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cuisine

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Cover des Buches RUA 17 (ISBN: 9783962581442)

Bewertung zu "RUA 17" von Volker Kaminski

RUA 17
cuisinevor 6 Monaten
Kurzmeinung: Eine spannende und Phantasie anregende Zukunftsvision"
Leben in einem mächtigen KI-Staat


In Volker Kaminskis neuem Roman „RUA 17“ befinden wir uns im Jahr 2084 – eine sicher nicht zufällig gewählte Anspielung auf Orwells „1984“. In der Tat gibt es Parallelen zwischen den beiden Zukunftsvisionen. Auch in „RUA 17“ leben die meisten in heruntergekommenen Quartieren, die Versorgungslage mit Lebensmitteln ist prekär, auch hier gibt es eine allmächtige Kontrollmacht. Was bei Orwell „Big Brother“ ist, nennt sich in „RUA 17“ das SYSTEM – eine Art Super-KI, die alle Lebensbereiche regelt und kontrolliert. Der Held schreibt wie bei Orwell Tagebuch, wehrt sich gegen die totale Überwachung, und auch ein Zimmer 102 taucht auf, aber hier hören die Parallelen auch auf. Der Kontrollstaat bei Kaminski ist sanfter, er sucht nach Lösungen drängender Probleme wie Überbevölkerung und Überalterung und ist bedacht auf Balance, Ausgleich, Friedlichkeit und eine funktionierende Infrastruktur. Dies geht  jedoch nicht ohne Einschränkung der individuellen Freiheit. So werden Menschen ab c.a. 60 Jahren umquartiert in einen Wohnbezirk namens RUA („Region unter Assistenz“), wo sie in Wohngruppen zusammenleben, versorgt, aber auch kontrolliert von sogenannten Assistenten, menschengleichen Robotern, die das Leben in dem schäbigen Altstadtviertel regeln und organisieren; sie übernehmen Pflege- und Transportdienste, geben Auskunft, überwachen aber auch das Leben der Alten, die zunehmend ihre Erinnerungen verlieren und unter dem Einfluss der Androiden in Traumwelten abtauchen. Es gibt aber durchaus Möglichkeiten der Freizeitgestaltung: Parks, Schwimmbäder, Urlaubsaufenthalte im Sinnenparadies „Camp“ und nicht zu vergessen den Billigwein Favorit, der allgegenwärtig ist. In Teilen erinnert dieses Leben dann auch an Huxleys „Schöne neue Welt“, wo die Droge Soma die Menschen still und friedlich hält.

 

Es existiert aber auch eine Gegenwelt, die Westrandsiedlung, wo die Jüngeren, Berufstätigen sowie Familien leben. Wir lernen den Grundlagenforscher Grandin und seine halbwüchsige Tochter Daria kennen, die in einer Villa mit Garten und Pool leben. Auch sie sind immer von Assistenten umgeben, die Hausarbeiten übernehmen oder als spielzeugartige Begleiter dienen. Über sie gewinnt man auch Zugang zum SYSTEM (ähnlich einem Mega-Internet, wenngleich nicht allen alle Bereiche zugänglich sind).

 

Die Handlung im Roman kommt dadurch in Gang, dass in der RUA im Haus 1021 ein Bewohner verschwindet. Dies wirkt wie ein Brandbeschleuniger für das wachsende Misstrauen des Hausvorstehers Bäumer, ein ehemaliger Lateinlehrer. Er kann sich nicht länger damit abfinden, dass sie zunehmend ihr Gedächtnis verlieren, ihr Bewusstsein offensichtlich manipuliert wird und sie als Hochbetagte nach einem ihnen intransparenten Plan weggebracht werden. Wohin weiß keiner. Doch der vermisste Mitbewohner war noch zu jung und Bäumer macht sich auf die Suche, stellt Nachforschungen an. Dazu benötigt er Hilfe, die er von Daria (seiner Privatschülerin in der Westrandsiedlung) und ihrem Lieblingsassistenten Mango bekommt, über den er unerlaubt Zugang zu Bereichen des SYSTEMs erhält, die das Ausmaß der Bewusstseinsmanipulation in erschreckender Weise offenbaren.

 

Seine Aktivitäten bleiben nicht unbemerkt, und so gerät Bäumer in große Gefahr. Das SYSTEM duldet keine Befreiungsversuche. Und genau um diese geht es im weiteren Fortgang der überaus spannenden Handlung. Bäumer, Mango und Daria bilden eine Art Widerstandsgruppe, der sich die Hausbewohner zumindest durch moralische Unterstützung anschließen. Was sich Kaminski einfallen lässt, um die Flucht aus dem SYSTEM wie in einer Art Schnitzeljagd Schritt für Schritt zu inszenieren, bereitet großes Lesevergnügen und mündet in einen unerwarteten Schluss. Überhaupt sprüht der Roman vor Einfällen, beim Ausmalen der etwas steifen Verhaltensweisen der Assistenten, der futuristischen Stadtgestaltung, den Brettspielen in der Alten-WG, den durch Manipulation hervorgerufenen virtuellen Welten, so dass bei aller Brisanz des Themas (allmächtige KI) die dargestellte Romanwelt keineswegs so einen düsteren, bitteren Charakter besitzt wie bei Orwell. Es geht hier nicht um das Böse, es gibt keinen O’Brian, keine Folter, und doch wird die Gefahr, die durch eine KI-Durchdringung unseres Lebens droht, der Kontrollverlust des Menschen, die Übermacht virtueller Welten (gegenüber der realen) sehr anschaulich gemacht. Ein ungewöhnliches  und äußerst reizvolles Leseerlebnis zu einem Thema, das uns alle noch weiter beschäftigen wird.

Cover des Buches Fünf Minuten vor Erschaffung der Welt (ISBN: 9783962581138)

Bewertung zu "Fünf Minuten vor Erschaffung der Welt" von Wolf Christian Schröder

Fünf Minuten vor Erschaffung der Welt
cuisinevor einem Jahr
Kurzmeinung: Eine gewinnende Lektüre für alle, die schräge Romanhelden mögen, denen das Reisen dazu dient, ihre Heimat zu finden.
Hans im Glück

Die verzweigte Handlung und umfängliche Personnage dieses Romans vorzustellen wäre ausufernd, deshalb ein Versuch in einem Satz: Beruflich und privat gescheiterter Heimatforscher erbt Millionen von einem entfernten Verwandten in Amerika und unternimmt einen Neuanfang. Man kennt solche Geschichten vom reichen Erb-Onkel, sie setzen lustvolle Gedankenspiele in Bewegung. Wir lieben auch Geschichten von Lottomillionären und hören gerne, was aus ihnen geworden ist. Zwischen Aufstieg und Fall ist alles möglich. Mit einer gewissen Befriedigung  lesen wir das Märchen vom „Hans im Glück“, der mit einem Goldklumpen startet und durch schlechte Tauschgeschäfte bei einem Schleifstein endet, den er auch noch verliert. Hans aber ist glücklich und kehrt, von allem Materiellen befreit, endlich zur Mutter zurück.

 

Die Hauptfigur in Schröders Roman, Georg Grissmann, hat seine ganz besondere, nicht leicht zu kategorisierende Glücks-Geschichte. Zunächst muss er, der heimatverbundene Kinderreimsammler (!), sich die Erbschaft ‚verdienen‘ (hat Hans im Glück übrigens auch getan), indem er mit Hilfe eines Detektivs als Erster das Bett des sterbenden Verwandten in Übersee erreicht. Der Aufbruch nach Amerika ist schon sein erster Zugewinn, denn: „Welches Mittel hilft besser gegen die Melancholie als das Abenteuer.“ Er ist schneller als seine Konkurrentin mit ihrem Sohn und erhält darum das Millionenerbe samt einem großen Haus, das außerdem auch noch eine exakte Kopie des Grissmann-Hauses in Tübingen ist (das einmal seinen Großeltern gehörte bis zu deren Bankrott und in dem seine Mutter nun Führungen für Touristen anbietet). Im Grunde kehrt er also auch in der Fremde in die Heimat zurück. Beim Anblick des Hauses erlebt er einen geradezu epiphanischen Glücksmoment: „Du bist angekommen – egal was noch kommt. Hier, kurz hinter dem Tor, hätte ich sterben mögen.“ Dass ihm das Erben eigentlich gar nicht so wichtig ist, wurde schon auf der Fahrt zum Flughafen deutlich: „Herrlich leer ist die Stadt im Morgengrauen. Was geht mich mein Verwandter, was geht mich Amerika, was geht mich Morler (der Detektiv) an? Ich möchte für immer in dieser Taxe über die Autobahn rasen.“ 

 

Dennoch ist er froh, seine Konkurrentin um das Erbe ausgestochen zu haben, und kehrt nach einiger Zeit, nachdem der Verwandte schließlich gestorben ist, als reicher Mann in seine Heimatstadt zurück, genauer gesagt in die ärmliche „Backofensiedlung“, wo er sein altes Zimmer in Untermiete bezieht. Sein einziger Luxus scheint darin zu bestehen, diverse Schulden zu begleichen, Bedürftigen finanziell unter die Arme zu greifen oder sich eine billige grüne Quarzuhr zu kaufen. Immerhin leistet er sich hin und wieder eine Flasche Champagner für sich und ein junges Mädchen aus dem Ort. Er versucht unauffällig zu leben und seinen Reichtum zu verbergen, aus Angst vor Missgunst, dennoch verschafft ihm das Geld ein erhebendes Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit: „Ein reicher Mann kann jederzeit aufstehen und gehen … Und zurückkehren, wenn er will.“

 

Genau diese Pendelbewegung zwischen Aufbruch und Rückkehr prägt die weitere Handlung. Grissmann geht erneut nach Amerika in das Haus, und wie in einem Märchen findet er dort in der Nachbarschaft seinen alten Institutsleiter wieder, durch dessen plötzliches Verschwinden vor Jahren das Heimatinstitut geschlossen werden musste. Mit Grissmanns Erbe wollen nun beide in Tübingen eine Neugründung wagen. Alles scheint  auf ein glückliches Ende zuzulaufen: Der Rückkauf gelingt, der ehemalige Leiter steht wieder an der Spitze und hält Vorträge zu so exotischen Themen wie „Heimat und Zufall“  oder „Heimat und Unglück“. Grissmann selbst will weiter Kinderreime sammeln und beginnt damit an seiner alten Grundschule (der Titel des Romans geht übrigens auf einen solchen Reim zurück). Doch das Glück hat seine Kehrseite: Studierende müssen aus dem ehemaligen Gebäude weichen und sollen umziehen, was zu massivem Widerstand führt und Grissmann Hass und Drohungen einbringt. In der Folge zieht er sich aus der Öffentlichkeit  zurück und lebt wieder bei seiner Mutter - vielleicht eine versteckte Anspielung auf das Märchenende.

 

Reichtum verschafft Grissmann sowohl Freiheit, Ungebundenheit, Abenteuer, endlose Möglichkeiten und das Glück Wohltäter zu sein, bedeutet aber auch Druck und Verwirrung: „Ich könnte fast alles tun! Das erdrück(t)e mich.“ Er leidet wie immer schon unter „Entscheidungsschwäche“ und seine persönlichen Probleme wie Einsamkeit, Nicht-In-Die-Welt-Passen, Nähe und Abstoßung gegenüber Menschen können nicht gelöst werden. Grissmann bleibt ein Einzelgänger, ein Sonderling, verliert aber zumindest seine merkwürdige Angst vor den Nachmittagsstunden, sie können ihm am Ende nichts mehr anhaben. Auf die Frage, „wo jemand, der so ist wie ich, am besten aufgehoben wäre“,  findet er nach einer erneuten Rückkehr nach Amerika eine ganz spezielle Antwort. Dazu die Erkenntnis: „Die Heimat ist nicht nur Ort und Zeit. Sie kann auch ein Zustand sein.“

 

Die Geschichte dieses sonderbaren Glücks- und Heimatsuchers entfaltet eine ganz eigene Art von Spannung, man folgt mit Interesse der inneren und äußeren Entwicklung, rückt lesend einem Ich näher, das mit entwaffnender Offenheit seine Gedanken, Gefühle und Unzulänglichkeiten preisgibt. Trotz des melancholischen Grundtons fehlt es Schröders Roman nicht an Komik und skurrilen Einfällen, die manchmal ins Groteske und Märchenhafte spielen. Sein Stil ist prägnant und erfrischend selbstironisch. Klappt man am Ende die Buchdeckel zu, möchte man seinem Protagonisten zurufen: Viel Glück!

Cover des Buches Lennings Reise (ISBN: 9783962581084)

Bewertung zu "Lennings Reise" von Axel Barner

Lennings Reise
cuisinevor 2 Jahren
Kurzmeinung: Ein Weltreisender auf Sinnsuche
Welt- und Selbsterkundung

Ein Jahr Auszeit nehmen. Ein Jahr durch die Welt reisen. Ein Jahr dem zermürbenden Berufsalltag, dem kalten Berliner Grau entfliehen. Das denken sich Anna und Lenning, und so starten sie im Frühjahr zunächst via Madrid in Richtung Lissabon. Doch ihre gemeinsame Reise währt nicht lange.

 

Auf den Azoren angekommen, ergreift Anna die Gelegenheit mit einer niederländischen Familie auf deren Boot in die Karibik, genauer gesagt, die Insel Sint Maarten weiterzureisen. Lenning soll etwas später nachkommen, es gibt eine Kontaktadresse, wo man sich treffen kann. Lenning will zunächst weiter die Azoren erkunden, sich – angeleitet von Platons „Kritias“ – auf die Spuren der versunkenen Insel Atlantis begeben. Mit dieser Konstellation beginnt der Roman „Lennings Reise“ von Axel Barner. Doch alles kommt anders als geplant. Statt die Reise irgendwann gemeinsam fortzusetzen, wird die Distanz zwischen dem Paar immer größer, geographisch wie innerlich. Während Anna die karibische Exotik und Ruhe am Strand genießt, zieht es Lenning ganz hoch in den Norden, erst nach Grönland, dann sogar nach Island, in eisige Kälte und Ödnis.

 

Denn Lenning ist ein Suchender, Atlantis eine Art fixe Idee, ein Symbol für diese Suche nach Sinn. Im Grunde sucht er sich selbst, immer wieder ist davon die Rede, dass er sich selbst abhanden gekommen, sich selbst fremd ist. Auch ist er des Lebens in der westlichen Zivilisation überdrüssig; scharfe Kritik übt er an der Lebensweise der Deutschen, ihrem Sicherheitsdenken, ihrer Abschottung, ihrem Anspruchsdenken, ihrer Kälte und mangelnden Lebendigkeit. Auf den Azoren hingegen scheint er dem genau entgegengesetzten Menschentypus zu begegnen, gekennzeichnet von Wärme, Freundlichkeit, Offenheit für Fremde, Großzügigkeit, Bescheidenheit - ganz wie Platon die Bewohner von Atlantis beschreibt. Und doch hält es Lenning nicht lange in dieser menschlichen Gemeinschaft. Er sucht immer extremere, einsamere, unwirtlichere und,  ja, auch gefährlichere Orte auf.

 

Barner führt uns an zahlreiche dieser Orte, der Roman besteht zu großen Teilen aus der detaillierten Schilderung der spezifischen Topographien und visuellen Eindrücke. Auffällig ist, dass es – ganz anders als auf Annas Karibikinsel – keine idyllischen, keine schönen Orte sind, keine menschenfreundlichen. Schroffheit, Kargheit, Dickicht, Staub, Asche und Eis herrschen vor und immer wieder Zeichen vulkanischer Aktivität. Auch auffällig: Fast immer regnet es, fast immer hängen düstere Wolken in den Bergen und zunehmend kommt bittere Kälte ins Spiel. Im starken Kontrast dazu: die spartanische Ausrüstung Lennings mit Rucksack, Zelt und etwas Proviant. All dies scheint dem Konzept der Sinnsuche, der Selbstsuche zu dienen und führt doch dem Ziel lange Zeit kaum näher. Zunehmend stellt sich dem Leser/der Leserin die Frage – die sich auch Anna zu stellen beginnt –, was eigentlich los ist mit diesem Lenning, diesem „Eigenbrötler“, dessen Ernst Anna einst angezogen hatte.

Sie kehrt aus Sorge um ihn schon bald nach Berlin zurück, gibt dort eine Vermisstenanzeige auf und rätselt, was passiert sein könnte. Schließlich erhält sie ein Päckchen, in dem sich Lennings Reisetagebücher, Karten und Filmrollen befinden.

 

Mit dieser Szene beginnt der Roman. Durch das Lesen der vier Notizbücher folgt Anna Lennings Reisestationen, ebenso wie der Leser. Das hat seinen Reiz, gilt es doch ein Rätsel zu lösen, eine Lücke zu füllen, Lennings rätselhaftes Verschwinden zu erklären. Doch am Ende stellt sich ihr ein neues Rätsel: Wie konnte ein Mensch, den sie liebt und mit dem sie zusammengelebt hat, ihr letztlich so fremd werden, sich so weit entfernen von ihr. Kannte sie Lenning überhaupt?

 

Gerne hätte auch der Leser mehr erfahren über Lenning, wie es zu dieser Leere gekommen ist, warum er sich verloren hat und so vieles ablehnt. Der Roman bietet viel Außenwelt, man kann lesend an all diese Orte mitreisen und Vieles lernen, umso mehr da es sich gerade nicht um die klassischen vielbereisten Urlaubsziele handelt. Neben dieser Außenwelt hätte man sich jedoch mehr Introspektion und auch mehr soziales Agieren der Hauptfigur gewünscht um ihm als Mensch näherrücken zu können. Zu diesem Eindruck der Distanziertheit passt auch die Tatsache, dass Lenning seine Aufzeichnungen zwar in der Ich-Form verfasst hat, der Text aber nach einem jeweils ersten Satz in die Er-Form wechselt. So bleiben am Ende einige Fragen offen, wie auch der Roman ein offenes Ende hat und Raum für Spekulationen lässt.

 

Wer das Erfahren und Erleben fremder Welten liebt, wer Aussteigergeschichten mag, wird Gefallen finden an diesem Roman, wer psychologisch motivierte und interagierende Figuren oder die Darstellung menschlicher Beziehungen und Handlungsweisen sucht, wird bei „Lennings Reise“ nicht ganz auf seine Kosten kommen.

Cover des Buches Auf Probe (ISBN: 9783903091443)

Bewertung zu "Auf Probe" von Volker Kaminski

Auf Probe
cuisinevor 6 Jahren
Kurzmeinung: Ein Buch, das man so schnell nicht wieder vergisst! Eine ungewöhnliche, berührende Geschichte in einer kraftvollen Sprache erzählt
Es braucht Mut!

Was für ein Roman! Volker Kaminskis neuer Titel „Auf Probe“ bietet alles, was das Leserherz begehrt. Da ist zum Einen eine klug und stimmig gebaute Geschichte, erzählt aus der Sicht von drei Hauptfiguren, deren Schicksale immer mehr miteinander verwoben werden. Der Fortgang der Handlung ist stringent und spannend erzählt. Dann sind da die interessanten Charaktere, sehr unterschiedlich in ihrer Art, mit dem Leben und bestimmten Situationen umzugehen, aber alle drei wachsen einem ans Herz. Volker Kaminski leuchtet ihre innere Gedanken- und Gefühlswelt, ihre Visionen, ihren ganz eigenen Blick aufs Leben aus, ohne allzu sehr ins Psychologisieren zu geraten. Schließlich muss noch die kraftvolle, bilderreiche Sprache hervorgehoben werden. Man findet Formulierungen und Sätze, die man sich gerne anstreichen würde, wenn dadurch das Buch nicht verunstaltet würde. Dass Kaminski hier zuweilen etwas dick aufträgt, verzeiht man ihm ohne Weiteres.

 

Nun doch noch kurz zur Story: Philipp Gaudi erfährt etliche Umbrüche in den Wochen eines nicht enden wollenden Hitzesommers, in dem alle auf Wolkenbruch und Abkühlung hoffen. Job weg, Mutter tot, ein fremder Mann, der behauptet, der leibliche Vater zu sein, eine neue Liebe, und dazu die Frage, ob sich ein alter neuer Traum ernsthaft träumen lässt: das Leben als freier Musiker. Auch für die anderen Figuren stellen sich entscheidende Lebensfragen, neue Wege werden beschritten – zumindest „auf Probe“. Ich wünsche diesem Roman viele Leser und vielen Lesern diese wunderbare Lektüre!

Cover des Buches Stellt euch vor, ich bin fort (ISBN: 9783498030285)

Bewertung zu "Stellt euch vor, ich bin fort" von Adam Haslett

Stellt euch vor, ich bin fort
cuisinevor 6 Jahren
Kurzmeinung: ein wunderbarer, berührender Roman über eine Familie, die ein Trauma erlebt und dennoch ihr Bestes versucht im Leben Fuß zu fassen.
Und dennoch leben wir

Adam Hasletts neuer Roman über eine Familie, die durch den Selbstmord des Vaters tief erschüttert wird, versteht es den Leser zu fesseln und zwar aufgrund der genauen und einfühlsamen Schilderung der Lebenswege der drei Kinder. Schlaglichtartig werden jeweils entscheidende Lebensabschnitte von Cilia, Alec und Michael geschildert, jeweils von den Figuren selbst erzählt. Alle drei versuchen mehr oder weniger erfolgreich sicheren Boden unter den Füßen zu gewinnen - beruflich und privat. Die tiefe Verunsicherung bleibt, aber Beharrlichkeit, Zusammenhalt und Nähe helfen ein Abrutschen zu verhindern. Auch die Mutter Margaret bildet Kitt und stilles Zentrum der Familie, wenngleich sie eher schwach und hilflos ist angesichts der Katastrophe, die über die Familie hereingebrochen ist. Haslett erzählt in einer eindringlichen, niemals aufdringlichen Sprache diesen dramatischen, aber nicht melodramatischen Stoff. Er geht tief in das Innere seiner Figuren hinein und der Leser kann nicht anders als große Sympathie und Empathie zu empfinden. Unbedingt empfehlenswerte Lektüre.

Cover des Buches Rot wie Schnee (ISBN: 9783903091184)

Bewertung zu "Rot wie Schnee" von Volker Kaminski

Rot wie Schnee
cuisinevor 7 Jahren
Kurzmeinung: sehr beeindruckend und berührend!
Verschüttete Erinnerungen

Volker Kaminski setzt uns gleich zu Beginn seines neuen Romans „Rot wie Schnee“ auf eine Rätselspur. Es geht um ein Ölbild, den Maler dieses Bildes und um den Jungen, der darin im Schnee in einer verzweifelten Situation zu sehen ist. Tom Lautenschläger, ein angesagter Maler, der aber zurzeit nach einem Neuansatz sucht, ist sich selbst nicht ganz sicher, wen er da so ausdrucksstark porträtiert hat. Ist es sein Vater, dessen Kinderfoto er kürzlich in der Hand hatte und der mit 16 Jahren einen Flüchtlingstreck im Winter 1945 anführen musste und später unaufhörlich davon erzählt hat? Toms Galerist ist begeistert, doch gleichermaßen entsetzt, als sich das Bild im Depot selbständig verändert. Es ist etwas mit dem Gesicht des Jungen passiert.

  Lautenschläger hat keine Ruhe mehr vor dem Bild. Es drängt sich ihm auf, zieht ihn an und stößt ihn ab. Er muss immer tiefer in seine Familiengeschichte hinabtauchen um sich dem Verborgenen, das da ans Licht drängt, zu stellen. Wir folgen ihm beim Entwickeln neuer Bilderserien, die ein Schlaglicht auf das Schicksal der Eltern als Vertriebene und die eher traurigen Nachkriegsjahre der Familie Lautenschläger werfen. Der tote Vater erscheint eines Tages im Atelier und kämpft mit seinem Sohn um die Deutungshoheit über jene Jahre. Dieser verbale Schlagabtausch ist von Kaminski äußerst gekonnt in Szene gesetzt, die Dialoge sitzen und entfalten eine oft groteske Dramatik, entbehren aber auch nicht einer leisen Komik.

  Spannend bleibt die Geschichte auch deshalb, weil sich immer wieder neue Wendungen auftun, was die Frage nach der Identität des Jungen im Bild betrifft. Erst durch einen entscheidenden Hinweis einer der Schwestern kommt Tom Lautenschläger dahinter, wen er da eigentlich gemalt hat, was die Szene tatsächlich darstellt. Es hängt mit etwas zusammen, das er vergessen, verdrängt hatte. Und dieses Verdrängte bahnt sich durch die Bilder schließlich einen Weg ins Bewusstsein. Gegen Ende kann man das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Es fesselt und berührt zugleich und spielt auf der Klaviatur der großen Gefühle, ohne in Kitsch abzugleiten oder pathetisch zu werden. Der Roman besitzt trotz der ernsten Themen eine Leichtigkeit in der Erzählweise, die aber trotzdem in die Tiefe führt und den Leser beglückt entlässt. Klare Leseempfehlung.

Cover des Buches Pfaueninsel (ISBN: 9783442749836)

Bewertung zu "Pfaueninsel" von Thomas Hettche

Pfaueninsel
cuisinevor 8 Jahren
Kurzmeinung: Lesenswert, wenn auch durch den gut recherchierten Fokus auf die Kulturgeschichte der Insel etwas handlungsarm. Schöne Sprache
Cover des Buches Der Distelfink (ISBN: 9783442473601)

Bewertung zu "Der Distelfink" von Donna Tartt

Der Distelfink
cuisinevor 8 Jahren
Großes Kino

Die Geschichte eines Jungen, der im zarten Jugendalter seine Mutter bei einem Bombenanschlag verliert und von da ab eine bewegte und bewegende Lebensgeschichte erfährt. Der umfangreiche Roman präsentiert verschiedene Lebensstationen, menschliche Begegnungen, die für den jungen Mann prägend sind. Dabei reist der Leser mit, durch unterschiedliche US-Staaten, durch unterschiedliche Milieus. Die Figurenzeichnung ist äußerst sorgsam vorgenommen und auch die schwachen, problematischen Figuren werden nicht demontiert, sondern in all ihrer Komplexität und Gefangenheit gezeigt. 'Der Disteslfink' ist ein Buch zu Eintauchen, zum Miterleben ohne ins Sentimentale oder Kitschige abzugleiten.

Cover des Buches Schwindel (ISBN: 9783630874487)

Bewertung zu "Schwindel" von Tim Winton

Schwindel
cuisinevor 8 Jahren
Kurzmeinung: ein ganz wunderbares, berührendes Buch. Viel zu wenig beachtet. Vom Scheitern und langsam wieder neu anfangen, kraftvoll und doch sensibel
Cover des Buches Auerhaus (ISBN: 9783351050238)

Bewertung zu "Auerhaus" von Bov Bjerg

Auerhaus
cuisinevor 8 Jahren
Kurzmeinung: eine Schüler-WG am Stadtrand, nichts Spektakuläres, aber trocken und witzig, stellenweise auch berührend geschrieben.

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