Bewertung zu "Kritik der mörderischen Vernunft" von Jens Johler
„Der freie Wille ist eine Illusion.“ Dieser Meinung sind einige namhafte Neurowissenschaftler und Neuroethiker und planen die absolute Kontrolle des Menschen. Genau diese sind es auch, die in den Fokus des Mörders, der sich selbst den Namen Kant verleiht, rücken. Kant hinterlässt an den Tatorten Zitate aus einem Buch Richard Trollers, welcher als Wissenschaftsjournalist und Mitglied eines Philosophiezirkels mit den wissenschaftlichen und philosophischen Themen gleichermaßen vertraut ist. Außerdem scheint der Mörder unerklärlicherweise eine besondere Bindung zu Troller zu haben, da er sich ausschließlich mit ihm über E-Mails in Verbindung setzt und seine Taten zum Teil ankündigt.
Zusammen mit seiner Lebensgefährtin und Kollegin Jane Anderson geht Troller den Nachrichten ‚Kants’ auf den Grund und deckt nach und nach ein weit reichendes Netz von Korruption und Verschwörungstheorien auf. Dabei geraten sowohl Jane als auch Troller zunehmend in Gefahr...
Am Anfang des Buches stellte sich mir die Frage, ob philosophische Probleme und spannende Wissenschaftserkenntnisse eine gelungene Mischung und schließlich einen glaubhaften Thriller ergeben könnten. Nach dem Lesen bin ich nun davon überzeugt. Jens Johler schafft einen sehr gelungenen Spagat zwischen beidem und es gelingt im zusätzlich auch noch, die Spannung über das gesamte Buch hinweg aufrecht zu erhalten. Dies bewirken neben der interessanten und in meinen Augen sehr gut recherchierten Handlung vor allem die Kapiteleinteilungen. Johler wechselt immer wieder zwischen den Erlebnissen Janes und Trollers hin und her und „zwingt“ den Leser dadurch regelrecht zum Weiterlesen. Er nutzt die Spannung also optimal aus, um das Buch bestmöglich wirken zu lassen.
Das Verstehen der Sachverhalte ist nicht immer einfach, allerdings liefert Johler durch die einzelnen Charaktere des Buches immer Erklärungen zu genannten Begriffen oder Sachverhalten. Dies ist wichtig, da der philosophische Anteil des Buches, wie der Titel bereits vermuten lässt, natürlich recht hoch ist.
Bedingt durch die anspruchsvolle Thematik ist das Buch teilweise nicht ganz so flüssig zu lesen, wie es bei manch anderen Thrillern der Fall ist – aber man wird als Leser auf jeden Fall belohnt, denn man bekommt einen Einblick in die Welt der Wissenschaften, der einerseits zwar beängstigend, andererseits aber auch absolut faszinierend ist. Es zeigt sich einmal mehr, dass die Möglichkeiten schier grenzenlos sind – inwieweit man diese Möglichkeiten als Chance oder als Fluch ansieht, wird jeder Leser für sich selbst beantworten können und müssen. Tatsache ist aber, dass die Darstellungen Johlers, auch wenn das Buch an sich natürlich fiktiv ist, wissenschaftlich fundiert sind und auf verschiedenen wissenschaftlichen Vorträgen, Aufsätzen und Büchern basieren, wie er im Nachwort deutlich macht.
Negativ anzumerken ist an dem Buch für meine Begriffe nicht viel. Einzig die Beziehung Trollers zu Kant wirkte etwas unrealistisch auf mich – aber auch dies war nur im ersten Moment der Fall.
Insgesamt ist „Kritik der mörderischen Vernunft“ für mich ein sehr spannender Thriller mit einer hochinteressanten Thematik und einer absolut gelungenen Umsetzung. Es handelt sich definitiv nicht um ein Buch „für zwischendurch“, sondern ist anspruchsvoll und wird nach dem Lesen noch eine Weile in den Gedanken des Lesers verbleiben. Ich möchte das Buch ausdrücklich empfehlen.