Bewertung zu "UNBROKEN: Bis die Dunkelheit mich verlässt" von Annie J. Dean
"Die Kälte kroch in ihn hinein, machte seinen Körper taub. Langsam sah er an sich hinunter. Das einzige Kleidungsstück, das er trug, waren blaue Boxershorts. Blut … Überall war Blut..... Er taumelte rückwärts, die Augen weiterhin auf die roten Schlieren gerichtet. Eine dunkle Wolke breitete sich in seinem Kopf aus, nahm von ihm Besitz, und mit ihr löste sich alles allmählich in Luft auf...Er rieb sich die Stirn, als könnte er damit die verfluchten Erinnerungen zurückholen. Blutrote Spuren blieben auf seinem jungen und doch schon von männlichen Zügen gekennzeichneten Gesicht zurück, als er die Hand wieder herunternahm. Es war, als befände er sich in einem freien Fall, mitten hinein in ein schwarzes Loch. Weiter und weiter." ( Zitat aus dem Buch )
Erschütternde Bewusstseinsfetzen eines zutiefst verstörten fünfzehnjährigen Jungen in einem Indianerreservat. Das ist der beklemmende Einstieg in "Unbroken", der sofort eine Gänsehaut erzeugt. Etwas Schreckliches ist geschehen. Zu grausam, zu schwerwiegend, als das die noch junge Seele eines Teenagers in der Lage wäre dieses Ereignis zu verarbeiten. Der Schock und der Nebel in seinem Kopf treibt das Erlebnis in eine erlösende Dunkelheit. Vergessen, nicht mehr nachdenken, weiterleben. Doch danach ist nichts mehr, wie es einmal war. Die Welt dreht sich weiter, aber der Junge wird nie mehr derselbe sein...
Erfahrungen prägen einen Menschen, egal wie sehr sie aus seinem Bewusstsein verdrängt wurden. Selbst nach einem Jahrzehnt bestimmen sie ihn und manchmal auch ein Leben lang.
"... Dabei fühle ich ganz deutlich die gebrochene Seele in mir, ich bin nur nicht fähig, sie zu finden. Und ich fürchte den Moment, an dem alles hochkommt oder ich nicht mehr in der Lage bin die Erinnerungen aus dem Bewusstsein zu verbannen und sich der Scherbenhaufen meiner Seele vor mir ausbreitet." ( Zitat aus dem Buch )
Dies ist die Geschichte von Heaven und Gray, die sich in der malerischen Küstenstadt White Cove in Maine wiederbegegnen, nachdem Heaven eine Tanzkarriere und eine schmerzhafte Beziehung in New York hinter sich gelassen hat. Schon der Einstieg suggeriert, dass ihre Geschichte keine leichte sein wird. Sie wird geprägt sein von vorsichtigen Schritten, Verlust, Verzicht, Schmerz und verwurzelten Ängsten. Und doch finden wir hinter all der Dunkelheit die wundervollen lichtdurchfluteten Momente, die Hoffnung machen. Es sind Momente, die von Liebe und Leichtigkeit geprägt sind. Die uns ein Lächeln ins Gesicht zaubern und die Schmetterlinge tanzen lassen. Vielleicht ist es ja doch möglich das Licht zu ertragen, selbst wenn man sich in der Dunkelheit sicherer fühlt. Die Frage ist nur, ob das Herz stark genug ist die gebrochene Seele zu heilen. Oder ob man den Mut aufbringt, sich der Angst vor dem Schmerz und der Wahrheit zu stellen.
Anni J. Dean hat hier eine sehr bewegende und tiefgründige Geschichte geschrieben, die schon in ihrem erschütternden Einstieg andeutet, dass wir uns mit jeder Seite, die wir lesen, zwangsläufig auf eine Thematik zubewegen, vor der wir am liebsten ganz fest die Augen verschließen möchten. Vielleicht hat man die dezenten Hinweise gelesen und eine gewisse Vorahnung. Es mag sein, dass man denkt, man sei gewappnet vor dem, was sie uns letztendlich enhüllt. Vielleicht haben wir uns auch beim Lesen eine lange Zeit in Sicherheit gewogen, von liebevollen Momenten, berührenden Zitaten und humorvollen Szenen blenden lassen. Aber glaubt mir: Nichts hat mich auf das vorbereiten können, was mir gegen Ende tatsächlich den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Auf den letzten Metern erwartet uns ein Lesen mit permanetem Herzklopfen und einer Gänsehaut die sich gar nicht wieder legen möchte. Ich war schon lange nicht mehr so schockiert und habe mich vor dem Ausgang einer Geschichte gefürchtet, wie bei diesem Buch. Lesen in freiem Fall mit der Angst vor dem Aufprall. So würde ich es beschreiben.
»Manchmal träume ich zu fallen. Weiter und weiter. So unendlich. Und wenn ich dann aufwache, wird mir klar, dass ich von meinem Leben träume. Ich falle tatsächlich, Heaven. Nicht immer. Aber doch viel zu oft. Und dann habe ich wahnsinnige Angst vor mir selbst.« ( Zitat aus dem Buch )
Ich bin beeindruckt von dem Mut, gerade diese Thematik so sensibel, gleichzeitig aber auch detailliert und ungeschönt in einer Geschiche über die Kraft der Liebe aufzugreifen und damit dann am Ende ein klares Statement zu setzen, das wir uns alle zu Herzen nehmen sollten. Ich kann nur respektvoll meinen Hut ziehen und jedem ans Herz legen: Lest dieses Buch! Dieses Schicksal begegnet uns leider noch viel zu häufig in unserer Gesellschaft.
Inhalt:
Ich will mein Leben neu ordnen, stattdessen begegne ich ihm. Gray Henderson. Attraktiv, unnahbar und … der verhasste Bruder meiner besten Freundin. Ich bin nicht auf der Suche nach einem Typen, der mich an einen gefallenen Engel erinnert. Dunkel. Gebrochen. Und doch ist es genau das, was mich zu ihm zieht, so sehr ich mich auch dagegen wehre. Ich möchte jede verdammte Narbe an ihm kennenlernen.
Umgeben von den Schatten seiner Vergangenheit steht er an seinem eigenen Abgrund, wohin ich ihm auf keinen Fall folgen sollte. Aber was, wenn es dafür zu spät ist, das Herz gegen den Verstand arbeitet und ich längst gesprungen bin?
Meinung:
"Ich will den Schmerz in mir betäuben, wünsche mir die Stille, die jahrelang meinen Kopf und mein Leben beherrscht hat, mit ganzer Sehnsucht zurück. Alles ist besser zu ertragen als die Wahrheit. Alles. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich mich an Heaven klammere. Gemeinsam hocken wir auf dem steinernen Boden, während unter uns die Brandung donnert, tobend und wütend klingen die Wellen, wie sie gegen die Felsen schlagen. Ich wünschte, ich könnte es wie das Meer machen. Ich möchte laut und mit meiner ganzen Wut den Schmerz hinausschreien. Doch stattdessen bleibe ich still, wie ich es immer getan habe, und lasse den Atlantik für mich schreien." ( Zitat aus dem Buch )
Tief durchatmen! Zurück in das Hier und Jetzt. Nach dem Epilog musste ich mich ergriffen und mit Tränen in den Augen dazu zwingen, mich von Heaven und Gray zu lösen und in die Realität zurückzukommen. Ich kann nicht einmal annähernd beschreiben, welche Gefühle sich tief in meinem Inneren in diesem Moment vereint haben. Unglaubliche Wut auf die Taten, zu denen Menschen fähig sind, Hass, Trauer um das, was sie anderen in deren Leben rauben, aber auch absolute Hochachtung vor denjenigen, die sich mit ihrer Empathie und ihrem Feingefühl diesen Abgründen stellen und nach vorne schauen. Ich habe tatsächlich eine ganze Weile gebraucht, mich zu sammeln und die Ereignisse mit all ihren bewegenden Wendungen auf mich wirken zu lassen, bis ich letztendlich wieder bei mir angekommen bin. Annie J. Dean hat es perfekt verstanden mit meinen Emotionen zu spielen.
»Ich möchte das endlich hinter mir lassen und das klappt am besten mit dir. Weil alles mit dir besser ist und ich weiß, dass ich damit eine neue Erinnerung schaffen kann. Eine, an die ich gerne zurückdenke. Das ist es, was ich jetzt brauche. Gut gegen Böse, verstehst du? Licht gegen Dunkelheit.« ( .... ) Manchmal sehe ich, wie er blinzelt und mit seinen Gedanken wegdriftet, dann halte ich inne, umfange sein Gesicht mit meinen Händen und küsse ihn, um ihn zu mir zurückzuholen. Und irgendwann spüre ich, dass er gegen sich selbst gewinnt und alles hinter sich lässt, die Angst, die Dunkelheit und auch das Licht, das er so fürchtet. Er ist nun ganz bei mir. ... ( Zitat aus dem Buch )
Gefühle, sie sind es, die diese Geschichte tragen. Mal begegnen sie uns in leichter, verspielter Weise. Dann erzeugen sie ein dezentes Flattern im Bauch und lassen uns hoffnungsvoll auf eine sich anbahnende Freundschaft oder eine sich entwickelnde Verbindung, die so weit darüber hinaus geht hinfiebern. An anderen Stellen bringen sie uns zum Grinsen, weil sich die Charaktere auch mitunter selber im Weg stehen, sich innerlich gegen das was sich unvermeidlich abzeichnet wehren, dann doch aus dem Bauch heraus gegen ihre eigenen Überzeugungen handeln und so auch sehr humorvolle Momente schaffen. Ein anderes Mal begegnen uns die Gefühle auf eine leise und berührende Weise, die uns sehr nachdenklich stimmt, mitunter auch bedrückend wirkt oder unser Herz fast überlaufen lässt vor Liebe. Und dann sind da diese Emotionen, die so laut schreien, dass sie uns mit einer erschreckenden Gewalt treffen und mit sich reißen. Sie geben einem das Gefühl, sich in einem Strudel zu befinden, gegen den man mit aller Macht ankämpfen will und der einen doch immer weiter in die Tiefe zieht. Egal wie sehr man sich aus der Situation befreien möchte. Dies alles schafft die Autorin auf wundervolle Weise zu einer stimmigen und wirkungsvollen Geschichte zu verbinden, indem sie der Handlung und den Charakteren sehr viel Raum gibt, sich zu entwickeln und Stimmungen zu schaffen, die unsere Seele sehr eindrücklich erreichen.
Sowohl Heaven, als auch Gray verleihen der Geschichte eine beeindruckende Tiefe, indem sie uns einen ungeschminkten Blick auf ihr Innerstes verschaffen und uns damit ihr Erleben mit allen Hoffnungen, kleinen und großen Momenten des Glücklichseins, Zweifeln, tief verwurzelten aber nicht immer bewussten Ängsten, den Kämpfen gegen die eigenen Dämonen aber auch gegen die schönen Gefühle, an die sie nicht immer glauben wollen offenbaren. Beide haben in ihrem Leben Tiefschläge hinnehmen müssen und tragen genug Ballast mit sich, der es rechtfertigen würde, sich niemals mehr für andere zu öffnen. Besonders Grays Vergangenheit ist derart traumatisch, dass man einen Charakter erwarten würde, der verletzt um sich schlägt und jeden von sich weist. Doch der Weg, den die Autorin gewählt hat, ist erfrischend anders und beeindruckt umso mehr.
Heaven opferte ihre Tanzkarriere, nachdem ihr Freund sie auf übelste Weise verriet. Eigentlich wollte sie nie mehr zurück nach White Cove, denn auch das Verhältnis zu ihrer Familie ist nach Heavens Reaktion auf einen schweren Verlust gestört. Das Päckchen, das Heaven mit sich trägt, ist kein leichtes. Es geht um existentielle Ängste, um Anerkennung der eigenen "Familie" und um das Loslassen eines geliebten Menschen, dessen Verlust man nicht endgültig in sein Bewusstsein lassen möchte. Eigentlich genügend Gründe um Schwäche zu zeigen, sich mit sich und seinen eigenen Problemen zu beschäftigen und andere auf Abstand zu halten. Doch nicht so Heaven. Ich liebe sie für ihre Charakterstärke, die eigenen Probleme zu reflektieren, nach vorne zu schauen und sich den Steinen in ihrem Weg nicht nur zu stellen, sondern diese auch beiseite zu räumen. Dabei verliert sie nie den Blick für andere und zeigt sehr viel Einfühlungsvermögen für deren Handeln und Beweggründe. Und sie kämpft wie eine Löwin für diejenigen, die sie liebt.
»Manchmal möchte ich dich von mir stoßen und dann gleichzeitig wieder bei mir halten. Ich will alles über dich vergessen und doch alles über dich erfahren. Ich will wissen, ob du Kaffee magst, wie du ihn am liebsten trinkst, schwarz, mit Milch oder süß … welche Musik du hörst, wie du tanzt, für welche Dinge du sonst noch brennst, wie du aussiehst, wenn du schläfst, wovon du träumst …« Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und legt die Stirn gegen meine. Sein Atem geht schwer, als hätte es ihn unglaublich angestrengt, mir das zu sagen. Ich habe längst mein Herz an diesen Mann verloren, so krass, dass es fast schon schmerzt. Eng ziehe ich ihn an mich und flüstere: »Dann finde es heraus und stoße mich nicht weg.« (....) »Zeig mir deine Welt, Gray.« »Sie ist dunkel«, warnt er mich. »So dunkel wie du? Dann werde ich sie lieben.« ( Zitat aus dem Buch )
Ich habe selten einen solchen empathischen Charakter erlebt, der trotzdem noch glaubwürdig bleibt, weil er eben nicht so perfekt ist, wie meine Beschreibung glauben lässt. Manchmal steht sich Heaven eben auch selber im Weg. Sie hadert mit sich, vertraut nicht bedingungslos und lässt sich auch das ein oder andere Mal dazu verleiten, spontan über das Ziel hinauszuschießen. Aber gerade das macht sie so liebenswert. Besonders wenn sie sich schwache Momente erlaubt, in denen auch sie jemanden braucht, der sie auffängt.
"Verwirrt blicke ich ihm hinterher, dem Jungen, der keiner mehr ist, dem Jungen, der nie gelächelt hat, aber mir heute ein Lächeln geschenkt hat, das allein bei der Erinnerung daran einen Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch erzeugt. Und er ist immer noch so rätselhaft wie früher." ( Zitat aus dem Buch )
Wirklich berührt hat mich allerdings Gray, beziehungsweise der junge Mann, der eigentlich an seinen "Verletzungen" ersticken müsste, die ihn in der Dunkelheit seiner verdrängten Erinnerungen erwarten würden. Mir gefällt es, dass Gray ein Mann geworden ist, der nicht die Auseinandersetzung und Wut als Ventil benutzt, um im Leben zu bestehen. Statt dessen liebt er seine Ruhe und nutzt seine Musik und den Rückzug um Kraft zu schöpfen, Frieden zu finden. Ich hatte eher erwartet, dass er einen selbstzerstörerischen Weg wählen würde. Doch das tut er nicht. Er ist ehrlich zu sich, indem er sich eingesteht, dass seine Vergangenheit, die er in einem Nebel des Vergessens begraben hat, ihn irgendwann wieder einholen wird und dass er sich genau davor fürchtet.
Er hebt kurz die Schultern. »Das Schlimmste, nämlich der Anfang, die Veränderung, ist vorbei. Und irgendwie packt man alles, weil einem gar keine andere Wahl bleibt. Eine Zeitlang kann man vielleicht vor den unangenehmen Dingen fliehen, doch am Ende werden sie schneller sein als du selbst.« »Ist es so bei dir?« Er lächelt, aber es ist ein trauriges Lächeln. »Ich fliehe noch. Doch manchmal wünschte ich, es wäre schon vorbei. Nur kann ich mich meinem Verfolger nicht stellen, weil er sich mir nicht zeigt. Da ist nichts als Licht.« ( ...) »Ja. Komisch, nicht? Alle fürchten die Dunkelheit, aber genau bei ihr fühle ich mich wohl. Es ist das Licht, das mir Angst macht.« ( Zitat aus dem Buch )
Und er ist reflektiert genug, sich einzugestehen, dass er einer Beziehung lieber aus dem Weg geht, weil ihn eine verstörende Erfahrung, dessen er sich noch nicht bewusst ist, blockiert. Ich wollte Gray eigentlich permanent in den Arm nehmen, um ihn vor all dem Schmerz, den sein Leben ausmacht, zu beschützen. Dann wiederum ist mir das Herz aufgegangen, wenn ich erleben durfte, wie viel Mitgefühl Gray für die Menschen in seinem Leben hat, wie ehrlich er mit anderen umgeht und wie viel er zu geben bereit ist, obwohl seine eigene Last so unendlich groß ist. Gray ist sicherlich nicht einfach und er macht manchmal nach einem Schritt vorwärts auch drei wieder zurück. Vielleicht glaubt er auch nicht an die Liebe, selbst wenn seine Fluchtversuche schon längst gescheitert sind. Aber zu keiner Zeit ist sein Verhalten böswillig und bewusst verletzend. Dafür allein hat er sich einen Platz tief in meinem Herzen erobert. Ich liebe ihn für seine Verletzlichkeit, für seine Art, Dinge mit sich selber auszufechten, bevor er etwas zerstört, woran eigentlich sein Herz hängt, und für seine kecken "Spielchen", mit denen er sich im positiven Sinne manchmal auch selber ein Bein stellt, sich zu seinem eigenen Glück ungewollt zwingt. In diesem Charakter mit all seinen wundervollen Facetten, steckt das Herzblut der Autorin. Man spürt förmlich, wie sehr sie ihn liebt und dass diese Geschichte ihm gewidmet ist. Und glaubt mir, ihr werdet euch so sehr in ihn verlieben, dass ihr am Ende durch die Hölle gehen würdet, um die Qual und das Entsetzen abzuwenden, auf das er zusteuert und das sich in seinen Erinnerungsfetzen, die durch den Nebel dringen schon recht frühzeitig ankündigt.
"Wir haben beide unsere Schutzmauern verloren und verlassen uns nun voll und ganz auf den anderen. Gerade sind wir absolut verwundbar, und ich sehe ihm an, dass er das Gleiche spürt, doch solange wir miteinander verbunden sind, brauchen wir nichts zu fürchten. Das weiß ich einfach. (...) Ich schlinge die Arme um ihn und es kommt mir vor, als würde ich ein weiteres Mal fallen. Dabei befinde ich mich längst in einem freien Fall, nachdem ich mein Ja zu dieser offenen Beziehung gegeben habe. Nur jetzt ist er mit dabei. Ich sehe es an seinen schimmernden Augen, es ist die Art, wie er mich ansieht, wie er mich küsst und wie er meinen Namen flüstert. Ich stürze nicht allein. " ( Zitat aus dem Buch )
Das Zusammenspiel zwischen Heaven und Gray ist einfach wundervoll und ihnen wird sehr viel Raum gegeben sich einander anzunähern, bevor sich ihre wahren Gefühle entwickeln. Es beginnt mit einer etwas unglücklichen ersten Begegnung, die nur den Hauch einer vielleicht freundschaftlichen Zuneigung erahnen lässt, geprägt von einer Erinnerung an einen Kosenamen aus ihrer Jugend. In einer Kleinstadt wie White Cove läuft man sich zwangsläufig nicht nur einmal über den Weg, besonders wenn Gray der Bruder von Heavens bester Freundin ist. Doch die gegenseitige Anziehung, die sofort zwischen den beiden aufflackert und das feine Gespür für die jeweiligen Empfindungen des anderen, das sie zueinander zieht wie ein unsichtbares Band, ist eigentlich nicht das, was beiden in ihrer momentanen Situation richtig erscheint. Besonders Gray hat einen ganz anderen Plan von seinem Leben. Aber wie das so ist mit Gefühlen. Man kann vor ihnen selten fliehen. Besonders nicht, wenn man sich mitunter gänzlich entgegengesetzt zu seinen eigentlichen Überzeugungen verhält. Und so häufen sich die sogenannten "Zufälle" und amüsanten "Spielchen". Schon bald stehen sich beide schon viel näher, als sie sich eingestehen wollen. Doch kann das wirklich eine Zukunft haben? Besonders wenn einer von beiden auf einen Abgrund zusteuert, dessen Ausmaß sich nur in Ansätzen erahnen lässt? Oder sind sie vielleicht gerade das füreinander, was der jeweils andere braucht? Ein Halt, eine Stütze? Ich habe es geliebt, dieses sich langsam aufbauende Prickeln zu verfolgen. Und gleichzeitig war ich immer in Hab-Acht-Stellung, weil die sich häufenden Warnsignale die Geschichte begleiten wie ein Damokleschwert. Mal war es die Hoffnung, die mich weitertrieb, oder die wirklich humorvollen Momente, die die Handlung aufgelockert haben. Dann wiederum haben die teils unglaublich berührenden Szenen mich seufzen lassen. Dennoch steuerte die Geschichte unausweichlich auf den einen großen Moment zu, an dem die wundervolle Seifenblase, die Heaven und Gray ab einem besonderen Punkt umgibt, mit einem lauten Knall zerplatzen wird. Und davor habe ich die ganze Zeit gezittert. Die Angst ist ein permanenter Begleiter beim Lesen, weil man ahnt, dass die Wahrheit, die in Grays Nebel verborgen liegt, einen tiefer treffen wird, als man möchte. Und das ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Niemand konnte mich auf den wahren Schock vorbereiten, der mich gegen Ende mit voller Wucht getroffen hat. Ich hätte laut schreien können. Ich habe noch nie eine solche Wut und Hilflosigkeit verspürt. Ich wollte um mich schlagen und ich hatte kalten Schweiß auf der Stirn. Nein, es gibt nicht einmal ansatzweise die passende Bezeichnung für das, was dieses "Erleben der Wahrheit" mit mir gemacht hat. Es hat mich auch nach beenden des Buches noch lange beschäftigt.
"Endlich sieht sie mich an. »Wenn du zurück in die Dunkelheit willst, dann verstehe ich das. Und ich gehe mit dir«, flüstert sie mit erstickter Stimme. »Ich gehe überall mit dir hin, Gray. Überall.«" ( Zitat aus dem Buch )
Diese Geschichte ist mit ihrer Thematik so unglaublich schmerzhaft, aber auch wahnsinnig wichtig. Denn sie öffnet uns die Augen für etwas, vor dem wir sie leider viel zu häufig am liebsten verschließen möchten. Und sie ist absolut aktuell und realitätsnah. Ich würde gerne näher darauf eingehen, aber dann würde ich hoffnungslos spoilern. Allerdings bin ich dankbar, wie feinfühlig Annie J. Dean sich mit diesem Thema auseinandersetzt und sich auch mit den Auswirkungen auf die Psyche beschäftigt. Ohne den erhobenen Zeigefinger, sondern gänzlich über bewegende Emotionen und eindrückliche Worte. Dazu gehört viel Mut und Einfühlungsvermögen. Die Umsetzung und die Wirkung ist bewundernswert. Gray und Heaven geben uns eine wunderbare Botschaft mit auf den Weg, die wir auch auf andere Problematiken übertragen können:
Wir sollten alarmierende Zeichen lernen zu deuten und müssen begreifen, dass es keine Schande ist, sich zu öffnen. Nur Handeln kann etwas bewirken und das hat Grays Geschichte auf wundervolle Weise bestätigt. Der Weg aus einem solchen Alptraum ist hart und man wird immer wieder zurückgeworfen. Aber das Leben ist es wert, diesen Kampf zu führen, weil es noch so viel für uns bereithält, besonders wenn wir Menschen an seiner Seite haben, die uns bedingungslos begleiten, egal für welchen Weg wir uns letztendlich entscheiden.
»Egal für welchen Weg du dich entscheidest, er wird so oder so schwer für dich sein. Aber ist es nicht einfacher, ihn mit weniger Gepäck zu bestreiten? Du sagst doch selbst, dass du genug Gewichte mit dir herumschleppst. Außerdem bist du nicht allein. Ich gehe mit dir. Den einen oder den anderen Weg.« ( Zitat aus dem Buch )
Fazit:
"Unbroken - Bis die Dunkelheit mich verlässt" ist eine Geschichte, die ihrem Titel mehr als gerecht wird. Feinfühlig, intensiv, erschütternd geht sie unter die Haut und beschäftigt auch noch lange nach dem Lesen. Und doch ist dieses Buch niemals erdrückend, sondern zeigt uns in wundervollen Worten, wie schön das Licht sein kann, wenn wir es in unser Leben lassen. Ich werde noch lange an diese berührende Geschichte denken und Gray und Heaven werden immer einen Platz in meinem Herzen haben. Bitte lest dieses Buch und hört nie auf für das Glück zu kämpfen!