Bewertung zu "Das Rauschen in unseren Köpfen" von Svenja Gräfen
So ein hübsches kleines Buch. Es liegt gut in der Hand, wird durch ein sich küssendes Paar geschmückt und, oho, erzählt eine Liebesgeschichte. Svenja Gräfen führt uns nach Berlin, setzt uns dort in einer hübschen Altbauwohnung aus und stellt uns einigen mehr oder minder studentischen Gestalten vor. Das könnte langweilig, für den einen oder anderen vielleicht auch zu alltäglich sein, aber zum Glück kann Frau Gräfen schreiben.
Lene lernt Henrik kennen. Sie liebt seine Locken und Wollpullis, beide berauschen sich an Berliner Nächten und vor allem aneinander. Jedes Wetter fühlt sich plötzlich nach Sommer an, aus entlegensten Zutaten werden gastronomische Erlebnisse. Zu Lenes und Henriks romantischem Erzählstrang gesellen sich bald jene der Zeit, die ihrem buchstäblichen Ineinanderlaufen in Berlin vorausgeht. Organisch, traurig und logisch fühlt es sich an, wenn nach und nach das Leben vor dem Wir an Bedeutung gewinnt.
„Henrik kratzt mit dem Messer das Marmeladenglas aus; was für ein banaler Moment, denke ich, was für eine furchtbar banale Handlung.“ Genau mit dieser Banalität kokettiert Das Rauschen in unseren Köpfen: Das Geräusch des Messers im Marmeladenglas, eine gesellig verrauchte Küche, ein Glas, in dem Oliven schwimmen – Svenja Gräfen fotografiert sprachlich die Sinneseindrücke ihrer Figuren und lässt den Lesenden mitschmecken, -riechen, -hören und -fühlen. Diese Bilder führen dazu, dass es schwer fällt, das Büchlein nicht in einem Rutsch zu verschlingen.
Das Lesen mit allen Sinnen macht auch vor den schlimmen Tagen nicht halt: Letzte Zigaretten, die im Morgengrauen zur Übelkeit führen, und pappiges Toastbrot lassen leider den Lauf, den die Geschichte von Henrik und Lene nimmt, vorausahnen. „Über meinen Augen lag ein Schleier, als wäre ich kurzsichtig geworden, ich erkannte die Dinge nicht mehr richtig.“ Das, was Lene nicht sehen kann oder will, wird jedoch nie vollends determiniert, beim Namen benannt – eine weitere Stärke des kleinen Romans.
„Sobald man dem Ding einen Namen gibt, bekommt es ja eine andere Dimension“, sagte Svenja Gräfen, die ebenso wie ihre Figuren in ihren Zwanzigern ist und in Berlin wohnt, im April in einem Interview mit jetzt.de. Diese rauschige Sicht auf traumatische Ereignisse, die sich in die Liebes- und Lebensgeschichten mischen, ähnelt einem Votum für emotionales statt kognitives Schreiben und Lesen. Das Rauschen in unseren Köpfen wimmelt vielleicht nicht vor großen und innovativen Gedanken, lässt aber die der Lesenden zu. Beim nächsten Besuch im Buchladen einfach mal mitnehmen.