Bewertung zu "Alice, wie Daniel sie sah" von Sarah Butler
Alice ist eine Frau Ende zwanzig, andauernd auf der Suche nach sich selbst und nach einem Ort, an dem sie sich zu Hause fühlt.
Weder ihre Schwestern, noch ihr Vater, der am Anfang des Buches stirbt, haben ihr je ein Gefühl von Zugehörigkeit vermittelt.
Sie scheint Schuld an dem Umzug in ein weniger schönes Haus zu haben, an allen Streitigkeiten der Eltern und ihrer Ansicht nach auch am Tod der Mutter durch einen Autounfall.
Alice flieht ins Ausland, wandert von einem Ort zum anderen und kehrt erst nach London zurück, als sie erfährt, dass ihr Vater im Sterben liegt.
Nach der Beerdigung bekommt Alice kleinere Geschenke, die ihr ein Unbekannter vor die Tür legt.
Es ist Müll in bunten Farben, zu schönen Dingen verknotet und geformt.
Daniel ist ein Mann Ende fünfzig mit schweren Herzproblemen, der durch familiäre Probleme und eine aussichtslose Affäre mit einer verheirateten Frau abgestürzt und auf der Straße gelandet ist.
Die Affäre endete mit der Schwangerschaft von Alice Mutter und Daniel bekommt sein Kind nie zu Gesicht.
Als er vom Tod seiner Geliebten erfährt und Alice Namen unter der Traueranzeige entdeckt, beschließt er, sie zu suchen.
Für Daniel hat jeder Buchstabe eine eigene Farbe und so verteilt er in der ganzen Stadt Botschaften für Alice.
Das A ist eisblau, das L golden, das I ist rosa, das C dunkelblau und das E grau.
Durch Zufall entdeckt er die Traueranzeige von Alice Vater in der Zeitung und beschließt, zur Beerdigung zu gehen.
Schafft er es seine Tochter kennen zu lernen und eine Beziehung zu ihr aufzubauen?
Hinter der Geschichte steckt eine wunderbare Idee, die leider nicht so gut umgesetzt wurde, wie ich erwartet habe.
Das Cover ist sehr ansprechend gestaltet, die Story wurde noch nicht so oft behandelt und Daniels Wahrnehmung durch Farben ist sehr interessant.
Doch fiel es mir sehr schwer eine Beziehung zu den Personen aufzubauen und einen direkten Draht zu der Handlung zu bekommen.
Die Geschichte ist an mehreren Stellen sehr oberflächlich erzählt und wirft viele unbeantwortete Fragen auf.
Man bekommt nicht dieses mitreißende Gefühl, das einen zum Weiterlesen animiert.
Besonders der Anfang, ein sehr wichtiger Teil eines Buches, war nicht besonders packend, teilweise sogar langweilig.
Es wurden alle Straßen und Orte, die die Personen auf ihrem Weg durch London überquert und besucht haben, erwähnt, so dass ich mich teilweise wie in einem Reiseführer durch die Stadt fühlte.
Leider wurde an anderen Stellen, die mich mehr interessiert hätten, an dieser Genauigkeit gespart.
Daniels Denkweise hielt ich für einzigartig, frei von der Autorin erfunden und habe erst durch Nachforschungen erfahren, dass er kein Einzelfall ist und man seine andere Art der Wahrnehmung Synästhesie nennt.
Allerdings ist dies eine eher unwichtige Schwäche des Buches, die ich trotzdem erwähnen wollte.
Trotz allem hat man beim Lesen sowohl die Mühe und Fantasie, die die Autorin in dieses Buch gesteckt hat, etwa als sie sehr genau beschreibt, wie Daniel die verschiedenen Dinge für Alice sammelt und bastelt,
als auch die Liebe der Autorin zu der Stadt London, die sie als das Meer bezeichnet, gespürt.
Zum Ende hin hat das Buch an Spannung und an einer gewisse Erfüllung der Erwartungen, die man an es hatte, zugenommen.
Die Geschichte könnte so, oder so ähnlich, auch im echten Leben passieren/ passiert sein und das macht sie so interessant.
Es konnte mich nicht so berühren und mitreißen wie erwartet, aber dennoch stellt das Buch meiner Meinung nach eine gute Basis für eine weitere schriftstellerische Karriere von Sarah Butler dar.