Bewertung zu "Vom Mond aus betrachtet, spielt das alles keine Rolle" von Anne Freytag
Anne Freytag hat ein neues Jugendbuch veröffentlicht, das ich im Rahmen einer Leserunde lesen und besprechen konnte. Vorab kann ich sagen, dass ich ein bisschen biased bin, weil ich schon lange ein großer Fan der Autorin bin. Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass dieses Buch einen etwas anderen Ton als ihre vorherigen Bücher verfolgt. Die Geschichte ist insgesamt eher ruhig, im Fokus der Handlung steht vor allem das Innenleben der Protagonistin Sally, die sich selbst eher als Nebenfigur ihres eigenen Lebens wahrnimmt. Erst als die Leni vorrübergehend bei ihrer Familie einzieht, beginnt sich etwas bei Sally zu verändern.
Spannend ist, dass die Geschichte beinahe ausschließlich an einem Ort spielt, nämlich Sallys Heim, in dem sie gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren drei Geschwistern lebt. Da die Geschichte während des Corona Locksdowns spielt, gibt es nämlich nicht viele Möglichkeiten etwas anderes zu tun als zuhause zu bleiben. Dort entspinnt sich jedoch eine Handlung, die vor allem einen Fokus auf zwischenmenschliche Beziehungen hat. Verschiedene Ereignisse rütteln sowohl die interfamiliären Beziehungen auf als auch das, was sich zwischen Sally und Leni zu entspinnen beginnt.
Mir hat der Schreibstil wie immer sehr gefallen. Anne Freytag schafft es Gefühle in Worte zu packen, die einen nicht nur mitfühlen lassen, sondern oft auch an vergleichbare Situationen erinnern, in denen man sich wiederfinden kann. Dabei sind ihre Formulierungen so treffend, dass theoretisch fast auf jeder Seite etwas fürs Poesiealbum finden kann, wenn man möchte.
Die Geschichte wird aus zwei Perspektiven erzählt, Sallys und Lenis, was meiner Meinung nach eine erfrischende Abwechslung bietet, weil beide Frauen sehr unterschiedlich sind und obwohl ich Sallys nach innen gerichteter, reflektierender Art mochte, war ich froh, auch eine andere Perspektive kennenzulernen.
---------- Spoiler im nächsten Abschnitt ----------
Es gibt nur einen Punkt, der mich etwas gestört hat, der aber auch nur auf meine persönliche Situation zurückzuführen ist. Trotzdem möchte ich ihn gerne ausführen. Ich bemühe mich dabei nicht allzu viel zu spoilern. In der Geschichte spielen das Thema Selbstfindung und Queerness eine Rolle. Ich bin ein großer Fan von queeren, sapphic Geschichten und wurde bei der Autorin in der Hinsicht auch noch nicht enttäuscht. Was ich allerdings schade finde, dass queere Coming Out Geschichten immer noch häufig um negative und ablehnende Reaktionen zentriert sind. Das ist auch leider hier der Fall. Insgesamt würde ich einen Handlungsstrang als mildly slow burn romance kategorisieren. Allerdings wird der Höhepunkt dieser Verbindung beinahe augenblicklich von Queernegativtität überschattet, was ich persönlich schade finde. Natürlich ist es wichtig, dass es diese Geschichten gibt, weil es sich hierbei nun mal um mögliche Reaktionen handelt, aber als queere Person bin ich mittlerweile etwas müde, dass es sich überwiegend um solche Geschichten handelt, wenn sie von queeren Personen handeln. Das ist wirklich nur meine persönliche Meinung und ich habe das Buch insgesamt sehr, sehr gerne gelesen und gemocht, aber ich würde mir wünschen, dass wir in Zukunft mehr Geschichten bekommen, die queer joy zentrieren.
Insgesamt hat mir „Vom Mond aus betrachtet spielt das keine Rolle“ wirklich gut gefallen. Es war der erste „Corona-Roman“, den ich gelesen habe und der perfekt die Stimmung, die der Lockdown hervorgebracht hat, transportieren konnte. Ich mochte den Fokus auf zwischenmenschliche Interaktionen und einen Großteil des romance Plots und kann Anne Freytags Bücher sowieso immer uneingeschränkt empfehlen (queer fellows schauen aber vielleicht in den Spoiler Abschnitt).