Ich weiß nicht, ob es nötig war die Hauptfigur Julia dermaßen arrogant, besserwisserisch und egoistisch darzustellen um sich kritisch mit dem Themen Vorurteile, gesellschaftlichen Normen und Erwartungen an den Partner auseinander zu setzen. Die Liebesgeschichte an sich ist toll und es geht neben dem ungewöhnlichen Kennenlernen auch um die Schwierigkeiten, die sich ergeben können, wenn zwei erwachsene Menschen, die das Allein-sein gewohnt sind, plötzlich zusammen leben. Was mir auch gefällt, ist, dass mehrere Themen ziemlich wertfrei gestriffen/erwähnt werden, so dass man sich dann selbst noch weiter Gedanken dazu machen kann (zb Drogen, Freundlichkeit vs. Etikette, Kulturen). Punkteabzug gibt es dabei für die Klischees die das Buch manchmal bedient, was es dann eben doch nicht mehr so ganz neutral macht, und dafür, dass die Hauptfigur Julia mir einfach immer unsympathischer wurde.
++++Es kommen ein paar Zitate, die verdeutlichen können, was ich meine++++Nur weiterlesen, wer noch unsicher bzgl. des Buches ist, ich will es niemanden von vorn herein schlecht reden+++
Ihre Vorurteile gegenüber anderen Menschen begründet Julia selten mit ihrer eigenen Meinung, sondern mit dem, was "manche Leute [...] unhöflich finden" (S. 119), ihre Orientierungslosigkeit und Ängste überspielt sie mit einer übertriebenen Norm-Konformität ("Und was ist so falsch daran, keine Risiken einzugehen? Vor ein paar Wochen habe ich bei Rot die Ampel überquert, und weißt du, was passiert ist? Ich bin von einem österreichischen Greis angepampt worden. Obwohl die Straße total leer war! " S. 134) und durch Absätze wie: "Alle coolen Menschen gehen früh ins Bett. Weil wir wissen, wie wichtig der nächtliche Schlaf ist [...] Nur Loser bleiben die ganze Nacht wach" (S. 135) kommt ein schwarz-weiß Denken gepaart mit einem geringem Selbstbewusstsein zum Ausdruck, das mir nicht gefällt, noch dazu werden Menschen von ihr kategorisiert und bewertet. Der Alltag von Julia eskaliert in dem Moment, als sie zum ersten Mal einen anderen Menschen NICHT verbessern kann bzw. ein Wort, nachdem sie gefragt wird, nicht kennt.
Die Entwicklung von Julia ist mir außerdem etwas zu plump: während sie am Anfang meint, neue Leute seien ihr zu anstrengend und wer als Erwachsener noch Freunde suchen würde, mit dem stimme was nicht (vgl. S. 93), ist sie gegen Ende sauer auf ihre Nachbarin, weil Julia sich endlich traute an ihre Tür zu klopfen und diese sich anscheinend nicht adäquat genug verhielt ("Hat sie nicht kapiert, dass sie mich in ihre Wohnung hätte bitten sollen, damit wir Freundinnen werden?" S. 253).
Über die Figur Julia würde man (auch sicher dank des lockeren, teilweise oberflächigeren Schreibstils) wahrscheinlich hunderte von Hypothesen aufstellen können, allerdings fehlt - mir zumindest - dazu das Interesse an ihrer Persönlichkeit.