„Mühlensommer“ hat mich in Form eines Überraschungspäckchens samt selbstgebackenem Holzofenbrot erreicht. Und schon als ich das Buch in den Händen hielt, hat mich ein Gefühl von Nostalgie und Sehnsucht nach Hause überkommen. Ich bin zwar nicht auf einer Mühle aufgewachsen, aber auf einem Hof mit Hühnern, Kaninchen und Kühen in einem sehr, sehr kleinen Dorf. Und auch wenn meine Kindheit auf jeden Fall ganz anders war als die von Martina Bogdahn und ihrer Protagonistin Maria, habe ich doch auch direkt so etwas wie Verbundenheit und Vorfreude gefühlt.
In „Mühlensommer“ kehrt Maria – Leiterin einer Marketingagentur, mittlerweile Großstädterin und alleinerziehende Mutter zweier Teenager-Töchter – zurück auf den Bauernhof, auf dem sie aufgewachsen ist. Ihr Vater hatte einen Unfall und ihre Mutter braucht nun dringend Hilfe bei der Versorgung der Tiere und der dementen Großmutter. Für Maria wird es eine Reise in die Vergangenheit, während welcher sie sich der Frage stellen muss, welches Leben sie führen möchte.
Episodenhaft erinnert sie sich während ihrer Zeit auf dem Hof an schier endlose Sommer zwischen Freibad und Heuernte, an bitterkalte Winter, in denen der Mühlbach zur Schlittschuhbahn wurde, aber auch an die Ausgrenzung als das Mädchen, das immer irgendwie nach Stall roch, an konservative Ansichten und Einschränkungen, die das Leben auf einem Einödhof mit sich brachte. Für mich war es ein stetiges Hin und Her zwischen Nostalgie, Heimatgefühl und „Gut, dass heute doch einiges anders ist“.
„Mühlensommer“ gibt einen authentischen und manchmal auch urkomischen Einblick in das Landleben in den 1980er Jahren und setzt sich ganz nebenbei auch mit den Schwierigkeiten bäuerlicher Betriebe im 21. Jahrhundert auseinander. Ich mochte die Protagonistin Maria, die oftmals bittersüßen Anekdoten aus ihrer Kindheit und ihre Zerrissenheit zwischen „Jetzt“ und „Früher“, „Land“ und „Stadt“, „Familie“ und „Eigenständigkeit“. Ich hätte dabei gern noch ein wenig mehr über die erwachsene Maria, ihre Rolle als alleinerziehende Mutter und ihre Beziehungen (zu den Eltern, zu Freund*innen usw.) erfahren, denn die Episoden aus ihrer Kindheit sind doch wesentlich ausführlicher als jene in der Gegenwart.
Insgesamt aber ist „Mühlensommer“ ein Buch, das gleichzeitig Flucht aus dem Alltag und Heimkommen ist. Das ebenso lockerleicht wie stellenweise auch melancholisch und nostalgisch ist. Und das mir am Ende ebenso gut geschmeckt hat wie das frische Brot aus der Mäusleinsmühle, auf der die Autorin Martina Bogdahn aufgewachsen ist. „Mühlensommer“ ist ein wirklich starkes Debüt, das gleichermaßen zum Wegträumen und zum Innehalten einlädt. Mir hat es richtig gut gefallen.