecke und lassen ihn da in Eselsmütze stehen. Vielleicht liegt es daran, dass Stories, durch die man selber durchmuss, mehr reiben und wehtun als alles, was man sich im Ohrensessel ausdenken kann - das Leben schreibt ja oft die besten Geschichten. Und gute Autoren erkennt man daran, dass sie ein Auge dafür haben und rechtzeitig den Kuli zücken.

David Gilmour ist so einer. Ein Vater verdonnert seinen Sohn, der einen tiefgefrorenen Galapagos-Leguan in Sachen Lebensfreude locker unterbieten würde, zum Filmegucken. Gemeinsam auf's Sofa. Schauen. Reden. Und dann mal sehen. Kann das Gutgehen?

Nun, man mag sich das Ergebnis denken. Aber darum geht es nicht. Mir jedenfalls ist durch das Buch wieder mal klar geworden, was für eine prägende Kraft gute Filme in unserer Kultur haben. Klar: Die Leinwand ist die Projektionsfläche unserer Träume und Ängste, aber es funktioniert eben auch umgekehrt (wie man übrigens auch aus der Werbung viel über unsere Gesellschaft lernen kann).

Ganz nebenbei hat David Gilmour auch noch eine wirklich berührende Vater-Sohn-Geschichte geschrieben, buchstäblich einen Entwicklungsroman aus Vogelperspektive. Man glaubt dem Erzähler, dass es ihm wirklich um was geht - was ich so manchem Krimihelden nur nach einem langen Seufzer zugestehe.
Unterm Strich: Ziemlich großes Kino, finde ich! Ich war traurig, als die letzte Klappe fiel. Das will was heißen.

Cover des Buches Altwerden ist nichts für Feiglinge (ISBN: 9783579067605)

Bewertung zu "Altwerden ist nichts für Feiglinge" von Joachim Fuchsberger

Altwerden ist nichts für Feiglinge
Stefan_Albusvor 13 Jahren
Rezension zu "Altwerden ist nichts für Feiglinge" von Joachim Fuchsberger

Schon in jungen Jahren ergraut - aber jetzt erst wirklich alt. Und weise? Ja, auch das. Auf dieses Buch bin ich durch ein Video aufmerksam geworden, das der Verlag bei FB eingestellt hat - da wusste ich auf der Stelle, dass das irgendwann in meinem Regal stehen würde.

Jetzt hab' ich's gelesen. Und? OK, ist keine große Literatur, aber dafür haben wir ja Handke & Co. Gelohnt hat sich's trotzdem - und wie! Was Peter Ustinov gesagt hat: "Alte Menschen sind gefährlich, weil sie vor der Zukunft keine Angst mehr haben" – auf Joachim Fuchsberger trifft es zu. Der Mann war ja immer schon ein Freund der klaren Ansage. Und es ist spannend, aus dem Munde eines der ersten Actionhelden des deutschen Films zu hören, wie es sich anfühlt, wenn man auf dem Weg in den Keller mehr Pausen machen muss als eine Mount-Everest-Expedition in zwei Wochen. Alt sein ist schon übel – aber nicht soo schlimm, weil die Jahre ab 70 eine Menge anderer Vorteile haben. Man kann zum Beispiel den einen oder anderen Dummschwätzer reden lassen, ohne sich drüber aufzuregen. Oder endlich mal sagen, was man denkt, ohne dass einem die Neunmalklugen dieser Welt irgendwas am Zeug flicken können. Außerdem kommt man ab 70 umsonst in den Zoo.

Ich bin sicher, dass alte Menschen viel zu sagen haben. Hier ist einer, dem man vielleicht sogar zuhört. Endlich.

Mich hat das Buch berührt. Und: Jetzt möchte ich auch 80 werden ;-)

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