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ZiskaLuraf

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Cover des Buches Kopftuchland (ISBN: 9783957611765)

Bewertung zu "Kopftuchland" von Katja Schneidt

Kopftuchland
ZiskaLurafvor 7 Jahren
Keine Kaufempfehlung

Die Autorin versucht sich an einer nicht allzufernen fiktiven Zukunft. Eine konservativ-islamische Partei hat die absolute Mehrheit bei einer Bundestagswahl erhalten und setzt nun konsequent ihr Wahlprogramm um. Dieses enthält Elemente aus dem politischen Islam im Iran und in der Türkei. Das Gedankenexperiment ist auf den ersten Blick nicht uninteressant, fällt auf den zweiten Blick jedoch enttäuschend bis ärgerlich aus.

- Der Roman ist stilistisch und strukturell schlicht. Für die Recherche wurde wenig Aufwand getrieben und die einzelnen Protagonist*innen sind nicht tiefgehend entwickelt. Sie gleichen eher Schachfiguren, die ihre jeweilige Rolle verkörpern, aber darüber hinaus keine Charakterentwicklung, innere Widersprüche, Konflikte… aufweisen. Auch ein gründliches Lektorat hätte nicht geschadet, um dem Plot mehr Spannung zu verleihen und lähmende Dialoge zu pointieren. Anspruch kann man hier nicht erwarten – aber die Autorin ist sonst auch eher als Schnellschreiberin von Chicklit aufgefallen. Insofern verwundert es nicht, dass das Buch weder im Erzählverlauf, noch durch die äußerst schematischen Dialoge zu fesseln weiß.

- Desweiten stören eine ganze Reihe Widersprüche und inhaltliche Fehler die Lektüre. Sie wären durch eine engagiertere Recherche auszuräumen gewesen. Der hier propagierte politische Islam ist in dieser Form nirgends vorhanden und wäre auch in Deutschland keineswegs verfassungsrechtlich durchsetzbar. Die Art und Weise, wie der Islam dargestellt ist, ist äußerst vorurteilsbehaftet und pauschalisierend. So wird nicht zwischen Islam und Islamismus, Dschihadismus… unterschieden, auch nicht zwischen sunnitischen und shiitischen Traditionen. Auch auf islamische Rechtssysteme wird nicht differenziert eingegangen und dass es jahrhundertealte Traditionen des islamischen Feminismus gibt, erst recht nicht. Was hier als "Islam" vorgestellt wird, ist lediglich ein Klischee, das vor Vorurteilen nur so strotzt. Und ja – würde jemand über das Christentum oder Judentum so schreiben, würde mich das vergleichbar verärgern.

- Drittens verärgert das Buch durch seine latenten politischen Aussagen, die letzten Endes auf ein Zündeln am rechten Rand hinauslaufen. Dies geschieht durch geschickte Manipulation von Realität und Fiktion. Reale Tatsachen – Koranverteilung in Innenstädten, das Vorhandensein islamischer  Kleinparteien und Kulturvereine, Aussagen wie die von Christian Wulff werden als Vorzeichen einer schleichenden Islamisierung Deutschlands gedeutet. Es wird suggeriert, dass eine "Machtübernahme" durch eine konservativ-islamische Partei nur eine Frage der Zeit sei und dass die "besorgten Bürger" (aka Pegidisten, AfD-Fans) mit ihrer Sorge Recht gehabt hätten. Das ist populistischer Käse. Wir können feststellen, dass die Mehrzahl der Menschen mit muslimischem Hintergrund sehr säkular lebt und westliche mit muslimischen Traditionen kombiniert. Wir können auch feststellen, dass die Mehrzahl der Zuwanderer mit westlichen Werten sehr viel anfangen kann (http://www.iab.de/161115 ). Wir können auch feststellen, dass die Kriminalitätsstatistik 2015/2016 insgesamt keinen Anstieg an Straftaten aufweist. Deutschland ist schon seit dem späten 19. Jahrhundert eine Einwanderungsgesellschaft und wird dies hoffentlich auch bleiben. Ja klar – wir haben Moscheen, schon seit den 50er Jahren, wir haben Bahai-Tempel, Gurdwaras, buddhistische Tempel – so what? Wir sind ein säkularer Staat mit Raum für viele Religionen. Sätze wie "Einzig die Menschen mit Migrationshintergrund scheinen sich geradezu die Hände zu reiben" am Ende des Buches deuten  in Form eines zynischen Fazits an, worum es der Autorin geht: plumpe Stimmungsmache gegen alle die, die keinen Ariernachweis haben und gleichzeitig der Versuch, die scheinbar nur ganz unschuldig Besorgten in ihren Gefühlen zu bestätigen und die Abneigung gegenüber allem was nicht urdeutsch ist, zu bestärken. In Zeiten, in denen fast jeden Tag ein Flüchtlingsheim von Rechten angesteckt wird und ein extremer Ansteig rechtsextremistischer Gewalttaten zu verzeichnen ist, in Zeiten, in denen gleich 3 rechtsextremistische Gruppierungen wegen Terrorverdachts vor Gericht stehen, weist dieses Buch aber genau in die falsche Richtung und legitimiert postfaktische Hetze, wo Verständigung notwendig wäre.

Insgesamt bleibt so ein äußerst schaler Eindruck zurück (der freilich nicht verwundert, wenn man die sonstigen Aktivitäten der Autorin in Augenschein nimmt). Die Idee war gar nicht schlecht – dafür vergebe ich auch gerne einen klitzekleinen Stern – aber die Durchführung scheitert an mangelnder Handwerkskunst, an hemdsärmeliger Recherche und ideologischer Verblendung.

Cover des Buches Wir schaffen es nicht (ISBN: 9783868839982)

Bewertung zu "Wir schaffen es nicht" von Katja Schneidt

Wir schaffen es nicht
ZiskaLurafvor 7 Jahren
Rechtspopulistische Propaganda im Gewand des Wohlanständigen

Die Autorin hat zweifelsohne gewisse Erfahrung in der Arbeit mit Geflüchteten. Dementsprechend bietet das Buch einen Einblick in typische Anekdoten, wie sie auch mir aus der Geflüchtetenarbeit wohlbekannt sind. Themen wie der tägliche Kampf mit Bürokratie, übersteigerte Hoffnungen oder kulturelle Lernprozesse kommen zur Sprache - allerdings in sehr vereinfachter Weise und ohne größeres transkulturelles Einfühlungsvermögen. Stattdessen blitzt hier und da das Selbstdarstellungsinteresse der Autorin durch, wenn von der langjährigen Parteimitgliedschaft, dem scheinbar unermüdlichen Engagement etc. die Rede ist (aber solche Figuren kennt wahrscheinlich jede/r der/die ehrenamtlich tätig ist) Soweit, so erträglich... zum Problem wird dies spätestens dann, wenn man die Auswahl der Anekdoten betrachtet. Positivbeispiele fehlen weitgehend, stattdessen werden Klischees bedient und Verallgemeinerungen erzeugt: etwa wenn es um Wohnungssuche, Sprachkurse, Bildung oder Rolle und Agieren von Flüchtlingshelfern geht. Die nur anekdotische Evidenz wird hierbei zur allgemeinen Tatsache erhoben. Sowas geht nicht - außer freilich, wenn man nicht objektive Berichterstatterin, sondern lieber Demagogin sein möchte.
Tatsächlich lässt das Buch eine tiefgehende Auseinandersetzung mit Migrationspolitik vermissen, gaukelt aber eine ebensolche vor. Das wäre noch kein großes Problem, wenn es tatsächlich nur um alltägliche Erfahrungsberichte ginge. Aber die Autorin versucht als selbsternannte Expertin auch politische Lösungen zu entwickeln. Das aber geht nicht ohne belastbare Zahlen, Daten und Fakten. Diese werden nur äußerst spärlich geliefert. Es gibt eine ganze Reihe Studien der Bundesanstalt für Arbeit, die sehr genau differenzieren, wie es um das Bildungsniveau von Geflüchteten bestellt ist. Der Großteil der Menschen mit guter Bleibeperspektive aus Syrien, Irak und Iran haben zumindest eine Berufsausbildung; bei IranerInnen und SyrerInnen ist der Anteil an Hochschulabsolventen ebenfalls bemerkenswert. Darauf, wie auch auf Kriminalstatistiken von 2015 oder 2016 geht die Autorin nicht ein. Dadurch erhält das Buch eine propagandistische Dimension, die im Gewand des Wohlanständigen daherkommt. Die Autorin verleiht sich selbst eine Aura der Unangreifbarkeit, indem sie betont, SPD-Mitglied, Muslima und Flüchtlingshelferin in Personalunion zu sein. Wir wissen freilich seit Funny van Dannen: "Auch lesbische schwarze Behinderte können ätzend sein." Das gilt nun mal auch für sozialdemokratische muslimische Flüchtlingshelferinnen. Und wer das ganz genau wissen möchte, sei auf das FB-Profil der Autorin verwiesen, wo mit David Irving auch schon mal ein Holocaustleugner zitiert wird.
Auf der anekdotischen Ebene ist das Buch wenig hilfreich um einen soliden Einblick in den HelferInnenalltag zu vermitteln.
Auf der politischen Ebene dagegen sind die Positionen Wasser auf die Mühlen rechtspopulistischer Demagogen. Gegenüber organisierter kommunaler Flüchtlingshilfe ist das Machwerk hingegen entsolidarisierend, da keine konstruktive Kritik zustande kommt. Wem in diesem Bereich hingegen an einer aufrichtigen und glaubwürdigen Debatte gelegen ist, der findet beim Verein Veto von Raffael Sonnenschein, welcher kommunale Helferkreise vertritt einen sinnvolleren Rahmen.

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