Bewertung zu "Die drei Betrüger: Historischer Roman" von Ursula Janßen
Eine Rahmenhandlung, eine Binnenhandlung und als Leser steht man zu beiden Erzählungen (der knapp gehaltenen äußeren wie der auserzählten inneren) in einem Abstand von satten dreihundert Jahren. Dass diese Reise, die fast wie eine Odyssee anmutet - und nein, das ist kein Zufall, denke ich -, eine Menge Stoff zum Nachdenken bieten würde, habe ich mir nach den Erfahrungen mit "Die Spur des Emirs" bereits gedacht und wurde in keiner Weise enttäuscht. 'Die drei Betrüger' ist eine absolut lesenwerte Leseerfahrung, die jedem ans Herz gelegt sei, der gern auch unter die Oberfläche eines Romans eintaucht!
Ursula Janßens Roman ist kein typischer historischer Roman. Das Wort Parabel habe ich oben nicht zufällig verwendet, denn hier ist vieles verdichtet, die Spuren verschiedenster berühmter Schriften und ganzer Bibliotheken und historische Figuren von höchstem Rang geben sich ein Stelldichein in der gralsartigen Suche (auch das keine zufällige Assoziation, sondern von der Autorin sicherlich bewusst erzeugt) des fiktiven Protagonisten Hieronymus Bender. Und die Parallelen und die Moral, die sich aus seinen Erlebnissen für unsere heutige Zeit ziehen lassen, sind nicht zu übersehen.
Die Macht der Bücher bildet einen entscheidenen Aspekt in dieser Geschichte: Bücher, die ihre Wirkung entfalten und dann verlieren; Bücher, die nur Personen zugänglich sind, die sich fremden Sprachen öffnen; Bücher, die niemand lesen kann und von denen trotzdem eine geradezu unheimliche Sogwirkung ausgeht - und Bücher, die (vielleicht) gar nicht existieren, und die trotzdem die größten Geister beschäftigen und Unglaubliches auslösen können.
So wirft die Geschichte des Hieronymus Bender und der vielen anderen Bibliophilen und Bibliomanen, die in dieser Geschichte auftreten, viele Fragen auf. Offensichtlich die Frage nach der Existenz des berüchtigten Manuskripts, das Bender suchen soll. Die nach der Legitimität der drei großen monotheistischen Religionen. Etwas weniger offenkundig die nach der eigenen Haltung zu der Frage, ob es Gott überhaupt gibt. Und die Frage nach der Bedeutung einer vielleicht vollkommen sinnlosen, weil ziellosen Suche.
Aber besonders auch die Frage nach Glaube und Religion, nach unserem eigenen Bild von Frömmigkeit in früheren Zeiten wird auf den Prüfstand gestellt und vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges ein Panorama samt einer beachtlichen Riege historischer Figuren vor dem Auge des Lesers ausgerollt, die aufzeigen, welche Auswirkungen zügellose Kriege und das vorgeblich religiös begründete Streben nach Macht auf die Weltsicht der nachfolgenden Generationen gehabt haben.
Die protoaufklärerischen Ideen und die Selbstverständlichkeit, mit der arabische Gelehrsamkeit und die damals liberale islamische Religionslehre(n) in die Wahrnehmung der Gelehrten im Okzident jener Zeit hineinspielen, sind ein echtes Highlight dieser Geschichte, die auf so vielen verschiedenen Ebenen Reisen und Entwicklungen nachzeichnet und am Ende zwar keine fertige Antworten liefert, aber eines sehr deutlich zeigt:
Wer einfache Antworten erwartet und einfordert, der will und wird betrogen werden.