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abschaffel

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches In 80 Tagen um die Welt (ISBN: 9783871345937)

Bewertung zu "In 80 Tagen um die Welt" von Helge Timmerberg

In 80 Tagen um die Welt
abschaffelvor 16 Jahren
Rezension zu "In 80 Tagen um die Welt" von Helge Timmerberg

auch buddha wird naß!

das ist reiseliteratur im reinen wortsinn! eine queste – eine robinsonade – eine odyssee!
wir begleiten einen ewig rastlosen, der von zuhause flüchtet, eigentlich lieber bleiben möchte, angst vor der ferne und doch sehnsucht nach ihr hat. die zögerlichen ersten stationen konfrontieren ihn mit der goetheschen erkenntnis, dass man die liebe, die man zuhause gelassen hat, erst aus der ferne schätzen lernt – keine allzu originelle feststellung.
timmerberg schafft es allerdings, den dingen eine leichtigkeit und melancholische robustheit zu geben, die den leser in seinen bann zieht, die situation am kretischen hotelzimmer miterleben lässt: ab einem gewissen alter ist er verflogen, der romantische zauber des ersten mal – die lyrische poesie ist der rationalen prosa gewichen, situationskomik und saloppe sprache, die sich selbst nicht allzu ernst nimmt, wirken wohltuend locker. timmerberg ist der ironisch-romantische wanderer unserer tage – nicht eichendorff, sondern heine.
dabei lernt der leser wieder hinzuschauen, seinen blick zu schärfen, mit offenen augen durch die welt zu laufen und am ende ein eigenes urteil zu bilden. er ist keiner dieser althippies, die mit winnetou-weisheiten hausieren gehen und den globalisierungskritischen blick vernebeln – er weiß um die illusion des reisens und entdeckt dennoch in seinen wunderbaren metropolenbeschreibungen das abenteuer in unserer heutigen welt. wenngleich seine spirituelle suche an einigen stellen etwas nervt: grandios bleibt seine toleranzkritik und die schlichte botschaft am ende nach seiner rückkehr ins multikulturelle berlin.

Cover des Buches Schweigeminute (ISBN: 9783455042849)

Bewertung zu "Schweigeminute" von Siegfried Lenz

Schweigeminute
abschaffelvor 16 Jahren
Rezension zu "Schweigeminute" von Siegfried Lenz

... im Schweigen bewahren, was uns glücklich macht!

Wie eine sanfte Dünung kommt sie daher, diese unerhörte Begebenheit, mit zärtlicher Kühle und der unaufhaltsamen Macht zeitloser Tragik.
Eine Geschichte aus vergangenen Zeiten ist es, die dem jugendlichen Ich-Erzähler widerfährt: die unmögliche Liebe zu einer nixenhaften, reifen Frau in einem namenlosen Fischerdorf an der See. Dort erkennt er sie, in ihrem seegrünen Badeanzug, entdeckt durch sie, seiner Lehrerin, die verborgene Botschaft der Orwell schen Literatur. Dort, zusammen mit dem Vater am Ausbessern jahrhundertealter Wellenbrecher, setzt der Gymnasiast Christian den Stein, der seiner heimlichen Geliebten zum Verhängnis wird.
Die Rahmenerzählung setzt mit der schulischen Gedenkfeier ein, der Ich-Erzähler versunken im starren Blick auf die Fotografie der Lehrerin, einer alterslosen Schönheit im grünen Pullover, die alle in ihren Bann gezogen hatte und doch nur ihn auserwählte. Zögerlich erhalten wir Einblick in die Vorgeschichte.
Lenz erzählt eine klassische Novelle, sparsam und pointiert in der Sprache, bestückt mit einem Repertoire von Personen, die in ihrer Skizzenhaftigkeit den Leser allen Raum zum Ausmalen lassen. Die Lokalität zieht ein enges Dreieck von der Öffentlichkeit des Hafenortes über die Verstecktheit des Liebesnestes auf der Vogelinsel bis hin zur offenen See, dem grundlosen, mythischen Raum. Der geübte Leser zerteilt mit raschen Zügen die wenigen Seiten und freut sich, wenn er wieder eines dieser zart eingestreuten Dingsymbole gefunden hat, das Leitmotiv wiederentdeckt. Die wechselnde Erzählhaltung führt zu einer wellenhaft anlandenden Nähe und Distanz.
Gerne lässt man sich in der Dünung dieser lakonischen Melancholie treiben, die mit ihrem teils altertümlichen Vokabular Sehnsüchte und Erinnerungen aus der Tiefe holt.

Cover des Buches Rebellion und Wahn (ISBN: 9783462039764)

Bewertung zu "Rebellion und Wahn" von Peter Schneider

Rebellion und Wahn
abschaffelvor 16 Jahren
Rezension zu "Rebellion und Wahn" von Peter Schneider

obwohl peter schneider in vergangener zeit in den feuilletons eher mit neukonservativen positionen hausierte, überrascht seine 68er abrechnung durch sehr gute lesbarkeit, transparente objektivität und vor allem einer luziden beschreibung der historischen genese des konflikts und seines internationalen kontexts. seine besondere technik, dem eigenen ich der herausgekramten tagbücher gegenüberzutreten, konfrontiert den leser mit einer perspektive, die es wesentlich einfacher macht, gewisse ereignisse, prozesse und eskalationen nachzuvollziehen. manchmal geht er dabei etwas arg ins gericht mit seinem postpubertierenden alter ego, aber der leser schmunzelt in sich hinein und ertappt sich dabei, eigene biographische spiegelungen vorzunehmen.
schneider - einer der führenden 68er-köpfe - liefert eine innere revision, die ehrlich, differenziert und spannend zu lesen ist.
welch wohltat angesichts der vielen "haarsträubenden" (sic!) "ichwarauchdabeiundbereue"-histörchen!

Cover des Buches Unser Kampf (ISBN: 9783100004215)

Bewertung zu "Unser Kampf" von Götz Aly

Unser Kampf
abschaffelvor 16 Jahren
Rezension zu "Unser Kampf" von Götz Aly

abgesehen davon, dass man bei einer fundierten historischen auseinandersetzung mit dem 68er-kontext an diesem buch nicht vorbeikommen wird, geht das verdienst des buches, selbst an der differenzierten bewertung der epoche mitgewirkt zu haben, gegen null.
einmal mehr spricht ein renegat der zeit durch die brille derer, die den aufbruch aus totalitärer perspektive in entsprechenden hermetischen zirkeln mitgeprägt haben und nun in einer art innerer selbstkasteiung und reinigungszeremonie das ganze pauschal verteufeln, frei nach dem bernstein-motto: "Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche". dabei schimmern durch die eindimensionalität des blickes und totalität des urteils die alten denkmuster der splittergruppen hindurch.
das wurde bei aly schon in "hitlers volksstaat" deutlich, so dass man in diesem neuerlichen fall fast von altersstarrsinn sprechen könnte.
dass aly dabei sogar grobe geschichtsfälschung begeht, indiziert einmal mehr die rigorosität der eigenen deutungshoheit, für die die historische faktizität gebeugt wird. (der ohnesorg-todesschütze kurras wurde nie bestraft!)
die derzeitig penetrante fokussierung auf raf und maoistengrüppchen nervt zunehmend. zum glück war 68 noch eine ganze menge mehr.

Cover des Buches Neue Vahr Süd (ISBN: 9783821807430)

Bewertung zu "Neue Vahr Süd" von Sven Regener

Neue Vahr Süd
abschaffelvor 16 Jahren
Rezension zu "Neue Vahr Süd" von Sven Regener

die sonntagszeitung schrieb: "frank lehmann, das sind ja wir!" und dieser 580-seiten-wälzer dokumentiert das in eindrucksvoller breite und gekonnt schlacksiger sprache. regener ist ein virtuose in der pointierten literarisierung des enervierenden alltagsdialogs. wer lehmanns jugend in den 80er jahren nun kennen lernt, der schwelgt in reminiszensen und den wundert die fortsetzung "lehmann" gar nicht mehr.

Cover des Buches Landleben (ISBN: 9783499240164)

Bewertung zu "Landleben" von John Updike

Landleben
abschaffelvor 16 Jahren
Rezension zu "Landleben" von John Updike

eine ganz nett und flüssig erzählte lebensgeschichte eines alten schwerenöters, der alt und gebrechlich, mittlerweile zufrieden in seinem eheleben, auf seine eskapaden zurückblickt und bilanz zieht.
abgesehen von den knapp gehaltenen ausführungen zu seinem beruflichen erfolg als software-entwickler, handelt das buch weitgehend vom "kleinstadt-sex", wie die zwischenkapitel lauten. es ist die provinzielle upperclass-gesellschaft, die sich hier - fern von allen äußeren einflüssen - gelangweilt um sich selbst dreht und im reigen gegenseitiger besuche auch mal die partner durchreicht. tiefschürfende erkenntnisse darf man hier nicht erwarten.

Cover des Buches An einem Tag wie diesem (ISBN: 9783100751256)

Bewertung zu "An einem Tag wie diesem" von Peter Stamm

An einem Tag wie diesem
abschaffelvor 16 Jahren
Rezension zu "An einem Tag wie diesem" von Peter Stamm

mit wenigen worten entsteht eine fugenhafte melodie, eine skizzenhafte impression, die trotz strenger reduktion dem leser mit einem ruck die tür zu den eigenen adoleszenserinnerungen aufreißt und atemlos macht.
ja, die geschichte haben wir alle schon einmal gehört, gelesen, erlebt ... gerade dieses wiedererleben der eigenen sehnsüchte, erinnerungen und ängste erklären den erfolg des romans, ohne allzu vorhersehbar die wege der protagonisten zu antizipieren.
unter der spröden und weichen sprache werden einige erzählstränge ausgelegt, miteinander verwoben, aber am ende doch nur ein kleiner nebenstrang zu einem (vorläufigen) ende geführt.
kurz bevor die "geschichte" "realität" werden könnte, die jugendliebe, deren ikonisierung die bindungsunfähigkeit des protagonisten erklären soll, beim wiedersehen nach 20 jahren einiges von ihrem zauber einbüßt, entsteht ein vakuum, ein kreiseln um den punkt der eigenen biografie, die schließlich in eine etwas banale, aber nahe liegende schlussszene mündet.
stamm ist ein meister des pragmatischen existenzialismus.

Cover des Buches Es geht uns gut (ISBN: 9783423135627)

Bewertung zu "Es geht uns gut" von Arno Geiger

Es geht uns gut
abschaffelvor 17 Jahren
Rezension zu "Es geht uns gut" von Arno Geiger

... vielleicht liegt es ja an der gewissen wiener gemütlichkeit, aber
dieses buch entpuppte sich für heutige lesegewohnheiten als ebenso sperrig,
wie schon die zeitgenossen stifters über dessen "nachsommer" recht
geteilter meinung waren.
es plätschert so dahin, auch wenn das strickmuster
wohl für frische sorgen soll: lethargischer er-erzähler gerät beim
entrümpelnlassen des großelternhauses ins sinnieren ... die rückblenden in
die jüngere familiengeschichte entlarven dabei einige geschönte histörchen
- das wars dann aber schon.
der roman platzte mitten in den
familien-roman-hype und wurde in den bestsellerlisten nach oben
gespült.
eine nette, oft langatmige lektüre.

Cover des Buches Kleines Konversationslexikon für Haushunde (ISBN: 9783442735174)

Bewertung zu "Kleines Konversationslexikon für Haushunde" von Juli Zeh

Kleines Konversationslexikon für Haushunde
abschaffelvor 17 Jahren
Rezension zu "Kleines Konversationslexikon für Haushunde" von Juli Zeh

kurzweilige, philosophisch-fundierte und trocken-humorige abhandlung des haushundes einer der bekanntesten deutschen autorinnen.
ein unentbehrlicher wegweiser durch die menschenwelt für alle interessierten haushunde, die mit der erziehung ihrer frauchen und herrchen noch nicht so recht weiter gekommen sind und eine grundlegende situationsanalyse der zweibeinerwelt suchen. der lexikalische, teils philosophische stil kommt der partiellen lektüre des stoisch-meditativen charakters der meisten hundewesen jenseits der fußhupen-größe entgegen.
nicht geeignet für den hundebesitzer, da entlarvend!

Cover des Buches Rückspiel (ISBN: 9783423135597)

Bewertung zu "Rückspiel" von Ulrich Woelk

Rückspiel
abschaffelvor 17 Jahren
Rezension zu "Rückspiel" von Ulrich Woelk

entgegen der darstellung des klappentextes ist dieser roman mitnichten eine beschreibung des debakels der APO-generation. durch die alte gleichsetzung des ich-erzählers mit dem autor hat der rezensent kapitalen schiffbruch erlitten. vielmehr entlarvt woelk im laufe der handlung die eindimensional-kritische aversion des ich-protagonisten als folge einer weitreichenden psychogenese, die auf den ungeheuren generationenkonflikt der 60er und 70er jahre folgte. die großen sprüche seines APO-bruders sind zu hohlen phrasen einer gelähmten generation gefroren. der "kleine bruder" ist enttäuscht über die ausgebliebene revolte, über das einknicken des bruders vor der elterlichen/staatlichen gewalt, vor dem über-ich.
in zweimal sieben tagen legt der kleine bruder bekenntnis ab, über seine flucht nach berlin, über seine recherche der vergangenheit des bruders, nachdem es bei dessen hochzeit, diesem inbegriff des bürgerlichen scheiterns, zu einem eklat gekommen ist, als der vater seinen späten triumph über den ehemals renitenten sohn auskosten wollte - im beisein des alten faschistischen geschichtslehrers.
genial ist der kunstgriff, die rekonstruktion der ernüchternden 68er-ereignisse im taumel der stattfindenen wiedervereinigung zu spiegeln. etwas allerdings trübt den gesamteindruck.
dass die handlung in rückblenden 2 erinnerungsebenen ausleuchtet ist nicht das problem, es ist eher der versuch des autors in diese handlungsdichte, die von einem ernüchternd melancholischen grundton bestimmt wird, noch eine analog verlaufende, scheiternde liebesgeschichte einzubauen. somit verliert das ende verstörend an aussagekraft.
ulrich woelk, von dem wir bislang eher leichte, durchaus intellektuell anregende kost kannten, hat hier einen großen generationenroman vorgelegt, der den vergleich mit uwe timm nicht zu scheuen braucht.

Über mich

mittlere reife 1978; berufsausbildung in der stadtverwaltung rüsselsheim; politisierung während der auseinandersetzungen um den bau der startbahn 18 west am frankfurter flughafen; hessenkolleg; studium der germanistik und geschichtswissenschaften an der j.w. goethe-universität in frankfurt/m.; assistent bei prof. k.jeziorkowski; div. wiss. ausstellungen und symposien; dozent in der erwachsenenbildung; kulturreferent in sachsen-anhalt; derzeit studienrat an der hohen landesschule in hanau; publikationen: kleine lauben, arcadien und schnabelewopski (hg.; k&n 1995); 'von der zersplitterung der tektonik' in: kleist in sprüngen, hg. k.jeziorkowski (iudicium 1999); spurensuche in sprach- und geschichtslandschaften (mithg.; lit-verlag 2003); verschiebebahnhöfe der erinnerung. zum werk w.g.sebalds (mithg.; k&n 2007)
  • männlich

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