Bewertung zu "Die Götter müssen sterben" von Nora Bendzko
Seit vielen Jahren lebt Areto bei den Amazonen. Dabei ist sie weder als Kriegerin geboren, noch ist sie in der Kriegskunst besonders bewandert. Deshalb erstaunt es alle, als Artemis, Göttin der Jagd, Herrin des Mondes und Hüterin der Frauen, ausgerechnet sie zur ihrer Auserwählten macht und sie mit ihren Kräften segnet. Und das, wo sich die Prophezeiung, dass Troja fallen wird, und die Amazonen sich an den Helden rächen werden, die ihresgleichen töteten, schon bald zu erfüllen scheint. Areto ist hin und her gerissen zwischen ihrem Verstand und ihrer Berufung.
Die Götter müssen sterben! Aber warum eigentlich? Ist es nicht vielmehr so, dass die Götter verehrt werden? Wer sich ein bisschen mit den griechischen Sagen beschäftigt hat, der weiß, dass die Zeus, Aphrodite, Hades, Poseidon und Co. eigentlich nur das tun, worauf sie gerade Lust haben und sich köstlich amüsieren, wenn sie mit den Sterblichen ein wenig spielen können. Und genau da setzt Nora Bendzkos Adaption der griechischen Sagen an. Die Amazonen sind es leid, der Willkür der Götter ausgesetzt zu sein, zumal diese nur Krieg, Tod und Unglück für sie bringt.
Nora Bendzko interpretiert die alten griechischen Sagen auf düstere und absolut faszinierende Weise neu. Die Amazonen sind ein kriegerisches und grausames Volk, aber ebenso gütig und keinesfalls männermordende Bestien. Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind ebenso selbstverständlich wie queere Geschlechtsidentitäten. Letzteren wird mit dem Pronomen „sier“ Respekt gezollt. Beim Lesen bin ich zuerst über den Begriff gestolpert, da ich diesen noch nirgendwo vorher gelesen hatte, allerdings war aus dem Kontext ziemlich schnell ersichtlich, wen das Pronomen bezeichnet. Im weiteren Verlauf war „sier“ dann ganz selbstverständlich.
Wenn man erwartet, dass Götter erhabene Wesen sind und Helden mehr oder weniger unfehlbar, dann wird man enttäuscht. Nora Bendzkos Charaktere sind ambivalent, machen Fehler und gerade die Götter und Helden verhalten sich ganz und gar nicht so, wie man es erwarten könnte. Gut, die Götter machen was sie wollen, sind dabei aber kein bisschen erhaben und göttlich.
„Die Götter müssen sterben“ ist düster, leidenschaftlich, kämpferisch und spannend. Es wird gelebt, geliebt, intrigiert, Krieg geführt und gestorben und die Geschichte lässt einen erst mit der letzten Seite wieder los.