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eummager

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Cover des Buches 533 Tage - Berichte von der Insel (ISBN: 9783518425565)

Bewertung zu "533 Tage - Berichte von der Insel" von Cees Nooteboom

533 Tage - Berichte von der Insel
eummagervor 7 Jahren
Kurzmeinung: Ein Buch wie ein Urlaub! Der Schriftsteller Cees Nooteboom stellt fest, dass er keine Ahnung von Kakteen, Schildkröten und Spinnen hat.
In 80 Tagen ... von der Insel ins All

Ein Buch wie ein Urlaub!

Der Schriftsteller Cees Nooteboom steht mit 80 Jahren in seinem Garten auf Menorca und stellt fest, dass er keine Ahnung von Kakteen, Spinnen und Schildkröten hat.  Von August 2014 bis Januar 2016 – ich nehme an, es sind 533 Tage – hat er 80 kleine und größere Reflexionen in dieses recht schmale Bändchen gegossen, das es aber in sich hat. Er kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen, bleibt dort aber nicht, sondern assoziert bis ins Weltall, wo unsere Vorstellungsgabe endet.

„Ich hatte nie vor, aus diesen Aufzeichnungen ein Tagebuch zu machen, ich wollte nach innen, nicht länger nach außen. Dort war ich schon so lange und so oft.“

Es ist ein unaufdringliches Buch, geeignet, einen hektischen Tag zu entschleunigen. Obwohl Nooteboom schon 50 Jahre jeweils ein halbes Jahr auf Menorca verbringt, stellt er fest, dass ihm das Wesen seiner Mitbewohner, und da bezieht er auch die Pflanzen mit ein, fremd geblieben ist. Ihm fehlen die exakten Worte, um sie zu beschreiben, er rätselt, welche Beweggründe diese urtümlichen Geschöpfe haben.

„In seinem Zibaldone sagt Leopardi, der Dichter müsse nicht nur die Natur imitieren und perfekt beschreiben, sondern er müsse das auch auf natürliche Weise tun. Leicht gesagt!“

Aber seine Worte und Sätze sind wunderbar poetisch und überraschend. Oft muss man auch lachen, wenn er sich etwa ärgert, dass eine Schildkröte die perfekte Symmetrie einer Sukkulente durch einen herhaften Bissen zerstört.

„Doch wie bestraft man eine Schildkröte, die hier viel ältere Rechte hat als ich? Schildkröten besitzen meines Wissens keine Jahresringe, ich habe also keine Ahnung, wie alt diese ist, und auf Ermahnungen hört sie nicht.“

Wer jetzt vermutet, ein alter Mann hätte sich von der Welt zurückgezogen und lebte das stille Glück im Winkel, irrt. Nooteboom weiß sehr genau, was in der Welt passiert und bringt es immer wieder zur Sprache.

„Versuche, dich von der Welt fernzuhalten, und die Welt kommt zu dir.“

Er weiß, dass im Mittelmeer Tausende von Flüchtlingen ertrinken, während er sinnierend am Ufer seiner Insel steht. Er weiß, dass Griechenland in der Krise steckt und das restliche Europa eine, in seinen Augen, „traurige Scharade“ aufführt, „um im Geschichtsbuch besser dazustehen“. Er hat im Leben schon so viel von Krieg und Politik erlebt, dass er vieles aus einer höheren, objektiveren Warte beurteilen kann. (Glaube ich.)

Faszinierend, wie er von der Beobachtung einer Motte zu Anekdoten und Erinnerungen an seine Schriftstellerkollegen kommt; wie er ohne Mühe von seine Reisen erzählt. Oft war ich noch bei seinen Pflanzen, als er schon von Elias Canetti spricht oder über David Bowie nachdenkt. Er spannt den Bogen von der Nachrichtensendung des SWR bis zu den Rentnern der Voyagermission. (Muss man selber lesen, klasse!)

Es hat mir sehr gefallen. Es wird eines der wenigen Bücher für mich sein, die ich im Schrank behalte, um öfter darin zu lesen.

Ich habe es übrigens gelesen, obwohl Cees Nooteboom auf einer Lesung im Literaturhaus Frankfurt anlässlich der Buchmesse schon fast den ganzen Text vorgelesen hat. Ich konnte es nochmal lesen, immer mit der ausdrucksvollen Stimme des Autors im Ohr. Die Übersetzerin Helga von Beuningen hat es wieder geschafft, den Duktus des Niederländischen so ins Deutsche zu übertragen, dass nichts verloren gegangen ist.

Ich empfehle sehr, außer seine Bücher zu lesen, die mich schon lange Jahre begleiten, die Interviews mit ihm auf Youtube anzuschauen.

Er kann sich übrigens auf Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch genauso gut ausdrücken, wie in seiner Muttersprache. Manchmal hat er deshalb aber auch Momente wie diesen:

„…, das tägliche Spanisch hat meine Muttersprache geheimnisvoller gemacht. … ich wollte die Dolche dieser schottischen Familie beschreiben, und plötzlich fehlte mir das Wort. Ich blieb ganz ruhig sitzen, überlegte, ob das nun das Alter sei. … Voller Zweifel ging ich zu meinem Van Dale, und da stand es.“

Cover des Buches Die Birken wissen's noch (ISBN: 9783458176732)

Bewertung zu "Die Birken wissen's noch" von Lars Mytting

Die Birken wissen's noch
eummagervor 7 Jahren
Kurzmeinung: Ein Jahrhundert schicksalhafte Familiengeschichte von Norwegen über die Shetlandinseln bis nach Frankreich. Spannend wie ein Krimi.
Von Menschen und Bäumen


Ich habe gerade mit Genuss das Buch von Lars Mytting: „Die Birken wissen’s noch“ gelesen.


Ein junger Mann namens Edvard wächst auf einem ziemlich abgelegenen Bauernhof in Norwegen auf. Er wurde von seinen Großeltern erzogen, da seine Eltern bei einem Urlaub in Frankreich ums Leben kamen, als er gerade drei Jahre alt war. Er hat vage Erinnerungen an seine Mutter – an seinen Vater kann er sich nicht erinnern. Sein Großvater hat im Tal einen schlechten Ruf, da er im Krieg für die Deutschen gearbeitet hat. Einar, der Bruder des Großvaters, gilt als vor langer Zeit verschollen oder tot. Er war ein begnadeter Schreiner, den es früh aus dem Gudbrandsdalen nach Paris zog, um dort sein Handwerk zu verfeinern. Im ersten Weltkrieg war er als Soldat im verheerenden Gaskrieg an der Somme eingesetzt.


Soweit die Fakten, die auch Edvard bekannt sind. Das Buch setzt ein, als Edvards Großvater stirbt. Im Zuge der Beerdigungsformalitäten stößt er auf einige Hinweise über die mysteriösen Umstände des Todes seiner Eltern. Das Beerdigungsinstitut informiert ihn, dass schon vor einigen Jahren ein kunstvoll getischlerter Sarg für den Großvater geliefert wurde. Dieser ist so wunderschön aus dem Holz der Flammbirken, die auf dem Grundstück des Bauernhofs wachsen, dass er nur von Einar sein kann. Also kann dieser doch noch nicht so lange tot sein. Vielleicht ist er auch gar nicht wirklich verschollen. Edvard spürt, dass ihm der Großvater und auch der alte Pfarrer des Ortes lange die Wahrheit vorenthalten haben.


Nun beginnt eine spannend erzählte Suche nach Edvards Wurzeln, die ihn über die Shetlandinseln bis nach Frankreich führen. Edvard, der bisher noch nicht wirklich aus seinem Tal herausgekommen ist, macht sich ein wenig naiv auf die Suche nach Einar. Er lässt Hanna,  eine gute Freundin aus dem Tal, zurück und lernt auf den Shetlandinseln die reiche und weltgewandte Engländerin Gwendolin kennen. Auch sie hat ein Interesse an der alten Geschichte, denn ihr Großvater hatte mit Edvards Großonkel Einar wohl eine alte Rechnung offen. Obwohl sich Edvard und Gwen zu einander hingezogen fühlen, bleiben sie misstrauisch, weil sie nicht wissen, wie sie zueinander stehen werden, wenn alle Fakten offengelegt sind.


Was als zeitgenössische Erzählung aus den Wäldern Norwegens beginnt, entpuppt sich als großangelegte Familiensaga, die das ganze 20. Jahrhundert und gravierende Meilensteine der Geschichte umfasst.


Toll gemacht, spannend wir ein Krimi. Eine klare Leseempfehlung!


Lars Mytting ist Journalist und Verleger, derselbe Jahrgang wie seine Hauptfigur Edvard (1968), lebte selbst auf einem norwegischen Bauernhof und hat jede Menge Erfahrung mit Holz. Nach „Der Mann und das Holz. Vom Fällen, Hacken und Feuermachen“ ist „Die Birken wissen’s noch“ sein zweites Buch, in dem die Holzverarbeitung einen großen Stellenwert einnimmt.

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