Ich habe den ersten Teil von „Die Ermordung des Commendatore“ bereits rezensiert und ich muss sagen, es fällt mir schwer, die beiden Teile als getrennte Bücher zu sehen und zu bewerten. Denn ist eigentlich nur ein Buch, eine Geschichte, die in der Mitte durchgeschnitten wurde. Es macht keinen Sinn, den zweiten Teil zu lesen, wenn man den ersten nicht kennt. Deswegen betrachtet meine Rezension beide Teile zusammen.
Darum geht es:
Der Ich-Erzähler in diesem Roman ist ein typischer Murakami-„Held“: 36 Jahre, führt ein ruhig Leben, erscheint ein wenig emotionslos, hört gerne klassische Musik und Jazz, bereitet sich gerne „leichte Mahlzeiten“ zu. Er wurde vor kurzem von seiner Frau verlassen, ohne vorher auch nur zu ahnen, dass etwas in ihrer Ehe nicht stimmt. In seiner Verzweiflung ist er erst eine Weile durch Japan gefahren, bevor er sich im Haus eines Freundes niederlässt. Es gehört eigentlich dem Vater des Freundes, der ein bekannter Maler ist, doch der ist wegen fortschreitender Demenz inzwischen im Pflegeheim. Das Haus liegt sehr abgelegen und ruhig. Der Protagonist ist selbst auch Maler, hat aber bisher vor allem Auftragsarbeiten als Porträtist durchgeführt, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Doch nach einiger Zeit im Haus treten vermehrt seltsame Ereignisse auf. Ob das alles Zufall ist?
Die Geschichte beginnt sehr realistisch, doch je weiter sie fortschreitet, desto mehr gruselige und phantastische Elemente kommen hinzu. Ich wähnte mich schon fast in einer Geschichte von Edgar Allen Poe, aber basierend auf japanischen Sagen und Brauchtümern. Das hat mir sehr gefallen und mich gefesselt, ich wollte das Buch gar nicht aus der Hand legen.
All das passiert in Teil 1, aber ich möchte nicht zu viel aus Teil 2 verraten, um nicht zu spoilern.
In Teil 2 nimmt der übernatürliche Teil der Handlung immer mehr Raum ein. Die Stimmung bewegt sich weg vom gruseligen hin zum phantastischen. Das bedeutet auch, dass es nicht immer unbedingt Erklärungen gibt für die Geschehnisse.
Nach der Lektüre von Teil 1 habe ich mich gefragt, ob die Handlung „die Kurve kriegt“, ob man als Leser zufrieden zurück bleibt, wenn man das Buch zuschlägt. Ich würde sagen: Eher nicht. Wer auf eine „Auflösung“ hofft, wird enttäuscht. Trotzdem kommt die Geschichte zu einem Abschluss.
Wenn ich nur nach der Handlung gehen würde, würde ich den Büchern wohl drei Sterne geben. Und das auch noch ausgebreitet auf 1000 Seiten! Aber: Murakami hat mich trotzdem gefesselt. Der „Murakami-Sound“ hat mich gefangen genommen und ich habe einfach gelesen, gelesen, gelesen. Ich weiß auch nicht, wie er das macht!
Manchmal habe ich mich gefragt, ob man das Buch (die Bücher) nicht hätte ordentlich kürzen sollen. Viele Gedankengänge und Szenen wiederholen sich, da fragt man sich, warum das jetzt schon wieder durchgekaut wird. Aber vielleicht traut sich niemand, Murakami-Sätze zu streichen? Ich könnte es dem Lektor nicht mal verübeln.
Es ist also so, dass ich es nicht bereue die beiden Bücher gelesen zu haben, aber sie waren auch kein absolutes Highlights. Generell habe ich festgestellt, dass ich die älteren Werke (ich kenne sie alle!) von Murakami mehr mag als die neueren.
Und zum Schluss möchte ich den Dumont Verlag für die wunderschöne Gestaltung der Bücher loben. Wirklich sehr, sehr gelungen! Ich lese auch gerne E-Books, aber bei diesen beiden lohnt es sich wirklich ein bisschen Platz im Regal dafür frei zu machen.