SunReader

Es klingt vielleicht abgedroschen, doch dieses Buch hat mich wirklich verändert. Schon oft habe ich meine sozialen Medien gelöscht, da es mir zeitweilig zu viel wurde und ich diesen radikalen Schritt als befreiend empfand. Nach einiger Zeit halb offline packte mich dann doch die Neugier und ich wollte wissen, was im Leben der anderen vor sich geht und wer mir folgen möchte, meine Bilder geliked oder kommentiert hat. Plötzlich waren die Apps wieder da und mit ihnen auch die kolossale Zeitverschwendung. Stundenlanges Scrollen raubten mir meine Freizeit und Gedanken über das eigene Profil und die Lebensgestaltung anderer nahmen viel zu viel Raum ein.

Die Handlung des Romans "Der Circle" von Dave Eggers treibt diese Entwicklung auf die Spitze. Zu Anfang steht die grenzenlose Kommunikation im Mittelpunkt, eine der zahlreichen Philosophien des Unternehmens, dessen Namen der Titel schon verrät und in dem Mea einen der begehrten Arbeitsplatze ergattern konnte. Voller Motivation und überwältigt vom digitalen Fortschritt ihres neuen Arbeitgebers stürzt sie sich in die eher eintönige Arbeit des Kundensupports. Sie macht sich gut, dennoch missfällt ihren Vorgesetzten Meas Freizeitgestatlung: Sie teilt einfach nicht genug. Kayak fahren, Veranstaltungen besuchen - alles erlaubt, aber bitte mit umfangreicher Dokumentation, Meinungsäußerung und Weiterverbreitung. Wer nicht jeden Aspekt seines Lebens mit der Circle-Gemeinschaft teilt, stört deren Kommunikation, gilt als asozial und wird unaufhörlich zu angehalten, sein Verhalten zu verbessern. Numerische Darstellungen der Leistung und Partizipation dienen als Indikatoren und zeigen den jeweiligen Rang im Unternehmen. Mea - jung, dankbar und voller Enthusiasmus - stürzt sich schon bald in eine Welt vollkommener Überwachung, die nicht nur die Vorteile moderner Technologien und der globalen Vernetzung aufzeigt.

"Der Circle" war nicht mein erster dystopischer Roman und doch hat er mich besonders stark berührt. Der Fakt, dass wir auf solch eine Welt zusteuern und Unternehmen wie Google und Facebook dabei sind, genau diese Visionen umzusetzen, es teilweise schon getan haben, erhöht die Glaubwürdigkeit und Aktualität der eigentlich fiktiven Geschichte um ein Vielfaches. Vollständige digitale Profile einer jeden Person, auf ewig gespeichertes und für jeden zugängliches Wissen, freiwillige und unfreiwillige Überwachung des privaten und öffentlichen Lebens sind schon lange keine Fiktion mehr. Wer aufmerksam liest und entsprechende Parallelen zieht kommt nicht umhin, sein eigenes digitales Auftreten zu überdenken und eventuell logische Konsequenzen zu ziehen.

Ich werde die digitale Welt nun noch bedachter nutzen und konsumieren. Auch wenn sie das Leben in vielen Bereichen erleichtert und oft schon unverzichtbar ist, können wir nach wie vor selbst entscheiden, was und wie viel wir preisgeben und sollten von diesem Recht unbedingt Gebrauch machen, bevor es zu spät ist.