Scarlett hat einiges zu bewältigen: Ihre Mutter leidet an einer mysteriösen psychischen Erkrankung, ihr Stiefvater steckt sie in ein abgelegenes Internat, und weder ihre Mitschüler noch ihre Lehrer sind ihr dort auf Anhieb sympathisch. Dann hört sie auch noch eine geheimnisvolle Stimme, die sie genau zu kennen scheint.
So beginnt der neue Roman Hochgeboren von Anja Urban, der den Leser gleich von Anfang an in Scarletts Gedanken, die Achterbahnfahrt ihrer Emotionen und ihre Entwicklung mit einbezieht. Bis zum Schluss wird die Geschichte konsequent aus ihrer Sicht erzählt, was eine sehr unmittelbare und lebendige Leseerfahrung schafft.
Wie es sich für einen Fantasyroman gehört, begegnet auch Scarlett allerhand Merkwürdigem: einer geheimen Kongregation von Menschen, die über besondere Fähigkeiten verfügen und sie als eine der Ihren erkannt haben, überraschenden Möglichkeiten der Entstofflichung und der Teleportation sowie der Gefahr durch einen mächtigen Beeinflusser, dessen Willen sich jeder beugen muss und zu dem sie eine engere Beziehung hat, als sie wünscht.
Ohne die Hilfe des attraktiven Mitschülers Raphael und ihrer Zimmerkollegin Leah wäre Scarlett da häufig heillos überfordert, doch beide handeln nicht immer so, wie Scarlett sich das erhofft, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen.
Der Roman hat sehr berührende Szenen - zum Beispiel als Scarlett ihre kranke Mutter besucht oder als sie ihr E-Mail-Tagebuch liest -, er weist ein großes Maß an Spannung auf - etwa als ein Lehrer ihr ein überaus wichtiges Buch abnimmt und sie es sich in einer halsbrecherischen Aktion zurückerobert -, und er bietet eine ordentliche Portion (erste große) Liebe einschließlich aller Begleiterscheinungen wie Unsicherheit, Scham, Eifersucht, Missverständnisse und so weiter.
Dies sowie das Alter der Ich-Erzählerin und die Internatsumgebung werden überwiegend ein jugendliches weibliches Publikum ansprechen, aber auch erwachsene Fantasyfans finden im ausgeklügelten genealogischen System der titelgebenden Hochgeborenen und ihren übernatürlichen Fähigkeiten viel Stoff zum Träumen und Weiterspinnen.
Mir gefallen vor allem die Kombination aus bodenständiger Realität und völlig abgefahrener, aber logisch durchkonstruierter Fantasiewelt sowie die Tatsache, dass ein durchgängig straffer Spannungsbogen aufrechterhalten wird. Außerdem ist Scarlett eine sympathische Jugendliche, die auch in ihren Schwächen und Fehlentscheidungen immer liebenswert bleibt. Dass es am Ende noch ein paar lose Fäden gibt, ist wohl dem Serienkonzept des Romans geschuldet und kann immerhin als Argument für den Kauf des nächsten Bandes gewertet werden.
TA_Wegberg
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