Bewertung zu "Du hast mir nie erzählt" von Wiz Wharton
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“Du hast mir nie erzählt” spielt im Jahr 1997 in London. Die 25jährige Lily hat ihr Studium abgebrochen und wurstelt sich mehr schlecht als recht mit ihrer Arbeit in einem Second-Handshop durchs Leben. Sie kämpft mit psychischen Problemen. Maya, ihre ältere Schwester unterstützt sie so gut es geht. Dann erhält Lily völlig überraschend einen Brief aus Hongkong, der Heimat ihrer verstorbenen Mutter Sook-Yin. Lily hat ihre Mutter kaum gekannt. Sie war erst fünf Jahre alt, als ihre Mutter bei einem Unfall ums Leben kam. Jetzt hinterlässt ihr ein unbekannter Geschäftsmann eine halbe Million Pfund, mit der Bedingung, dass sie ihr Erbe persönlich in Hongkong antritt.
Die Geschichte entfaltet sich in zwei Zeitebenen: Zum einen begleiten wir Lily auf ihrer Reise nach Hongkong, wo sie nicht nur mehr über ihre Mutter erfährt, sondern auch ihre eigene Identität sucht. Zum anderen lernen wir Sook-Yin kennen, die in den 60er Jahren von Hongkong nach London kommt und mit vielen Hindernissen zu kämpfen hat. Beide Frauen sind Außenseiterinnen und werden mit Rassismus konfrontiert.
Ein beeindruckender Debütroman über zwei Frauen aus unterschiedlichen Generationen und unterschiedlichen Kulturräumen, und doch verbindet sie ihre Familiengeschichte, deren Geheimnis unterschwellig in das Leben der Protagonistin hineinwirkt. Auf ihrer Suche nach ihrer Identität deckt Lily ein Puzzleteil nach dem anderen auf.
Interessant auch der Schauplatz Hongkong 1997. Die Handlung spielt zur Zeit der Rückgabe Hongkongs aus 156 Jahren britischer Kolonialherrschaft an China. Alle fiebern dem großen zeremoniellen Akt entgegen.
Mir hat Wiz Whartons Roman sehr gefallen. Sie erzählt einfühlsam von Familienverflechtungen und der Sehnsucht nach Zugehörigkeit. Die Charaktere sind authentisch gezeichnet. Besonders Lilys Onkel Chan ist in seiner Böshaftigkeit glaubhaft dargestellt. Und auch ihr schwacher Vater kommt nicht sehr gut weg. Lilys Mutter Sook-Yin habe ich unendlich bewundert. Sie ist eine starke Protagonistin, eine Kämpferin.
Wie zerstörerische Eifersucht in Familien wirken kann, ist unvorstellbar. Und letztlich läuft in dieser Geschichte alles darauf hinaus.
Fazit: Die spannende Suche nach Antworten macht “Du hast mir nie erzählt” zu einem besonderen Leseerlebnis.