Yllins avatar

Yllin

  • Mitglied seit 27.12.2009
  • 5 Freund*innen
  • 264 Bücher
  • 55 Rezensionen
  • 179 Bewertungen (Ø 4,09)

Rezensionen und Bewertungen

Filtern:
  • 5 Sterne68
  • 4 Sterne72
  • 3 Sterne30
  • 2 Sterne5
  • 1 Stern4
Sortieren:
Cover des Buches Spiel der Macht (ISBN: 9783551583888)

Bewertung zu "Spiel der Macht" von Marie Rutkoski

Spiel der Macht
Yllinvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Starke weibliche Hauptfigur, filmreife Dialoge, eine zarte Liebesgeschichte und ein brutaler, blutiger Krieg. Sehr intelligent erzählt!
Wenn die Hauptfigur klüger ist, als die Leserin ...

Folgt [Embargo]

Cover des Buches Valor - Die Verschwörung im Königreich (ISBN: 9783407748522)

Bewertung zu "Valor - Die Verschwörung im Königreich" von Ruth Lauren

Valor - Die Verschwörung im Königreich
Yllinvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Fantastisches, rasantes Abenteuer, das sich an manchen Stellen etwas mehr Zeit hätte nehmen sollen - trotzdem eine Empfehlung!
Rasanter Auftakt

SPANNENDER AUFTAKT

Den ersten Grund, mich in "Valor - Die Verschwörung im Königreich" zu verlieben, lieferte mir in erster Linie das absolut atemberaubende Cover, das nicht nur wunderschön gestaltet ist, sondern tatsächlich auch so einiges über den Inhalt erzählt ohne gleich allzu viel vorweg zu nehmen. Vermutlich war es der entschlossene Blick der Protagonistin Valor, der mich sofort dazu überredete, zuzugreifen. Und schon nach den ersten Seiten war ich dermaßen in der Geschichte verfangen, dass ich das Buch kaum noch aus der Hand legen konnte. Ohne viel Vorgeplänkel oder langatmige Einführungen in das Leben und den Alltag der Figuren oder eine seitenlange Erklärung, wie die fantastische Welt rund um das Königreich Demidova eigentlich funktioniert, werden wird der Leser direkt in die Geschichte geworfen und hat nur wenig Zeit, sich zu orientieren. Ein solcher Einstieg, der dem Leser wesentliche Informationen nur häppchenweise liefert, kann riskant sein - es kann dazu führen, dass der Autor den Leser spätestens dann verliert, wenn der spannende Auftakt vorbei ist. Ruth Lauren hält das Level an Spannung jedoch, das sie zu Beginn etabliert, kontinuierlich bis zum Ende durch und schafft es mit Leichtigkeit, ihre Leserinnen und Leser an die Seiten zu fesseln. Dass dadurch jedoch viele nebensächliche Informationen verloren gehen, die dafür gesorgt hätten, dass der Plot an Tiefe und Mehr-Dimensionalität gewinnt, war leider vorauszusehen.

KEINE ZEIT, KEINE ZEIT

"Valor - Die Verschwörung im Königreich" handelt einen einzigen Handlungsstrang ab, der zwar gut durchdacht, stellenweise dafür aber recht eindimensional bleibt: Durch die personale Fixierung auf Valor, ihren Mut und ihren Tatendrang bleiben die Nebencharaktere in ihrem Schatten und entwickeln sich nicht zu eigenständigen Figuren mit besonderen Charaktereigenschaften. Ihre Zwillingsschwester Sasha, die für Valor für ihren tollen Charakter und ihre Liebenswürdigkeit und Redegewandtheit sehr bewundert wird, kommt in Valors Abenteuer kaum zu Wort und bleibt eine blasse Schablone dessen, was sie hätte sein können. Die große Zuneigung, die für Valor ausschlaggebend ist, ihr eigenes Leben zu riskieren, um zu Sasha ins Hochsicherheitsgefängnis gebracht zu werden, wird zwar nachdrücklich betont, kommt aber an keiner Stelle so richtig aus dem Text heraus, dadurch dass der Text dem Leser so wenig Zeit gewährt, um Sasha genauer kennen zu lernen. Wir wissen also um Valors Motivation, können sie aber nicht so richtig nachfühlen. Spannend ist das Geschehen zwar trotzdem erzählt, doch der ausschlaggebende, emotionale Hook, den eine Geschichte braucht, um seine Leser auch längerfristig zu beschäftigen, bleibt leider aus.

So hetzt die Geschichte, die sich anfühlt, als habe man sie mit der Schere direkt aus der Mitte des eigentlichen Plots herausgeschnitten - oder zumindest um ein Wesentliches gekürzt, über 320 Seiten hinweg und gönnt dem Leser kaum eine Pause, während man sich wünscht, etwas mehr Zeit mit den Charakteren und der Welt verbringen zu können, um sie besser kennen zu lernen. "Valor" fühlt sich an wie ein spannender Fantasy-Action-Film, aus dem man alles, was irgendwie überflüssig erscheint, herausgekürzt hat, um die 90-Minuten-Marke nicht zu überschreiben. Das macht den Film zwar nicht zu einem schlechten Erlebnis, raubt aber von vorneherein eine Menge Plot-Potenzial.

PANEM MEETS FROZEN

So pauschal kann man die beiden Franchises zwar vielleicht nicht mit "Valor" vergleichen, doch von der Motivik her scheint es mir nicht allzu weit hergeholt. Wir haben zwei unzertrennliche, unerschrockene Schwestern, ein grausames Gefängnis, das all die Missstände im Königreich Demidova in sich bündelt, politische Intrigen und eine Menge Eis und Schnee, die das Vorankommen der Protagonistin noch erschweren. Autorin Ruth Lauren verfügt noch dazu über einen außergewöhnlich schönen Schreibstil, der mit vielen plastischen Beschreibungen und kleinen Nebensächlichkeiten die Figuren und ihre Handlungen zum Leben erweckt. Bis auf ein paar Ungereimtheiten, die vermutlich der Übersetzung zuzuschreiben sind (Valor kämpft im Original mit einem Bogen, im Deutschen jedoch mit einer Armbrust. Die Geschosse heißen jedoch weiterhin "Pfeile", dabei sollten sie bei einer Armbrust eigentlich "Bolzen" heißen.), fließt der Text nur so dahin und man merkt kaum, dass man bereits in wenigen Stunden 200 Seiten weggelesen hat. Valors Willenskraft, niemals aufzugeben, ist geradezu ansteckend und macht "Valor - Die Verschwörung im Königreich" zu einer spannenden und kurzweiligen Leseerfahrung. 

FAZIT

Bei "Valor - Schicksal eines Königreichs" habe ich wie so oft einfach beherzt zugegriffen, als ich das wunderschöne Cover zum ersten Mal sah. Trotzdem ließ mich die Angst niemals ganz los, dass ich mich wieder einmal vom schönen Äußeren habe blenden lassen - meine Befürchtungen haben sich jedoch nicht an einer einzigen Stelle bestätigt. Vielmehr hat "Valor" meine Erwartungen von Anfang an erfüllt. Ruth Lauren besitzt einen fantastischen, lebhaften Schreibstil, der die Charaktere und die Welt geradezu plastisch wirken lässt. Das Buch liest sich unglaublich schnell und gönnt einem mit seinen spannenden Wendungen und Ereignissen kaum eine Pause, auch wenn das Ende der Geschichte bereits zu Anfang recht leicht vorherzusehen ist. Meiner Meinung nach wäre es dem Buch noch besser bekommen, hätte sich die Autorin noch etwas mehr Zeit für die Charakter-Entwicklung und das World-Building genommen. Dann hätte es sich vielleicht mehr wie ein vollwertiger Roman und weniger wie ein schnell abgehandelter Action-Film angefühlt. Den Platz hätte sie auf jeden Fall gehabt. Vielleicht bietet der zweite Band genügend Raum, um dieses Versäumnis nachzuholen.


WERTUNG

♥♥♥♥

Cover des Buches Unerschrocken 1 (ISBN: 9783956401299)

Bewertung zu "Unerschrocken 1" von Pénélope Bagieu

Unerschrocken 1
Yllinvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Unerschrocken von Pénélope Bagieu ist meiner Meinung nach das inspirierendste Werk, das ich je gelesen habe.
Vom eigenen Vorurteil

VOM EIGENEN VORURTEIL

Zugegeben, als ich 'Unerschrocken' das erste Mal sah, war ich zunächst skeptisch. Ich kann nicht genau sagen, was es war, das ich davon abgehalten hat, dieses Buch das erste Mal in die Hand zu nehmen. War es das knallige Blau des Einbands? Die Porträt-Karikaturen, die das Cover zieren? Oder meine eigene Angst davor, dass ich mich mit einer großen Anzahl an Frauen vergleichen müsste, die in ihrem Leben so viel mehr erreicht haben, als ich zum jetzigen Zeitpunkt? Vielleicht von allem ein bisschen. Zugleich wirkten die in der Vorschau abgebildeten Zeichnungen und der Aufbau der Panels seltsam minimalistisch - die Seiten machten auf mich einen unordentlichen Eindruck, die Figuren waren nicht auf 'schön' getrimmt, der Hintergrund der Panels gleich ganz weggelassen und überlagert wurden die Bilder von einer für Graphic Novels ungewöhnlichen Menge an Text. Kurz: Der erste Eindruck, den 'Unerschrocken' auf mich machte, war eher schlecht als Recht.

Doch was habe ich mich geirrt?

In insgesamt 15 in sich abgeschlossenen Kapiteln behandelt Zeichnerin und Autorin Pénélope Bagieu das Leben absolut außergewöhnlicher Frauen, die es geschafft haben, sich in einer von Männern dominierten Gesellschaft durchzusetzen, sich allen Vorurteilen zum Trotz vom eigenen Willen und der eigenen Bestimmung leiten ließen und dabei Gutes wie Schlechtes erfuhren. Die schlichten Zeichnungen, die sich über ein Kapitel hinweg an einem zur Person passenden Farbthema orientieren, sind überraschend aussagekräftig - jedes Einzelne von ihnen ist wohl überlegt gesetzt und die Abfolge der Panels spricht derart für sich, dass man die Geschichte auch dann noch ganz gut begreifen kann, wenn man den Text zu den einzelnen Bildern nicht liest. Mit der Zeit entdeckte ich eine unglaubliche Schönheit in der präzise gesetzten Schriftfolge und der den echten Personen so nahe kommenden Karikaturen. Mit jedem Kapitel, das ich abends vor dem Schlafengehen geradezu verzehrte, erkannte ich mehr und mehr, dass es nicht immer die fantastische, überladene und bildgewaltige Illustrationen braucht, um Kunst zu erschaffen. Manchmal liegt die Kunst vielmehr im Feinsinn, in ein Einfachheit und Präzision - und nicht im überbordenden Farbspektakel.

BIOGRAFIEN AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Das Leben eines Menschen zwischen zwei Buchdeckeln einzufangen und ihm dabei auch noch gerecht zu werden, ist ein Unterfangen, das nur wenigen begabten Künstlern gelingt. Gleich fünfzehn Biografien in wenigen Worten und Bildern darzustellen, ohne dass es überladen wirkt, dass es zu einem Herunterrattern von Jahreszahlen kommt oder dass man das Gefühl hat, dass etwas fehlt, zeugt von künstlerischem Feingefühl und einem Gespür für das Wesentliche. In kurzen Texten, die die einzelnen Panels begleiten, erzählt Bagieu beinahe nüchtern von Geburt, Leben, Wirken und Tod ihrer Frauen-Figuren und benutzt dabei eine eine Sprache, die so mindestens genauso einfach und schlicht gehalten ist, wie die Zeichnungen ihrer Figuren. Dafür schmücken sich Bild und Text in 'Unerschrocken' gegenseitig, sie ergänzen sich und erzählen dabei Geschichten, die den Leser Schmunzeln und Staunen lassen. Eine gelungene Prise Humor liefern die unter den Erzähltext eingeschobenen Sprechblasen, die den Figuren Leben einhauchen: Während der Erzähltext nämlich über die Personen spricht, kommen sie in Sprechblasen und Randbemerkungen direkt zu Wort, und bekommen somit eine eigene Stimme, die den Leser direkt erreicht - und manchmal sogar direkt anspricht.

Grundsätzlich hatte ich die ganze Zeit über das Gefühl, dass die Geschichten, die Erzählungen, die Figuren und die Geschehnisse mich direkt miteinbezogen, mich teilhaben ließen, mich ansprachen und irgendwie mit mir interagierten. Es war nicht die übliche, irgendwie gleichgültige Rezeption eines Textes, sondern viel mehr ein Dialog mit den Frauen vor meiner Zeit (wobei Leymah Gbowee noch heute für die Rechte der Frauen in Liberia und darüber hinaus eintritt), die mich berührten, mir Mut zu sprachen und mir das Gefühl gaben, Teil einer Bewegung, eines Gefühls, eines Fortschritts zu sein, der auch heute noch immer nicht abgeschlossen ist. Entgegen meiner Angst, ich könnte mich im Schatten dieser Frauen irgendwie minderwertig fühlen, geschah genau das Gegenteil: So viel Selbstbestimmung, so viel Mut, so viel Durchhaltevermögen und Leidenschaft auf einen Blick, in einem einzigen Buch, bestärkt mich auch jetzt noch, einige Tage nachwirkend (und ich hoffe, dass die Wirkung noch ganz ganz lange anhält) in meinem eigenen Sein und Tun, erfüllt mich mit Stolz und Zufriedenheit und erinnert mich daran, dass ich allein diejenige bin, die den Weg bestimmen kann, den ich gehen möchte. 'Unerschrocken' ist das wohl inspirierendste Werk, das mir je begegnet ist.

FAZIT

Trotz meiner anfänglichen Skepsis, die sich vor allem auf das Äußere der Graphic Novel bezog, beendete ich 'Unerschrocken' mit einer Mischung aus euphorisiertem Hochgefühl und einer kleinen Prise Wehmut. Und damit steht mein eigenes Vorurteil dem Werk gegenüber stellvertretend für das Vorurteil, das so vielen Frauen auf der Welt über die Geschichte der Menschheit hinweg zuteil wurde. Ich habe darüber geurteilt, was ich sah, ließ mich von unkonventionellen, scheinbar schmucklosen Zeichnungen und einem irgendwie unordentlichen Panel-Aufbau davon abschrecken, dem Inhalt, dem, was dahinter steht, eine Chance zu geben. Dabei habe ich es nicht bereut, sie ihm gegeben zu haben. Jeden Abend habe ich zwei oder drei Lebensgeschichten von Frauen verschlungen, die es in ihrem Leben niemals leicht hatten und trotzdem das Beste daraus gemacht haben - egal ob aus Gründen der Selbstbestimmung, der Identität, der politischen Überzeugung oder der eigenen Leidenschaft und Liebe heraus. Diese Frauen haben Großartiges bewirkt und ich bin so froh, dass Pénélope Bagieu ihnen mit ihrer Graphic Novel eine Stimme gibt und uns daran erinnert, dass es sie gegeben hat, was sie geleistet haben und welche Wirkung ihre Leistungen für sie selbst und für die ganze Welt gehabt haben. Ich kann diese Graphic Novel absolut jedem ans Herz legen - ich bin sogar der Meinung, das (zumindest) jede Frau ein Exemplar von ihr besitzen sollte. 'Unerschrocken' hat mir nicht nur wahnsinnig viel Spaß gemacht, es hat mich auch in meinem Sein bestärkt und mir gezeigt, wie dumm und sinnlos Vorurteile sind. Ich will in Zukunft unerschrockener sein.


WERTUNG

♥♥♥♥♥

Cover des Buches Never Never (ISBN: 9783423740340)

Bewertung zu "Never Never" von Colleen Hoover

Never Never
Yllinvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Sehr viel ungenutztes Potenzial. Leider nicht der beste Hoover. Zu viele Köche verderben eben doch den Brei...
Zu viele Köche verderben den Brei

ZU VIELE KÖCHE VERDERBEN DEN BREI

'Never Never' ist nicht der erste Roman, den ich von der Bestseller-Autorin gelesen habe, wohl aber der erste, den ich von ihrer Autoren-Kollegin Tarryn Fisher in die Hände bekomme. Ich muss gestehen, dass ich das Buch hauptsächlich deshalb gelesen habe, weil es ein 'neuer Hoover' ist, und ich von ihrem bisherigen Werk so absolut hingerissen bin, dass ich keinen Zweifel daran hatte, dass es mir gefallen würde - und beging damit den absoluten Anfängerfehler: Ich schraubte meine Erwartungen viel zu hoch. Nur ein winzig kleiner Teil meiner Leser-Vernunft flüsterte mir zu, dass zu viele Köche in der Regel den Brei versalzen und ich auf eine unangenehme Überraschung gefasst sein müsste.

Dabei fing es gar nicht so schlecht an: Den größten Reiz des Buches macht nämlich die Tatsache aus, dass wir als LeserInnen immer genau so viel wissen, wie die beiden Charaktere, die wir begleiten. In sich abwechselnden Kapiteln folgen wir einmal Charlie und einmal Silas bei der Suche nach ihren Erinnerungen und ihren Schwierigkeiten, sich mit einem blanken Gedächtnis durch den Schul- und Familienalltag zu kämpfen. Die Spannung, die diese Konstellation erzeugt, ist geradezu greifbar und hat mich den ersten Teil des Buches geradezu verschlingen lassen. Noch dazu liest sich Colleen Hoovers Schreibstil leicht und lebensnah: Wenn ich einen Hoover lese, bin ich immer wieder fasziniert davon, wie wahnsinnig leicht es ihr fällt, Situationskomik und Charme mit der richtigen Prise Herzklopfen zu kombinieren, sodass sich daraus Emotionen ergeben, die sich dem Leser fast greifbar präsentieren. 

PERFEKTION UND INKOHÄRENZ

Im ersten Teil des Buches entwickeln Charlie und Silas eine schöne Eigendynamik, die davon lebt, dass sie sich selbst durch den gegenseitigen Umgang miteinander überhaupt erst kennenlernen. Sie charakterisieren sich also selbst: Charlie, die etwas raubeinige, unantastbare, dickköpfige Leseratte, die mehr vertilgen kann, als Silas und sein Bruder Landon gemeinsam - und Silas, der gute Junge aus reichem Hause, der ein gutes Auge für schöne Fotos hat und von seinem Vater gezwungen wird, Football zu spielen. Er ist albern und fantasievoll, liebt Zweideutigkeiten und hat eine Vorliebe dafür, Charlie dazu zu bringen, über ihren Schatten zu springen. Im Grunde waren mir beide Charaktere sehr sympathisch, ich konnte ganz gut über die generischen Attribute amerikanischer Liebesgeschichten hinwegsehen, am wenigsten anfreunden konnte ich mich jedoch mit Silas übertriebener 'Perfektion' in allen Lebenslagen: Er ist nicht nur liebenswert, humorvoll und charmant, sieht toll aus und ist super sportlich (Hey, Captain des Football-Teams, obwohl er Football eigentlich gar nicht leiden kann), er weiß auch absolut immer genau, was er sagen muss, bis hin zu den absolut kitschigsten Liebesbriefen, die ich in meinem Leben jemals gelesen habe. 

" Gestern bin ich treu und brav losgelaufen, um die Chicken Nuggets zu holen, und hab mir dabei einen Großteil des Spiels entgehen lasen. [...] Und das alles nur, weil ich dich so  fürchte  liebe. Sieht so aus, als hättest du mich voll im Griff. Du sahst total sexy aus mit dem ganzen Hähnchenfett im Gesicht. Und wie du das Fleisch mit den Zähnen abgefetzt hast - wie eine Wilde. Mein Gott! Ich will dich auf der Stelle heiraten." (S. 222)

Cringe. Gut, Liebesbriefe gehören vermutlich zum Repertoire einer Liebesgeschichte, aber 'Never Never' ist voll davon und einer ist schlimmer, banaler und fantasieloser als der andere. Am schlimmsten ist es übrigens im zweiten, dem von Tarryn Fisher geschriebenen Teil, in dem sich die Charaktere vollkommen anders anfühlen - statt der im ersten Teil mühsam erlangten Charaktertiefe von Charlie und Silas haben wir hier plötzlich halbfertige Schablonen, die Angewohnheiten entwickeln, von denen vorher keine Rede war, und Eigenschaften verlieren, die Colleen vorher genau abgesteckt hatte: Zweideutigkeiten, schlagfertige Dialoge und humorvolle Wendungen sucht man im zweiten Teil vergeblich. Die beiden Figuren bleiben blass und haben plötzlich keinen Wiedererkennungeffekt mehr, was ich absolut schade finde. Zwei Köche verderben eben doch den Brei.

WENN FANTASTIK ZUR AUSREDE WIRD

Neben schnulzigen Liebesbriefen, die mich bis an die Grenze des Fremdschämens gebracht haben (Briefe eines 14-jährigen Silas, der schreibt als sei er 25 und ein ebenso selbstsicheres sexuelles Begehren zum Ausdruck bringt. Noch vor ihrem ersten Mal. Nein!), entwickelt sich die Geschichte außerhalb des Briefverkehrs nur schleppend weiter. Was am Anfang rasant und spannend beginnt verliert schon nach hundert Seiten an Drive, denn die Gedanken der Protagonisten kreisen wiederholt darum, warum sie alles vergessen haben und warum sie den anderen so toll finden - so wirklich aktiv werden sie in der Sache jedoch nicht. Und dann verlieren sie noch ein paar Mal das Gedächtnis und plötzlich geht alles wieder von vorne los. Dinge, die den Charakteren dann komplett neu vorkommen, kommen einem beim Lesen dann schrecklich wiedergekäut vor. Die Familiengeschichte, die eigentlich Schock- und Drama-Potenzial gehabt hätte bleibt eine reine Nebensache und irgendwie schrecklich langweilig, während die eigentliche Conclusio des Buches, nämlich die auf die Frage, warum sie ihr Gedächtnis verloren haben, abgehoben, schmalzig und naiv bleibt: Der Versuch, ein fantastisches Element in einen realistischen Roman einzubauen, scheitert kläglich und man kann sich eigentlich nur an den Kopf greifen, wie jemand so etwas ernst meinen kann.

FAZIT

'Never Never' von Colleen Hoover will so viel auf einmal und schafft es dabei nicht, auch nur einen Bruchteil davon umzusetzen. Wir haben ein düsteres Familiengeheimnis, Konfliktpotenzial im Freundes- und Familienkreis sowie zwischen den beiden Hauptfiguren, doch nichts davon wird wirklich umgesetzt. Während wir Charlie und Silas im Schulalltag oder auf Stadtbummel begleiten, bekommen wir die eigentlichen Dramen nur indirekt über die schnulzigen Liebesbriefe mit. Es fehlt ein Höhepunkt - zwar gerät Charlie an einer Stelle im Buch sehr wohl in Gefahr, doch löst sich diese am Schluss ohne wirkliche Konsequenzen einfach in Luft auf, bevor das letzte Drittel des Buches reine Turtelei zwischen den Hauptfiguren beinhaltet. Während der Anfang des Buches wahnsinnig vielversprechend einsetzt, verliert man sich in ewigen Wiederholungen, Banalitäten und dem Übergang zwischen zwei Autorinnen, die es nicht schaffen, gemeinsam kohärente Charaktere und eine Geschichte mit einem vernünftigen Spannungsbogen zu erschaffen. Stattdessen haben wir ein Konglomerat an möglichen Plotfäden, die alle irgendwann einfach zugunsten von Schmalz und Schmant und zuleiden der Spannung fallengelassen werden. Auch das 'fantastische' Element des Gedächtnisverlustes hätte eine andere, packendere Wirkung gehabt, hätte man das Ganze fundierter und nicht so schrecklich 'random' aufgezogen. 'Never Never' ist für mich eine Ansammlung guter Ideen, die holprig, schlecht oder gar nicht umgesetzt wurden - und für mich damit nichts weiter als eine Menge verlorenes Potenzial.


WERTUNG

♥♥♥♥♥

Cover des Buches Es war einmal Indianerland (ISBN: 9783499215520)

Bewertung zu "Es war einmal Indianerland" von Nils Mohl

Es war einmal Indianerland
Yllinvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Schwacher Start, aber absolut fantastisch, wenn man einmal drin ist!
Wilde Achterbahnfahrt zur Selbstfindung

Es war einmal Indianerland (Bd. 1)


Autor
: Nils Mohl

Genre: Jugendliteratur, Slice of Life
Erschienen: 1. Februar 2011
Seiten: 448
Einband: Taschenbuch
Verlag: rowohlt Rotfuchs
ISBN: 978-3-499-21552-0
Preis : 12,99 € [DE], 13,40€ [A]

Rating: ♥♥


INHALT

"Stell dir vor, du bist 17 und lebst in den Hochhäusern am Stadtrand. Der Sommer ist heiß. Es ist Mittwochnacht, als dir Jackie den Kopf verdreht. Im Freibad. Fuchsrotes Haar. Sandbraune Haut. Stell dir vor, wie dir die Funken aus den Fingern sprühen vor Glück. Und plötzlich fliegt die Welt aus den Angeln: Zöllner erwürgt seine Frau. Edda, die 21-Jährige aus der Videothek, stellt dir nach. Mauser steigt mit Kondor in den Ring. Immer wieder meinst du, diesen Indianer mit der Adlerfederkrone zu sehen. Und dann zieht zum Showdown ein geradezu biblisches Gewitter auf – fühlt es sich so an, erwachsen zu werden?"  - Quelle: Verlag

COVER ♥♥♥

Über das Cover gibt es in diesem Fall nur recht wenig zu sagen: Es ist abstrakt und schlicht gehalten und verrät dadurch nur wenig über den tatsächlichen Inhalt des Buches. Mit dem Titel scheint es zunächst gar nicht zu korrelieren - im Gegenteil -, statt indigener Stereotype finden wir hier eine Darstellung, die ihnen komplett entgegen zu stehen schein: Der Blick in einen pastell-gelben Himmel, gerahmt von Hochhäusern in mattem Grün und knalligem Rot. So untypisch wie in Assoziation mit dem 'Indianer'-Bild des Titels bleibt es auch als Repräsentation eines städtischen Häuserblocks - die geradezu fröhlichen Farben kontrastieren den triste Grau, dass der Betrachter erwartet, geben den beiden Gebäuden einen angenehmen, aber deutlich surrealen Farbton. Mit etwas Fantasie könnte man in der symmetrischen Form der Hochhäuser auch Ansätze einer Federkrone erkennen, wie man sie aus eurozentristischen Karl-May-Adaptionen kennt. Beides passt auf jeden Fall wunderbar zum Inhalt des Buches, der unter anderem zwischen Großstadt-Wüste, kunterbuntem Drogentreiben und einem Indianerhäuptling rangiert. Als Käufer spricht mich das Cover allerdings eher weniger an, eben weil es auf den ersten Blick so schrecklich wenig aussagekräftig ist.

CHARAKTERE ♥♥♥♥♥

Mauser: Wer bin ich eigentlich? Der 17-Jährige Junge aus dem Hochhaus-Block weiß selbst nicht so recht, wohin mit sich: Eigentlich sollte er sich auf den nächsten großen Boxkampf vorbereiten, auf den er sich schon so lange freut, doch dann kommt ihm etwas dazwischen, das niemand hätte ahnen können - sein Vater, Zöllner, tötet im Streit Mausers Stiefmutter und macht sich anschließend aus Angst vor der Polizei aus dem Staub. Von jetzt auf gleich ist Mauser ganz allein auf der Welt und der Vater, von dem er immer dachte, dass er ihm ähnlich sein wolle, lässt ihn im Stich. Plötzlich erkennt er nicht einmal mehr wer er wirklich ist: Im Dialog mit 'Mauser', seinem alten Boxer-Ich und Sohn des Mörders Zöllner, begibt sich das Ich, das einmal Mauser gewesen sein muss, auf die Suche nach sich selbst. Die unterbewusste Verarbeitung der schrecklichen Vorkommnisse passiert dabei so geschickt, dass sie den Leser nach und nach auf die Spur bringt, welche psychologische Anstrengung es für den Jugendlichen kosten mag, diesen Schock zu verarbeiten. Geschickt unterscheidet Nils Mohl zwischen 'Ich', als verletzlichen, unsicheren und konturlosen Kern des Protagonisten, und 'Mauser', als selbstbewusste, starke Maske, die sich das 'Ich' hin und wieder überstülpt, wenn es sich selbst verteidigen muss. In Mauser findet 'Ich' gleichermaßen einen Schutz, etwas hinter dem er sich verstecken, jemanden, den er vorschicken kann, wie auch ein verlorenes Selbst, das es erst noch wiederzufinden gilt. Dabei behilflich sind ihm auch die beiden Mädchen, Jackie und Edda, die ihn in den letzten Tagen dieses Sommers begleiten: Jackie, die so perfekt ist und eigentlich viel besser zu Mauser, dem Abziehbild seines Mörder-Vaters passen würde, und Edda, die dem 'Ich' eigentlich all das gibt, was es braucht: Halt, Nähe, Unterstützung und Gleichberechtigung. Autor Nils Mohl schafft es auf wunderbare, faszinierende Weise diesen Charakter zu porträtieren und ihn dabei zu begleiten, wie aus seinem Ungleichgewicht langsam ein Gleichgewicht wird.

Jackie & Edda: In 'Es war einmal Indianerland' geht es nicht um Jackie oder Edda, nicht um Zöllner oder Ponyhof, es geht um Mauser. Und alle anderen Charaktere erscheinen gegen ihn wie rein funktional gesetzte Figuren, wie Wellen im Ungleichgewicht des Jugendlichen, nicht aber wie individuelle Charaktere. Jackie beispielsweise ist die wunderschöne, perfekte, rothaarige Vorstadtbraut aus dem Villenviertel, die nicht nur leicht zu haben, sondern eigentlich auch ziemlich langweilig ist. Sie bleibt über den Roman hinweg flach und wenig ausgebaut, denn im Zentrum steht Mausers (sexuelle) Gier nach dem, was er sich selbst verwehrt - wir haben also immer wiederkehrende Beschreibungen ihres Äußeren, ihres Geruchs, ihrer Stimme, ihrer Makellosigkeit, und nur sehr selten mal einen Einblick in ihre tatsächliche Gefühlswelt.
Edda dagegen weiß ganz genau, wen sie vor sich hat, als sie Mause in der Videothek das erste Mal begegnet. Mit ihrer Wildschweinbrosche, ihrer Brille, ihren Strickjacken und Kleidchen wirkt sie zunächst wie das genaue Gegenteil von Jackie, hat aber mit der Zeit eine ganz ähnliche Wirkung auf den Protagonisten. Anders als Jackie ist sie nicht einseitig beschränkt und stets auf sich selbst und ihre Schönheit fixiert, sie ist auch Mauser fixiert - und zwar auf das weiche, verletzliche 'Ich', das mit voranschreiten des Romans immer mehr an Präsenz gewinnt. Sie ist liebenswert, intelligent, humorvoll und aufregend im Sinne von 'anders' - und vielleicht auch ein bisschen gruselig, weil sie Mauser geradezu zu verfolgen scheint. Auch wenn wir wenig über ihren familiären Hintergrund erfahren, lernen wir Edda rein gefühlsmäßig wesentlich besser kennen als Jackie, denn sie offenbart ihre Gefühle nicht nur auf handgeschriebenen Postkarten, die sie Mauser immer wieder zusteckt, sie gerät auch als eine der wenigen Figuren im Roman in eine direkte Auseinandersetzung mit ihm.
Die Mädchen stellen beide auf unterschiedliche Weise Lebensabschnitte des Protagonisten dar - anhand ihrer Eigenschaften lassen sich die psychologischen und Reife bedingten Fortschritte Mausers gut ablesen; denn so wie er sich in ihnen spiegelt, spiegeln sie sich auch in ihm wieder.

SCHREIBSTIL ♥♥♥♥♥

Zugegeben, Nils Mohls Schreibstil ist äußerst gewöhnungsbedürftig. Kurze, stakkatoartige Satzstrukturen, knappe Beschreibungen, schlagfertige Dialoge und viele Szenen-Schnitte, die ohne sichtbare Kennzeichnungen durch einen Absatz passieren. Auf diese Weise scheint der Text geradezu vor sich hin zu fließen - und manchmal kennt man sich (zurecht!) in der Zeit- und Handlungsstruktur des Romans überhaupt nicht mehr aus, bevor die einzelnen Fäden am Schluss wieder zusammenfließen. Die jugendliche Sprache ist hier und dort etwas altmodisch, aber im großen und ganzen überraschend natürlich getroffen, sodass ich mich als Mitte-20-Jährige überraschend zuhause gefühlt habe. Bloß, dass der Autor zu lasten der Authentizität beinahe komplett auf Schimpfwörter verzichtet, was der Textästhetik wiederum sehr zu Gute kommt. Während sich der Schreibstil am Anfang noch ungewohnt holprig anfühlt, entwickelte er sich für mich im Lauf des Romans zu einem sanften, fast lyrischen Fluss - ich gewöhnte mich an die Sprache, wie ich mich an den wortkargen, etwas seltsamen Mauser und sein 'Ich' gewöhnte - und die Seiten flogen bloß so dahin, als hätte ich nie etwas anderes getan. Am eindringlichsten fiel mir die großartige Fähigkeit des Autors auf, kleinste Bewegungen und Details in so wenigen Worten und Sätzen zusammenzubringen und trotzdem ein so präzises, natürliches Bild des beschriebenen vor das innere Auge zu projizieren.Ich glaube ich habe noch nie im Leben eine authentischere, natürlichere Darstellung eines Musik-Festivals gesehen bzw. gelesen wie in 'Es war einmal Indianerland' - die Stimmung, die Gerüche, die Eindrücke, die bei einem Festival auf einen einprasseln waren trotz der minimalistischen Beschreibungen so wahnsinnig plastisch, dass man meinen könnte, man stünde direkt hinter Mauser im Matsch.

HANDLUNG ♥♥♥♥

Um der Handlung von 'Es war einmal Indianerland' folgen zu können, muss man dem Buch zunächst etwas Zeit geben. Was wie eine banale, jugendliche Liebesgeschichte beginnt, entwickelt sich im Laufe des Buches zu einer psychologisch so authentischen und spannenden Geschichte über einen Jungen, der erst alles verliert - sogar sich selbst - und dann einen Weg findet, sich auf die ein oder andere Art wiederzuholen, was er verloren hat. Dazu bedarf es allerdings zunächst etwas Geduld, denn der Roman gliedert sich nicht nur in zwei Teile, die jeweils einen Entwicklungsstatus des jugendlichen Mauser darstellen, sondern zunächst auch eine scheinbar beliebige Reihenfolge der Kapitel. Wie bei einem Ton- oder Videoband spult die Geschichte im Erzählstrang vor und zurück, mal bloß 24 Stunden, mal drei, vier oder fünf Tage. Zusätzlich finden innerhalb der Kapitel Zeitsprünge im Sinne von nicht gekennzeichneten Erinnerungen statt, sodass man sich den Roman im Großen und Ganzen wie ein riesiges Puzzle vorstellen kann, dass sich erst mit zunehmenden Lesefortschritt nach und nach zusammensetzt. Ab der zweiten Hälfte des Romans hat man bereits ein ganz gutes Gefühl dafür, was wann wie und wo im zeitlichen Ablauf der Handlung geschehen sein muss, um ein kohärentes Ganzes zu ergeben. Dazu ist aber stets die Mitarbeit und das Mitdenken des Lesers gefragt. Wer sich von der chaotischen Reihenfolge der Kapitel frustrieren lässt, wird es eventuell schwer haben, einen Zugang zum Roman zu finden. Generell ist die Geschichte, die Nils Mohl in seinem Roman erzählt, eine tragische und eine sehr spannende, die leider erst Zeit braucht, um so richtig in Fahrt zu kommen. Ich selbst brauchte mindestens 150 von 350 Seiten, um mich überhaupt orientieren zu können. Es fühlt sich ein bisschen an wie die steile Auffahrt bei einer Achterbahn, die unendlich lange zu dauern scheint - doch was danach kommt, ist die Mühe allemal wert!

GESAMTWERTUNG ♥♥♥♥♥

Ich habe 'Es war einmal Indianerland' im Rahmen einer Vorlesung zu Kinder- und Jugendliteratur und deren filmische Adaptionen gelesen und war zugegebenermaßen zunächst skeptisch, ob dieser Roman etwas für mich ist. Schließlich habe mich (un)wissentlich eher auf fantastische Jugendliteratur spezialisiert, weil mir realistische Jugendliteratur oftmals zu sehr unter die Haut geht. 'Es war einmal Indianerland' geht unter die Haut - aber auf eine positive, fast aufputschende Weise. Ich habe mich nicht nur aufgrund der jugendnahen Sprache und der natürlichen, authentischen Beschreibungen wie zuhause gefühlt, sondern auch, weil ich das Gefühl hatte, dass Autor Nils Mohl hier den Nerv meiner Generation trifft. Schließlich war ich, als der Roman 2011 erschien, 17 Jahre alt. Die psychologische Entwicklung der Selbstfindung ist zwar in Mausers Fall ein Extrembeispiel, betrifft aber - mal mehr und mal weniger - jeden einzelnen Menschen auf diesem Planeten. An viele der Gedanken, Gefühle und Probleme, die der Protagonist mit sich selbst hat, kann ich mich noch heute sehr gut erinnern; manche von ihnen sind vielleicht sogar bis heute noch präsent. 'Es war einmal Indianerland' war für mich, wie bereits beschrieben, eine Achterbahnfahrt: Die Geschichte und ihre Sprache haben lange gebraucht, mich für sich zu gewinnen, aber als ich einmal drin war, wollte ich gar nicht mehr aufhören zu lesen. Für mich ist dieses Buch eine absolute Empfehlung für jeden, der etwas Mut zur Selbsterprobung hat!

Spannung
Romantik
Humor
Gewalt
Action

- Eure Bücherfüchsin

Cover des Buches Wonder Woman – Kriegerin der Amazonen (ISBN: 9783423761970)

Bewertung zu "Wonder Woman – Kriegerin der Amazonen" von Leigh Bardugo

Wonder Woman – Kriegerin der Amazonen
Yllinvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Hollywood-reife Action auf Papier! Leider bleibt die Story etwas flach...
Hollywood-reife Action

Wonder Woman - Kriegerin der Amazonen


Autor
: Leigh Bardugo

Genre: Jugendbuch, Fantastik, Heroes
Erschienen: 6. Februar 2018
Seiten: 448
Einband: Hardcover
Verlag: dtv
ISBN: 978-3-423-76197-0
Preis : 18,95€ [DE], 19,50€ [A]

Rating: ♥♥


INHALT

"Eigentlich will Diana, Tochter der Amazonenkönigin, nur eines: das Rennen gewinnen, in dem sie gegen die schnellsten Läuferinnen der Insel antreten muss. Doch dann erblickt sie am Horizont ein untergehendes Schiff und bewahrt Alia, ein gleichaltriges Mädchen, vor dem Tod. Doch wie Diana vom Orakel erfährt, ist es Alias Bestimmung, die Welt ins Unglück zu stürzen und Krieg über die Menschheit zu bringen. Um dies zu verhindern, reist Diana mit Alia ins ferne New York – und wird unversehens mit einer Welt und Gefahren konfrontiert, die sie bislang nicht kannte ..."  - Quelle: Verlag

COVER ♥♥

Dem Cover von Leigh Bardugos neustem Roman "Wonder Woman" kann ich absolut nichts abgewinnen. Nicht nur das riesige Emblem mit dem Wonder Woman "W", das gefühlt die Hälfte des Bildes einnimmt, auch die schreckliche, schlecht retuschierte Frauenfigur, die darüber thront und anscheinend Diana darstellen soll, wirken irgendwie aufdringlich und zugleich fehl am Platz. Der Dame wurde ein dunkler Schatten über die Augen gelegt, vermutlich, damit man sich das Gesicht der Protagonistin noch immer selbst vorstellen kann - oder sie war vielleicht einfach nicht hübsch genug. Egal wie, die künstliche Verdunkelung der Augen sieht absolut unnatürlich und lächerlich aus und verspielt damit eine Menge Potenzial, ein wirklich schönes Cover zu sein. Auch Schriftart und -farbe des Titels machen diese Verfehlung nicht weg: Der bronzene Orange-Ton, in dem auch Dianas Armreifen gehalten sind, mögen zwar zu ihrem Outfit passen, wirken aber gemeinsam mit dem Mitternachtsblau des Hintergrunds und der gewählten Schriftart irgendwie billig und wenig elegant. Eine Sache kann das Cover jedoch recht gut: Es reicht ein Blick aus, um zu wissen, dass es sich um eine Geschichte mit Wonder Woman handelt - die ikonische Farbgebung und Gestaltung sowie das übertrieben große Wappen lassen daran schließlich keinen Zweifel. Auffällig ist das Cover dadurch allemal.

CHARAKTERE ♥♥♥♥

Diana: Unsere Protagonistin hat es nicht leicht: Statt wie ihre Amazonen-Schwestern auf der Insel Themyscira als Kriegsheldin wiedergeboren worden zu sein, wurde sie von ihrer Mutter Hyppolita aus Lehm geschaffen und auf der Insel geboren worden. Damit steht es ihr noch bevor, sich als wahrhafte Heldin zu beweisen. Als sie eines Tages an der Küste der Insel die gestrandete Alia vor dem Ertrinken rettet, steht sie zwischen denn Stühlen, denn es ist nicht Fremden nicht gestattet, die Insel der Amazonen zu betreten, Alia entpuppt sich auch noch eine größere Bedrohung als zunächst angenommen. Und dennoch will sie ihr Leben um jeden Preis retten. Ihre Reise führt sie damit erstmals in ihrem Leben in die Welt der Menschen - und was sie dort erlebt wird sie für immer verändern. Diana ist eine starke, liebenswürdige und manchmal etwas hilflose Heldin mit einem wahnsinnigen Charme. Die Werte, die sie seit ihrer Geburt auf Themyscira gelehrt bekam, sind ihr so heilig wie jedes einzelne Leben auf der Welt. In Konfrontation mit dem Unbekannten ist sie natürlich ratlos und verwirrt, was immer wieder Situationen hervorbringt, die dem Leser ein Lachen entlocken, ist dabei jedoch nicht so hilflos, dass es für den Leser nervig wird. Leigh Bardugo findet eine gute Waage darin, ihre physisch so übermächtige Heldin an genau den richtigen Stellen auch mal schwach sein zu lassen, um sie den anderen Charakteren, aber auch den Lesern näher zu bringen. Manchmal war mir ihre Loyalität einem Mädchen gegenüber, das sie noch gar nicht so lange kennt, etwas zu übertrieben, andererseits passt diese Eigenschaft wunderbar zu ihrer hinterweltlerischen, teils naiven, teil überzeitlich moralischen Weltauffassung, weshalb ich mich eigentlich nicht beschweren konnte. Diana ist eine sehr angenehme Protagonistin, eine Heldin, wie man sie sich wünscht, aber auch eine Figur ohne viel Tiefe. Eben einfach "leichte Kost".

Alia : Dianas neue Freundin Alia weist dagegen schon eine ganze Menge mehr an psychologischer Tiefe auf. Seit ihrer Geburt trägt sie ein schweres Los und scheint gerade in letzter Zeit besonders viel Pech zu haben: Zu Beginn des Romans wird sie sogar vor der Küste Themysciras schiffbrüchig. Ihr erstes Zusammentreffen mit Diana und den Amazonen, die sie bisher nur aus Mythen und Büchern kannte, wird durch ihren Hintergrund als gewöhnliche Jugendliche aus New York wahnsinnig amüsant. Der Leser kann sich wunderbar in sie hineinfühlen - und durch ihren sehr charmanten Humor werden die Kapitel aus ihrer Sicht, die sich mit denen aus Dianas Sicht abwechseln, zu einer absoluten Lesefreude. Von ihrem über-besorgten Bruder Jason wohlbehütet erlebt Alia ihr ganzes Leben lang eine Form der Unterdrückung und Unfreiheit, die sich so auf ihren Charakter auswirkt, dass sie ihr inneres Potential, eine starke, toughe, junge Frau zu sein, hauptsächlich in Innensichten und erlebter Rede auslebt. Im Verlauf der Geschichte wächst sie nicht nur mit ihrer neuen Freundin Diana fest zusammen, sie wächst auch angenehm über sich hinaus und entwickelt sich zu einer stärkeren, gefestigteren Persönlichkeit als noch am Anfang. Besonders toll fand ich, dass mit ihrer dunklen Hautfarbe als Afro-Amerikanerin geschickt Themen und Probleme der amerikanischen Gesellschaft angesprochen werden, ohne zu stark die Moralkeule zu schwingen. Leigh Bardugo liefert mit Alia genau die richtigen Denkanstöße für Jugendliche und Erwachsene egal welchen Alters oder welcher Hautfarbe.

Nim & Theo: Wie immer wähle ich neben den Hauptcharakteren immer noch mindestens einen Nebencharakter aus, da mir diese in der Regel besonders wichtig sind. In diesem Fall konnte ich mich zwischen den beiden 'Sidekicks' von Alia und Diana nicht entscheiden und möchte sie gerne beide nennen. Nim ist eine kleine, etwas dickliche, fröhliche und selbstbewusste Inderin und Alias allerbeste Freundin. Sie sagt immer geradeheraus was sie denkt, hat ein riesiges Allgemeinwissen und eine schnelle Auffassungsgabe, ist bisexuell und besitzt ein großes Talent als Modedesignerin. Ihre rasanten Dialoge sind geprägt von viel Wortwitz und einer gesunden Portion Sarkasmus, was die Szenen mit ihr unfassbar angenehm zu verfolgen macht. Sie ist ein wahnsinnig moderner, liebenswerter Charakter, der den Roman absolut aufwartet. Mit Theo hatte ich dagegen zunächst meine Probleme: Der afro-amerikanische Junge kommt aus gutem Hause und wurde stets verwöhnt, hat jedoch eine sehr schwierige Beziehung zu seinem Vater. Beschrieben wird er als eher dünn und betitelt sich oft selbst als 'Nerd', der lieber vor dem PC sitzt und Videospiele spielt, als sich den Problemen des Erwachsenwerdens zu stellen. Dafür ist er ein absolut begabter 'Hacker', eine Tatsache, die ich fast schon zu klischeehaft fand, die aber nur am Rande wichtig wird und daher nicht allzu sehr ins Gewicht fällt. Ich konnte ihn zunächst nicht leiden, da er stellenweise eine solche Arroganz an den Tag legt, die mir einfach nicht gefiel - sympathischerweise konnten die restlichen Charaktere damit genauso wenig anfangen wie ich. Leigh Bardugo schafft es also wunderbar, ihn genau so darzustellen, wie er auch auf die anderen wirken soll. Später hatte ich dann einen sehr versöhnlichen Moment mit Theo und halte ihn - ebenso wie Nim - für eine absolute Bereicherung. Auch wenn sein Vater ihm häufig vorwirft, er sei zu nichts zu gebrauchen.

SCHREIBSTIL ♥♥♥♥♥

Ich kenne Leigh Bardugos Schreibstil sehr gut aus 'Das Lied der Krähen', meinem Toptitel aus dem letzten Jahr. Für mich ist sie eine absolut grandiose Jugendbuchautorin, die es ohne große Anstrengung schafft, natürliche, liebenswerte Charaktere zu schaffen, die alle ihre Besonderheiten haben. Gleichzeitig sind sie derart down-to-earth, dass man sich gut vorstellen kann, sie könnten genauso gut nebenan wohnen. Wie viel Gespür sie für charakterliche Nuancen besitzt, zeigt sich besonders darin, dass sie auch in den sich abwechselnden Kapiteln von Diana und Alia jeweils einen anderen Schreibstil verwendet: Zwar sind beide Teile personal und nicht aus der Ich-Perspektive erzählt, doch wird aus dem von ihr verwendeten Vokabular sofort klar, welche der beiden Perspektiven gerade dran ist. Dianas Part ist beispielsweise immer etwas hochgestochener formuliert. Sie benutzt eine eher altmodische Wortwahl und keine Umgangssprache, paraphrasiert dafür viel, weil sie viele Ausdrücke wie 'Aufzug' oder 'Limousine' eben noch nicht kennt. Alias Part dagegen strotzt nur so von modernen Ausdrücken, Anspielungen aus der Popkultur und einer Menge Humor, der Diana beinahe komplett fehlt - das hört sich jetzt allerdings schlimmer an, als es tatsächlich ist, denn auch Dianas trockene Art tut oft genug ihren Teil zu absoluten Situationskomik. Weiterhin zeichnet sich Leigh Bardugos Zeichenstil dadurch aus, dass er wesentlich literarischer ist, als es bei vielen anderen Autoren der Popkultur der Fall ist: Sie rennt nicht durch den Text, sondern lässt sich ausreichend Zeit für Innensichten und Beschreibungen, ohne dabei gähnend langweilig zu werden. Für mich hat sie sich schnell zu einer meiner Lieblingsautorinnen entwickelt.

HANDLUNG ♥♥♥

Ja okay, die Handlung in Wonder Woman war ganz nett, hat mich jetzt aber auch nicht total vom Hocker gehauen. Sie beginnt, wie bei so vielen Superhelden-Geschichten, mit einer Queste, nämlich der, das Alia einen bestimmten Ort der Welt aufsuchen muss, um die absolute Welt-Katastrophe abzuwenden. Zunächst glaubt sie Diana nicht, ist jedoch bald schon sehr motiviert dabei. Fehlen nur noch ein paar actiongeladene Hindernisse, fetzige Dialoge und ein guter Bösewicht und schon haben wir die Rezeptur für einen typischen Marvel/DC-Film. Unterhaltsam, aber eben auch nicht absolut überragend. Wobei die Enthüllung des wahren Bösewichts gegen Ende des Romans auf jeden Fall einen Schockmoment hervorruft und den unaufmerksamen Leser eiskalt erwischt. Der Roman könnte 1:1 so im Kino laufen und würde sich vermutlich wunderbare Quoten einfahren, denn die Rezeptur ist so oft erprobt und Leigh Bardugos Ausführung wirklich gut. Bis auf die eben genannte Szene konnte mich die Handlung jetzt aber auch nicht besonder überraschen - außer, dass es erfrischend viele starke, weibliche Charaktere gibt, die den Männern zeigen, wo die Harke hängt. Ein großer Pluspunkt war für mich das Fehlen einer Lovestory: Zwar gibt es hier und da mal eine Szene, in der sich die Charaktere gegenseitig schöne Augen machen, ansonsten ist die Geschichte absolut schnulzfrei. Die Ablenkung einer amourösen Beziehung würde aus der Wonder Woman Figur auch ziemlich viel Power nehmen. Dann ginge es nicht mehr um sie und ihre Errungenschaften, sie wäre dann ein normales Mädchen wie jedes andere auch - irgendwie entzaubert. Leigh Bardugo hat ein wunderbares Gespür für solche Dinge. 

GESAMTWERTUNG ♥♥♥

Als ich den Roman erstmal in der Hand hielt, wollte ich ihn erst gar nicht lesen. Dann sah ich, von wem er geschrieben worden war und entschied, ihm eine Chance zu geben. Auf den ersten Seiten war ich absolut geflasht von Leigh Bardugos fantastischem Schreibstil und der feinfühligen Zeichnung ihrer Charaktere und der fast greifbaren, plastischen Welt, die sie erschafft. Die anfängliche Begeisterung nahm jedoch bald wieder ab, als ich merkte, dass ich es genauso gut mit dem Drehbuch des nächsten Hollywood-Blockbusters zutun haben könnte. Die Story ist wenig überraschend, die Action-Szenen sind zu einem Großteil wahnsinnig übertrieben - aber ist ja klar, schließlich haben wir es mit einer Heldin mit übermenschlichen Fähigkeiten zu tun. "Wonder Woman - Kriegerin der Amazonen" ist ein guter, unterhaltsamer Action-Held-Roman mit einer großen Prise Humor, viel Spannung und zum Teil überraschend expliziter Gewalt. Besonders genossen habe ich die Problematisierungen am Rande, die den Lesern Denkanstöße zu Themen wie Rassismus im Alltag, Fatshaming, Sexismus etc. liefern, ohne es zu übertreiben und sie zu sehr ins Zentrum zu stellen. Denn allem anderen voran möchte Wonder Woman Jugendliche inspirieren und unterhalten, ohne sie dabei gleich vor eine bombastische Leinwand zu zerren. Und das hat der Roman auf jeden Fall geschafft.


Spannung
Romantik
Humor
Gewalt
Action

- Eure Bücherfüchsin

Cover des Buches World of Warcraft: Traveler (ISBN: 9783733503918)

Bewertung zu "World of Warcraft: Traveler" von Greg Weisman

World of Warcraft: Traveler
Yllinvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Egal ob für Fans des Spiels oder einfach nur Fantasy- und Abenteuer-Begeisterte - ein schönes Buch!
Für Fans und Nicht-Fans gleichermaßen gut!

World of Warcraft - Traveller (Bd. 1)

Autor: Greg Weisman
Illustrationen: Samwise Didier
Genre: Abenteuer, Fantasy, Jugendbuch
Empfohlenes Lesealter: 10 Jahre
Erschienen: 27. Juli 2017
Seiten: 448
Einband: Broschiert
Verlag: Fischer Verlag
ISBN: 978-3-7335-0391-8
Preis: 12,99€ [D] | 13,40€ [A]

Rating: ♥♥♥♥

INHALT

"Der zwölfjährige Aram hat seinem Vater nie verziehen, dass er ihn und seine Mutter im Stich gelassen hat. Als Kapitän Dorn acht Jahre später plötzlich wieder auftaucht, Aram auffordert, sich seiner Crew anzuschließen und die Meere Azeroths zu durchkreuzen, ist er alles andere als begeistert. Und dann wird das Schiff von Piraten überfallen und Aram ist plötzlich auf sich allein gestellt. Zum Glück ist er im Besitz von Dorns Kompass gelangt. Doch der zeigt dummerweise nicht nach Norden, wie es jeder anständige Kompass tun sollte. Und so führt er Aram nicht zurück in die Heimat, sondern direkt in sein allergrößtes Abenteuer!" - Quelle: Verlag

COVER ♥♥♥♥♥

Das Cover des ersten Bandes von "World of Warcraft - Traveller" ist wunderschön. Als ehemalige und leidenschaftliche World of Warcraft Spielerin sind mir die Artworks des Spiels nur allzu bekannt - und Blizzard-Künstler Samwise Didier schafft es auf wunderbare Weise das fantastische Artwork zum Spiel mit einem bunten, kindlichen Einschlag genau in die Richtung zu drängen, in die das Buch will: Gleichermaßen Spieler des wohl größten Online-Rollenspiels (MMORPG) der Spiele-Branche wie junge Leser ab 10 (bzw. 12) Jahren anzusprechen - oder im besten Fall Leser/innen, die beides in sich vereinen. Ich für meinen Teil liebe das Artwork des Covers: Die geschwungenen und zugleich klaren Konturen, die bunten, aber nicht zu knalligen Farben, die perfekt getroffenen Figuren. Im Vordergrund, ganz unverkennbar und zentral, der Hauptcharakter Aramar Dorn in dem viel zu großen Seefahrer-Mantel seines Vaters mit dem Kompass in der Hand, um dem sich die Geschichte rankt. Links hinter ihm der kleine Murky - ein Murloc, der sich sogar im Spiel selbst einer großen Beliebtheit erfreut und dort als Haustier verfügbar ist. Und rechts hinter ihm der Taure Wildbart, der eins zu eins so getroffen ist, wie ein Taure nunmal auszusehen hat. Was ich nur nicht ganz verstehe ist, warum gerade er es auf das Cover geschafft hat. Wildbart ist kein wesentlicher Nebencharakter und hat nur etwa einen 20-seitigen Auftritt im Buch. Viel eher hätte ich es erwartet, Arams 'Schwester' Makasa oder den Gnoll Hackel auf dem Cover zu sehen, die eine wesentlich größere Bedeutung für Aram haben. Dass Makasas wahres Aussehen für den Leser verschleiert bleiben soll, leuchtet mir ein - es ist sozusagen ein Runnig Gag des Buches. Dennoch halte ich den Tauren weiterhin für eine seltsame Wahl. Vielleicht sind Tauren aber auch einfach spannend anzusehen.

CHARAKTERE ♥♥♥♥

Aramar Dorn: Der 12-jährige Aramar Dorn ist gegen seinen freien Willen Teil der Schiffsmannschaft der "Wellenschreiter", dem Handelsschiff seines Vaters. Nachdem sein Vater ihn und seine Mutter noch vor seinem 6. Geburtstag im Stich ließ und daraufhin nie wieder meldete, ist Arams Wut auf ihn, Kapitän Greydon Dorn, riesig und absolut verständlich. Und dann wagte er es auch noch, eines Tages wieder vor der Tür zu stehen und zu verlangen, das sein Sohn ihn ein Jahr lang auf See begleitet. Zu Beginn des Buches hatte ich meine Probleme mit Aram warm zu werden: Einerseits verstand ich seine Wut auf seinen Vater, der jedoch alles andere als ein böser Mensch zu sein schien, andererseits ging mir seine bockige Art, sein ewiges Selbstmitleid und seine Einstellung, sich nicht einmal zu bemühen, furchtbar auf die Nerven. Dies änderte sich nach etwa einem drittel des Buches, nachdem er und seine Begleiterin Makasa das erste Mal ganz auf sich allein gestellt sind. Statt über Vergangenes und Verlorenes zu trauern, wie ich es eigentlich von ihm erwartet hatte, wächst Aram über sich selbst hinaus und wird - für meinen Geschmack - einen Tick zu schnell erwachsen. Für jüngere Leser bietet der angehende Held aber auf jeden Fall alles was er braucht, um der perfekte Protagonist zu sein: einen gewitzten Verstand, großen Mut, eine gesunde Prise Humor und ein gutes Herz. Zusätzlich besitzt er außerdem das große Talent des Zeichnens - und schafft es spielend leicht, all jene, die er zeichnet, genau so darzustellen, wie sie wirklich sind, oder aber so, wie sie gerne sein würden. Das Resultat seiner Zeichnungen bekommt der Leser parallel zum Text in seitenfüllenden Illustrationen vorgeführt, die - original von Blizzard-Zeichner Samwise Didier - einen wunderbaren Einblick in die Geschichte geben. Die Charaktere werden im Comic-Stil dargestellt und nehmen zwar der eigenen Fantasie das Aussehen der Figuren vorweg, doch empfand ich sie in diesem Fall weniger störend, sondern vielmehr als Gewinn für die Geschichte. Vor allem da sie gleichzeitig als wunderbare Schlüsselelemente den Plot unterstützen. Eine schöne Idee!

Makasa Flintwill: Genau wie bei Aramaer Dorn hatte ich mit Makasa zu Beginn der Geschichte noch so meine Zwistigkeiten. Als 2. Maat des Handelsschiffs ist sie Aram im Rang überlegen und lässt keine Gelegenheit aus, dies zu demonstrieren. Sie hat eine offene Abneigung gegen den Jungen und seine Art, schafft es aber irgendwie nicht, diese mal richtig zur Sprache zu bringen. Außerdem scheint sie ständig mit ihm um die Zuneigung des Kapitäns zu konkurrieren. Sie ist einfach ein typisches Beispiel für 'Harte Schale, weicher Kern', das biestige 17-jährige Mädchen, das alles besser weiß, nur hin und wieder mal nett ist und sich zum Schluss als eine ganz Liebe entpuppt. Trotzdem überraschte sie mich - denn je weiter die Geschichte voran schritt, desto weniger nervig fand ich sie. Makasa ist eine wahnsinnig loyale Seele und eine sehr begabte Kämpferin noch dazu. Dass sie älter ist als Aram und zugleich einen höheren Rang innehat, stieg ihr ab und zu zu Kopf, wohingegen Aram bald lernte, sich ihr gegenüber zu emanzipieren. Ihr mit der Zeit immer freundschaftlicher werdender Machtkampf hatte so immer wieder unfreiwillig komische Momente. Sie mag nicht mein liebster Charakter gewesen sein, aber mit der Zeit kam ich ganz gut mit ihr aus.

Murky: World of Warcraft - Traveller hat eine Menge liebenswürdiger Charaktere zu bieten. Umso schwerer fällt mir die Entscheidung, welchen ich euch hier noch genauer vorstellen möchte. Andererseits fällt es mir dann doch gar nicht so schwer, Murky zu wählen. Der kleine Murloc - eine fischartige Rasse mit lustiger gurgelnder Sprache - ist kein guter Fischer, obwohl er das eigentlich im Blut haben sollte. Stattdessen hat er eine Begabung, sich ständig in seinen eigenen Fischernetzen zu verheddern und sich dabei in brenzliche Situationen zu bringen. Mehr als einmal muss er von seinen neuen "Fronden" vor dem knappen Tod bewahrt werden. Er ist eine unfassbar treue Seele und von einer entzückend kindlichen Naivität, das man ihn als Leser/in ganz einfach ins Herz schließen muss. Da er die Gemeinsprache nicht beherrscht, sondern nur versteht - und andernfalls nur Murloc sprechen kann - sind die Missverständnisse vorprogrammiert, und seine kläglichen Versuche, den anderen Charakteren Gemeinsprache nachzusprechen, sind immer wieder für einen Lacher gut. Sie ziehen sich übrigens durch das ganze Buch und werden vermutlich noch in den nachfolgenden Teilen eine Konstante bleiben. Murky ist einfach nur niedlich und scheint als der perfekte Sidekick einfach aus einem Animationsfilm direkt in das Buch gepackt worden zu sein.

SCHREIBSTIL ♥♥♥♥

Generell liest sich World of Warcraft - Traveller wie ein guter Kinofilm. Die Sprache (auch wenn ich jetzt nur von der Übersetzung sprechen kann. Diese stammt aus der Feder von Andreas Kasprza) ist für einen Jugendroman, der an 10 - 12-jährige Leser gerichtet ist, überraschend melodiös und künstlerisch, ohne dabei an notwendiger Einfachheit zu verlieren. Sie zu lesen ist also nicht nur für Kinder leicht verständlich, sondern auch für Erwachsene ein leichter Genuss. Der Autor schafft es spielend leicht, die Geschehnisse mit Worten so einzufangen, dass sie wie plastisch vor dem Inneren Auge des/der Rezipient/en/in erscheinen und damit wie von einer Leinwand projiziert wirken. Auch ohne Aramars Zeichnungen wäre es ein leichtes, sich die Charaktere und ihre Handlungen bildlich vorzustellen. Ein wenig kritisch betrachte ich jedoch die recht expliziten Formulierungen von Gewalt, die in World of Warcraft - Traveller trotz seiner kindlich anmutenden Ästhetik keine Seltenheit sind. Da fliegen schon Mal Köpfe und Gliedmaßen, es werden Bäuche aufgeschlitzt, Dolche zwischen Rippen gerammt und der Untote verliert ständig seine Gliedmaßen (okay, das ist lustig). Obwohl ich als Erwachsene damit weniger Probleme hatte - und im Gegenteil sogar überrascht war, über die Spannung die das Buch so für mich aufbauen konnte -, halte ich 10 Jährige als Zielgruppe etwas zu jung. Es kommt natürlich immer auch auf den Grad der Aufklärung und der 'Abhärtung' des Kindes an - manche Eltern sind da liberaler als andere - doch für jemanden, der sonst relativ wenig mit Blut und Gemetzel zu tun hat, rate ich, vielleicht noch ein paar Jahre zu warten. Es ist jetzt kein Splatter im Sinne Tarantinos, denn der Autor geht nicht ausführlich ins Detail, aber manche Formulierungen waren doch schon hart an der Grenze. Ein wenig verwirrend waren auch die ständigen Perspektivenwechsel: Der Großteil des Buches beschränkt sich auf die in 3. Person formulierte Perspektive Arams, doch hin und wieder gibt es - zwar in eigenen Absätzen, dennoch gestreut und verwirrend - einen Perspektivenwechsel auf einen der anderen Charaktere (auch der Bösewichte), der dann viel zu kurz ausfällt. Ein regelmäßiger Perspektivenwechsel zwischen zwei oder drei Charakteren hätte ausgereicht, so fühlte es sich manchmal etwas zerschnippselt an.

HANDLUNG ♥♥♥♥

Für mich zog sich die erste Hälfte des Buches wahnsinnig, weshalb ich überraschend lange gebraucht habe, um überhaupt mit den Charakteren und der Handlung warm zu werden. Danach ging alles relativ schnell und ich war zum Schluss sogar etwas traurig, dass es vorbei sein sollte - und wollte am liebsten gleich den zweiten Band in Angriff nehmen (der übrigens schon im April erscheint). Wir haben es bei World of Warcraft - Traveller mit der typischen Heldenreise zu tun: Der junge, unerfahrene Aramar Dorn muss sich von seinem Vater emanzipieren und eine Reise durch Kalimdor, den westlichen Kontinent Azeroths, an der Seite seiner neuen - und alten - Freunde bestreiten. Dabei lernt er immer mehr über sich selbst, das Land, die Völker und vor allem über seinen Vater, lernt, das Gelernte auch umzusetzen, und wächst mit der Zeit zu einer starken Persönlichkeit heran, die im absoluten Kontrast zu dem steht, wie er früher einmal war. Eine Gruppe schräger Bösewichte, die mich irgendwie hin und wieder an Team Rocket erinnert haben, weil ich sie einfach nicht schrecklich finden konnte, darf natürlich auch nicht fehlen. All das ist in keiner Weise neu, auch das Setting in der Welt von World of Warcraft ist keines, das noch nie da gewesen wäre. Wer also total überraschende Wendungen und Charaktere abseits der Prototypen erwartet, wird eventuell enttäuscht werden. Nichtsdestotrotz schafft es Weisman spielend leicht, aus altbekanntem Stoff eine neue, fantastische und für jung und alt spannende Geschichte zu schaffen, die jeden mitreißen kann, der sich ein bisschen auf sie einlässt. Oder einfach ein Fan von World of Warcraft ist.

GESAMTWERTUNG ♥♥♥♥

Ein Gedanke, der mir beim Lesen kam, war: Wie pädagogisch wertvoll kann etwas sein, das junge Leser dazu auffordert, ein Online-Spiel zu spielen, das zugegebenermaßen süchtig machen kann? Aber bei genauerem Hinsehen wurde mir schnell klar, dass das gar nicht der erste Sinn des Buches ist. Die Geschichte wäre auch ohne das Setting eine sehr gute - und es gibt an keiner Stelle im Buch die Aufforderung, selbst World of Warcraft zu spielen. Das hat meinen inneren Kritiker dann doch etwas befriedet. Auch wenn ich als ehemalige Spielerin irgendwie zugeben muss, dass das Buch die Sehnsucht nach Azeroth in mir geweckt hat. Einfach weil die Lore, die Welt, die Völker, die Kulturen und die Geschichten so wahnsinnig ausgefeilt und komplex sind. Weisman lässt es sich nicht nehmen, Azeroth von seiner schönsten Seite zu beschreiben und für Kenner des Spiels die unterschiedlichsten Insider und Easter Eggs zu hinterlassen. Gepaart mit seiner wunderschönen und doch einfachen Sprache, seinen liebenswerten Charakteren (Murky!) und der wirklich spannenden Geschichte, die mich zum Schluss hin einfach nur gefesselt hat, finde ich World of Warcraft - Traveller einfach nur ein gutes Buch, das es meiner Meinung nach verdient hätte, verfilmt zu werden. Nur der für mich sehr zähe Anfang, die zu Beginn nervigen Charaktere und die überraschend explizite Gewalt sind ein Grund für mich, dem Buch nicht die volle Anzahl an Punkten zu geben. Wer Lust bekommen hat, dieses Buch zu lesen, sollte sich auf jeden Fall weiterhin darüber im Klaren sein, dass Erwachsene nicht die erste Zielgruppe für Traveller sind. Wer sich darauf einstellt, kann mit einem spannenden Abenteuer rechnen, das - leicht zu lesen - eine gelungene Auszeit vom schnöden Alltag bietet. 
Ich danke den Fischer Verlagen für das Rezensionsexemplar!
Spannung Romantik//Humor ♥♥♥Gewalt ♥♥♥Action 
- Eure Bücherfüchsin

Cover des Buches Die geliehene Zeit (ISBN: 9783426518106)

Bewertung zu "Die geliehene Zeit" von Diana Gabaldon

Die geliehene Zeit
Yllinvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Nicht so gut wie Band 1, aber immer noch grandios!
Nicht so gut wie Band 1, aber immer noch grandios!

Outlander - Die geliehene Zeit (Bd. 2)

Autor: Diana Gabaldon
Genre: Historisch, Abenteuer
Erschienen: 2. November 2015
Seiten: 1232
Einband: Taschenbuch
Verlag: Droemer Knaur
ISBN: 978-3-426-51810-6
Preis: 16,99€ [Print] | 12,99€ [eBook]

Rating: ♥♥♥♥

INHALT

"Schottland, 1968: 20 Jahre nachdem Claire Randall aus der Vergangenheit zurückgekehrt ist, bringt sie ihre Tochter Brianna in die Highlands, denn Brianna soll endlich das Land ihres Vaters kennenlernen. Claire will außerdem die Antwort auf eine Frage finden, die sie seit über 20 Jahren quält: Konnte ihre große Liebe Jamie Fraser die schreckliche Schlacht von Culloden überleben?" - Quelle: Verlag

COVER ♥♥♥♥

Wer meine Rezension zu Band 1 gelesen hat, der wird wissen, dass ich von seiner Aufmachung nicht allzu begeistert bin: Es ist super schlicht gehalten, was die Farbe zum Hauptmotiv des Covers werden lässt. Dabei sind die leicht aus dem Cover herauskommenden Verzierungen und die aufgedruckte Buchschnalle das einzig Besondere an dem 1200-Seiten-Wälzer, den ich so unter Umständen vermutlich nicht einmal in die Hand genommen hätte, wüsste ich nicht bereits um die Genialität des Inhalts. Das aufdringliche Orange, das den zweiten Band vom ersten unterscheidet, lindert meinen Unmut dabei leider nicht im geringsten. Im Gegensatz zum milden Himmelblau des ersten Bands, fehlt der unnatürlichen Farbe irgendwie die mysteriöse Zurückhaltung. Andererseits, und da bin ich ebenfalls ehrlich, wüsste ich auch nicht, wie sich ein so umfangreiches Buch wie dieses - und jedes weitere der Reihe - gebührend in einem einzigen Cover zusammenfassen ließe. Die Wahl eines schlichten, hübschen Covers mit historisch anmutender Buchschnalle scheint mir daher nach Monaten, die ich mit dem Buch verbracht habe, die richtige zu sein. Bloß die Farbe hätte meiner Meinung nach ruhig etwas weniger grell und unnatürlich ausfallen können.

CHARAKTERE ♥♥♥♥♥

Claire Randall Fraser: Claire ist nach wie vor eine der stärksten, spannendsten und zugleich lebendigsten Frauenfiguren unserer Zeit. Mit dem Scharfsinn und der Stärke einer intelligenten, emanzipierten Frau, wie sie ihrer Zeit (und damit meine ich wortwörtlich ihrer Zeit 1945) um einiges Voraus ist, manövriert sie wie selbstverständlich zwischen den politischen Intrigen und blutigen Ausschreitungen eines Europas im 1800 Jahrhundert - egal ob am Hofe des französischen Königs Ludwig XV. in Paris oder im Matsch zwischen Horden von ungewaschenen Highlandern, Claire bewahrt stets Ruhe, weiß immer Rat und und tut stets was sie kann, um ihre Lieben zu schützen oder zu unterstützen. Und dabei ist sie keineswegs perfekt. Sie begeht sehr wohl Fehler, die ihr im Laufe des Buches äußerst teuer zu stehen kommen. Vermittelt aus ihrer Perspektive erleben wir die Abenteuer von Claire und ihrem Mann im zweiten Band mindestens genauso hautnah, wie noch im ersten - unser Wissensstand ist stets der selbe wie der unserer Protagonistin, wodurch wir gezwungen werden, Intrigen und Erkenntnisse zeitgleich mit ihr zu erfahren, zu verarbeiten und weiterzudenken. Es ist eine Freude, einen so unerschütterlichen Geist wie Claire über tausende von Seiten zu begleiten, mit ihr zu rätseln, zu lieben, zu trauern und jede Gefühlsregung so wahrzunehmen, als sei sie die eigene. Gleichzeitig kann man von ihr unfassbar viel lernen, denn nicht selten unterscheidet sich ihre Reaktion von der eigenen dadurch, dass sie oftmals viel bedachter, viel erwachsener handelt, als man selbst in einer solchen Stresssituation vielleicht gehandelt hätte. "Was würde Claire Fraser tun?" erscheint mir im Hinblick auf eine so wunderbare und vorbildhafte Frauenfigur wie Claire als ein durchaus legitimes Lebensmotto! :)

James 'Jaime' McKenzie Fraser: Wer glaubt, dass ich in Hinblick auf Claire schon zu sehr ins schwärmen geraten bin, der sollte diesen Teil möglicherweise überspringen: Was gibt es über Jaime Fraser mehr zu sagen, als dass er ein absolut unrealistisches, viel zu perfektes Männerbild suggeriert, das einem im Leben nichts anderes als falsche Hoffnungen machen kann? Nein, mal im Ernst - Jaime ist einfach ... Jaime. Er entspricht nicht nur äußerlich den feuchten Träumen einer jeden Frau (hochgewachsen, breitschultrig, hünenhaft, muskulös, rothaarig, blauäugig, hübsch, stark, kampferprobt, ...), er besitzt auch einen beinahe makellosen Charakter. Er ist wild, entschlossen, stark, scharfsinnig, humorvoll, kindlich, manchmal etwas hilflos naiv, folgt jedoch immer seinem unanfechtbaren Moralkodex ... ist ja gut, Jaime ist einfach perfekt. Und während ich mich in anderen Büchern oftmals darüber aufrege, so kann ich nicht anders, als ihn dafür zu lieben. Bei Diana Gabaldon heißt perfekt nämlich nicht zwangsläufig makellos. Jaime kann nicht alles, er weiß nicht alles und er begeht, genau wie Claire, Fehler, die ihm den Kopf kosten können. Obwohl er wie der wahrgewordene Traum erscheint, bleibt er in seinem Charakter stets menschlich, nachvollziehbar und angreifbar, er wirkt lebendig, wie eine Figur, die es so tatsächlich einmal gegeben haben könnte. Diese Gratwanderung ist es, die Diana Gabaldons Romane so erfolgreich machen: Ihre perfekten Charaktere sind nicht unerreichbar und übermenschlich, sondern vermitteln das Gefühl, realistisch und echt zu sein, so als bestünde die Hoffnung, einem Jaime oder einer Claire irgendwann einmal zufällig auf der Straße zu begegnen. Der zweite Band vermittelt dieses Gefühl sogar noch wesentlich mehr, als es der erste getan hat.

SCHREIBSTIL ♥♥♥♥

Diana Gabaldon bleibt ihrem Schreibstil im zweiten Band mehr als nur treu. Ich habe selten ein Buch lesen dürfen, das so detailliert geschrieben und dabei so feingliedrig durchdacht ist. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie viele hundert Stunden die Autorin damit verbracht haben muss, all diese kleinen historischen Details rund um Heilkunde, Kräuterkunde, Kriegskunst oder Kochkunst des 18. Jahrhunderts in Frankreich und Schottland zusammenzusammeln und unbemerkt in ihren Roman einflechten zu lassen. Sicher, viele dieser Details könnte sie sich auch ausgedacht haben, dafür erscheinen sie mir jedoch zu durchdacht und gleichermaßen realistisch. Beantworten kann dies nur ein Experte in Sachen schottischer bzw. französischer Geschichte - und da ich ein solcher nicht bin, vertraue ich auf meinen gesunden Menschenverstand und das Know-How, das ein Autor bzw. eine Autorin mitbringen muss, die sich selbst aufbürdet, einen so detaillierten historischen Roman zu verfassen. Zugegebenermaßen war es mir an Detailbeschreibungen in diesem Band manchmal um einiges zu viel - gerade in den Passagen, in denen Claire von den wahren Geschehnissen abgeschnitten bleibt, eben weil sie nur eine Frau ist, und stattdessen Bankette besucht oder grausige Wunden behandelt, waren voll von interessanten, aber Reiz überflutenden Informationen, die die Handlung nicht so recht weiterbrachten. In diesem Fall wirkte die Perspektive, die bis auf die Anfangs- und Endkapitel ausschließlich auf Claire festgesetzt ist, einschränkend für die Leseerfahrung. Viel lieber hätte ich mehr über die Verhandlungen und Gespräche erfahren, die Jaime  in dieser Zeit geführt hat. Der hohe Detailgrad führte bei mir auch dazu, dass ich regelmäßig ermüdete, weil sich die eigentliche, die spannende Handlung so sehr in die Länge zog. Ein Jahr habe ich gebraucht, um die 1200 Seiten hinter mich zu bringen - und es hat sich definitiv gelohnt. Einfach zu lesen war es für mich jedoch nicht immer.

HANDLUNG ♥♥♥♥

Durch diese wahrlich große Leistung sehr detaillierter Beschreibungen zog sich die Handlung eben phasenweise um einiges in die Länge. Besonders Anfang und Ende sowie einige Passagen in Paris sind zum Teil sogar fürchterlich anstrengend, dass ich das Buch zum Teil mehrere Wochen weglegen musste, bevor ich es wieder in die Hand nahm. Die einzelnen Handlungsstränge, die parallel zur Haupthandlung ablaufen, sind so verworren und an so viele einzelne Namen geknüpft, dass es nicht ungewöhnlich ist, vieles nicht gleich beim ersten Lesen miteinander in Verbindung zu bringen. Gerade in Bezug auf die Pariser Intrigenschmiede eröffnet sich einem vieles erst beim zweiten Mal lesen, da bin ich mir relativ sicher. Die Handlung, der Plot, ist daher zwar in zwei bis drei Sätzen zusammengefasst (Claire und Jaime reisen nach Paris, um Bonnie Prince Charlie aufzuhalten), das gesamte Ausmaß der 1200 Seiten lässt sich jedoch nur schwer Revue passieren, ist wirr, durcheinander und von vielen Reisen, vielen Rückschlägen, vielen Abstechern, Umwegen und Gefahren geprägt. Und das ist mindestens genauso anstrengend, wie es sich jetzt gerade anhört. Hätten wir es jedoch mit einer einfachen, linearen Handlung zu tun, die ohne Umschweife auf 400 Seiten erzählt würde, so würde doch etwas fehlen. Der hohe Detailgrad, die zeitnahe, verworrene Erzählung und die hundertfachen Schleifen, die die die Handlung dreht führen erst zu der unfassbaren Nähe, die man zu den Charakteren und ihren Schicksalen erfährt. Mit Abschluss des Buches fühlt sich der Leser letztlich dann so erschöpft und durch die Mangel genommen, als hätte er das Chaos des Krieges und die Irrfahrten von Jaime und Claire am eigenen Leib erfahren.

GESAMTWERTUNG ♥♥♥♥

Alles in allem hat mir der zweite Band der Outlander-Saga nicht ganz so gut gefallen, wie der erste. Dies lag hauptsächlich daran, dass der Detailgrad, die Verworrenheit und die kleinteiligen Beschreibungen für mich einfach ein bisschen zuviel an "Zuviel" waren. Während ich mit Claire also im politischen Sumpf am französischen Hof feststeckte, wollte ich mit ihr eigentlich viel lieber zurück nach Schottland. Die vielen hundert Namen und Gesichter, die ich mit genausten Beschreibungen während des Lesens kennengelernt habe, hatte ich nach den nächsten dreißig Seiten bereits wieder vergessen - und nur ein paar wenige sind mir letztlich im Gedächtnis geblieben. Doch alles hat seine guten und schlechten Seiten: So wäre Outlander ohne Diana Gabaldons außergewöhnlichen Schreibstil nicht Outlander. Es würde sich nicht so anfühlen, als stecke man mitten im Geschehen und als erlebe man alles hautnah mit, würde sie nicht so unfassbar viel Zeit in Gefühle, Gesichter und Beschreibungen stecken. Claire, Jaime, Charles und all die anderen Charaktere, die wir im Verlauf des Buches kennenlernen, würden sich nicht so unfassbar echt und lebendig anfühlen, wenn nicht durch die Kunst der Autorin, alles lebensgenau beschreiben zu können. Auch wenn das Buch meiner Meinung nach seine Längen hatte, so war der Großteil doch so spannend, atemberaubend, leidenschaftlich und dramatisch, wie ich es noch aus dem ersten Band großteils gewohnt war. Und nachdem es bereits 8 Bände der Outlander-Saga gibt, habe ich noch lange nicht das Gefühl, genug von Jaime und Claire zu haben. Nach der großen Anstrengung, die mich dieses Buch gekostet hat, werde ich jedoch erstmal eine kleine Pause brauchen, bevor ich mich erneut in die Gesellschaft der Sassenach und ihren Highlandern begebe. 


Spannung 
Romantik 
Humor 
Gewalt ♥♥♥♥
Action 

- Eure Bücherfüchsin

Cover des Buches Iskari - Der Sturm naht (ISBN: 9783453271234)

Bewertung zu "Iskari - Der Sturm naht" von Kristen Ciccarelli

Iskari - Der Sturm naht
Yllinvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Schwache Heldin, starkes Szenario.
Schwache Heldin, starkes Szenario.

Iskari - Der Sturm naht (1)

Autor: Kristen Ciccarelli
Genre: Fantasy, Romance, Jugendbuch
Erschienen: 02.10.2017
Seiten: 582
Einband: Hardcover
Verlag: Heyne fliegt
ISBN: 978-3-453-27123-4
Preis: 16,99€ [DE] | 17,50€ [A]

Rating: ♥♥♥♥


INHALT

"Als kleines Kind lockte Asha einst Kozu herbei, den mächtigsten aller Drachen. Er gab vor, ihr Freund zu sein, doch dann flog er auf und vernichtete mit seinen mörderischen Flammen Ashas Heimatstadt. Um die unverzeihliche Schuld, die sie damit auf sich geladen hat, zu sühnen, ist sie eine Iskari geworden, eine Drachentöterin – die beste und mutigste. Doch ihre größte Prüfung steht noch bevor. Denn ihr Vater, der König, stellt ihr ein schreckliches Ultimatum. Entweder befreit sie das Land endgültig von Kozu – oder sie muss den ihr verhassten Jarek heiraten. Aber Kozu ist unbesiegbar, der Kampf mit ihm selbst für eine Iskari viel zu schwer. Doch Asha ist nicht allein, denn plötzlich stellt sich jemand an ihre Seite. Jemand, der sie noch nicht einmal ansehen dürfte: Torwin, der geheimnisvolle Sklave Jareks …" - Quelle: Verlag

COVER ♥♥♥♥

Das Cover von "Iskari - Der Sturm naht" ist unglaublich schön. Als ich das letzte Mal durch meinen Stammbuchladen schwadronierte, fiel mir dieses Buch unter all den Neuerscheinungen am meisten auf. Die schönen, vollen Lippen einer jungen Frau sind hier in geradezu erotischer Weise an ein großes, äußerst scharf aussehendes Messer gepresst. Während die gesamte Komposition in ein elegantes Grau getaucht ist, ist die Haut des Mädchens mit hübschem goldenen Staub versehen, der die selbe Farbe trägt, wie der Titel. Kennt man das Buch, wird einem schnell auffallen, wie stark das Cover die Geschehnisse des Romans widerspiegeln ohne dem unwissenden Leser das Lesevergnügen zu verderben. Mir wäre dieses Cover durchaus vier Herzen wert, hätte ich nicht das originale Cover der englischen Version gesehen. Dort trägt das Mädchen ein ganz anderes Messer an den Lippen - ein hübsches, zweischneidiges und ornamentiertes Messer, das stärker an den Orient erinnert, als das der aktuellen deutschen Ausgabe. Ich nehme an, dass man hierzulande Probleme mit dem Copyright bekam. Bedauerlicherweise hat man keinen allzu schönen Ersatz gefunden, denn dieses Messer erinnert bloß an ein langweiliges, einfarbiges Fleischermesser, wie man es in deutschen Küchen nur allzu oft findet - nicht aber an die Waffe einer orientalischen Kriegerin. Auch wenn die Komposition an sich stimmig ist, muss ich hierfür einen Punkt Abzug geben.

CHARAKTERE ♥♥♥

Asha: Ich gebe zu - ich mochte Asha gerade zu Beginn des Buches kein Bisschen. Als Iskari hat sie in ihrem Leben eine schwere Bürde zu tragen, die sich nicht nur als Narben auf ihrer Haut, sondern auch in der Interaktion mit anderen Charakteren zu erkennen gibt. Und auch wenn ich die psychologisch gut hergeleitete Begründung für ihr kühles Verhalten und unnahbares Geplänkel gut nachvollziehen kann, ging sie mir die meiste Zeit einfach auf die Nerven. Es war einfach viel zu früh bereits abzusehen, dass sich hinter ihrer harten Schale ein viel zu weicher Kern befindet. Ich habe ihr die starke Kriegerin, die unnahbare Prizessin, einfach von Anfang an nicht abgenommen. Sie schafft es weder, Drachen zu erlegen, ohne dabei fast in Ohnmacht zu fallen, noch weiß sie sich gegen ihre männlich bestimmte Familie zu behaupten. Sie ist von Anfang bis Ende des Romans ein Spielball männlicher Interessen, schwört, die stärkste und beängstigendste Drachentöterin zu sein und kuscht dennoch vor ihrem fanatischen Verlobten, der sie für nicht viel mehr hält, als ein hübsches Stück Fleisch. Asha schafft es nicht, auf den Tisch zu hauen und sich aus eigener Kraft aus ihrer misslichen, unterdrückten Lage zu befreien - sie braucht einen (zugegebenermaßen hinreißenden) Mann dafür. Und selbst für dessen wahre Worte ist sie bis zum Schluss blind. Was ich wahnsinnig schade finde, denn in der Danksagung des Buches behauptet die Autorin, ihr Leben lang von starken Frauenfiguren in Film und Buch inspiriert worden zu sein Prinzessin Mononoke, Éowyn, Mulan, Xena... Ich erkenne keine dieser Figuren in Asha wieder. Ihre aufgesetzte Art, ihr durchdringendes Selbstmitleid und ihre leicht zu manipulierenden Gedanken waren einfach zu präsent, um in mir als Leserin irgendeine Form der Verbindung herstellen zu können, die der zu ihren geistigen Vorfahren auf irgendeine Weise gleichgekommen wäre.

Jarek: Ashas gewalttätiger und fanatischer Verlobter machte als Figur für mich wenig Sinn. Er kam mir rein instrumentalisiert vor. Er kommt mir weder besonders hell im Kopf, noch in seiner Figuren-Motivation besonders stimmig vor. Jarek ist unnötig gewalttätig und trägt eine Spur des Bösen in sich, von der niemand weiß, woher sie rührt. Er war für mich als Leser unglaublich unnahbar und nur dazu da, Spannung, Angst und Frust zu erzeugen. Ich kann nicht einmal viel zu seinem Charakter sagen, außer dass seine machohafte und machtgierige Art alles ist, was ihn ausmacht. Aber einen guten "Bösewicht" macht nicht allein seine Skrupellosigkeit und Boshaftigkeit aus - ein guter Bösewicht hat Gründe für seine Düsternis, für seinen Hass und seine Taten. Vielleicht ist er aber auch nur ein gefühlskalter Psychopath - aber um das beurteilen zu können, geht sein Charakter nicht ausreichend genug in die Tiefe. Für mich war Jarek einfach nur ein Stereotyp, der Mann, vor dem eine Jungfrau in Nöten, wie sie Asha schließlich ist, eben einfach gerettet werden will, weil sie sich selbst nicht wehren kann. Weil sie ihm nicht selbst sagen kann, dass er ein sexistischer, aufgeblasener Versager ist, der keine Macht über sie hat. Aber nein, dazu ist die ach-so-große Drachentöterin dann irgendwie doch zu feige (und das, obwohl er und sie gemeinsam aufgewachsen sind ...). Und das Schicksal, das Jarek gegen Ende des Romans widerfährt, widerspricht seiner bedrohlichen Stärke und seiner sonstigen Übermacht in jedweder Weise. Jarek ist immer nur dann schwach, wenn die Autorin einen Grund braucht, ihre Helden aus einer misslichen Lage zu befreien. Und immer dann übermächtig, wenn ihr kein anderes Mittel einfällt, um Spannung aufzubauen. Auf mich wirkte das ganze äußerst unausgeglichen.

Torwin: Der Skral Torwin hat für mich das Buch gerettet. Er stellt eine komplett andere Form der Männlichkeit dar als beispielsweise Jarek, der eiskalte, machohafte Ritter, oder Ashas Bruder Dax, der goldene, strahlende Held. Torwin ist weder besonders stark, noch besonders kampferprobt. Er ist weder machohaft noch unterdrückend, er ist nicht männlich in einem hegemonialen Sinn, sondern ein weicher, zartgliedriger, liebevoller Lautenspieler. Er näht, er singt, er musiziert, er tanzt. Er verarztet und beruhigt. Er schafft die schönsten Kleider. Und seine bevorzugte Waffe ist der Bogen, nicht das Schwert. Doch dabei bleibt Torwin doch immer männlich, strahlt eine so schützende Ruhe aus, dass man sich als Leserin gerne mal danach sehnt, in die Arme eines solchen Mannes zu fallen. Torwin muss sich nicht behaupten: Nicht in seiner Männlichkeit, nicht in seiner Macht, nicht in seiner Stärke. Alles was er sich wünscht, ist frei zu sein. Er kennt seine Schwächen und er akzeptiert sie, so wie er die Schwächen der anderen um sich herum akzeptiert. Für mich ist Torwin einer der wertvollsten Charaktere, die ich seit langem kennenlernen durfte - und ich bin der Meinung, dass die Autorin es mit ihm geschafft hat, das zu erreichen, was sie eigentlich mit Asha vorhatte zu tun: Nämlich einen Charakter zu schaffen, der die (leider noch immer allzu gängigen) Geschlechterkonventionen aufzubricht und sich selbst neu erschafft.

SCHREIBSTIL ♥♥♥♥

Kristen Cicarelli besitzt einen einfachen, zauberhaften Schreibstil. Sie schafft es, mit den wenigen Worten eines Jugendbuchs ganze Welten zu erschaffen, glaubwürdige Details zu erschaffen und Stimmungen zu transportieren, die den Leser lange nach dem Lesen nicht mehr loslassen. Die Welt und ihre uralten Geschichten sind ganz toll konzipiert und lesen sich zum Teil so authentisch wie die Märchen aus 1001 Nacht. Ihr gelingt es, eine hybride Welt zwischen westlicher und nahöstlicher Kultur so zu vereinen und neu aufzubereiten, dass sich Leserinnen und Leser beider Kulturen auf ihre weise angesprochen fühlen können. Dabei fällt die klassische Fantasy jedoch fast über die Tischkante: Die viel zu wenig detaillierte Beschreibung der Drachen, die an einigen Stellen fast in kindlichen Ton abrutscht, erinnert viel mehr an die Kuscheldrachen aus DreamWorks "Drachenzähmen leicht gemacht", als an starke, ehrfurchtgebietende, gefährliche Echsen der Lüfte. In diesem Zusammenhang sind mir auch viele Wiederholungen aufgefallen (Drachen, die den Kopf schieflegen; Drachen, die Hände anstupsen), die so wirken, als seien der Autorin nach einiger Zeit die Ideen ausgegangen. Meiner Meinung nach wurden die Textbeschreibungen den Drachen, wie sie nach den Erzählungen innerhalb des Buches eigentlich sein sollten, in keiner Weise gerecht. Im Gegenteil: Sie werden zu einfachen Tieren degradiert.

HANDLUNG ♥♥♥♥♥

Während sich der Anfang des Romans noch etwas zieht, nimmt der Plot der Geschichte dann relativ schnell Fahrt auf. Spätestens ab der Hälfte entwickelt Iskari einen solchen erzählerischen Sog, dass man das Buch kaum noch aus der Hand legen möchte. Ein Plottwist jagt den nächsten, ein Abenteuer das andere. Und obwohl Liebe und Vertrauen eine wesentliche Rolle spielen, hatte ich nie das Gefühl, dass die sich anbahnende Liebesgeschichte das epische Geschehen beeinflusst oder hemmt - sie fügt sich wunderbar in das Plot-Gefüge ein und lässt Platz für anderes, nimmt nicht den gesamten Raum ein. Die toll inszenierte Welt und ihre Lore spielen dabei eine wesentliche Rolle in der Spannungserzeugung: Während die Geschichte der Gegenwart den roten Faden bildet, wird eie Kapitel abwechselnd von alten Geschichten über die Mythologie und die Vergangenheit durchzogen. Diese Geschichten lesen sich kurzweilig wie abgeschlossene Märchen und haben auf ihre Art immer einen direkten Impact auf das Geschehen der Gegenwart. Die dadurch erzeugte Vielschichtigkeit macht das Lesen, Eintauchen und Verbindungen knüpfen für den Leser zu einem wahren Fest. Lediglich Gegen Ende hin läuft es für die Helden des Buches ein wenig zu schnell zu glatt, die Anfangs angeführte Bedrohung scheint plötzlich gar nicht mehr so bedrohlich zu sein, im Gegenteil: Sie ist sogar relativ schnell gebannt. Für das Gesamterlebnis halte ich diese Plot-Entscheidung jedoch nicht für allzu entscheidend, denn es bleibt immer noch eine große Freude, die Geschichte von Anfang bis Ende zu verfolgen.

GESAMTWERTUNG ♥♥♥♥

Iskari - Der Sturm naht ist für mich ein sehr gutes Buch, das mich über viel Stunden hinweg sehr erfreut hat. Es ist wahnsinnig fantasievoll, von Anfang bis Ende spannend und vergleichsweise relativ wenig vorhersehbar. Die Emotionen, die die Autorin mit ihrer Sprache und ihrem guten Gefühl für Stimmung und Charakter-Chemie zu transportieren weiß, sind geradezu greifbar packend und halten die Leserin spielend leicht in der Geschichte. Und das, obwohl Hauptperson Asha alles andere als sympathisch geschweigedenn authentisch konzipiert ist. Ihre schwermütige, selbstmitleidbesudelte Art ist auf Dauer mindestens so anstrengend wie ihr kläglich scheiternder Versuch, eine starke weibliche Hauptfigur zu sein. Ihr männlicher Gegenpart Torwin erweist sich in dieser Hinsicht als wesentlich besser gestaltet: In ihm brechen tatsächlich einige Normen der generischen Männlichkeit auf. Auch wenn mir die Drachen und ihre Beschreibungen im Buch nur wenig gefallen haben, weil sie mich zu stark an eine für Kinder gestaltete Fluff-Version der Echsen erinnern, so war doch der Rest des Buchs flüssig, fantasievoll und spannend zu lesen. Zu einem wesentlichen Teil tragen dazu die alten Geschichten bei, die wie einzelne, für sich stehende Märchen das Buch durchziehen und immer neue Abschnitte einleiten. Für mich war Iskari eine schöne Leseerfahrung, die mir Lust auf den Orient gemacht und mich in eine bislang unbekannte Form der High Fantasy entführt hat. 


Spannung   
Romantik    
Humor         
Gewalt         ♥♥♥
Action          



- Eure Bücherfüchsin

Cover des Buches Knickerbocker4immer - Alte Geister ruhen unsanft (ISBN: 9783711001610)

Bewertung zu "Knickerbocker4immer - Alte Geister ruhen unsanft" von Thomas C. Brezina

Knickerbocker4immer - Alte Geister ruhen unsanft
Yllinvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Kinderbuch in Jugendbuch-Verkleidung. Leider kam der Autor nicht von seinen Gewohnheiten los.
Kinderbuch in Jugendbuch-Verkleidung

Knickerbocker4Immer - Alte Geister ruhen unsanft

Autor: Thomas Brezina
Genre: Mystery, Krimi, Abenteuer, Jugendbuch
Erschienen: 9. November 2017
Seiten: 416
Einband: Hardcover
Verlag: ecowin
ISBN: 978-3-7110-0161-0
Preis: 18,00€ [Print] | 13,99€ [eBook]

Rating: ♥♥♥


INHALT

"Aus dem Streit wurde Schweigen. Aus Tagen wurden Monate. Aus Monaten wurden Jahre. Aus der verschworenen Bande wurden Fremde und Erwachsene, die ihren Weg gingen. Allein. Bis zu jenem Brief. Die Einladung zu einem Treffen der vier Knickerbocker kam überraschend für jeden Einzelnen von ihnen. Aber die Dringlichkeit des Schreibens ließ ihnen keine Wahl. Es musste ein Wiedersehen geben – nach 20 Jahren. Auf Canon Island, der Insel des Schreckens, wartete man geduldig auf ihr Eintreffen und beobachtete jeden ihrer Schritte. Wie schon damals, vor dem Streit. Alles war geplant und vorbereitet. Das Projekt ging in seine entscheidende Phase." - Quelle: Verlag

COVER ♥♥♥

Kennt man die Bücher von Thomas Brezina zumindest von außen, wird man bei diesem Buch definitiv das gewohnte Muster in der Covergestaltung erkennen: Ein breiter, roter Rahmen umgibt ein Bild unserer Helden, auf dem sie im Schatten, die Gesichter nicht erkennbar, aber durch die Umrisse klar als Erwachsene zu identifizieren, abgebildet sind. Darüber steht in weißen Lettern der Titel des Bandes, rechts darüber die Reihenzuordnung: Knickerbocker4immer. Der Name des bekannten österreichischen Kinderbuch-Autors Thomas Brezina ist dagegen am oberen Ende des Covers fast dezent angegeben, was ich dem Verlag hinsichtlich seiner Bekanntheit im deutschsprachigen Raum definitiv zugute kommen lassen muss - die Anordnung und Größenverhältnisse zeigen, dass man hier nicht hauptsächlich mit dem Autor, sondern mit der Geschichte selbst werben möchte. Die Tatsache, dass der Reihen-Titel im Vergleich zum Buchtitel relativ klein ausgefallen ist, zeugt davon, dass man hier einen Neustart wagt und neuen Lesern, die die Knickerbocker Bande nicht kennen, eine Chance geben will, die vier Nachwuchs-Helden neu kennen zu lernen, ohne sich von dem Gedanken an "Oh-Gott-eine-Reihe-lieber-nicht" abschrecken zu lassen. Farbe und Komposition des Covers sind definitiv gut, ansprechend und strategisch gewählt - die Schattenansicht der Helden lädt zur eigenen Imagination ein, hat dabei definitiv etwas Geheimnisvolles an sich, so als würde man mit dem Buchdeckel eine Akte X aufschlagen. Meiner Meinung nach hätte der rote Rahmen jedoch nicht sein müssen, er ist störend und erinnert zu sehr an (die) Kinderbücher, was ihm seine Ernsthaftigkeit raubt und ihn für die Rubrik der Jugendbuchs fast schon disqualifiziert. Als junge Erwachsene signalisiert mir dieses Cover nicht, dass es für meine Altersgruppe geschaffen ist.

CHARAKTERE ♥♥♥

Diesen Anspruch hat das Buch aber durchaus - nicht nur der Imagewechsel, auch das neue Alter der Protagonisten will eine neue, alte Zielgruppe an Land holen: Die jungen Erwachsenen, die mit der Knickerbocker-Bande aufgewachsen sind und sich nach einem Wiedersehen mit ihren Kindheitshelden sehnen. Ich gehöre zugegebenermaßen nicht dazu. Ich kannte die Knickerbocker zwar vom Hörensagen, hatte jedoch noch nie das Vergnügen, eines ihrer Bücher zu lesen. Für mich war der Einstieg in die mysteriöse Krimi-Welt von Lilo, Axel, Poppi und Dominik ein vollkommen neuer, ich musste die vier also von Grund auf neu kennen lernen. Und ich muss gestehen, dass ich mich damit deutlich schwer getan habe. Die Charaktere wirken relativ flach und haben wenig emotionale bzw. psychologische Tiefe, was nicht zuletzt auch am relativ spartanischen Schreibstil des Autoren liegt. Gerade zu Anfang konnte ich den ausschlaggebenden Streit der vier kaum richtig nachvollziehen, ich hatte nicht einmal ein richtiges Bild davon, wie alt die Charaktere nun wirklich sind. Auch wenn sie ganze 20 (!) Jahre älter werden - damit also geschätzt um die 30 sein müssen - ändert sich das Verhalten der Charaktere nur geringfügig. Sie sind vielleicht weniger kindisch und ungehalten, haben aber sonst mit einem normalen Erwachsenen nicht viel gemein. Es fehlen die komplexen Gedanken und Gefühle, die ein Mensch mit 30 nun mal hat, die Probleme eines erwachsenen Lebens und wie die Charaktere damit zurecht kommen. Stattdessen geht es beispielsweise darum, wer wann in wen "verknallt" war, und die vier Charaktere wirken, als seien sie nie ganz aus ihren Kinderschuhen rausgekommen. Während andere Jugendbuch-Autoren es meiner Meinung nach oft nicht schaffen, einen Jugendlichen nicht wie einen Erwachsenen denken und handeln zu lassen, hatte ich bei Brezina das Gefühl, dass er es nicht schafft, einen Erwachsenen NICHT wie ein Kind denken und handeln zu lassen. Nach über 550 veröffentlichten (Kinder)Büchern ist die Gewohnheit vermutlich einfach zu stark.

SCHREIBSTIL ♥♥♥

Mit dazu beigetragen, dass ich mit den Charakteren nicht so recht warm wurde, hat definitiv der einfache, geradezu spartanische Schreibstil, der das Buch beherrscht. Ich verstehe, dass man sich in einem Kinderbuch möglichst einfach und wenig präzise ausdrücken muss, dass die direkte Rede den restlichen prosaischen Beschreibungen überstellt bleiben sollte. Doch hätte es dem "Reboot" einer Serie, die versucht, erwachseneres Publikum anzusprechen, definitiv gut getan, hätte man sich mit den Beschreibungen, den Details, den Charakterzeichnungen mehr Zeit gelassen. Hier bleibt so gut wie alles der Fantasie des Lesers überlassen, wie die Charaktere aussehen, wie sie sich bewegen, wie sie denken, fühlen und handeln, das alles bleibt kurz und knapp, vieles sogar unerwähnt. Ohne ein richtiges Federkleid aus Worten bleiben die Charaktere dementsprechend schwach und erreichen den Leser nicht dort, wo sie ihn eigentlich erreichen sollten. Auch hier wagt sich der Autor nicht so richtig vor, er bleibt lieber bei seinem Patent-Rezept, statt sich selbst und seinen Schreibstil mal auf eine ganz andere Weise auf die Probe zu stellen. Die kurzen, knappen Sätze und einfachen, dafür deutlichen Beschreibungen tragen aber auf jeden Fall dazu bei, dass sich das Buch dementsprechend angenehm und leicht liest.

HANDLUNG ♥♥♥♥

Die Handlung in "Alte Geister ruhen unsanft" ist in mehrere Teile aufgeteilt. Zu Beginn gibt es eine kurze Einleitung in die Abenteuer, die die vier Helden bereits in vergangenen Büchern erlebt haben - natürlich nicht alle, dafür sind es zu viele, aber ein paar wesentliche, die in diesem Buch wieder wichtig werden, erhalten einen kurzen Abriss, bevor sich die Knickerbocker Bande durch einen Streit für zwei Jahrzehnte ganz aus den Augen verliert. Mithilfe eines falschen Vorwands werden die vier dann, zwanzig Jahre später, zusammen auf eine Insel gelockt und gemeinsam dort festgehalten. Es folgt das für die Bücher wohl bekannte Rätseln, Knobeln und auch die obligatorischen Action-Szenen. Im Großen und Ganzen ist die Handlung schön spannend und von unvorhergesehenen Wendungen gespickt. Es ist sehr angenehm, dass Axel, Lilo, Poppi und Dominik eigens denken, gut kombinieren und die Lösung der Fälle nicht dem Zufall überlassen wird. Das Tempo zur Entschlüsselung der Geschichte ist dementsprechend auch für Erwachsene spannend, und es ist bewundernswert, dass Thomas Brezina nach so vielen Büchern noch immer nicht die Ideen für spannende Wendungen ausgehen. Das Ende hingegen war etwas mau im Vergleich zu den Erwartungen, die die Geschichte im Vorhinein im Leser evoziert: Dies lässt sich hinsichtlich der recht spannende Story jedoch ganz gut verschmerzen.

GESAMTWERTUNG ♥♥♥

Ich gebe zu, ich hatte meine Probleme mit "Alte Geister ruhen unsanft". Ich hatte mich wirklich sehr auf das Buch gefreut - schließlich kannte ich Thomas Brezinas Werke bis dato nicht, hatte aber nur Gutes von meinen Freunden und aus der Presse gehört. Viele Leserinnen und Leser meines Alters kriegen bei seinem Namen einen ganz nostalgisch-verträumten Blick. Dass da die Erwartungen nur so in die Höhe schnalzen, ist also nicht verwunderlich. Alles in allem ist das neue Buch der Knickerbocker-Bande zwar durchaus spannend und solide konzipiert, lässt sich durch den einfachen Schreibstil wirklich locker und leicht lesen - doch die Zielgruppen-Verwirrung bzw. (man müsste eigentlich eher sagen) -Verfehlung lässt sich nicht so einfach wegstecken. Thomas Brezina schafft es nicht, über seine Kinderbuch-Gewohnheiten hinauszuwachsen. Und so bleibt der Schreibstil ein einfaches Aneinanderreihen von blanken Worten ohne viel Gefühl, die Charaktere bleiben kindlich, blass und fad und der Erwachsenen-Anspruch bleibt eigentlich vollends auf der Strecke. Hätte sich der Autor auch nur einmal damit auseinandergesetzt, was junge Erwachsene heute so alles lesen und wie ernsthaft die Themen für Jugendliche ab 16 bereits sind, hätte er vielleicht schnell gemerkt, dass das Konzept seines neuen Buches nicht so ganz ins Bild passt. Stattdessen wirkt es so, als hätte man vorsichtshalber den Fuß noch in der Kinderbuch-Tür gelassen, schließlich könnte es sein, dass die Jugendlichen und die Erwachsenen doch nicht so ganz anbeißen - und dann ließe sich das Buch immer noch bequem von Kindern unter 12 lesen. Fällt ja sowieso kaum auf, dass die Protagonisten bereits 30 Jahre alte, gestandene Menschen sind. Für einen nostalgischen Ausflug in die eigene Kindheit mag das vielleicht reichen, ich bezweifle jedoch, dass man es schafft, damit neue Leser der älteren Zielgruppe mit ins Knickerbocker-Boot zu holen. 

Spannung 
Romantik //
Humor 
Gewalt 
Action 

- Eure Bücherfüchsin

Über mich

Lieblingsgenres

Fantasy, Comics, Jugendbücher, Liebesromane, Literatur, Unterhaltung

Freund*innen

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks