Bewertung zu "Die Wahrheit über das Lügen" von Benedict Wells
Ich lese gerne und oft Kurzgeschichten, deswegen wollte ich auch dieses Buch lesen.
Die Geschichten in diesem Buch würde ich alle als "ganz nett" bezeichnen. Ich will nicht bestreiten, dass Benedict Wells schreiben kann - sprachlich ist das Buch top. Die lesen sich gut und teilweise ist auch die ein oder andere nette Idee dabei, aber alles in allem nichts, was mich umgehaut hat.
Meiner Meinung nach ist das Schreiben von Kurzgeschichten nicht mit dem Schreiben von Romanen vergleichbar. In Romanen verfolgt man die Entwicklung von Charakteren über einen längeren Zeitraum hinweg, da ist mehr Zeit, um Gefühle zu entwickeln. Eine Kurzgeschichte muss es auf wenigen Seiten schaffen, den Leser hineinzuziehen, zu berühren und aufgewühlt zurücklassen. Das schafft keine dieser Geschichten. Sie haben zu wenig Tiefe.
Über die Geschichte "Die Nacht der Bücher" habe ich mich geärgert. Die Geschichte soll von einem (fiktiven) kleinen Jungen geschrieben worden sein. Doch danach klingt diese Geschichte nicht. Zum einen hätte Benedict Wells sie dann auch im Erzählstil eines Kindes schreiben müssen. Das hat er aber nicht. Sie liest sich wie eine Geschichte eines erwachsenen Autors. Zum anderen erzählt diese Geschichte davon, wie sich Bücher in einer Bibliothek unterhalten. Wenn wirklich ein Kind so eine Geschichte erzählen würde, dann würde es davon erzählen, wie sich Kinderbücher unterhalten, Pippi Langstrumpf, Harry Potter, Der Räuber Hotzenplotz, was weiß ich. In Benedict Wells' Geschichte unterhalten sich dagegen Tolstoi und Co. Kein Kind würde so eine Geschichte schreiben. Das ist überhaupt nicht authentisch.
Alles in allem würde ich das Buch als die perfekte S-Bahn-Lektüre bezeichnen. Eine Geschichte passt zwischen zwei Stationen. Danach klappt man das Buch zu und geht seinem Alltag nach, ohne noch länger über das Gelesene nachzudenken.