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Kelsea Raleigh ist die Thronfolgerin, deren Reich Tearling in Schutt und Asche liegt. 19 Jahre hat man sie versteckt, weil ihr von allen Seiten Gefahr droht. Jetzt ist sie alt genug, um gekrönt zu werden und Tearling vor dem Einfluss der Mort zu retten. Aber schafft sie es überhaupt bis auf den Thron oder wird sie vorher schon sterben?
Die zwiegespaltenen Rezensionen deutscher Blogger haben mich dann endlich neugierig genug gemacht, um das Buch endlich zu lesen und es gibt so viel darüber zu erzählen, dass ich mich noch in meiner Bachelorarbeitspause sofort aufraffen musste, um eine Rezension zu schreiben. Den Drang habe ich bei den Büchern davor nicht verspürt, also muss das schon was heißen.
Aber zunächst einmal: Was habe ich überhaupt erwartet? Definitiv nicht das, was mir dieses Buch geliefert hat. Ich habe mit einer High-Fantasy-Geschichte mit weiblicher Protagonistin gerechnet, ein bisschen Throne of Glass, ein bisschen The Kiss of Deception vielleicht, aber bekommen habe ich eine Geschichte, die ich so noch nie gesehen habe. Lasst euch gewarnt sein: wenn ihr High Fantasy erwartet, werdet ihr vermutlich enttäuscht sein.
Das Setting, in dem diese Geschichte spielt, ist super interessant und ich hätte gerne mehr darüber erfahren. Die Tearling (also das Volk, über das Kelsea bald herrschen soll) entstammt einem Teil der Menschheit, der auf eine neue Landmasse übergesiedelt ist, die sich plötzlich aus dem Meer erhoben hat und das zu einer Zeit, in der es Harry Potter und Haarfarbe schon gab. Und hier beginnen die ersten Logiklücken, die mich teilweise stark gestört haben. Wieso siedeln diese Menschen mit Schiffen über, obwohl sie offensichtlich nicht einmal wussten, ob es wirklich ein neues Land gibt (Hallo Kartografie, hallo GPS, hallo Flugzeuge). Zufällig geraten die Schiffe dabei in einen Sturm und ausgerechnet das Schiff mit dem gesamten medizinischen Equipment und den einzigen Ärzten geht unter. Keiner kann gerettet werden, also gibt es im gesamten Tearreich keine Medizin. Auch nach 400 Jahren nicht, weil offensichtlich keiner der Bewohner irgendeinen Drang dazu verspürt irgendetwas zu erforschen oder auf das Wissen zurückzugreifen, dass man aus Amerika mitgebracht hat…
Abgesehen davon ist die Idee, ein mittelalterliches Setting mit moderner Sprache und moderneren Ansichten zu paaren ganz okay gelungen. Manchmal war ich so tief drin, dass mich Worte wie „Scheiße“ oder „Harry Potter“ aus dem Lesefluss gerissen haben und ich mir in Erinnerung rufen musste, wo die Tearling herkommen. Das liegt aber vor allem daran, dass der Bezug zum Leben vor der Überfahrt so gut wie gar nicht vorkommt und wenn dann eher in so „banalen“ Dingen wie Haarfarbe und Vergleichen mit Taschenrechnern und Computern.
Aber genug vom Setting – ihr könnt euch denken, dass ich noch eine Weile so weitermachen könnte. Was mir dagegen wirklich gut gefallen hat, war die Ausführlichkeit der Beschreibungen, die mir das Gefühl gaben, wirklich in Tearling zu sein. Kelsea ist eine sehr aufmerksame, intelligente Protagonistin, die den Leser an ihren Gedanken teilhaben lässt, die auch in den meisten Fällen wirklich intelligent sind. Manchmal passieren ihr dann zwar Ausrutscher, bei denen man nur laut lachend mit dem Kopf schütteln kann (z.B. wenn sie eine etwas ältere Adlige dafür verurteilt, dass diese versucht, immer noch hübsch auszusehen oder wenn sie eine Frau für ihre Schönheit beneidet, obwohl ausgerechnet diese Schönheit dafür gesorgt hat, dass ihr Onkel sie als persönliche Hure hielt und misshandelt hat…), aber im Großen und Ganzen hat es wirklich Spaß gemacht, Kelsea durch die Geschichte zu folgen.
Sie ist eine starke Königin, trifft manche Entscheidungen, die nicht wirklich intelligent sind, aber vielleicht ist das auch ihre Stärke – das sie sofort das tut, was sie für richtig hält und nicht erst über die ganzen Konsequenzen nachdenkt, die das mit sich tragen könnte.
Ihr Berater am Hof ist Mace, der Leiter der Königinnen-Garde. Er bevormundet sie häufig, was mir nicht so gut gefallen hat, denn normalerweise gibt man einer Herrscherin doch keine Widerworte, wenn sie einen Befehl ausspricht. Auch der Rest der Königinnen-Garde hat sich nicht immer seiner Rolle entsprechend verhalten, was ich beim Lesen zwar nicht so wild fand, aber als ich hinterher darüber nachgedacht habe, hat es sich zu dem Haufen an Logikfehlern geschlichen.
Ein richtiges Love Interest gibt es übrigens nicht. Da ist zwar jemand, den alle nur den Fetch nennen und den Kelsea ziemlich toll findet (was eigentlich keinen richtigen Grund hat, außer sein gutes Aussehen, wenn ich so darüber nachdenke), aber Kelsea hat gar keine Zeit, um sich mit irgendwem einzulassen bei all den Regierungsangelegenheiten, die sie mit ihrer ersten Amtshandlung losgetreten hat. In manchen Büchern vermisse ich ein Love Interest, aber hier war die Handlung spannend und interessant genug, dass es mich nicht im Geringsten gestört hat.
Damit komme ich auch schon zum nächsten Punkt, den ich unbedingt ansprechen möchte: die Handlung und was ich so interessant daran fand. Das Buch ist aufgeteilt in drei große Teile, davon ist der erste die Reise zur Burg, im zweiten beginnt Kelsea mit ihrer Herrschaft und im dritten gibt es dann noch mal eine Reise, die dieses Mal mehr actiongeladen ist.
Kelsea hat ziemlich viele Gegner, von denen keiner sie mit der Krone sehen möchte. Dazu gehört ihr Onkel, der aktuell „herrscht“, die Rote Königin der Mort (das hat mich total irritiert, dass sie auch die Rote Königin heißt – dabei musste ich ständig an das gleichnamige Buch denken, was ja etwa zur gleichen Zeit erschienen ist) und noch so ein paar andere im Volk, darunter der Arvath, der Zensus und die Caden... Attentate auf ihr Leben stehen also an der Tagesordnung, doch etwa in der Mitte des Buches entdeckt Kelsea dann etwas über sich, was ihr hilft, sich auch ohne die Königinnen-Garde zu verteidigen. Was das ist, verrate ich natürlich nicht – ich sage euch nur, dass mir das gut gefallen hat und ich gespannt bin, wie es sich auf den Kampf gegen die Rote Königin auswirken wird.
Die Handlung im ersten Teil ist trotzdem nicht stark actiongeladen, sondern beinhaltet sehr viel Beschreibungen, sehr viel Kennenlernen der Welt und viele Diskussionen was politische Belange angeht. Der Einblick in Außenpolitik und Innenpolitik hat mir übrigens sehr gut gefallen. Hier haben wir endlich mal eine Dystopie, die nicht mit einem Widerstand anfängt und aufhört, wenn das aktuelle Regime gestürzt ist, sondern eine Dystopie, die dem Leser zeigt, wie man ein Reich wieder aufbaut, nachdem es vollkommen in sich zusammen gestürzt ist. Während des Lesens habe ich mir häufig Gedanken dazu gemacht, wie ich gehandelt hätte und an welcher Stelle ich angefangen hätte und fand es toll, dass man nicht vor vollendete Tatsachen gestellt wurde, sondern die Entscheidungstreffung quasi „live“ miterleben konnte.
Ihr seht – ich bin nicht wirklich zufrieden, da es viel zu viele Logiklücken gab und zu viele Dinge unklar geblieben sind, aber trotzdem fand ich Die Königin der Schatten ziemlich spannend und habe das Lesen wirklich genossen. Ich spiele jetzt schon mit dem Gedanken, mir den zweiten Teil auf englisch zu holen, um sofort weiterlesen zu können. Teil 1 soll übrigens mit Emma Watson in der Hauptrolle verfilmt werden – ich hoffe, bei der Verfilmung achten sie auf Logiklücken, dann könnte das ein ziemlich genialer Film werden.
Fazit also: Wenn ihr ohne Erwartungen oder mit dem Wissen in diese Geschichte geht, das es sich nicht um High Fantasy, sondern eine etwas andere Dystopie handelt, könntet ihr diese Geschichte mögen. Die Handlung ein bisschen ruhiger, aber dafür sehr detailgetreu gefällt nicht allen, aber ich glaube, Die Königin der Schatten ist echt ein Buch, das jeder für sich selbst entdecken muss.