Mit 224 Seiten ist das Philosophenschiff ein relativ dünnes Büchlein. So schmale Bücher sind oft besonders gehaltvoll, finde ich. Auch weil die Handlung komprimiert werden muss und man etwas auf wenigen Seiten erzählt bekommt. Ich hatte recht hochfliegende Vorstellungen vom Inhalt des Buches. Der Titel klang einfach zu vielversprechend. So ganz wurde die Geschichte aber meinen Hoffnungen nicht gerecht.
Gefallen hat mir grundlegend die Idee, dem neugierigen Leser von diesen Schiffen zu erzählen, die es ja wirklich gegeben hat. Die Russen wollten ihre ungeliebte intellektuelle Elite loswerden. Und die Betroffenen, die auf das Schiff verfrachtet wurden, sind voller Angst und Unsicherheit, weil sie nicht wissen, was mit ihnen geschehen wird. Schon damals spielte das russische Regime mit unfairen Mitteln, um diejenigen in Schrecken zu versetzen, die eine potentielle Bedrohung darstellten. Auf dem Schiff ist ein junges Mädchen, aus dessen Sicht der Plot erzählt wird. Die Parallelen zum Heute und zu Putin sind plakativ und erschreckend. (Vor allem, da in den Lesezeitraum der Tod von Navalnj gefallen ist.)
Nicht gefallen hat mir das eher schleppende Erzähltempo. Es gibt tatsächlich Längen in diesem dünnen Büchlein. Außerdem spielt der Autor von Anfang an damit, dass alles wahr oder einfach gut erlogen sein könnte und seine Erzählerin ändert immer wieder mal ihre Geschichte. Aber bis zum Schluss weiß man nicht, wo die Wahrheit liegt und da es kein Nachwort gibt kann ich nur annehmen, dass alles frei erfunden ist. Auch störte mich, dass am Ende Lenin einen Auftritt hat und damit driftet die ganze Geschichte ins Utopische ab und ein realerer Hintergrund hätte mir doch besser gefallen. Ich konnte auch keinen emotionalen Kontakt zu den Personen aufbauen.
Für mich war das Buch eine Parabel darauf, dass sich nichts geändert hat, wenn man nach Russland und auf ähnliche totalitäre Regime blickt. Sicherlich eine richtige Feststellung die man trotzdem gerne spannender hätte in Szene setzen dürfen. Und meine Erwartungen auf ein paar philosophische Dispute und hintersinnige Dialoge wurden auch nicht erfüllt.