Mats weiß eines: Ein guter Psychologe muss selbst eine größere Baustelle haben, die ihn einschränkt, damit er nachvollziehen kann, wie es seinen Patienten geht. Und auch er hat eine solche Baustelle: Er leidet unter Flugangst.
Ein guter Grund, um Flugzeuge zu meiden, wo es geht. Doch nun ist seine Tochter Nele schwanger und steht kurz vor der Niederkunft. Jetzt zählt jede Minute und die Entfernung zwischen seinem Wohnort Buenos Aires und Berlin, wo Nele lebt, lässt sich nun mal am schnellsten mit dem Flieger überbrücken. Also wirft Mats alles in die Waagschale was er hat – und bucht gleich mehrere Sitze in dem Flugzeug, das ihn zu seiner Tochter und dem ungeborenen Enkel bringen soll…
Nele lebt allein. Enttäuscht von allen Männern in ihrem Leben ist sie entschlossen, auch alleine mit ihrem Nachwuchs klar zu kommen. Ausnahme: Ihr Vater soll sich kümmern! Sie selbst hat er schändlich im Stich gelassen, nun soll er wenigstens etwas für sein ungeborenes Enkelkind tun!
Diverse Umständen machen es nötig, dass ihr Kind möglichst geplant und unter besten Voraussetzungen auf die Welt kommt. Am Morgen des geplanten Kaiserschnitts besteigt Nele also das bestellte Taxi und findet sich schon kurz darauf in einem besonders perfiden Albtraum wieder…
Über den Wolken, irgendwo zwischen Buenos Aires und Berlin, trifft Kaja – Purserin auf diesem Flug – auf ihren ehemaligen Psychotherapeuten Mats. Das Zusammentreffen der beiden ist gespickt von ambivalenten Gefühlen, denn eigentlich ist jeder von ihnen davon ausgegangen, dass der Andere eigentlich ganz anders ist…
Eigene Meinung
Die letzten Bücher von Sebastian Fitzek haben mich, ehrlich gesagt, gar nicht mehr so umgeworfen. Passagier 23 fand ich gut – bis sich zum Ende hin einfach alles in eine Richtung dreht, die in mir das Gefühl weckte, der Autor hätte gewollt aber nicht gekonnt. Passagier 23 war das erste Buch von Fitzek, das mich maßlos enttäuscht hat.
Das Paket war nicht minder enttäuschend und Acht Nacht habe ich – das muss ich an dieser Stelle gestehen – gar nicht erst angeschafft. Dieses Schicksal sollte auch Flugangst 7a ereilen – zu Unrecht!
Heute bin ich froh, dass mich die vielen positiven Stimmen in meinem Umfeld verleiten konnten, doch diesen Roman zu lesen.
Ich persönlich leide nicht unter Flugangst und musste entsprechend zu Beginn des Buches doch über Mats und seine Art der Angstbewältigung lächeln. Das dieses ungewöhnliche Verhalten natürlich auch bei der Crew und dem Betreiber der Airline Anstoß nimmt, sollte jedem klar sein. Doch gerade dieses Verhalten machte mir Mats auch sympathisch. So offen zu seinen Schwächen zustehen ist bestimmt nicht jedermanns Sache. Abgesehen davon, natürlich, dass auch nicht jeder in der Lage wäre wie Mats zu agieren.
Diese Sympathie verliert er Mats auch nicht während der Handlung. Ich hätte ihn deutlich sympathischer gefunden, wenn er sich im Vorfeld der Handlung an seine Empathie erinnert hätte und daran, dass man nicht nur sich selbst gegenüber sondern auch seiner Familie – ins besondere seiner Ehefrau und Kindern – eine Verantwortung hat. Natürlich macht jeder Fehler, aber es gibt Fehler, die sollte man nicht begehen, und schon gar nicht aus Furcht. Für diesen Fehler zahlt Mats auch Jahre später noch – und zwar einen höheren Preis als er gezahlt hätte, hätte er sich seiner Angst gestellt.
Nele, Mats schwangere Tochter, zahlt ebenfalls einen recht hohen Preis für die Bewältigung ihres Frustes. Das es Fehler gibt, die man besser nicht machen sollte, weiß sie auch. Obwohl Nele neben ihrem Vater den Großteil der Handlung stemmt, bleibt sie mir fern. Sicherlich braucht es nicht viel, sich in ihre Situation hineinzuversetzen, aber mehr als Mitleid löste Nele in mir nicht aus. Was sicherlich nicht das ist, was Herr Fitzek mit ihrer Person bezweckt hat.
Kaja, die ehemalige Patientin Mats, ist schon ein ganz anderes Kaliber. Diese Frau fand ich von der ersten Sekunde an spannend. Das sie mehr als nur ein kleines Geheimnis hütet war schnell ersichtlich, welches Ausmaß dieses Geheimnis letzten Endes annimmt, war allerdings nicht ersichtlich.
Den Aufhänger des Buches – Mats Flugangst – finde ich ein wenig unpassend gewählt. Sicherlich macht sie viel aus. Viel interessanter ist allerdings der Kontext von einer psychischen Erkrankung und einem manipulierten und dadurch manipulierenden Psychiater!
Natürlich ist es diese Kombination, die das fliegen derart gefährlich erscheinen lässt. Wie die meisten anderen, war auch ich tief schockiert, als der Co Pilot der Germanwings Maschine 2015 den Flieger gegen eine Bergwand in den französischen Alpen steuerte. Dieses Geschehnis als Aufhänger zu nehmen, um einen psychologischen Früherkennungstest zu entwickeln, der Passagiere als mögliche Gefahrenquellen einstufen könnte ist zwar eine mehr oder weniger logische Schlussfolgerung, aber sicherlich aus ähnlichen Gründen zum scheitern verurteilt, wie die Tests, denen sich Piloten und Crew schon seit Jahren zu unterziehen haben. Die wirkliche Unbekannte ist jeder einzelne Mensch, in jedem Moment unseres Lebens, mit dem wir zusammen treffen. Denn wie sicher ist es eigentlich, dass jeder Mensch das Wohl eines anderen Menschen über das eigene stellt?
Sämtliche anderen Handlungsstränge, so fesselnd sie auch sein mochten, empfand ich eher als Füllmaterial, damit auch Leser am Ball bleiben, die sich weniger fasziniert von der menschlichen Psyche zeigen.
So ist Neles Schicksal zwar auf perfide Art und Weise atemberaubend, doch auch hier finde ich den Hintergedanken des Drahtziehers (und den von Herrn Fitzek) um ein vielfaches interessanter als die Handlung, die Nele durchläuft. In der Tat regten gerade diese Episoden sehr zum Nachdenken an. Es ist schon erstaunlich, dass Menschen erst am eigenen Leib erfahren müssen, was sie ihren Mitkreaturen tagtäglich antun, bevor sie sich bemühen, die Dinge mal in einem anderen Licht zu betrachten und nicht alles als selbstverständlich hinzunehmen.
Letzten Endes überrascht dann das Ende doch wieder nicht so sehr, wie ich es mir im Vorfeld erhofft habe. Irgendwie ist Mats schlußendlich ein tragischer Held. Ich hätte mir einen deutlicheren Schluss gewünscht, eine deutlichere Entscheidung als die, die Mats letzten Endes trifft. So bleibt Fitzek ein weiteres Mal in der Grauzone, überlässt in meinen Augen dem Zufall die Entscheidung. Menschlich – sicherlich. Aber für einen Thriller, gerade einen von Fitzek, würde ich mir einfach manchmal wünschen, dass der Autor ein Ende wählt, dass schwarz oder weiß ist und nicht so ein weichgespültes Ende kreiert.
Fazit
Flugangst 7a habe ich recht gerne gelesen. Wie schon oben erwähnt hätte ich mir gewünscht, dass Mats „einfach“ eine Entscheidung fällt, wie er es schon einmal in seinem Leben getan hat. Stattdessen hampelt er zwischen den beiden Möglichkeiten herum, die sich ihm bieten. Klar – in der Realität würden Menschen so handeln. Aber wenn ich doch schon einen Thriller lese, warum kann es dann nicht auch mal weniger realistisch zum Ende werden? Warum kann man als Autor nicht einfach mal eine Entscheidung treffen, die der Leser nicht erwartet?
Fitzek hat sich mit dem einen oder anderen Handlungsstrang ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Für diesen Mut soll er belohnt werden – auch wenn hier wieder ein zurückrudern in Form von Handlungsverlauf und Nachwort hinterher kam. Aber es erscheint ehrlich. Und zumindest hat sich Herr Fitzek getraut Dinge anzusprechen, über die die meisten Menschen gar nicht nachdenken. Wenn alleine das dazu führt, dass die Menschen beim zukünftigen Einkauf ein bißchen mehr nachdenken, hat es sich gelohnt.
Für diese vielen interessanten Handlungsstränge im Hintergrund gibt es heute die volle Punktzahl.